Laien in kirchlichen Leitungsämtern. Eine Skizze der kirchenrechtlichen Neuerungen durch Papst Franziskus

Von Daniel Tibi. ORCID logo

DOI: 10.25365/phaidra.556

Eigentlich ist es eine Sensation, in der Öffentlichkeit aber kaum rezipiert: Am 18. Mai 2022 hat Papst Franziskus die Möglichkeit geschaffen, dass Laien Obere in klerikalen Religioseninstituten werden können. Ein Merkmal klerikaler Institute ist nach c. 588 § 2 CIC, dass sie unter der Leitung von Klerikern stehen. Laien war damit bisher das Amt eines Oberen in diesen Instituten verwehrt. Zwar gab es auch vorher schon in begründeten Ausnahmefällen mit päpstlicher Genehmigung Laien im Amt eines Oberen in klerikalen Instituten. Das Neue ist, dass nunmehr keine Dispens durch den Papst selbst erforderlich ist. Soll ein Laie Lokaloberer, d. h. Oberer einer unselbstständigen Niederlassung werden, kann der zuständige höhere Obere des Instituts mit Zustimmung seines Rates diesen Religiosen selbst in das Amt einsetzen. Soll ein Laie höherer Oberer, d. h. Oberer einer rechtlich selbstständigen Niederlassung, einer Provinz oder eines ganzen Instituts werden, kann das Dikasterium für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens von der Bestimmung des c. 588 § 2 CIC dispensieren, dass der Obere Kleriker sein muss. In der Praxis sind solche Dispensen bereits erteilt worden. So wurde beispielsweise im Juli 2022, also wenige Wochen nach Erlass des Reskripts, ein Laienmitglied der Kongregation vom Heiligen Kreuz zum Generaloberen des Instituts gewählt. Die erforderliche Genehmigung für die Übernahme des Amtes hat das Dikasterium für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens erteilt. Die Forderung, dass auch Laien in klerikalen Instituten Obere werden können, kam bereits vor etwa sechs Jahrzehnten auf, insbesondere von benediktinischen Instituten und aus der franziskanischen Ordensfamilie, die von ihrem Ursprung her Laienbewegungen waren und erst im Laufe ihrer Geschichte klerikalisiert wurden. Mit seinem Reskript hat Papst Franziskus einen wichtigen Schritt zur Gleichstellung der Laien- und Klerikermitglieder in klerikalen Religioseninstituten getan. Ein letzter Schritt fehlt allerdings noch: Laien im Amt eines höheren Oberen sind, im Gegensatz zu Klerikern, keine Ordinarien, so hat es das Dikasterium für die Gesetzestexte in einem Schreiben vom 10. August 2022 klargestellt. Ordinarien kommen gegenüber den Mitgliedern eines Instituts bestimmte Vollmachten zu, wie beispielsweise die Beauftragung zum Lektor und Akolyth, die Erteilung bestimmter Dispensen sowie bestimmte Zuständigkeiten im Bereich des Vermögens- und Strafrechts. Im Falle eines Laien im Oberenamt ist die Funktion des Ordinarius einem Klerikermitglied des Instituts den Bestimmungen des Eigenrechts entsprechend zu übertragen, beispielsweise dem Stellvertreter. Dieses Beispiel aus dem Ordensrecht ist nur ein Bereich, in dem Papst Franziskus die Ausübung von kirchlicher Leitungsgewalt durch Laien in einem gewissen Umfang ermöglicht hat.

Durch diverse Rechtsänderungen hat Papst Franziskus die Ausübung kirchlicher Leitungsgewalt durch Laien in verschiedenen Bereichen ermöglicht.

Ausübung kirchlicher Leitungsgewalt durch Laien

Was ist die grundsätzliche Problematik hinter der Ausübung von Leitungsgewalt durch Laien? Ein Blick in die Kirchengeschichte zeigt, dass in der Vergangenheit auch Laien kirchliche Leitungsgewalt ausgeübt haben. Äbtissinnen beispielsweise konnten auch ohne Weihegewalt zu besitzen Leitungsgewalt ausüben. Ein weniger rühmliches Beispiel aus der Kirchengeschichte sind weltliche Fürsten im Amt eines Bischofs, die dieses Amt bekleideten, ohne eine sakramentale Weihe empfangen zu haben, und so in ihrer Diözese Leitungsgewalt ausübten ohne Weihegewalt zu haben, die sie durch Weihbischöfe ausüben ließen. Nach dem Codex Iuris Canonici von 1917 konnten nur Kleriker kirchliche Leitungsgewalt erhalten: „Soli clerici possunt potestatem sive ordinis sive iurisdictionis ecclesiasticae […] obtinere“ (c. 118 CIC/1917), wobei im Vorgängercodex der Klerikerbegriff weiter gefasst war als im geltenden allgemeinen Kirchenrecht. Nach c. 108 CIC/1917 führte bereits der Empfang der Tonsur zur Zugehörigkeit zum Klerikerstand. Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde die Frage thematisiert, ob und in welchem Umfang Laien kirchliche Leitungsgewalt ausüben können. Die Ansichten zu dieser Frage lassen sich in zwei Modelle einteilen: Das erste Modell gründet in der Lehre von der sacra potestas, die das Zweite Vatikanische Konzil grundsätzlich übernommen (vgl. insb. Lumen gentium 18), jedoch theologisch nicht vollständig ausgearbeitet hat. Diese Lehre geht von der Einheit der Weihegewalt und der Leitungsgewalt aus: „In Lumen Gentium wird der gesamte Dienst der geweihten Amtsträger unter sakramentalen Vorzeichen gesehen und die scharfe Differenzierung zwischen der potestas ordinis und der potestas iurisdictionis wird hinfällig. […] Die veränderte theologische Gewichtung in Lumen Gentium lässt somit zu, von einer heiligen Vollmacht zu sprechen“ (Bihl 2018, S. 290). Weihegewalt wird mit der sakramentalen Weihe übertragen und beinhaltet insbesondere geistliche Vollmachten wie die Sakramentenspendung. Leitungsgewalt wird mit der Einsetzung in ein Amt übertragen und beinhaltet kirchliche gesetzgebende, ausführende und/oder richterliche Gewalt. Aufgrund des geistlichen Wesens der Kirche, so das erste Modell, bedeutet Übertragung kirchlicher Leitungsgewalt nicht einfach die Übertragung von Leitungsgewalt durch die Gemeinschaft an eine qualifizierte Person, wie es im Staat der Fall ist. Vielmehr ist kirchliche Leitungsgewalt Ausübung der Gewalt, die Christus der Kirche übertragen hat. Wer Leitungsgewalt ausübt, handelt im Namen Christi und der Kirche – und das können nur geweihte Personen. Das zweite Modell sieht Weihegewalt und Leitungsgewalt als grundsätzlich getrennt an und insbesondere beim Papst und bei den Bischöfen in einer Person vereint. Papst und Bischöfe können Leitungsgewalt für Ämter, die nicht zwangsläufig Weihegewalt erfordern, an eine persönlich und fachlich qualifizierte Person ihrer Wahl übertragen, die nicht zwangsläufig geweiht sein muss. Nach diesem Modell stünden Laien Leitungsämter im kirchlichen Verwaltungs- und Gerichtsbereich offen.

Das geltende allgemeine Kirchenrecht spiegelt das erste Modell wider. Als Grundsatz legt c. 129 § 1 CIC fest: „Zur Übernahme von Leitungsgewalt, die es aufgrund göttlicher Einsetzung in der Kirche gibt und die auch Jurisdiktionsgewalt genannt wird, sind nach Maßgabe der Rechtsvorschriften diejenigen befähigt, die die heilige Weihe empfangen haben.“ Danach sind nur Diakone, Priester und Bischöfe (vgl. c. 1009 § 1 CIC) für die Leitungsgewalt in der Kirche befähigt, und nach c. 274 § 1 CIC können allein Kleriker Ämter erhalten, zu deren Ausübung Weihegewalt oder kirchliche Leitungsgewalt erforderlich ist. Darin zeigt sich eine gewisse Inkonsistenz im geltenden Kirchenrecht. Dass allein Kleriker kirchliche Leitungsgewalt ausüben können, liegt in der Verfassung der Kirche begründet. Ausübung kirchlicher Leitungsgewalt ist die Ausübung von Leitungsgewalt im Namen Christi und der Kirche, die Christus den Aposteln übertragen hat. In der Person Christi des Hauptes handeln nach c. 1009 § 3 CIC aber nur Bischöfe und Priester, nicht jedoch Diakone. Die ungeklärte Frage ist: Warum kann ein Diakon, der Kleriker ist, aber nicht in der Person Christi des Hauptes handelt, kirchliche Leitungsgewalt ausüben, während Laien, die ebenfalls nicht in der Person Christi des Hauptes handeln, diese nicht ausüben können? Laien können, so legt es c. 129 § 2 CIC fest, bei der Ausübung kirchlicher Leitungsgewalt nach Maßgabe des Rechtes mitwirken. Was diese Mitwirkungsmöglichkeit genau bedeutet, „bleibt im Dunkeln. Geht es um ideelle Unterstützung, um Zu- und Assistenzarbeiten bei klerikaler Gewaltausübung oder um selbständige und eigenverantwortete Mitarbeit an kirchlichen Zielen?“ (Hahn 2020, S. 266). Da die sacra-potestas-Lehre weiterer theologischer Reflexion bedarf, ist verständlich, dass eine darauf aufbauende rechtliche Norm unscharf bleibt. Jedenfalls sind geeignete Laien rechtlich befähigt, „von den geistlichen Hirten für jene kirchlichen Ämter und Aufgaben herangezogen zu werden, die sie gemäß den Rechtsvorschriften wahrzunehmen vermögen“ (c. 228 § 1 CIC). Eine genauere Bestimmung, um welche Ämter es sich dabei handelt, findet sich im geltenden allgemeinen Kirchenrecht nicht, was dem Partikularrecht Möglichkeiten eröffnet, solche Ämter zu schaffen. Grundlage ist stets eine Beauftragung eines Laien durch Papst oder Bischof, sei es im Einzelfall oder sei es durch allgemeines oder partikulares Kirchenrecht. „Da Laien immer im Rahmen einer kirchlichen Sendung (missio canonica) aufgrund der Beauftragung durch die zuständige kirchliche Autorität (Papst oder Bischof) an der kirchlichen Leitungsvollmacht teilhaben, wird man die Position einnehmen können, dass die Verbindung zur Sacra potestas-Lehre durch eben diese kirchenamtliche Beauftragung immer gewahrt bleibt“ (Pulte 2022, S. 2–3). Nach dieser Sichtweise ist der eigentliche Inhaber der Leitungsgewalt der Papst oder der Bischof, der einen Laien bevollmächtigt, diese Gewalt in seinem Namen auszuüben. Theologisch zu überdenken bleibt, ob ein Laie in einem solchen Fall auch Anteil an der Leitungsgewalt erhält.

Das geltende Kirchenrecht sieht verschiedene Bereiche vor, in denen Laien kirchliche Leitungsgewalt ausüben können.

Laien als kirchliche Richter

Konsequent setzt der Codex Iuris Canonici von 1983 die sacra-potestas-Lehre nicht um. Bereits seit Inkrafttreten dieses kirchlichen Gesetzbuches können Laien in bestimmten Fällen als kirchliche Richter tätig werden. Nach c. 1421 § 2 CIC kann mit Erlaubnis der Bischofskonferenz in einem Dreierkollegium eines kirchlichen Gerichts einer der drei Richter ein fachkundiger Laie sein. Die Österreichische Bischofskonferenz hat diese Erlaubnis mit ihrem Dekret über Laienrichter (in: Abl. ÖBK 1/1984, S. 7) erteilt, die Deutsche Bischofskonferenz mit ihrer Partikularnorm Nr. 20 vom 05.10.1995. Ein Laie im Richteramt übt kirchliche Leitungsgewalt aus. Zur Rechtfertigung dieser Regelung wird angeführt, dass der Laienrichter die Kleriker nicht überstimmen kann. Das ist richtig, doch kann umgekehrt betrachtet das Votum des Laien den Ausschlag gegen, wenn die beiden Kleriker verschiedener Meinung sind.

„Ausübung kirchlicher Leitungsgewalt ist die Ausübung von Leitungsgewalt im Namen Christi und der Kirche, die Christus den Aposteln übertragen hat.“

Rechtsänderungen durch Papst Franziskus

Papst Franziskus hat im Jahr 2015 durch das Apostolische Schreiben Mitis Iudex speziell für kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren, die den mit Abstand größten Teil der kirchlichen Gerichtsverfahren ausmachen, aus praktischer Notwendigkeit die Möglichkeit geschaffen, dass sogar zwei der drei Richter Laien sein dürfen. Lediglich der vorsitzende Richter muss Kleriker sein. So kann bei der gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit einer Ehe das Votum eines Laien nicht nur den Ausschlag geben, die zwei Laienrichter können den Kleriker nunmehr sogar überstimmen.

Eine weitere Möglichkeit, Laien kirchliche Leitungsämter zu übertragen, hat Papst Franziskus in der Apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium über die Römische Kurie vom 19. März 2022 geschaffen. In den Grundsätzen und Kriterien für den Dienst an der Römischen Kurie wird darin festgehalten: „Jede kuriale Einrichtung erfüllt ihren eigenen Auftrag kraft der Vollmacht, die sie vom Papst erhalten hat, in dessen Namen sie mit stellvertretender Gewalt in der Ausübung des primazialen Amtes handelt“ (Nr. II,5 PE). Ämter mit Leitungsgewalt an der Römischen Kurie sind die Präfekten (Leiter) der Einrichtungen sowie die Sekretäre und Untersekretäre. Die Offiziale bereiten Entscheidungen vor, ihnen kommt aber selbst keine Leitungsgewalt zu. Da die Leitungsgewalt, die die Mitarbeiter der Römischen Kurie ausüben, vom Papst übertragene stellvertretende Leitungsgewalt ist, können auch Laien diese Leitungsgewalt ausüben – und damit sogar, wenn im Einzelfall wie für die Apostolische Signatur (vgl. Art. 195 § 1 PE) und den Wirtschaftsrat (vgl. Art. 206 § 2 PE) nichts anderes bestimmt ist, das Amt eines Präfekten bekleiden: „Aus diesem Grund kann jeder Gläubige einem Dikasterium oder einem Organ abhängig von deren besonderer Zuständigkeit, Leitungsgewalt und Aufgabe vorstehen“ (Nr. II,5 PE). Die Apostolische Konstitution Pastor Bonus über die Römische Kurie aus dem Jahr 1988, die bis zum Inkrafttreten von Predicate Evangelium in Geltung war, hatte hingegen bestimmt, „daß alles, was die Ausübung von Leitungsvollmacht erfordert, denjenigen vorbehalten ist, welche die heilige Weihe empfangen haben“ (Art. 7 PB). Predicate Evangelium eröffnet Laien somit den Zugang zu Leitungsämtern, der ihnen bisher verwehrt war. Ob Päpste künftig Laien in Leitungsfunktionen einsetzen werden, bleibt abzuwarten.

Papst Franziskus hat Leitungsämter an Einrichtungen der römischen Kurie für Laien geöffnet.

Laien in Leitungsämtern auf diözesaner Ebene

Die Regelungen in Predicate Evangelium können Vorbild sein für die Organisation der bischöflichen Kurie. Der Generalvikar als Leiter der bischöflichen Verwaltung und der Offizial als Vorsteher des bischöflichen Gerichts müssen nach den Bestimmungen des allgemeinen Kirchenrechts Priester sein (vgl. c. 478 § 1 und c. 1420 § 4 CIC). Im Rahmen, den das allgemeine Recht vorgibt, steht es den Bischöfen frei, ihre bischöfliche Kurie nach eigenem Ermessen zu organisieren. So können sie Leitungsämter schaffen, die auch mit Laien besetzt werden können, die Leitungsgewalt im Auftrag des Bischofs ausüben. In Deutschland haben beispielsweise das Erzbistum München-Freising und das Bistum Eichstätt in je unterschiedlicher Ausgestaltung das Amt eines Amtschefs geschaffen, der zusammen mit dem Generalvikar die bischöfliche Verwaltung leitet. In beiden Bistümern sind die Ämter des Amtschefs seit 2020 mit Laien besetzt. Weitere deutsche Bistümer haben in teilweise unterschiedlicher Ausgestaltung ähnliche Ämter geschaffen. In Österreich hat bisher keine Diözese einen solchen Weg beschritten.

Die Erzdiözese München-Freising hat das Amt eines Amtschefs geschaffen, der zusammen mit dem Generalvikar die bischöfliche Verwaltung leitet. Das Amt des Amtschefs ist dort seit 2020 mit einem Laien besetzt.

Ausblick

Die Möglichkeiten, die Papst Franziskus eröffnet hat, Laien kirchliche Leitungsgewalt zu übertragen, sind beachtlich. Bei Ehenichtigkeitsverfahren können zwei der drei Richter eines Richterkollegiums Laien sein. Leitungsämter an der Römischen Kurie, das Amt des Präfekten eines Dikasteriums grundsätzlich nicht ausgenommen, können mit Laien besetzt werden. In klerikalen Religioseninstituten können mit Genehmigung des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens auch Laien Oberenämter bekleiden. Dabei ist Papst Franziskus den Weg der Praxis gegangen, d. h. er hat die kirchenrechtlichen Bestimmungen angepasst, ohne die Änderungen jedoch theologisch zu untermauern. Ausübung von Leitungsgewalt in der Kirche ist etwas qualitativ anderes als Ausübung von Leitungsgewalt im Staat. Was noch aussteht, ist eine tiefergehende theologische Reflexion der Thematik, um die Möglichkeit der Übertragung von kirchlicher Leitungsgewalt an Laien auf ein sicheres Fundament zu stellen und möglicherweise noch auszuweiten.

Literatur

Matthias Ambros: „Die Teilhabe von Laien an der päpstlichen Primatialgewalt. Ein Blick auf die Kurienreform durch die Apostolische Konstitution Praedicate Evangelium“, in: NomoKanon (30.07.2022), DOI: 10.5282/ nomokanon/215.

John P. Beal: „The Exercise of the Power of Governance by Lay People. State of the Question“, in: The Jurist 55 (1995), S. 1–92.

Benjamin Bihl: „Weihe und Jurisdiktion. Wiederauflage eines klassischen theologi-schen Problems unter neuen Vorzeichen“, in: Münchener Theologische Zeitschrift 69 (2018), S. 288–304.

Judith Hahn: „Potestas incerta. Das Ambi-guitätsproblem des Laienleitungsrechts“, in: Wer entscheidet, wer was entscheidet? Zum Re-formbedarf kirchlicher Führungspraxis, hrsg. v. Benedikt Jürgens / Matthias Sellmann (Quaestiones disputatae 312), Freiburg i. Br. / Basel / Wien, 2020, S. 259–273, DOI: 10.15496/publikation-81233.

Maximilian Mattner: „Amtschefs und Verwal-tungsdirektoren. Vergleich neuerer Diözesan-gesetze zur Kurienorganisation in Hinblick auf Compliance und Gewaltenteilung“, in: Zeit-schrift für Kanonisches Recht 2 (2023), DOI: 10.17879/zkr-2023-5193.

Rosel Oehmen-Vieregge: „Sacra potestas. Ein Schlüsselbegriff des Zweiten Vatikanischen Konzils?“, in: Theologische Quartalschrift 197 (2017), S. 337–358, DOI: 10.14623/thq.2017.4. 337-358.

Matthias Pulte: „Leitungsämter für Laien. Das Ende der Potestas-Doktrin des 2. Vatikani-schen Konzils?“, in: NomoKanon (25.10.2022), DOI: 10.5282/nomokanon/220.

Myriam Wijlens: „Die Partizipation von Laien an der Leitungsgewalt. Neue kirchenrechtliche Möglichkeiten erfordern eine theologische Reflexion“, in: Theologie der Gegenwart 65 (2022), S. 162–176.


Bildnachweis:
Titelbild: crysmyri / Pixabay
Bilder in Text: Daniel Tibi

Franziskus: „Creating a Culture of Safeguarding: Our biggest Future Challenge“

Von Florian Pichler. ORCID logo

Dies ist eine gekürzte Fassung des Beitrags für das Portal rechtundreligion.at. Der Beitrag ist in voller Länger unter dem DOI 10.25365/phaidra.433 abrufbar.

Ab 2010 erschüttern eine hohe Zahl an Berichten über sexuelle und geistliche Missbräuche in der Katholischen Kirche den deutschsprachigen Raum.1 Besonders (sexualisierte) Gewalt gegen Kindern und schutzbedürftigen Erwachsenen in kirchlichen Erziehungs- und Bildungsanstalten entrüsten Katholik:innen. Vereinfacht wird dabei mit dem allgemeinen Überbegriff vom „Missbrauch“ gesprochen. Das Statistik liebende Magazin KATAPULT veröffentlichte eine Gegenüberstellung, dass 2022 während der „525.600“ Minuten des Kalenderjahres „522.821“ deutsche Katholik:innen vor dem Rechtsstaat ihren Kirchenaustritt bekundet haben.2 Vielfach wird Vertrauensverlust aufgrund dieser Vorkommnisse als Austrittsmotiv angeführt.

Nicht nur jeder bekanntgewordene Fall von sexualisierter Gewalt, sondern auch jeder Austritt trifft die Gemeinschaft der Gläubigen mit Härte. In Österreich haben die Verantwortungsträger dabei bereits 2010 eindeutig Schuld anerkannt:

Dreieiniger Gott, Du hast unsere Mütter und Väter aus der Knechtschaft in die Freiheit geführt und sie die 10 Gebote eines guten Lebens gelehrt. […] Einige von uns haben genau dazu andere und sogar Kinder missbraucht [… ;] haben sie als Gelegenheiten zum Übergriff benutzt. [… ;] haben das Vertrauen von Kindern ausgenützt und zerstört. [… ;] haben sexuelle Gewalt angewendet. [… und] haben sich […] der Körper der Schwächsten bemächtigt. […].3

Kinderschutz ist göttliches Recht

Kanonistisch ist der Begriff des Missbrauchs jedoch unsachlich. Ein Missbrauch4 ist der willentliche falsche Gebrauch von zugestandenen Rechten. Jeder kirchenrechtlichen Bestimmung geht die Hl. Schrift voraus. Die Theologie die Präexistenz der Tora als Gesetz des Alten Bundes bekräftigt,5 so ist die Grundlage des Kindesschutzes im Alten Testament zu suchen. Nach dem ersten Heilshandeln Gottes an seinem Volk Israel, das er aus der Knechtschaft Ägypten herausgeführt hat6, bietet er Mose und den Gottestreuen einen Bund an.

„Mose stieg zu Gott [auf den Sinai] hinauf. Da rief ihm der Herr […] zu: Das sollst du […] den Israeliten verkünden: […] [….] Dann sprach Gott alle diese Worte [, offenbarte im Gesetz die zehn Gebote und darunter die Bestimmung]: [… 6. Gebot:] Du sollst nicht die Ehe brechen.“7

Ein „potenzielles Recht“ auf Ausübung von sexualisierter Gewalt gegenüber denen außerhalb (und innerhalb) der Ehe (KKK 1646 und KKK 1652), ist daher niemals mit dem göttlichen Gebot zu vereinbaren gewesen. Dennoch hat der Begriff aufgrund seines umfassenden Gebrauchs in dieser causa Eingang in den Rechtstext gefunden. Er ist bis heute in der Kanonistik zentral. Es besteht daher seit Anbeginn der geoffenbarten Glaubensquelle ein Rechtsgebot, welche sich gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen [und jede rechtsfähige8 Personen] richtet.9 Das Zuwiderhandeln gegen das sechste Gebot des Dekalogs ist ein Glaubensdelikt (delicta contra fidem necnon de delicta graviora).

Das geoffenbarte göttliche Gesetz, bildet durchgehend in der Kirchenrechtsgeschichte den theologischen Angelpunkt.10 Sachlich ist für die Ahndung der Delikte die II. Sektion des Dikasteriums für die Glaubenslehre als Organ zur Aufrechterhaltung des göttlichen Gebots und des daran ansetzenden kanonischen Rechts (Art. 70, 76 PE) zuständig. Sie agiert im Bedarfsfall als „Sondergerichtshof“ der Katholischen Kirche und wird „Disziplinarsektion“ genannt. Sie ist der Teilgewalt der Verwaltung zugeordnet. Die verfassungsrechtliche Grundlage für die Strafgewalt fußt in Art. 76 § 1 PE.

Art. 76 § 1: Die Sektion für die Disziplin befasst sich durch das Disziplinaramt mit den dem Dikasterium reservierten Straftaten[…].

Die betreffenden Delikte werden bemerkenswerterweise nicht im CIC oder im CCEO festgehalten, sondern sind als Normae 2021 außerkodikarisch festgelegt.11

Schwerwiegende von Klerikern begangene Delikte gegen das sechste Gebot gegen Minderjährige, die das 18. Lebensjahr nicht vollendet haben oder gegen Schutzbedürftige, die in ihrem habituellen Gebrauch der Vernunft eingeschränkt sind, werden in dieser Disziplinarsektion bearbeitet (vgl. Art. 6 Normae 2021).12 Papst Franziskus hat daran festgehalten, dass eine Verfehlung gegenüber den zu Schützenden nicht nur kirchenstrafrechtlich relevant, sondern primär ein Glaubensdelikt ist, welches sich gegen ein göttliches Gebot richtet und daher am Glaubensdikasterium angesiedelt ist.

Österreichs Teilkirchen folgen den universalrechtlichen Kinderschutzvorgaben

Diese Bestimmung hat weiters in Kombination mit der Aufforderung an die Ordinarien der einzelnen Teilkirchen (zumeist Diözesen), partikularrechtliche Schutznormen zum Schutz vor Delikten gemäß der Normae 2021 und insb. Art. 6 leg. cit. zu erlassen.13

„Auch wenn das Dokument sich an die Bischofskonferenzen richtet, so stellt der erste Satz des Schreibens deutlich dar, dass es zu den „wichtigen Verantwortlichkeiten des Diözesanbischofs im Hinblick auf die Sicherung des Gemeinwohls der Gläubigen und insbesondere auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen gehört […], auf eventuelle Fälle sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker in seiner Diözese angemessen zu reagieren.“ Das Schreiben fordert daher die Bischöfe in den Bischofskonferenzen auf, sich gegenseitig bei der Erarbeitung des Partikularrechts zu unterstützen. Da es aber in der Verantwortung des einzelnen Ordinarius verbleibt, wird der Bischofskonferenz kein Mandat für die Gesetzgebung übertragen.“14

Dieser Aufforderung kommen die elf österreichischen Gesetzgeber in ihren Teilkirchen seit 2011 beständig nach. Zuletzt wurde 2021 die dritte Fassung der Rahmenordnung „Die Wahrheit wird Euch freimachen“ als Partikulargesetz iSv c. 455 § 4 CIC erlassen. Die Rahmenordnung trat mit 1. September 2021 in Kraft.15 Abschnitt C.1 RO 21/§ 1 VerfO 21 regelt dabei den örtlichen und sachlichen Geltungsbereich festgelegt.

Sachlich ist der jeweilige Diözesanbischof verantwortlich und zuständig, das erlassene Partikularrecht in seiner Diözese umzusetzen. […]“. Örtlich ist der jeweilige Diözesanbischof, also der Vorstand der Teilkirche, für die Verfolgung von „Handlungen von sexuellen Missbrauch und/oder Gewaltanwendung, die durch die Kleriker, Ordensleute oder haupt- und ehrenamtlichen […] Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter von Einrichtungen der römisch-katholischen Kirche […] gegenüber Minderjährigen bzw. schutzbedürftigen Erwachsenen verübt werden“ zuständig, auf dessen Gebiet die Tat begangen wurde. […].16

Gemäß C.1.1/§ 2 VerfO wird zwischen physischer, psychischer und sexueller Gewalt und dem Missbrauch unterschieden. „Unter sexuellem Missbrauch werden jedenfalls jene Handlungen verstanden, die in Art. 6 § 1 Normae umschrieben sind. […]. Unter [einer] Gewaltanwendung wird ein körperlicher Angriff, die Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten verstanden.“ „Minderjährige sind sowohl nach österreichischem staatlichem Recht als auch nach katholischem Kirchenrecht Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.“17 Das Partikularrecht der österreichischen Teilkirchen stellt nicht nur die Delikte gemäß Art. 6 Normae 2021, sondern auch eine Vielzahl weiterer relevanter Verhaltensweisen und Taten ihrer Verpflichteten unter Strafe.

„Kinderschutz ist Chefsache“

2014 hat Papst Franziskus die päpstliche Kinderschutzkommission eingerichtet. Damit hat er primär ein beratendes Expert:innengremium gegründet, welches er auch rechtlich in die Römische Kurie integriert hat. Art 78 PE verankert diese als Teil des Dikasteriums für die Glaubenslehre. „Die Kommission sei im Dikasterium für die Glaubenslehre eingerichtet worden, um sich mit sexuellem Missbrauch durch Mitglieder des Klerus zu befassen, so Franziskus.“18 Der Blick in die organisatorische Verfassung der Kurie macht dies deutlich:

Art. 78 § 1. Die Päpstliche Kommission für den Schutz der Minderjährigen, die im Dikasterium eingerichtet ist, hat die Aufgabe, den Papst zu beraten und geeignete Initiativen zum Schutz der Minderjährigen und schutzbedürftiger Personen vorzuschlagen.

§ 2. Die Päpstliche Kommission unterstützt die Diözesan-/ Eparchialbischöfe, die Bischofskonferenzen […] mit Hilfe von Leitlinien […] und geeigneter Verfahren, um Minderjährige und schutzbedürftige Personen vor sexuellem Missbrauch zu schützen […].

§ 3. Die Mitglieder der Päpstlichen Kommission werden vom Papst […] ernannt und aus [… einem] Kreis […] ausgewählt, […der] sich durch Wissenschaft, erwiesene Befähigung und pastorale Erfahrung auszeichnen. § 4. […]

Gemäß § Art. 78 (5) PE liegt der Arbeit als Ausführungsbestimmung ein Rechtsdokument nach Art der Regolamenta zugrunde.19 Das ist eine päpstlich genehmigte Geschäftsordnung.

Ein anderer „eiliger Vater“

Legistisch lassen sich seit dem Pontifikatsbeginn20 (13.03.2023) bei Rhode 127 (Stichtag 17.06.2023) Gesetzesgebungsakte („Norme extra-codiciali vigenti Chiesa latina“) durch den Papst oder in seinem Auftrag nachweisen. Viele erließ der Papst in Form eines Motu proprio selbst. Mindestens 6 haben davon unmittelbar mit dem Schutz vor Missbrauch und Gewalt zu tun.21 Eine Vielzahl von mittelbaren Entscheidungen – wie etwa die Kurienreform durch die AK PE – wirkt sich darauf aus.22

Unterstützend versucht beispielsweise die II. Sektion des Dikasteriums für die Glaubenslehre dem durch ein Vademecum inklusive einer verfahrensrechtlich-relevanten Tabelle für Ordinarien diese am laufenden Stand zu halten. 23 Sie kommt dabei ihrer Aufgabe nach Art. 78 (3) PE nach. Papst Franziskus selbst sieht seine Gesetzgebungakte als eine anlassbezogene, auf Erfahrungswerten aufbauende Gesetzgebung und Rechtsentwicklung an. Er scheut nicht davor, (Teil-)novellen zu promulgieren. Franziskus selbst sieht diesen Gesetzgebungsprozess als einen induktiven Prozess. Der Hl. Vater betont dabei:

Als Hilfsmittel erlaube ich mir, euch einige wichtige Kriterien mitzugeben, die von den verschiedenen Kommissionen und Bischofskonferenzen erarbeitet wurden – sie stammen von euch, ich habe sie ein wenig zusammengestellt.24

Die einzelnen Bischöfe, die Rahmenordnungen gegen Missbrauch und Gewalt zu erlassen haben, sind nicht nur mit den schnellen Änderungen des universalen Rechts konfrontiert, sondern auch mit den notwendigen Änderungen im betreffenden Partikularrecht, welchem entweder durch das universale Recht derogiert wird oder an das novellierte universale Recht anzupassen ist.

Es ist uns bewusst, dass die Bemühungen um Schutz vor Gewalt und Missbrauch niemals als abgeschlossen betrachtet werden können.25

Das beständige Recht wird dabei in einem Modus vivendi wie bei einem Code of Conduct eingesetzt. Kurzlebigkeit, legistische und sprachliche Ungenauigkeiten und unübersichtliche Novellierungen prägen dabei die Rechtskultur. Ob dies für den universellen Geltungsbereich der Gesamtkirche der bestmögliche Modus operandi ist, darf kritisch hinterfragt werden.

Anmerkungen

1 Vgl. beispielsweise zu Deutschland https://www.katholisch.de/thema/563-missbrauch#. Das Titelzitat wurde dem Schreiben des Papstes zur Veröffentlichung der Geschäftsordnung der päpstlichen Kinderschutzkommission Comunicato della Pontificia Commissione per la Tutela dei Minori, vom 17.02.2018, online unter https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2018/02/17/0137/00280.html#ing [Abruf: 14.08.2023] entnommen.

2 KATAPULT, Instagram-Post vom 29.06.2023 [Abruf: 14.08.2023]. Katapult beruft sich dabei auf eine Veröffentlichung von zdf.de.

3 Gebet und Schuldbekenntnis von Christoph Kardinal Schönborn beim Bußgottesdienst am 31.03.2010. Es ist als paränetische Invocatio Dei der Rahmenordnung idgF ab 01.11.2021 vorangestellt. Vgl. Amtsblatt der Österr. Bischofskonferenz Nr. 2021/85.

4 Vgl. zum Begriff Pree, Allgemein Normen (1983), 20 in Bezug auf den Missbrauch von Freiheitsrechten.

5 Wenn die Thora als geoffenbartes Gesetz theologisch als Präexistent angesehen wird, so ist die theologische Aussage zulässig, dass der Schutz vor sexualisierter Gewalt von Gott bereits vor der Offenbarung des Gesetzes grundgelegt ist, durch das sechste Gebot jedoch den Menschen erstmals geoffenbart wurde.

6 Ex 1–15.

7 Ex 19,3–20,21 in Auszügen.

8 Die gesellschaftlichen und rechtlichen Entwicklungen seit dieser Zeit sind zu berücksichtigen. Unter einer rechtsfähigen Person ist eine Person mit der Fähigkeit Träger von Rechten und Pflichten zu sein zu verstehen..

9 Vgl. auch KKK 1704.

10 Es ist jedoch nicht die erste kanonistische Bestimmung zum Schutz vor Missbrauch und Gewalt. Als universalrechtliche Quellen sind die Rechtsdokumente Crimen Sollicitis (CS) 1922 und 1962 zu beachten. 2001 erließ Johannes Paul II. das Motu proprio Sacramentorum sanctitatis tutela (SST 2001) und damit verbundene unveröffentlichte Normae 2001. Diese Normae verändert er 2004 (Normae 2001 idF 2004). 2010 werden die Normae nach SST 2001 von Benedikt XVI. (2005–2013) durch das gleichlautente Motu proprio Sacramentorum sanctitatis tutela 2010 (SST 2010) präzisiert. Nun werden mit SST 2010 die Normae 2010 (bzw. Normae 2001 idF 2010) veröffentlicht. Franziskus beginnt 2019 intensiv die Normae idF 2010 abzuändern. Den Auftakt setzt das MP Vos estis lux mundi (VELM 2019) zum Schutz der Minderjährigen. 2021 werden die Normae 2021 neu promulgiert. Ein erneuertes MP VELM 2023 schließt daran an. Vgl. zur kirchlichen Rechtsgeschichte der Schutzbestimmung Beal, The 1962 Instruction Crimen sollicitationis. Caught red-handed or handed a red herring?, in: Studia canonica 41 (2007), 199–236. Vgl. Zur Rechtsgeschichte und Legistik einerseits die Datenbank von Rhode, der verdienstvoll die außerkodikarischen Normen sammelt unter https://www.iuscangreg.it/diritto_universale.php [Abruf 14.08.2023] und die Erläuterungen unter Pichler, Geistliche Amtsverschwiegenheit und Beichtgeheimnis im Kirchenrecht sowie im österreichischen und deutschen Religionsrecht (unveröffentlichte Dissertation 2023).

11 Vgl. hierzu die Promulgation der Normae 21 als MP online unter https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2021/12/07/0825/01733.html [Abruf: 14.08.2023]. Innerhalb der beiden universalrechtlichen Rechtsmaterien (CIC und CCEO) verweist trotz jüngster Strafrechtsreform von 2022 beispielsweise nur eine Bestimmung (bsp. c. 1395 § 1–3 CIC) auf die Delikte Contra sextum. Warum dabei die Normae 2021 nicht in das novellierte kanonische Strafrecht integriert wurden, bleibt unklar. Es hebt jedoch die Eigenständigkeit der Disziplinarsektion hervor, die durch die Normae 2021 nicht nur materielles Strafrecht, sondern auch ein eigenes Prozessrecht für Verwaltungsverfahren in dieser Sektion erhalten hat.“

12 Dies ist eine paraphrasierende Übersetzung des Verfassers. Die Zuständigkeit des Dikasteriums in einem Contra-sextum-Fall ist leicht anhand von zwei Leitfragen zu erkennen: 1) Ist der potentielle Täter Kleriker? 2) Ist das potenzielle Opfer unter 18 Jahre und daher im Sinne des kanonischen Rechts minderjährig oder ein (möglicherweise über 18-jähriger erwachsener) Mensch, der schutzbedürftig ist, weil er in seinem habituellen Vernunftgebrauch eingeschränkt ist. Nur wenn beide Fragen positiv zu beantworten sind, ist die sachliche Zuständigkeit der Zweiten Sektion in diesen Fällen gegeben.

13 Vgl. zur Pflicht Kongregation für die Glaubenslehre, Rundschreiben, um den Bischofskonferenzen zu helfen, Leitlinien für die Behandlung von Fällen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch Kleriker zu erstellen (3. Mai 2011).

14 Pichler, Geistliche Amtsverschwiegenheit (2023), 413 Fn. 1767. Das Zitat ist dem Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre, Vademecum zu einigen Fragen in den Verfahren zur Behandlung von Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker (16.07.2020) entnommen.

15 Präambel Amtsblatt Biko 2021/85.

16 Pichler, Geistliche Amtsverschwiegenheit, 415 iVm C.1 RO 21/§ 1 VerfO 21.

17 C.1.1 RO 21/§ 2 VerfO 21. Beachte jedoch §6 VerfO 21:„Fälle von Mobbing, Stalking, sexueller oder anderer Diskriminierung am Arbeitsplatz oder sonstige Verstöße gegen das Gleichbehandlungs- gesetz (LINK Glosse RuR Pichler https://rechtundreligion.at/2023/04/19/kommentar-zu-ogh-vom-19-12-20229-oba-124-22h/) sowie Verletzungen der Aufsichts- oder Obsorgepflicht werden von dieser Verfahrensordnung nicht erfasst. […].“

18 Heckel, vat.news vom 29.4.2022: https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2022-04/papst-kinderschutz-kommission-praedicate-evangelium-dikasterium.html [Abruf: 10.08.2023]. Ebenso ist die Zwischenüberschrift „Kinderschutz ist Chefsache“ diesem Artikel entnommen.

19 Die Statutes of the Pontifical Commission for the Protection of minors vom 08.05.2015 wurden auf Anordnung des Hl. Vaters Franziskus durch den Staatssekretär online unter https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2015/05/08/0348/00772.html [Abruf: 14.08.2023] in englischer Sprache veröffentlicht.

20 Papst Johannes Paul II. wurde gelegentlich salopp aufgrund seiner häufigen Reisen als der (H)eiliger Vater bezeichnet. Papst Franziskus scheut analog dazu nicht davor zurück, Gesetzgebungs-akte durchzuführen.

21 Vgl. hierzu insb. Franziskus, Tutela dei minori nella Curia Romana e nelle nunziature apostoliche, in: AAS 111 (2019), 485–487; Franziskus, Riservatezza delle cause, in: AAS 112 (2020), 112–113; vgl. Franziskus, In riferimento, in: AAS 112 (2022), 633; vgl. Franziskus, AK Pascite gregem Dei, in: AAS 113 (2021), 537–555; und vgl. Franziskus, Vos estis lux mundi, in: OR 163 (2023), 8–10 iVm VELM 2019.

22 Vgl. insb. die Bestimmungen zum Glaubensdikasteriums in Franziskus, AK Praedikate Evangelium in: OR 162 (2022), I–XII

23 Dikasterium für die Glaubenslehre, Vademecum zur Behandlung von Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker Ver. 2.0 vom 05.06.2022, dort Teil II, online unter: https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/ddf/rc_ddf_doc_20220605_vademecum-casi-abuso-2.0_ge.html [Abruf: 14.08.2023].

24 Expertentreffen mit dem Gesetzgeber zum Thema „Der Schutz von Minderjährigen in der Kirche“, vom 21. Februar 2019. Zitiert nach Amtsblatt der Österr. Bischofskonferenz Nr. 85/2021, 21 dort Fn. 20.

25 Die Diözesanbischöfe Küng und Schönborn im Vorwort zur zweiten Auflage der Rahmenordnung gegen Missbrauch und Gewalt 2016 (RO 16). Vgl. Amtsblatt der österreichischen Bischofskonferenz Nr. 70/2016.


Titelbild: crysmyri / Pixabay

Das Gesetz alleine rettet nicht oder Barmherzigkeit im Dienst des Rechts. Visionen und Gedanken über das Recht bei Papst Franziskus als Bausteine zu einer Rechtstheorie

Von Harald Tripp.

DOI: 10.25365/phaidra.434

In den letzten Jahren wurde im Bereich des kanonischen Rechts immer wieder die Frage nach dem Rechtscharakter diskutiert, gerade auch auf das Wesen der Kirchenrechtswissenschaft. Dabei wurde immer wieder festgestellt, dass Rechtstheorie zwar an sich theologieunabhängig sei, letztlich aber dem Wesen der Kirche als Heilsgemeinschaft entsprochen oder angepasst werden müsste. Dabei müsse eine Präzisierung der Begriffe erfolgen, die Wesen, Aufgabe und Stellenwert des Rechts näher durchdringt, damit der Blick frei werden kann für die Schwächen eines Systems und die Möglichkeiten einer Weiterentwicklung. In den zehn Jahren seit seiner Wahl ist Papst Franziskus ein aktiver Gesetzgeber gewesen. Neben seinen weithin bekannten Reformen gab es viele andere bedeutende, aber versteckte Gesetzesänderungen. Bei der Durchführung dieser Änderungen hat Papst Franziskus meist alleine gehandelt. Die Abteilungen des Vatikans, die normalerweise neue Gesetze überwachen und mit bestehenden Gesetzen in Einklang bringen, wurden an den Rand gedrängt. Welche sind der Rechtsbegriff und die Grundlagen der Gesetzgebung bei Papst Franziskus? Wie lässt sich ein Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft im Rechtsbegriff bei Papst Franziskus ausmachen? Die Ausführungen in diesem Beitrag wollen daher Bausteine sein im Blick auf eine mögliche Rechtstheorie, die zu einem fruchtbaren Austausch zwischen Kirche und Welt beitragen kann und dabei hilft, eine Sensibilität zu entwickeln, welche Elemente des profanen Rechts mit dem Recht der Kirche kompatibel sind und welche nicht.

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Konspirative Geheimbünde oder geistliche Gemeinschaften? – Zur Geschichte, Gestalt und Recht von Ritterorden

Geistliche Ritterorden erscheinen heute so manchem als überholte Institutionen, als Relikte eines fernen Zeitalters und bilden bloß einen Appendix der ungleich viel intensiver wahrgenommenen Forschung zur Kreuzzugsgeschichte. Für viele Menschen scheinen diese Gemeinschaften als abgeschlossene Zirkel konspirative Geheimbünde zu sein, weniger werden die geistliche und karitative Seite dieser Ordensgemeinschaften wahrgenommen.
Zwar haben die geistlichen Ritterorden im Zuge der neuzeitlichen Entwicklungen an Einfluss verloren, doch leben insbesondere Malteser, Grabesritter und Deutscher Orden (seit 1923 ohne Ritterbrüder) in ihren verschiedenen Zweigen fort und wirken heute vor allem karitativ in Hospitälern, Schulen, Altenheimen und ähnlichen Institutionen. Die Beschäftigung mit diesen Institutionen bleibt damit auch für die Kirchenrechtswissenschaft ein lohnendes Thema, weshalb Recht und Religion sich in dieser Ausgabe ausführlich mit dieser Thematik beschäftigt.

Das Institut für Kirchenrecht und Religionsrecht freut sich, dass namhafte Experten für diese Ausgabe gewonnen werden konnten. Die Darstellungen erfolgten teilweise aus der Binnenperspektive des jeweiligen Ritterordens.


Geistliche Ritterorden – Päpstliche Orden – Ehrenzeichen. Eine notwendige Differenzierung

In der Vergangenheit wurden viele Militär- und andere Ritterorden in Verbindung mit dem Heiligen Stuhl gegründet. Die meisten von ihnen starben aus, wurden unterdrückt oder verschmolzen mit zeitgenössischen Ritterorden. Einige von ihnen überlebten unter dem Schutz des Heiligen Stuhls. Hier gilt es zunächst einmal genau zu differenzieren, was sind päpstliche Orden und Ehrenzeichen, was sind geistliche Ritterorden unter dem Schutz des Heiligen Stuhls. Der einleitende Beitrag von Harald Tripp geht dieser Frage nach.

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Kirchliche Rechtssymbolik und ihre Bedeutung. Ritterschlag und Aufnahme in den Orden der Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem am Beispiel von Franz und Bartholomäus Khevenhüller

Wie wird man in einen päpstlichen Orden aufgenommen? Welche Symbole und Formeln begleiten die Aufnahme, welche legitimieren Personen, Teil einer geistlichen Gemeinschaft zu sein? Harald Tripp analysiert im Blick auf den Orden der Ritter und Damen vom Heiligen Grab zu Jerusalem die Rechtssymbolik der Aufnahme in einen Orden durch Ritterschlag und spannt dabei den Bogen zur Aufnahme in der Gegenwart.

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Aktuelle Rechtsentwicklungen des Malteserordens

In der letzten Zeit hörte man immer wieder von Veränderungen im Souveränen Ritter- und Hospitalorden vom Hl. Johannes zu Jerusalem (Malteserorden). Florian Schwetz, Jurist im Amt der Tiroler Landesregierung, zeigt in seinen Beitrag die historische und verfassungsmäßige Entwicklung des Ordens aus den Rechtsquellen auf und führt uns auch in die äußerst interessanten aktuellen Vorgänge und Rechtsentwicklungen der neuen Verfassung des Ordens ein.

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Ritterorden vom Hl. Grab zu Jerusalem

Der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem, auch Orden vom Heiligen Grab oder Ritter vom Heiligen Grab genannt, ist ein katholischer Ritterorden, der unter dem Schutz des Heiligen Stuhls steht. Der Papst ist der Souverän des Ordens. Geschichte, Strukturen und karitative Tätigkeiten werden im Beitrag von Karl Lengheimer, 2008 bis 2016 Statthalter für Österreich des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, erläutert.

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Templer und Päpste. Aufstieg und Untergang des Templerordens

Privatdozent Daniele Mattiangeli aus dem Fachbereich Völkerrecht, Europarecht und Grundlagen des Rechts von der Paris-Lodron-Universität in Salzburg bietet einen sehr lesenswerten Blick auf die Lebensspanne der berühmten Tempelritter, die als kriegerische Mönche das erste disziplinierte, regulierte und uniformierte stehende Heer seit der Antike in ganz Europa und im Heiligen Land waren. Die Erörterung des Schicksals des Ordens nach dem Scheitern der Kreuzzüge umfasst eine ausführliche Untersuchung anhand neuer historischer Quellen, die der Autor im Blick auf die Aufhebung des Ordens sowie zum Verfahren gegen die Templer neu einordnet.

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Titelbild: Blick vom Aventin auf die Villa del Priorato di Malta, einer der beiden Hauptsitze des Malteserordens in Rom. (Foto: Daniel Tibi)

Auf der Suche nach religiös-weltanschaulicher Neutralität

Von Sophia Witz.*

Die Tagung „Neutraler Staat? Interdisziplinäre Perspektiven auf die Autonomie von Religion, Kunst und Wissenschaft“ (19.–20.06.2023) behandelte das komplexe Wechselspiel dieser drei Bereiche sowohl zueinander als auch im Verhältnis zum Staat. Die interdisziplinäre Tagung beleuchtete diesen herausfordernden Themenkomplex sowohl aus theologischer als auch aus rechtswissenschaftlicher Perspektive. Hinzukamen philosophische und politikwissenschaftliche Betrachtungen sowie ein Blick in die Praxis.

Alle acht Vortragenden brachten inspirierende Perspektiven und Zugänge ein. An dieser Stelle sollen vorrangig der rechtswissenschaftliche Beitrag von Markus Müller (Universität Bern) zum Thema „Staatliche Neutralität als Mittel der Autonomiegewährung? – Kritische Gedanken am Beispiel der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staats“ sowie der (rechts-)philosophische Beitrag von Marie-Luisa Frick (Universität Innsbruck) zum Thema „Ohne ideologisches Endziel, aber kein reiner Selbstzweck: Zur ‚Autonomie‘ der Wissenschaften im ‚neutralen‘ Staat“ reflektiert werden.1

Markus Müller (Universität Bern) hielt einen Vortrag zum Thema „Staatliche Neutralität als Mittel der Autonomiegewährung? – Kritische Gedanken am Beispiel der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staats“.

Müller bricht in seinem Eröffnungsvortrag gekonnt mit dem Konzept der staatlichen weltanschaulich-religiösen Neutralität und seiner langen (auch rechtswissenschaftlichen) Tradition, insbesondere in der Schweiz.2 Seine Argumentationslinie basiert auf der Annahme, dass das Konzept der Neutralität hohe Erwartungen wecke, die es aufgrund religiöser Vorprägungen der handelnden Akteure nicht erfüllen könne.3 Dabei stützt er sich unter anderem auf Erkenntnisse aus der Psychologie und verneint sowohl Sphären-4 wie auch Rollentrennung.5 Er betrachtet den Staat als Produkt seiner Repräsentant:innen, die oft auch von ihrem Unbewussten gesteuert werden.6 Anders sieht dies bspw Charim, die von Repräsentant:innen der Allgemeinheit bzw des Staates verlangt, ihre private Person von ihrer öffentlichen Person zu unterscheiden, und dadurch die Neutralität des Staates zu gewährleisten.7

Müller hebt auch die große Bandbreite an unterschiedlichen Neutralitätskonzepten (zB Begründungsneutralität,8 teleologisch-reflektierte Neutralität9) hervor, die aus seiner Sicht mit dem strikten Alltagsverständnis von Neutralität nicht in Einklang zu bringen seien.10 Dieser Befund ist zweifelsohne nicht von der Hand zu weisen. Sein Lösungsvorschlag, das (auch rechtsdogmatisch) gut verankerte Konzept der Neutralität durch jenes des ebenso unbestimmten Toleranzbegriffs11 zu ersetzen, erscheint allerdings nicht weniger problematisch. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Toleranzbegriff eine negative Vorprägung aufweist (auch wenn Müller unter seinem Toleranzbegriff nicht bloß das gnädige Dulden durch die Mehrheit verstanden wissen will, wodurch er sich selbst ebenfalls vom Alltagsverständnis dieses Begriffs entfernt).

Marie-Luisa Frick (Universität Innsbruck) hielt einen Vortrag zum Thema „Ohne ideologisches Endziel, aber kein reiner Selbstzweck: Zur ‚Autonomie‘ der Wissenschaften im ‚neutralen‘ Staat“.

Frick untersucht demgegenüber, welchen Grenzen die Wissenschaft unterliegt und identifiziert eine wachsende Gefährdung der wissenschaftlichen Autonomie. Dabei geht sie von der Prämisse aus, kein Staat könne ethisch-weltanschaulich neutral sein, da bereits der Auftrag der Befriedung und Ordnung, wie auch die Grundrechte nicht neutral seien. Frick plädiert daher für ein teleologisch-reflektiertes Verständnis des Gebots zu weltanschaulicher staatlicher Neutralität.12

Die Grenzen der Wissenschaft entspringen laut Frick entweder dem Entstehungs-, dem Begründungs- oder dem Verwendungszusammenhang. Zu ersterem zählt sie die Finanzierung und Förderung der Wissenschaft,13 die arbeitsrechtliche Stellung der Wissenschafter:innen (beachte auch: Wissenschaftsprekariat), Anreize bzw Verpflichtungen, in Publikationsorganen zu veröffentlichen,14 sowie die Leistungs- und Zielvereinbarungen15 der Universitäten, die bereits durch ihre (nicht neutralen) Schwerpunktsetzungen der Wissenschaft Grenzen setzen würden.

Aus grundrechtlicher Perspektive können Zielvorgaben mit der in Art 17 StGG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit der Universitätsangehörigen konfligieren, wenn sie zB festlegen, welche Forschungsmethoden einzusetzen sind.16 Ähnliche Probleme wie Frick sieht auch Pöschl, die vor der Gefahr von Autonomieverlusten durch die verstärkte Drittmittelabhängigkeit warnt (Ausrichtung der Forschung an Vergabekriterien).17 Eisenberger analysiert in diesem Zusammenhang Ethikklauseln bzw ethisch motivierte Förderungsverbote in Forschungsrahmenprogrammen wie Horizont 2020 und weist ua auf eine erhöhte Begründungspflicht des Gesetzgebers hin, wenn dieser einzelne Forschungsgebiete begünstigt oder benachteiligt.18

Im Rahmen des Begründungszusammenhangs sieht Frick Forschungsethik bzw die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis als Grenzen.19 Vorlagepflichten an Ethikkommissionen bspw werden aus rechtswissenschaftlicher Perspektive von Kopetzki als „spezifische“ Eingriffe qualifiziert, die einer Erforderlichkeitsprüfung zu unterziehen sind.20 Anreize, an der Third Mission der Universität mitzuwirken sowie Rückmeldungen und Druck aus der Gesellschaft (zB im Laufe der Pandemie) ordnet Frick schließlich dem Verwendungszusammenhang zu.

Die beiden hier besprochenen Vorträge sowie die Tagung insgesamt kann als sehr gelungen und bereichernd bezeichnet werden, der Publikation der Tagungsbeiträge wird mit großem Interesse entgegengeblickt.

Anmerkungen

* Sophia Witz, LL.M. ist Universitätsassistentin am Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht der Universität Wien.

1 Siehe für einen allgemeinen Tagungsüberblick Institut für Kirchenrecht und Religionsrecht, Tagung zum Thema „Neutraler Staat? Interdisziplinäre Perspektiven auf die Autonomie von Religion, Kunst und Wissenschaft“ – Ein Tagungsbericht, 26.06.2023 rechtundreligion.at, https://rechtundreligion.at/2023/06/26/tagung-zum-thema-neutraler-staat-interdisziplinare-perspektiven-auf-die-autonomie-von-religion-kunst-und-wissenschaft-ein-tagungsbericht/, abgerufen am 12.07.2023.

2 Siehe zur Bejahung der religiösen und ethischen Neutralität des Staates als Grundsatz in der Schweiz zB Engi, Die religiöse und ethische Neutralität des Staates (2017); zur Verankerung religiös-weltanschaulicher Neutralität in der österreichischen Rechtsordnung siehe zB Wagrandl, Die weltanschauliche Neutralität des Staates, JRP 2016, 309; Werni, Vom Nutzen und Nachteil verfassungsrechtlicher „Prinzipien“ für das Religionsrecht, ZÖR 2021, 995; für einen Überblick zur deutschen rechtswissenschaftlichen Diskussion siehe Czermak/Hilgendorf, Religions- und Weltanschauungsrecht2 (2018) § 10 Insbesondere: das Neutralitätsgebot.

3 Siehe dazu Müller, Religion im Rechtsstaat (2017) 29, 84 ff, 140.

4 Vertreten wird die Sphärentheorie unter anderem von Dreier, Staat ohne Gott: Religion in der säkularen Moderne (2018) 12 f, 165 f; siehe auch Spohn, Den säkularen Staat neu denken (2016) 27 ff, 133 kritisch zur Trennung der Sphären in nicht westlich-christlich geprägten Staaten.

5 Zur Rollentrennung siehe zB Schlink, Vergewisserungen (2005) 103 f; Engi, Neutralität 293.

6 Siehe Müller, Religion 48, 85.

7 Siehe Charim, Ich und die Anderen (2018) 75 ff.

8 Vertreten zB von Huster, Die ethische Neutralität des Staates2 (2017) 98 ff, 633 ff; kritisch zur Begründungsneutralität ua Frick, Ethische Neutralität des Staates, in Frick/Mbongo/Schallhart (Hrsg) PluralismusKonflikte (2010) 171 (177 ff).

9 Vertreten von Frick in Frick/Mbongo/Schallhart 182 ff.

10 Siehe Müller, Religiöse Neutralität des Staates?, ZBl 2022, 575 (580 ff).

11 So auch Huster, Neutralität2 222 ff; siehe zur deutschen Rechtslage zB Czermak/Hilgendorf, Religions- und Weltanschauungsrecht2 Rz 161 ff.

12 Siehe Frick in Frick/Mbongo/Schallhart 182 ff; zur politischen Struktur multikultureller Gesellschaften und deren Auswirkung auf die Neutralität des Staates siehe zB Parekh, Rethinking Multiculturalism (2000) 196 ff.

13 Siehe für einen Überblick der Finanzierer von Forschung Pöschl, Private Rechtsetzung – Begriff und verfassungsrechtlicher Rahmen, in WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der Rechtsetzung (2018) 195 (200 ff).

14 Siehe aus rechtswissenschaftlicher Perspektive VwSlg 18449 A/2012, in welcher der VwGH keine Verpflichtung eines Universitätsprofessors zur Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten erkennt.

15 Siehe § 20 Abs 5 UG 2002 der normiert, dass bei Abschluss der Zielvereinbarungen auf die Freiheit der Wissenschaft und einen entsprechenden Freiraum der einzelnen Wissenschafter:innen in der Forschung sowie in der Lehre Bedacht zu nehmen ist.

16 Siehe zu den oben angeführten Aspekten grundlegend aus rechtswissenschaftlicher Perspektive Pöschl, Von der Forschungsethik zum Forschungsrecht: Wie viel Regulierung verträgt die Forschungsfreiheit?, in Körtner/Kopetzki/Druml (Hrsg), Ethik und Recht in der Humanforschung (2010) 90; Kopetzki, Muss Forschung „ethisch vertretbar“ sein?, in FS Mayer (2011) 253; Pöschl, Wissenschaftliche Integrität, in GS Walter (2013) 609; Eisenberger, Innovation im Recht (2016) 184 ff, 217 ff, 268 ff; Pöschl, Normative Grenzen der Wissenschaftsfreiheit, in Neck/Schmidinger/Spiel (Hrsg), Grenzen in den Wissenschaften (2017) 159; Pöschl in WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht 195.

Siehe auch Kröll in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), B-VG Art 17 Abs 1 StGG Rz 33, 169 (13. Lfg 2014); Hammer in Korinek/Holoubek (Hrsg), B-VG Art 17 Abs 1 StGG Rz 19, 25, 56, 66 (12. Lfg 2016); Gamper in Kahl/Khakzadeh/Schmid (Hrsg), B-VG (2021) Art 17 StGG Rz 13; Unger, Eingriff durch Vereinbarung? Zum Spannungsverhältnis von staatlicher Steuerung durch Leistungsvereinbarungen und universitärer Autonomie, JRP 2022, 380 (389).

17 Siehe Pöschl in GS Walter 640 f.

18 Siehe Eisenberger, Innovation 168, 185 ff, 191, 244 ff.

19 Siehe dazu bereits Pöschl in Körtner/Kopetzki/Druml 90 ff, 99 ff; Kopetzki in FS Mayer 263 ff; Eisenberger, Innovation 217 ff, 235.

20 Siehe Kopetzki in FS Mayer 265.


Fotos: Daniel Tibi

Synodalität lernen heißt: aufeinander hören. – Perspektiven des Kirchenrechts

Der Begriff „Synodalität“ ist zu einem Leitbegriff im Pontifikat von Papst Franziskus geworden. Seit dem programmatischen Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“ vom 24. November 2013 werden Gewohnheiten, Stile, Zeitpläne und Sprachgebrauch einer ernsthaften Prüfung unterzogen, ob sie wirklich der Evangelisierung in der heutigen Welt dienen oder nur Selbstbewahrung sind. Das Institut für Kirchenrecht und Religionsrecht hat sich in den letzten Semestern von verschiedenen Seiten mit „Synodalität“ befasst und möchte dabei in drei unterschiedlichen Beiträgen interessierten LeserInnen einen Zugang zu diesem Leitbegriff vom Blickpunkt des Kirchenrechts bieten.

Studierende des Kirchenrechts haben sich im WS 2022 in einer Lehrveranstaltung unter dem Titel: „Synodalität im Kirchenrecht – Seminar zum synodalen Prozess der Weltkirche“ ausgiebig mit dem Prozess der Synodalisierung befasst. Themen waren dabei: Begriff und historische Entwicklung von Synodalität, die historische Entwicklung der päpstlichen Unfehlbarkeit und ihr Verhältnis zur Synodalität, sowie Synodalität auf Ebene des Bistums und der Pfarrei, in den katholischen Ostkirchen und in den Religioseninstituten. Da aktuell, wurde eben auch auf die Entwicklungen des synodalen Weges in Deutschland sowie auf die Weltsynode 2021–2024 eingegangen. Abschließend hielt im Rahmen dieser Lehrveranstaltung Prof. Dr. Myriam Wijlens, Inhaberin des Lehrstuhls für Kirchenrecht der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Erfurt, am 12. Dezember 2022 an der Universität Wien einen Gastvortrag zum Thema „Zuhören und Unterscheiden. Katholizität in der weltweiten Synode 2021–2024“.

Ein Bericht von Sr. Romana-Maria Paleček fasst diesen Vortrag treffend zusammen, wobei vor allem auf die nationalen Synthesen der diözesanen Phase eingegangen wird, die laut Prof. Wijlens überraschend eine einzigartige Übereinstimmung sowohl bezüglich der Hoffnungen und positi­ven Erfahrungen als auch angesichts der zur Sprache gebrachten Fragen und offenen Probleme der Kirche weltweit zeigen würden.
Zum Beitrag …

Harald Tripp zeigt in seinem Beitrag unter dem Titel „Kirchenrecht zwischen Bischofsamt und Synodalität“ auf, dass sich die Konzentration auf die Beziehung zwischen Kollegialität und Primat unter anderem dazu geführt hätte, dass Syn­odalität vorwiegend mit der Tätigkeit der im Konzil versammelten Bischöfe identifiziert wird. Dies sei aber heu­te teilkirchlich zu bestimmen, worauf im Artikel näher eingegangen wird. Zudem unterstreicht der Autor die regionale Ebene durch die Subsidiarität im Verträgen, die schon unter Papst Johannes Paul II. auf der Ebene der Konkordatspolitik konkret umgesetzt wurde, indem er verschiedenen Bischofskonferenzen die Aufgabe zugewiesen hatte, Regelungen zur Umsetzung der festge­legten Konkordate zu erlassen und sogar weitere Vereinbarungen mit dem Staat auf lokalkirchlicher Ebene zu treffen. Auf Ebene der Gesamtkirche wäre nach einer stärkeren Beteiligung der Partikularkirche bei den Bischofsernennungen sowie des Einsatzes von Laien in den Aufgaben und Diensten der Kirche, wie durch die jüngste Kurienreform angeregt, zu setzen. Der Verfasser regt einen Gedanken nach einer neuen Grundrechtsordnung in der Kirche an, die Rechtsordnung der katholischen Ostkirchen, sollten dabei vertieft werden, da sie dem Kanonisten und Theologen eine bereichernde Perspektive öffnen, die die Kodifizierung nicht zweier, sondern sogar mehrerer lokaler Codices garantieren könnte, die notwendig wären, um die synodale Dimension der Organisation in der Vielfalt der Partikularkirchen zu unterstreichen.
Zum Beitrag …

Im dritten Beitrag befasst sich Felix Ouedraogou befasst sich in seiner Dissertation am Institut für Kirchenrecht und Religionsrecht u. a. mit dem Thema der Mitwirkungsrechte in der Kirche. Unter dem Titel „Die Mitwirkung in der Kirche als Form der Partizipation nach dem CIC: Die Mitwirkungsrechte“ Überlegt er eine spezifische Form der Kooperation, nämlich die Mitwirkungsrechte im Rahmen der Partizipation im geltenden Kirchenrecht zu stärken. Im CIC gibt es etwa 250 Vorschriften verschiedener Art von Mitwirkungsrechten. Dies zeigt Oedraogou im Blick auf die Umsetzung der Mitwirkung im geltenden Gesetzbuch der Kirche in folgenden Bereichen auf: Vereinigungsrecht (c. 216 CIC), Schulrecht (c. 803 § 3 CIC), im Blick auf Publikationen (c. 831 § 1 CIC) und hinsichtlich Heiliger Orte (c. 1210 CIC), sowie auf die rechtsgültige Veräußerung kirchlicher Güter (c. 1291 CIC).
Zum Beitrag…

Alle drei Beiträge zeigen auf ihre Art auf, dass das Ziel des Gesetzgebers das Wohl der kirchlichen Gemeinschaft (vgl. c. 1752 CIC) garantieren müsse. Die Sendung der Kirche könne auch im Blick auf den Leitbegriff „Synodalität“ nur fruchtbar sein, wenn es eine echte Gemeinschaft unter den Gläubigen gibt, die berufen und gesandt sind, den Auftrag Christi zu erfüllen. Jeder Getaufte ist ein Glied des Volkes Gottes und berufen, seiner Lebenssituation entsprechend daran mitzuwirken, die kirchliche Gemeinschaft (Communio) zu verwirklichen. Dazu will Synodalität in der Kirche beitragen und so verstanden ist sie unverzichtbar.

Der Themenblock über Synodalität und Perspektiven vom Blickpunkt des Kirchenrechts versteht sich als kleine Stimme zu einer sich stets rasch entwickelnden kirchlichen Wirklichkeit, die die Kirche durch das Zuhören als eine vom Geist Gottes geführte Weggemeinschaft versteht. Mögen diese Beiträge auch für einen breiteren interessierten Leserkreis dabei hilfreich sein, Synodalität zu reflektieren und für die Praxis und die Verbesserung der Rechtsordnung der Kirche fruchtbar zu machen!

Harald Tripp

Titelbild: pixabay.com

Zur wahrheitspolitischen Heteronomie des „sensus fidei fidelium“ im Kontext des Synodalen Weges

Von Christian Faber.

DOI: 10.25365/phaidra.393

1. Einleitung

In den synodalen Bestrebungen der Weltkirche und dem Synodalen Weg in Deutschland stellt sich so prominent wie lange nicht mehr die Frage nach dem Verhältnis der Kirche zu ihren Gläubigen. Als Reaktion auf die sogenannte Missbrauchsstudie von 2018 und die hohe Anzahl an Kirchenaustritten, schickt sich das von der DBK und dem ZDK initiierte Forum an, den Gläubigen einen institutionalisierten Raum zu geben, damit die Partikularkirche den Glaubenssinn ihrer Gläubigen vernehmen kann, und so zu einer hörenden Kirche wird.
Schließlich sind die dogmatischen Voraussetzungen für eine breite Partizipation der Laien, durch die Feststellung des unbeirrbaren Glaubenssinn aller Gläubigen durch das 2. Vatikanische Konzil, schon längst gegeben. Doch wie so viele lehramtliche Texte und Schriften, die sich auf das vermittelte Wort Gottes berufen, sind auch die Verlautbarungen des Konzils hinsichtlich der Rolle der Laien interpretationsoffen. Dies führt zu einem Problem, das Sabine Demel prägnant zusammenfasst: „Seit jeher behaupten die einen, dass es eine Communio-Ekklesiologie ist, die anderen dagegen, dass es eine Hierarchie Ekklesiologie ist und beide Richtungen meinen, auf entsprechende Konzilsbelege verweisen können“ (Demel 2012: 15). Die bestimmte Ekklesiologie hat zentrale Konsequenzen für die Frage nach den Kompetenzen, die dem sensus fidei fidelium zugestanden werden. Jene, die das aktuelle Verhältnis zwischen Laien und Klerus kritisieren, tun dies explizit mit dem Verweis auf die verlautbarte Dogmatik des 2. Vatikanischen Konzils. Für sie bleibt der proklamierte übernatürliche Glaubenssinn aller Gläubigen zugunsten der gottgewollten Hierarchie wahrheitspolitisch auf der Strecke; sie fragen: „Wie läßt sich die eingetretene Schwerhörigkeit der Kirche als Institution heilen und in einen guten Dialog überführen“ (Wiederkehrer 1993: 79)? Doch kann eine solche Form der Zusammenkunft, wie die des Synodalen Weges, den jahrzehntelang gepflegten epistemologischen Graben zwischen Laien und Klerus überwinden? Handelt es sich dabei nicht viel eher um eine „Partizipationsattrappe“ (Lüdecke 2021: 12)? Oder gibt es vielleicht überhaupt keinen Grund die tradierte Hierarchie in der Kirche zu egalisieren? Die These, die diese Arbeit zu untermauern versucht, lautet: Obwohl das Konzil dem sensus fidei fidelium historisch unvergleichliche Autorität beimisst, haben es Lehramt und Kirchenrecht versäumt, diese Einsichten geistlich in die wahrheitspolitischen Prozesse zu integrieren. Der Synodale Weg in Deutschland stellt in diesem Kontext einen ersten Versuch dar, dieses Missverhältnis zu begradigen. Ob das gelingt, bzw. überhaupt so gelingen kann, soll hier versucht werden zu beantworten.
So erfolgt zunächst im 2. Kapitel die Erörterung des Glaubenssinns aller Gläubigen vor dem Hintergrund des II. Vatikanischen Konzils, um die daraus gewonnen Erkenntnis dem Lehramt gegenüberzustellen. Nach einem kurzen Resümee über das Verhältnis zwischen diesen beiden Quellen der Glaubenswahrheiten folgt eine Erläuterung über die kirchenrechtlichen Konsequenzen. In den Rechtsnormen über das Verhältnis von Laien und Klerikern zeigt sich, wie sich die dogmatischen Verlautbarungen des Konzils nach seinem Ende einseitig zugunsten der Kleriker im kanonischen Recht materialisiert haben. Schließlich wird die Einbeziehung des sensus fidei in die communio hierarchica am Beispiel des Synodalen Weges in Deutschland diskutiert. Das Fazit fasst letztlich die Ergebnisse zusammen und gibt einen kurzen Ausblick auf künftige Reformpotentiale.

2. Zum Verhältnis vom Glaubenssinn aller Gläubigen und dem Lehramt der katholischen Kirche


Die Frage nach den Grenzen und Potentialen der Partizipation von Laien in den aktuellen Synodalen Bestrebungen, sowohl im deutschen Synodalen Weg wie auch in der laufenden Weltsynode, fundiert sich in der grundsätzlichen Beziehung zwischen Klerikern und Laien, sowie der Frage nach dem Wesen und der Konstitution der Kirche selbst. Im Folgenden sollen deshalb mit dem sensus fidei fidelium und dem Lehramt zwei Elemente innerhalb der Kirche gegenübergestellt werden, die jeweils auf ihre Art und Weise fundamentale Einsichten in eben jenes Wesen der Kirche und die Praxis des Glaubens geben. Dieses Kapitel wird durch die Rekonstruktion dieser Opposition zu dem Ergebnis kommen, dass der sensus fidei fidelium ein zugunsten der Hierarchie und der Tradition vernachlässigtes Element innerhalb der Wahrheitspolitik der Kirche darstellt. Im dritten Teil werden die hier gewonnen Einsichten dann im Kontext der kirchenrechtlichen Dimension hinsichtlich der Laienpartizipation eingeordnet.

2.1 Heteronomie und Autonomie des sensus fidei fidelium

Das II. Vatikanum hob den „supernaturalis sensus fidei“ (LG 12) durch Ihre lehramtliche Gewalt aus einer verlorenen gegangen Tradition in eine prädestinierte Stellung, die sich im Dokument Lumen Gentium (LG) niederschlägt. Diese privilegierte Stellung erwächst zunächst aus der epistemologischen Autorität: „Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben (vgl. 1 Joh 2,20.27), kann im Glauben nicht irren“ (LG 12). Der sensus fidei fidelium stellt eine „Gabe an das ganze Volk Gottes dar, die den einzelnen Gläubigen durch die Geistesgabe in Taufe und Firmung zugesprochen wird“ (Ohly 1999: 319). Im Idealfall äußert sich der sensus fidei fidelium dort, wo das Gottesvolk, vom Laien bis zum Bischof, „ihren universalen Konsens in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert bzw. hervorbringt“ (Burghardt 2002: 23). Dieser Konsens ist „eine Manifestation der Beteiligung Gottes am Entscheidungsprozess“ (Wijlens 2022: 449). Das gesamte Gottesvolk schließt so eben jene mit ein, die nicht durch das Weihesakrament einen höheren Geistesbeistand genießen und bindet die Hirten an die Erkenntnisfähigkeit ihrer Herde, der Laien1. So wird gleich zu Beginn von LG 12 betont, dass das gesamte Gottesvolk (also auch die Laien) am dreifachen Priesteramt Jesu Christi teilhaben. Das dreifache Amt umschließt hierbei neben der priesterlichen und königlichen Würde auch das prophetische Amt, also das lehramtliche Amt. Eine eklektische Interpretation dieser Stelle im LG könnte nun annehmen, dass das amtliche Lehramt und das allgemeine Lehramt aller Gläubigen mindestens ein reziprokes Verhältnis zueinander pflegen. Das Laienapostolat ist Teil der Sendung der Kirche selbst und nicht ontologisch abhängig von der Hierarchie. Hier zeigt sich die relative Autonomie und die geistlich Subjektwerdung der Laien durch das II. Vatikanische Konzil (vgl. Neuner 2015: 121). LG 31 präzisiert dieses Postulat, wenn es im Abschnitt über die Laien heißt, dass sie „auf ihre Weise teilhaftig“ sind. Diese Partikularität wird durch nachfolgende Äußerungen über den bestimmten „Weltcharakter“ (LG 31) der Laien verdeutlicht. Peter Neuner verweist jedoch darauf, dass diese Äußerungen keine Wesensdifferenz zwischen Klerikern und Laien konstituieren und so nicht als „Einschränkung des Laienapostolats“ (Neuner 2015: 243) zu verstehen seien. Dieser Umstand wird dann für das Wesen der Kirche virulent, wenn es darum geht, wie Entscheidungen über die Wahrheit des rechten Glaubens getroffen werden. Thomas Schüller zitiert hierzu Papst Franziskus: „Der sensus fidei verbietet, starr zwischen Ecclesia docens [der lehrenden Kirche] und Ecclesia discens [der lernenden Kirche] zu unterscheiden, weil auch die Herde einen eigenen ‚Spürsinn‘ besitzt, um neue Wege zu erkennen, die der Herr für die Kirche erschließt“ (Papst Franziskus 2015, zitiert nach Schüller 2022: 347).
Dabei wirkt der Glaubenssinn nicht ausschließend auf der individuellen oder auf der kollektiven Ebene. Christoph Ohly betont die doppelte Seite des sensus; einerseits dient der sensus als sensus fidei zur persönlichen Vertiefung in die Glaubenseinsicht und andererseits als sensus fidei fidelium zur intersubjektiv geteilten Einheit mit anderen Gläubigen (vgl. Ohly 1999: 319). Durch die Wirksamkeit auf beiden Ebenen ist der Gläubige zum Erkennen und zur Annahme von Gottes Wort, zum Festhalten am Glauben selbst und zum tieferen Eindringen in den Glauben fähig. So gelingt es den christfidelis als Gemeinschaft, mit den Worten von Wijlens, „[to] arrive at an insight about what is a value for it“(Wijlens 1995: 25).

Doch ist nicht jede (vermeintliche) Einsicht eines Gläubigen über den Glauben und seine Praxis gleichsam vom Heiligen Geist getragen, der den Gläubigen ihren Glaubenssinn spendet. Immer wieder warnen Hierarchen davor, dass der Zeitgeist der öffentlichen Meinung oder der „Ungeist“ den Glaubenssinn korrumpieren. Denn es muss festgestellt werden: weil jemand gläubiger Christ ist und die Initiationssakramente empfangen hat, ist nicht jede seiner Aussagen und Handlungen vom Heiligen Geist beseelt. Peter Brauchart führt in seiner Dissertation (1983) die latente Anfälligkeit der Laien für solche Verirrungen auf die Erbsünde zurück, von der sie durch ihren Weltcharakter besonders betroffen seien; das falsche Erkennen sei „in der Schwäche des christlichen Volkes zu suchen, das aufgrund seiner sündigen Verfaßtheit das Wirken des Geistes behindert, der allen Kirchen zur Ausnahme der einen Wahrheit und zur Einheit treiben möchte“ (133). Im Gegensatz zu den Laien kommt den Geweihten qua ihrer göttlichen Berufung ein höherer Geistesbeistand zu. Schließlich sind Kleriker nicht durch machtpolitische Manöver und harten Fleiß in Amt und Würden gekommen, sondern weil sie von Gott auserwählt wurden, um das Hirtenamt für die Gemeinde resp. die Diözese auszuführen. Norbert Lüdecke spricht in diesem Kontext von der ontologischen Scheidung. Für ihn sind Kleriker und Laien bezüglich der spirituellen Epistemologie eben doch grundsätzlich dem Wesen nach verschieden. Deswegen trifft der Verdacht des Zeitgeistes oder Ungeistes weniger auf die Geweihten zu.
Um nun zu erkennen, welche Einsichten der Laien vom Heiligen Geist getragen sind, bedarf es einer „Unterscheidung der Geister“. Die Internationale Theologische Kommission gibt in Ihrer Verlautbarung „SENSUS FIDEI und SENSUS FIDELIUM im Leben der Kirche“ (2014) eine Übersicht darüber, wie sichergestellt werden kann, dass es sich um eine authentische geistliche Einsicht in die Glaubenswahrheiten handelt. Dort werden Charakteristika identifiziert, die die Gläubigen zu wahrhaftigen Subjekten des sensus fidei machen sollen. Diese Merkmale bündeln sich letztlich unter dem Begriff der Partizipation in der Kirche. Konkret muss der Laie folgende Aktivitäten wahrnehmen:

„[…] ständiges Gebet (vgl. 1 Thess 5,17), aktive Teilnahme an der Liturgie, besonders an der Eucharistie, regelmäßiger Empfang des Bußsakraments, Wahrnehmung und Anwendung der Gaben und Charismen, die man vom Heiligen Geist empfängt, aktives Engagement in der Mission der Kirche und in der diakonia.“ Hinzu kommt „das Akzeptieren der kirchlichen Lehre in Fragen des Glaubens und der Sitten […], die Bereitschaft, Gottes Gebote zu befolgen und den Mut, seine Brüder und Schwestern zu korrigieren, wie auch selbst Zurechtweisungen anzunehmen“ (89). Das bedeutet auf emotionaler-spiritueller Ebene „in Harmonie mit der Kirche fühlen, empfinden und wahrnehmen“ (90).

So stellt die Kommission bei jenen Gläubigen einen authentischen Glaubenssinn sicher, die bereits aktiv in die hierarchische Kirche eingebunden sind. An dieser Stelle leitet der Passus über das Akzeptieren der „kirchlichen Lehre in Fragen des Glaubens und der Sitten“ zum Teil über das Verhältnis zum Lehramt über.

Nun handelt sich bei Lumen Gentium selbst um einen lehramtlichen Text höchster Autorität. Peter Neuner verweist darauf, dass das Konzil den Text auch aus pragmatischen Gründen bewusst interpretationsoffen formulierte, um eine höchstmögliche Einmütigkeit zu erzielen (vgl. 2015: 130f.). Bezüglich der Rolle der Laien und des sensus fidei fidelium treten dadurch ambivalente Äußerungen auf. Im vorherigen Teil wurde der sensus fidei fidelium weitestgehend als egalitäres Moment in der Kirche erörtert, der die Subjekt-Werdung des einzelnen Gläubigen innerhalb der Hierarchie stärkt und somit den sensus fidei als autonome Quelle der Erkenntnis über die Glaubenswahrheit in den Mittelpunkt stellt. Doch wie bereits in der Erklärung der Internationalen Theologischen Kommission zitierten Verlautbarung, lässt Lumen Gentium auch eine Interpretation zu, die den Glaubenssinn aller Gläubigen unter die Fittiche des Glaubenssinns des Klerus nimmt. Deswegen sollen hier kurz die Argumente vorgebracht werden, die in der nachkonziliaren Rezeption die Heteronomie des sensus fidei feststellen und das wahrheitspolitische Missverhältnis zwischen Klerikern und Laien erhalten wollen. In LG 12 wird nämlich nicht nur die Unfehlbarkeit festgestellt, sondern auch die Abhängigkeit des Glaubenssinns vom Lehramt: „Durch jenen Glaubenssinn nämlich […] hält das Gottesvolk unter der Leitung des heiligen Lehramtes […] den einmal den Heiligen übergebenen Glauben (vgl. Jud 3) unverlierbar fest“; und weiter: „Das Urteil über ihre Echtheit [die Gaben des Heiligen Geistes] und ihren geordneten Gebrauch steht bei jenen, die in der Kirche die Leitung haben und denen es in besonderer Weise zukommt, den Geist nicht auszulöschen, sondern alles zu prüfen und das Gute zu behalten (vgl. 1 Thess 5,12.19-21) (LG 12)“. Die hervorgehobenen Stellen verdeutlichen die Heteronomie des Glaubenssinns vom Lehramt2. Exemplarisch für eine solche kleruszentrierte Wahrheitspolitik der ecclesia hierarchia dient dieses Zitat von Peter Brauchart: „Das sichere Fundament für die Wahrheitserkenntnis in der Kirche ist die Übereinstimmung des gesamten Gottesvolkes, wobei den Aussagen des Lehramtes auf Grund seiner qualifizierten Verantwortung und der leichteren Greifbarkeit ein besonderes Gewicht zukommt“ (Brauchart 1982: 129). Myriam Wijlens hingegen betont in abwägender Manier, dass das Urteil in Glaubensfragen „nicht allein unter der Leitung des Lehramtes ausgeübt [wird], sondern es besteht eine Zirkularität zwischen dem sensus fidelium und dem Lehramt“ (2022: 442).
Unfehlbarkeit kommt nicht nur der Gesamtheit der Gläubigen zu, wo sie einen Konsens erzielen, sondern auch dem Lehramt (vgl. c. 748 §2). Dies stellt für Dietrich Wiederkehrer ein Problem dar. Er negiert den universell-göttlichen Wahrheitsanspruch zugunsten der Feststellung, dass auch lehramtliche Einsichten und Entscheidungen nie frei von Umwelteinflüssen und zeitgeistlichen Entwicklungen sein können (vgl. Wiederkehrer 1994: 189). Der Verdacht des Lehramtes am bloß relativen Wahrheitsgehalt des sensus fidei fidelium, der in vielen verschiedenen Wahrheitsgestalten auftritt, müsse sich auch in produktiver Weise auf sich selbst beziehen:

„Diese Partikularisierung auch der lehramtlichen Entscheidungen und Formulierungen wird erst und meist mit Widerwillen zugestanden, wenn ihre eigene schlechte Unzeitgemäßheit und ihre bewußten oder unbewußten Verblendungszusammenhänge nicht mehr zuzudecken sind“ (190).

Mit Walter Benjamin kann man hier von einem „Zeitkern“ (Benjamin 1982: 578) der Wahrheit sprechen. Neben den selbstevidenten Anspruch der Universalität der Wahrheit in der Verkündung lehramtlicher Einsichten, tritt der unbedingte Wille nach Konsens und Harmonie. Auch hier sei eine Relativierung dieser beiden Ansprüche produktiv für das Lehramt, um den latenten Zweifel gegenüber dem sensus fidei fidelium vermindern. Nur dort, wo Dissens über Glaubensfragen zugelassen wird, ohne schismatische Vorwürfe geltend zu machen, könne die Wahrheitspolitik eine egalitäre und produktive Wendung erfahren.

2.2 Resümee: Konkurrenten oder Partner?

An dieser Stelle lässt sich resümieren, dass zwischen Lehramt und Glaubenssinn, je nach Interpretation, ein zumindest ambivalentes Verhältnis erwächst. Wie beschrieben holte erst das II. Vatikanische Konzil den übernatürlichen Glaubenssinn aller Gläubigen aus der historischen Versenkung, wobei die expliziten Äußerungen im Lumen Gentium interpretationsoffen bleiben. Gleichzeitig wurde der Glaubenssinn hierbei unter die epistemologischen Fittiche des Lehramts gestellt, wodurch seine Kompetenz und seine Autonomie stark beschnitten wurde. In der nachkonziliaren lehramtlichen Rezeption des sensus fidei wird immer wieder das reziproke Verhältnis dieser beiden Quellen der Glaubenswahrheit betont. Jedoch muss eindeutig festgestellt werden, dass in der Wahrheitspolitik der Kirche das Primat des amtlichen Lehramtes unangetastet bleibt. Dies ist nur folgerichtig, wenn man die Notwendigkeit der Unterscheidung der Geister akzeptiert. Während die Laien gewissermaßen zu Gehorsam in Glaubensfragen durch das Lehramt gezwungen werden, gibt es keinerlei Obligationen gegenüber dem Klerus den sensus fidei fidelium anzuhören. Das Verhältnis ist auf vielen Ebene eine Einbahnstraße, obwohl es genügend Gründe und dogmatisch ermöglichte Reformen gebe, um die Laien und Ihren Glaubenssinn stärker in die Wahrheitspolitik der Kirche einzubinden (vgl. Wijlens 2022: 439). Wie geht nun der Gesetzgeber mit dieser Ambivalenz um?

2.3 Zur Rolle des kanonischen Rechts

Weil sich im Kirchenrecht das Kirchenverständnis materialisiert, ist die Beantwortung nach der Frage der Konstitution der Kirche nicht von der Betrachtung der Rechtsrealität zu lösen. Das kanonische Recht von 1983 ist die (vermittelte) Konsequenz aus dem II. Vatikanum3 und in seiner Entstehung und in der Interpretation der einzelnen Normen auf die Ekklesiologie der Konzilsväter angewiesen: „Das konziliare Kirchenbild ist der Kontext der kirchlichen Gesetze des CIC, der bei allen kirchlichen Gesetzen heranzuziehen ist“ (Demel 2012: 17). Gleichzeitig, so Christoph Ohly, warne die Kanonistik vor der Überbewertung des sensus fidei fidelium (vgl. Ohly 1999: 5). An dieser Stelle soll gezeigt werden, wie sich diese Warnung, bzw. das Misstrauen, in den Rechtsnormen des CIC niederschlägt.
Doch zunächst zu einigen ausgewählten Rechtsnormen. In den vier Katalogen über die Rechte und Pflichten der Gläubigen im Buch Zwei des CIC schlägt sich „das Kirchenverständnis, das sich im Kirchenrecht konkretisiert“ (Boeckenförde 1994: 207) nieder und somit auch das Verhältnis zwischen Laien und Klerikern. Zunächst ist festzustellen, dass die Laien im Gesetzbeuch ex negativo definiert werden: „Kraft göttlicher Weisung gibt es in der Kirche unter den Gläubigen geistliche Amtsträger, die im Recht auch Kleriker genannt werden, die übrigen dagegen heißen auch Laien“ (c. 207 §1). Wo sich für manche Kirchenrechtler hier die vom II. Vatikanum vermeintlich überwundene societas inaequalis nahtlos fortschreibt (vgl. Konrad 2010: 19), stellt der Katalog über die Rechte und Pflichten der Laien, durch seine voran gestellte Position innerhalb des CIC, eine Würdigung der Gläubigen mit Weltcharakter dar (vgl. Ahlers 2015: 299; Riedl 2015: 303f.). Jedoch gesteht Ahlers ein, dass das CIC die Gleichheit unmittelbar wieder „verdunkelt“ (ebd. 299), wenn im Gesetzbuch die Abschnitte über Rechte und Pflicht wiederum in „Laien“ und „Kleriker“ geteilt sind. Aber nicht nur die Position der Kanones über die Laien, sondern auch c. 208 stärkt das Argument der fundamentalen Gleichheit, wenn der Gesetzgeber verlauten lässt, dass unter allen Gläubigen „eine wahre Gleichheit in ihrer Würde und Tätigkeit [besteht], kraft der alle je nach ihrer eigenen Stellung und Aufgabe am Aufbau des Leibes Christi mitwirken“ (c. 208). Analog zur Uneinigkeit bei der Frage, ob Lumen Gentium eine egalitäre oder eine hierarchische Ekklesia konstituiert, lässt c. 212 offen, ob die zuvor postulierte Gleichheit aller Gläubigen durch das lehramtliche Primat in Glaubensfragen zur Disposition gestellt oder zumindest eingeschränkt wird. Dort heißt es in §1: „Was die geistlichen Hirten in Stellvertretung Christi als Lehrer des Glaubens erklären oder als Leiter der Kirche bestimmen, haben die Gläubigen im Bewußtsein ihrer eigenen Verantwortung in christlichem Gehorsam zu befolgen“ (c. 212 §1). Diese Stelle kann zweifelslos als nahtlose Übersetzung der konziliaren Ekklesiologie hinsichtlich des Primats des Lehramtes des Klerus festgestellt werden. Doch wie verhält es sich mit der Anerkennung des sensus fidei fidelium und dem Laienapostolat? Im dritten Kapitel des Zweiten Buches über die Rechte und Pflichten der Kleriker, zeigt sich, wie die Kleriker das Laienapostolat anzuerkennen und zu fördern haben (vgl. c. 275 §2). Gerda Riedl lobt hier die Anerkennung des Sendungsauftrag der Laien, doch schwächt sie ihr Argument fundamental, wenn sie daraufhin schreibt: „Laien können auf verschiedene Weise auch zur unmittelbaren Mitarbeit in der Kirche herangezogen werden“ (Riedl 2015: 305f.). Die Betonung soll hier auf das „können“, die „Mitarbeit“ und die passivierende Form des „herangezogen werden“ liegen. Darin ist, zumindest für viele Gläubige, eine gesetzlich verankerte (bzw. eben nicht verankerte) Herabwürdigung impliziert. Einzig den Geweihten kommen alle Entscheidungen zu,

„obwohl doch der Geist seine Gaben an alle aus- und jedem nach seinem Maß zuteilt. Theologisch gesprochen wird diese einschränkende Formulierung dem Sensus Fidei Fidelium nicht gerecht, diesem »Spürsinn der Herde«, um »neue Wege zu finden« (vgl. EG 31; vgl. LG 12a: in credendo falli nequit)“ (Borras 2021: 6).

Das Zitat von Riedl macht klar, dass abseits der Partizipationsmöglichkeiten (nicht: Partizipationsrechte) auf der Ebene der Pfarrei (vgl. c. 529 §2), die Anhörung und Aufnahme des geistgeleiteten sensus fidei fidelium einzig von der Gunst des Hierarchen abhängt. Wenn Riedl bezüglich der Heilssendung auf die „konstruktiv-komplementäre Verwiesenheit“ (306) von Klerus und Laien verweist, so negiert sie die offensichtliche Einseitigkeit dieses vermeintlich reziproken Verhältnisses. Wollte man diesen Idealtypus der Verwiesenheit auch in die ekklesiologische Wirklichkeit übersetzen, kommt man nicht um eine Anhörungspflicht der Laien, wie sie Böckenförde vorschlägt (vgl. 1994: 207), umhin. Im Zeichen der Weltsynode und der ausgerufenen Synodalität als Grundlage der Kirche überhaupt, kann man mit Sabin Demel fragen, ob es „neue theologische Erkenntnisse [gibt], die rechtserheblich sind und deshalb eine entsprechende kirchenrechtliche Umsetzung verlangen“ (Demel 2009: 15). Burghardt geht in seiner Analyse so weit zu schreiben, dass eine „Vernachlässigung des sensus fidei im CIC“ bestehe, die einen „Mangel in Bezug auf die Rezeption des II. Vaticanums durch den CIC“ (Burghardt 2002: 99) darstelle. Somit falle das Kirchenrecht von 1983 hinter die Einsichten des II. Vatikanischen Konzils zurück. Ähnlich resümiert Michael Böhnke, wenn er von der „Geistvergessenheit des kirchlichen Gesetzbuches“ spricht, das „den Begriff des Glaubenssinn der Gläubigen unterschlagen hat“ (Böhnke 2017: 121f.). Ob der Synodale Weg in Deutschland Produkt einer solchen theologischen Erkenntnis ist und ob er ein solches Forum bieten kann, oder ob der sensus fidei fidelium nicht viel eher dezentral und ohne ein Repräsentationssystem erlebt und erhoben werden sollte, soll im nächsten Kapitel diskutiert werden.

3. Diskussion am Gegenstand des Synodalen Weges in Deutschland

In der Synodalversammlung des Synodalen Weges formiert sich der Anspruch einer synodalen Kirche durch gemeinsame Anwesenheit von Laien und Klerikern. Dabei stellt der Synodale Weg in Deutschland eine sehr breite Themenpalette zur Abstimmung, die fast durchweg in den Kompetenzbereich der Weltkirche und des Universalrechts fallen. Diese fehlende Rechtssetzungskompetenz war im Vorfeld klar. Zudem handelt es sich nicht um eine ordentliche Synode, da eine ordentliche Synode „der Zustimmung durch den Heiligen Stuhl [bedarf], die oft erst nach einem längerfristigen Verfahren erteilt werden kann“ (https://www.synodalerweg.de/faq).
An dieser Stelle soll es weniger um die Inhalte des Synodalen Weges gehen. Stattdessen soll der Synodale Weg an seinem Anspruch und seinem Verfahren betrachtet werden. Das Verfahren soll hier auf das gemeinsame Anhören und Abstimmen reduziert werden, da diese deliberative Form dem päpstlichen Ideal einer hörenden Kirche entspricht, wie es im Vorfeld der Weltsynode verlautbart wurde. Dieser Prozess wird der zuvor genannten idealtypischen Reziprozität hinsichtlich der lehramtlichen Verlautbarungen zwischen Klerikern und Laien, abseits der Abwesenheit rechtssetzender Kompetenzen, durch die gemeinsame Anhörung und die Abstimmung gerecht. Einschränkend erwähnt sei an dieser Stelle die in der Satzung festgelegt Sperrminorität der Bischöfe, welche die Anerkennung der Hierarchie und des klerikalen Primats ernst nehmen soll. Zur Annahme einer Beschlussfassung benötigt es neben der 2/3 Mehrheit der restlichen Synodalversammlung, die Zustimmung von 2/3 der anwesenden Bischöfe. Somit können 24 Bischöfe eine Entscheidung blockieren (vgl. Lüdecke 2021: 166). Deswegen spricht Lüdecke in diesem Zusammenhang auch von einem „kontrollierten Gleichheitsgefühl“ (ebd. 180).
Wie Alphonse Borras (2021) feststellt, herrscht auf allen Ebenen ein geregeltes Maß an Laienbeteiligung, das, wie im Teil über die kirchenrechtlichen Konsequenzen ausgeführt, so minimal und unverbindlich wie möglich gehalten ist. Wo die Gunst des Pfarrers es erlaubt, ist diese Partizipation auf die Beratungsfunktion der Laien begrenzt, zumal die Einrichtung eines Diözesanrates nicht durch das CIC garantiert ist, sondern auf die Empfehlung des II. Vatikanums zurückgeht (vgl. Borras 2021: 5f.). Beim Synodalen Weg ist den Laien nun nicht nur das Recht zur Beratung gegeben, sondern auch das zur Entscheidung in Form von Abstimmung über die Beschlusstexte. Dadurch geht das Forum in seiner Konstitution über bisherige Formen der Laienpartizipation hinaus. Auch die vorangehende Anhörung beider Seiten zielt bereits über das alltägliche Maß an Deliberation hinaus.
Synodalität, so Papst Franziskus, „setzt die Einwirkung des Heiligen Geistes voraus und bedarf ihrer“ (Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland). Doch analog zur Unterscheidung der Geister abseits von Synoden ist auch hier das Erkennen der authentischen Anwesenheit keine eindeutige Angelegenheit. In polemischer und doch pointierter Weise fasst Norbert Lüdecke das Problem zusammen, wie es auch auf dem Synodalen Weg auftritt:

„Geistererfüllte Synodalität bedeutet also: Wenn in der Kirche, auf einer Synode oder einem synodalen Weg etwas weht, entscheiden darüber, ob es der Heilige Geist oder doch nur Durchzug war, jene Männer, denen Gott in der Bischofsweihe besonderen Geistesbeistand verliehen hat. Ausschlaggebend sind jene Männer, die Gott in so spezieller Weise Christus gleichförmig gemacht hat, dass sie, wenngleich cum et sub Petro, seinen Willen verlässlich erkennen und für die übrigen Gläubigen verbindlich erklären“ (Lüdecke 2022: 174f.).

Ein weiterer Kritikpunkt, der für die Frage nach den Möglichkeiten der Realisierung des sensus fidei fidelium relevant erscheint, ist die Frage nach der Struktur des Synodalen Weges mittels des Repräsentationsprinzips4. Genauso wie die Kirche kein Parlament sei, so wenig lässt sich der sensus fidei fidelum mittels Repräsentation (abseits der Fragen nach deskriptiver und substanzieller Repräsentation) in ein solches Forum übertragen. Diesem Argument folgend eignet sich überhaupt keine Form der Synodalität für die Erhebung und Verwirklichung des sensus fidei, da die Anwesenheit der zu vertretenden Gläubigen notwendig ist, damit sich der Glaubenssinn intersubjektiv verwirklichen kann. Dem schafft vor allem die geplante Einrichtung eines Synodalen Rates keine Abhilfe.
Stattdessen soll an dieser Stelle auf die prädestinierte Institution verwiesen werden, die es bereits in der Struktur der Kirche gibt, die aber durch eine Anhörungspflicht der Laien und einen Abbau der Barrieren gestärkt werden muss: die Ebene der Pfarrei. Um den sensus fidei fidelium konstruktiv und wahrhaftig als Quelle für Erkenntnisse über die Glaubenswahrheit anzurufen, braucht es eine unvermittelte und rechtlich garantierte Form der Einbindung und Anhörung der Laien auf der Ebene der Pfarrei. Nirgendwo sonst ist der Hirte so nah an seiner Herde und nirgendwo sonst kommt das Volk Gottes in solcher Intersubjektivität und institutionalisierter Form zusammen. Dabei gibt es bereits rechtliche Möglichkeiten um die Laien beratend anzuhören. Genau wie Wiederkehrer es betont, müsse hierfür die Angst vor Uneinigkeit und Dissens überwunden werden. Diese Form könnte eine rechtlich einklagbare Norm sein, bei der die Laien auch Entscheidungsbefugnisse haben. Die daraus gewonnen Erkenntnisse für den Pfarrer sollten sich infolgedessen in graswurzelartiger Manier die Stufen der Hierarchie hinaufranken. So könnte sich das Laienapostolat und der sensus fidei fidelium in produktiver Weise verwirklichen und ein ausgeglicheneres Verhältnis zwischen Lehramt und sensus fidei realisieren, wenn denn die Erkenntnisse der Laien ernstgenommen werden.

4. Fazit

Durch den Glaubenssinn aller Gläubigen und das durch das II. Vatikanum proklamierte Laienapostolat wurden schlüssige Argumente für die spirituell-epistemologische Kompetenz der Laien geliefert, die eine egalitäre Kirchenverfassung und eine breite Partizipation der Laien, die auch kanonisch geregelt werden könnte, garantieren können. Zu dieser Interpretation gesellen sich die die aufgezählten Kanones, die die Laien geradezu zur Partizipation an der Sendung verpflichten und den Pfarrer dazu anhalten das dreifache Priesteramt der Laien anzuerkennen und zu fördern. Doch der Ekklesiologie des II. Vatikanums wir der Kodex nur sehr bedingt gerecht. Kirchenrecht und Lehramt verfügen in Gänze über die Hoheit der Wahrheitspolitik in der Kirche. Um ein tatsächliches reziprokes Verhältnis zwischen Lehramt und Glaubenssinn herzustellen, gilt es den konstruktiven Charakter des sensus fidei fidelium für das Lehramt zu betonen. Das täte auch der Ekklesiologie der Konzilsväter genüge, wenn man den Dogmatikern und Kirchenrechtlern folgt, die im CIC eine einseitige Rezeption der Konzilsbeschlüsse hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Laien und Klerus bemängeln, die sich zugunsten der Hierarchie gestaltet. So schlägt Boeckenförde eine rechtsbindende Anhörungspflicht vor, siedelt sie aber nicht auf einer bestimmten Verwaltungsebene an: „Es fehlt bisher ein kirchenrechtlich garantierter Rahmen, in dem sich der sensus fidelium artikulieren kann, um mit den Charismen der Amtsträger zum consensus Ecclesiae zusammenzuwachsen“ (Boeckenförde 1994: 210). Diese Anhörung findet nun auf dem Synodalen Weg statt. „Eine solche Forderung erkennt die Autorität des Amtsträgers an und kann deshalb nicht als revolutionär denunziert werden“ (ebd.: 211). Dieses Prozedere kann zudem, solange er nicht das Universalrecht berührt, bereits in den Diözesen angewandt werden. Kardinal Marx Äußerungen stellen hierfür ein produktives Beispiel dar, wenn er mithilfe des Priesterrates und des Diözesanrates Beschlüsse des Synodalen Weges umsetzen will.5 Der Synodale Weg stellt eine wichtige Erprobung von Laienpartizipation mit Entscheidungsbefugnissen und Anhörungspflichten dar. Doch scheitert er bezüglich der Realisierung des sensus fidei fidelium an seinem Repräsentationssystem und der fehlenden Rechtssetzungskompetenz. Stattdessen wurde in der Diskussion vorgeschlagen, die Ebene der Pfarrei, auf der die Gläubigen unmittelbar im Glauben zusammenkommen, als prädestinierten Ort der Verwirklichung des sensus fidei fidelium und das dreifache Priesteramt in den Fokus zu nehmen. Neben der Förderung einer solchen Kultur der Partizipation, dem Setzen von Anreizen und dem Abbau von Barrieren, müssten die bereits existierenden rechtlichen Möglichkeiten ausgebaut werden. Denn wenn „einmal alle Glaubenden als das Subjekt „Volk Gottes“ eingesetzt sind, muß dies über kurz oder lang die bisherige Autoritäts- und auch Machtverteilung verändern, dies gilt auch für die bei der Wahrheitsverantwortung ausgeübte Macht“ (Wiederkehrer 1994: 183). Diese Einsetzung liegt nun über 50 Jahre zurück. Die genannten Vorschläge könnten einer adäquaten Rückwirkung des sensus fidei fidelium auf das feierliche Lehramt den Weg ebnen.

Anmerkungen

1 Ulrich Rhode stellt fest, dass es im Lumen Gentium keine einheitliche Verwendung des Begriffs der Laien gibt. Im Folgenden sind mit Laien Christen katholischen Glaubens gemeint, die keine Kleriker sind (vgl. Rhode 2015: 80f.).

2 Das Lehramt meint an dieser Stelle das amtliche Lehramt im Gegensatz zur Allgemeinen Lehraufgabe (vgl. Ohly 1999: 313), die jedem Christgläubigen gesetzlich gebilligt ist, bzw. durch den Pfarrer gefördert werden soll.

3 Der Codex „kann gewissermaßen als ein großes Bemühen aufgefasst werden […] die konziliare Ekklesiologie in die kanonistische Sprache zu übersetzen“ (Johannes Paul II 1983, zitiert nach Demel 2009: 46).

4 Eine Form des Repräsentationssystem findet innerhalb der Hierarchie für das Gottesvolk statt, was, wie bereits argumentiert wurde, keine adäquate Lösung für das Problem der Laienpartizipation bietet. Die Amtspriester würden lediglich das Priestertum der Gläubigen repräsentieren, und keine privilegierte Position innehaben; „somit [sei das Amtspriestertum] für das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen da und nicht umgekehrt, ohne das gemeinsame Priestertum gäbe es auch kein Amtspriestertum“ (Konrad 2010: 18).

5 Vgl. dazu: Vatican News vom 11.09.2022: Marx will Beschlüsse auf synodale Weise Umsetzen. Zuletzt abgerufen am 10.03.2023, unter https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2022-09/marx-reform-synodaler-weg-kardinal-muenchen-frauen-laien-kirche.html.

Literaturverzeichnis

Ahlers, Reinhild (2015): Die rechtliche Grundstellung der Christgläubigen. In: Stephan Haering, Wilhelm Rees und Heribert Schmitz (Hg.): Handbuch des katholischen Kirchenrechts. Dritte, vollständig neubearbeitete Auflage. Regensburg: Friedrich Pustet, S. 289–301.

Benjamin, Walter (1982): Das Passagen-Werk. Gesammelte Schriften. Band V/1. Hg. v. Rolf Tiedemann. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

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Bericht über den Gastvortrag von Prof. Dr. Myriam Wijlens: „Zuhören und Unterscheiden. Katholizität in der weltweiten Synode 2021–2024“

Von Sr. Romana-Maria Paleček.

Im Rahmen des Seminars „Synodalität im Kirchenrecht – Seminar zum synodalen Prozess der Weltkirche“ hielt Prof. Dr. Myriam Wijlens, Inhaberin des Lehrstuhls für Kirchenrecht der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Erfurt, am 12. Dezember 2022 an der Universität Wien einen Gastvortrag zum Thema „Zuhören und Unterscheiden. Katholizität in der weltweiten Synode 2021–2024“.

In einer Atmosphäre von Herzlichkeit und Freude präsentierte Wijlens Lehrenden und Studierenden der Universität Wien sowie zahlreichen Gästen Intention und Struktur der Weltsynode und stellte das im Oktober 2022 vom Synodensekretariat veröffentlichte Dokument für die kontinentale Etappe (DKE) vor. Als Mitglied der Steuerungskommission der Synode und als Konsultorin der Bischofssynode hat die renommierte Kirchenrechtlerin den Finger am Puls der Synode und gestaltet die synodale Dynamik einer Zirkularität zwischen den verschiedenen Ebenen der Kirche wesentlich mit. Sie brachte ihre Begeisterung zum Ausdruck, dass das Synodendokument mit dem bezeichnenden Titel „Mach den Raum deines Zeltes weit!“ (Jes 54,2) als Ergebnis des Zuhörens auf der Ebene der Ortskirchen „einen vortrefflichen theologischen Schatz in sich birgt, nämlich die Erfahrung, wie das Volk Gottes auf die Stimme des Heiligen Geistes gehört hat und dadurch sein sensus fidei zum Tragen kommen kann“ (DKE, 8). Die Beiträge in den nationalen Synthesen der diözesanen Phase zeigen überraschend eine einzigartige Übereinstimmung sowohl bezüglich der Hoffnungen und positiven Erfahrungen als auch angesichts der zur Sprache gebrachten Fragen und offenen Probleme der Kirche weltweit. Im Besonderen hat der Skandal der Missbrauchsfälle in der Kirche „viele Synodengruppen dazu veranlasst, einen kulturellen Wandel der Kirche zu fordern, hin zu mehr Transparenz, Rechenschaft und Mitverantwortung“ (DKE, 20).


Hören Sie hier einen Ausschnitt aus dem Vortrag:


„Die Berichte der Konferenzen lassen erahnen, welch ein Reichtum an Glauben und Hoffnung sowie Energie und an Nächtenliebe im Volk Gottes vorhanden ist.“
—Myriam Wijlens

Das DKE beginnt mit den Worten: „Die Synode ist voll im Gange.“ (DKE, 1). Und das Neue ist, dass sie ekklesial konzipiert ist, und nicht rein episkopal, wie Prof. Wijlens betont. Sie lädt ein, uns überraschen zu lassen – in einer Haltung der Offenheit und im Vertrauen auf den Heiligen Geist, denn „der Heilige Geist bittet uns nun, noch synodaler zu sein“ (DKE, 3).

Synodalität und die Ebenen der Kirchenverfassung. Theologische und kanonistische Blicke auf das Bischofsamt

Von Harald Tripp.

Einführung: Das Kirchenrecht zwischen Bischofsamt und Synodalität

Meine Thematik lässt sich insbesondere im zweiten Buch des CIC 1983 verorten. Heute sind wiederum im theologischen Diskurs Fragen zwischen Ekklesiologie und Kirchenrecht relevant, wenn diese Beziehung auch schwerfällig erscheinen mag.

Ekklesiologische Grundlagen

Communio und Synodalität

Aus Anlass des 50- jährigen Jubiläums der Bischofssynode betonte Papst Franziskus am 17. Oktober 2015, dass die Synodalität eine „grundlegende Dimension“ der Kirche wäre, und einen „Interpretationsrahmen zum richtigen Verstehen des hierarchisch strukturierten Dienstamtes in der Kirche“ böte. Diese Worte weisen eine beachtliche Analogie mit dem Denken einiger Theologen und Kanonisten auf, besonders mit dem Zugang des Schweizer Theologen und Kanonisten Eugenio Corecco (1931-1995)1. In Coreccos Überlegungen sind Communio und Synodalität nicht nur zwei Schlüsselbegriffe der Ekklesiologie, sondern zwei Dimensionen von „ontologischer Bedeutung“, die eng miteinander verwoben sind. Wechselseitige Immanenz von Gesamt- und Teilkirche nach LG 23 ist der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Ekklesiologie Coreccos.

Bei Corecco geht sein Verständnis auf die Theologie von Hans Urs von Balthasar zurück, dessen Theologie auch seine kanonistische Sichtweise wesentlich beeinflusst hatte. Der Christ erhalte seinen Stand vor Gott, im Sinne eines gnadenhaften gottgeschenkten Zustandes. Schon jeder Getaufter ist ein Gerufener, denn durch die Taufe tritt er ein in die neue Seinsform des Christus Standes.2Die „zirkuläre Beziehung“ zwischen den verschiedenen Ständen bedeutet bei Balthasar wie bei Corecco, dass jeder Stand insofern ein solcher ist, als er „ein Abbild von etwas ist, das auch in den anderen Ständen des Lebens vorhanden ist“, so dass keiner von ihnen ohne den anderen existieren kann, sondern jeder die anderen ergänzt, um den Leib Christi wachsen zu lassen3.

Im Lichte dieser Prämissen kann man verstehen, dass die große Einschränkung des Zweiten Vatikanischen Konzils für Corecco darin bestand, sich auf die Beziehung zwischen Kollegialität und Primat zu konzentrieren, d.h. dem Verständnis von Synodalität mit der als Tätigkeit der am Konzil versammelten Bischöfe.

Das Bischofsamt

Die offensichtlich bedingte Dynamik des Konzils führte zur Bekräftigung der Sakramentalität des Bischofsamtes, die in Verbindung mit der Kollegialität die Probleme verschärfte. Die Konzentration auf die Beziehung zwischen Kollegialität und Primat hat unter anderem dazu geführt, dass die Synodalität mit der Tätigkeit der im Konzil versammelten Bischöfe identifiziert wird. Dies ist aber heute teilkirchlich zu bestimmen: Der künftige Bischof kommt aus einer Kirche, die apostolisch ist, weil sie in eine Communio ecclesiarum eingegliedert ist, und die daher in der Lage ist, den Hirten auszuwählen und vorzustellen, der mit dem vorgesehenen liturgischen Ritus ein solcher wird, ein Bischof, der in und aus der Gemeinschaft der Ortskirchen geboren ist.

Die Synodalität

Synodalität als Mitverantwortung

In der Wiederaufnahme des klassischen „quod omnes tangit debet ab omnibus approbari“ durch Papst Franziskus kann man die Aufforderung erkennen, die Logik der klerikalen Potestas endgültig zu überwinden, die sich falscher Ängste vor subsidiären Strömungen bedient und die Entwicklung des kirchlichen „Propriums“ torpediert, das mit der Taufe die Gläubigen in einen Status grundlegender Gleichheit versetzt.

Inzwischen ist in der 10. Auflage des CIC1983/Deutsche Ausgabe der Begriff „viri laici“ des c. 230 CIC, das so sehr dazu beigetragen hat, Frauen aus den kirchlichen Funktionen des Gottesdienstes und der Leitung zu verdrängen, gestrichen worden.

Synodalität als Repräsentation

Der Begriff „Repräsentation“ scheint rechtshistorisch komplex zu sein, eine wesentliche Bedeutung versteht Repräsentation als eine Art von Delegation, wie sie auch staatstheoretisch in der Gegenwart verstanden wird4. In der Kirche kann die Repräsentation von einer verfassungsgemäßen Voraussetzung nicht absehen, nämlich dem Wirken des Geistes, wonach jede Person oder Versammlung, die glaubhaft den Anspruch erhebt, die Kirche zu vertreten, in einer Weise handeln muss, die mit der Leitung des Geistes übereinstimmt .

Die Repräsentationsfähigkeit erwächst dem Bischof nicht aufgrund einer besonderen Gnade, sondern aus der Tatsache, dass er das sichtbare Prinzip und Fundament der Einheit in seiner Teilkirche ist (LG 23). Deshalb liegt der Ursprung der bischöflichen Befähigung in der Eignung des Bischofs, ein wahrer Dreh- und Angelpunkt der „Synodalität von und in der ihm anvertrauten Kirche“ zu sein, eine Befähigung, die sich im Zuhören dem Glaubenssinn (sensus fidei fidelium) der Gläubigen öffnet, ihn wahrnimmt und ihn fördert.

Blättert man im Inhaltsverzeichnis des aktuellen CIC 1983 nach den Wörtern „Repräsentation“ und „Mitverantwortung“, findet man wenig.

Die Ebenen der Synodalität

Lokale Ebene

Von der lokalen Ebene auszugehen, ist eine logische Konsequenz der in quibus et ex quibus definierten und zusammengefassten Ekklesiologie; sie ist die erste und grundlegende Ebene, auf der das „gemeinsame Priestertum“ aufgerufen ist, seinen ganzen Reichtum zum Ausdruck zu bringen5.

Strukturen von Synodalität in der Beziehung Bischofsamt-Priestertum

Priesterrat und das Konsultorenkollegium stehen hier im Blickpunkt.

Hinsichtlich des ausschließlich beratenden Charakters des Priesterrates wird der Inhalt von c. 500 § 2 CIC herangezogen, um den Rat auf den spezifischen Raum konsultativer Beratung zu verweisen: „Consilium presbyterale gaudet voto tantum consultivo; Episcopus dioecesanus illud audiat in negotiis maioris momenti, eius autem consensu eget solummodo in casibus iure expresse definitis“. Mit dem Begriff audiat drückt man nicht einen bloßen Wunsch, eine Aufforderung, sondern eine Verpflichtung mit rechtlicher Bedeutung aus.

Was ist heute zu tun?

Erstens scheint die Beibehaltung zweifacher Strukturen nicht mehr angemessen. Die Probleme mit dem Priesterrat haben zu einer missbräuchlichen Stärkung des Konsultorenkollegiums als Gremium geführt, das faktisch an die Stelle des Priesterrates trat, jedoch mit der Folge, dass ein Gremium eingesetzt wurde, das kein presbyterium repraesentans ist. Ein neuer Ansatz böte eine bessere Lösung: Man findet ihn in der jüngeren Gesetzgebung in einem Dekret der Bischofskongregation der zu gründenden Apostolischen Personaladministration zum Hl. Johannes Maria Vianney Animarum bonum vom 18 Jänner 2002, welcher dann in der von Papst Benedikt XVI. veröffentlichten Apostolischen Konstitution Anglicanorum coetibus im Jahre 2009 übernommen wurde. Andreas Kowatsch hat in seiner Habilitationsschrift darauf verwiesen6, dass das Personalordinariat stärker als andere Teilkirchen des lateinischen Rechtskreises von synodalen Elementen geprägt“ sei. Gemäß Art. X § 1 AC wurde ein einziges Gremium für die Zusammenarbeit bei der Leitung einiger neu eingerichteter Strukturen geschaffen: der Leitungsrat, consilium regiminis, in dem die Zuständigkeiten des Priesterrates und des Konsultorenkollegiums zusammengefasst sind.

Seine Rechtsnatur ist durch die drei Kennzeichen festgemacht, an denen die theologische Reflexion über die Mitverantwortung, zum Ausdruck kommen soll: Konsens, Beratung und entscheidendes Stimmrecht. Die Einzigartigkeit dieses Gremiums könnte die Lösung für die chronische Unzufriedenheit sein, die in der Kirche in Bezug auf die Beteiligungsstrukturen und Mitverantwortung weit verbreitet ist.

Ausdrucksformen von Synodalität und gemeinsamer Mitverantwortung

Das Beispiel, das wir hier im Rahmen unserer Ausführungen kurz ansprechen, betrifft natürlich das Organ der Mitverantwortung auf der Grundlage der Taufe, sowohl auf Gemeinde- als auch auf Diözesanebene: den Pastoralrat. Die Gesetzgebung im geltenden CIC 1983, getreu dem konziliaren Diktat, legte keine Verbindlichkeit fest und war zweifellos dürftig und wenig einflussreich. Auch hier könnte die rezente Gesetzgebung für die Anglikaner Hilfestellung bieten: Der für die Diözese lediglich fakultativ vorgesehene Pastoralrat (vgl. cc. 511-514 CIC) ist im Personalordinariat verpflichtend vorgesehen. Mit der Rücksichtnahme auf das anglikanische Erbe werden Wirklichkeiten behutsam neu bestimmt und im Lichte der katholischen Tradition interpretiert und ausgerichtet, worauf Christoph Ohly in einem Beitrag verwiesen hat7.

Es ist notwendig, der repräsentativen und nicht bloß rein beratenden Funktion eine neue Bedeutung und einen neuen Wert zuzuweisen, indem Verfahren eingeführt werden, die eine Teilhabe fördern und dabei eine Haltung des Hörens entwickeln und danach suchen, was der Geist der Kirche in der Phase der Entscheidungsfindung sagt.8.

Regionale Ebene

Bischofskonferenz als „Instanz der Zwischenebene“ von Gesamt- und Teilkirchen

Die in der Regel nationalen Bischofskonferenzen sind Einrichtungen zwischen der Universalkirche und den Partikularkirchen. Viele sehen die Bischofskonferenzen durch das Konzil „zu kollegialen hierarchischen Mittelinstanzen auf der Ebene zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Einzelbistum“ ausgebaut. Papst Franziskus hat nun aber in Evangelii gaudium angekündigt, über eine Neuausrichtung des Papsttums nachzudenken, weil eine übertriebene Zentralisierung der Kirche nicht helfe, sondern ihr Leben und ihre missionarische Dynamik verkompliziere (EG 32). Das Vorwort Nr. 7 in Praedicate Evangelium sagt:

„Die Entstehung der Bischofskonferenzen in der lateinischen Kirche stellt eine der jüngsten Formen dar, in denen die communio Episcoporum im Dienste der communio Ecclesiarum, die auf der communio fidelium gründet, zum Ausdruck gekommen ist. Unbeschadet der Gewalt, die dem Bischof als Hirten der ihm anvertrauten Teilkirche zukommt, sind daher die Bischofskonferenzen, einschließlich ihrer regionalen und kontinentalen Zusammenschlüsse, zusammen mit den jeweiligen orientalischen hierarchischen Strukturen gegenwärtig eine der bedeutendsten Modalitäten, um der kirchlichen Gemeinschaft in den verschiedenen Gebieten zusammen mit dem Papst, dem Garanten der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft, Ausdruck zu verleihen und zu dienen“.

Daher werden sie nicht, worauf Gianfranco Ghirlanda verwiesen hatte, als „zwischengeschaltete hierarchische Strukturen betrachtet, sondern als Einrichtungen der Subsidiarität9“.

Heilsame Dezentralisierung I: Umsetzung der Konkordatspolitik im Blick auf die Bischofskonferenzen unter Papst Johannes Paul II.

Johannes Paul II. setzte Subsidiarität auf der Ebene der Konkordatspolitik konkret um, indem er verschiedenen Bischofskonferenzen die Aufgabe zuweist, Regelungen zur Umsetzung der festgelegten Konkordate zu erlassen und sogar weitere Vereinbarungen mit dem Staat zu treffen10.

Auf diese Weise ist eine neue Art von Konkordat entstanden, das als Rahmenkonkordat bezeichnet werden kann, da es sich darauf beschränkt, die wesentlichen Grundsätze festzulegen, und alle weiteren und notwendigen Spezifizierungen späteren Vereinbarungen überlässt, für die das kirchliche Gremium, das am besten geeignet ist, mit den staatlichen Behörden zu verhandeln, häufig die nationale Bischofskonferenz ist.

An der Erteilung der Approbation im Sinne einer Recognitio ist zuerst das Staatssekretariat beteiligt. Es handelt sich nämlich nicht um die Zuweisung einer Vertretungsfunktion (Bischofskonferenz als verlängerter Arm des Hl Stuhls), sondern um die Übertragung einer spezifischen Befugnis, die die Konferenzen in eigener und voller Verantwortung ausüben können und müssen. Ein säkularer Jurist könnte von Devolution sprechen11. Peter Szabo hatte 2019 die Streichung bzw. einen Ersatz für die recognitio angeregt mit dem Verweis auf die Rechtslage in den katholischen Ostkirchen, wo, „die übergeordnete Gesetzgebungstätigkeit der östlichen Bischofssynoden völlig frei von höherer Kontrolle“ sei12.

Wenn man bei der Übersetzung liturgischer Texte in die Muttersprache die Approbation nunmehr mit Magnum Principium in die Hände der Bischofskonferenzen gelegt hat, so scheint dies bei der Umsetzung eines Konkordates in Teilverträgen jedoch immer noch sinnvoll, das Staatssekretariat, Zweite Sektion Beziehung zu den Staaten aufgrund der Einheitlichkeit der Vereinbarung und des Konkordates und damit der Rechtssicherheit einzubinden13. Dennoch tragen Vereinbarungen durch Bischöfe zur Dezentralisierung im Sinne einer gelebten Subsidiarität bei.

Heilsame Dezentralisierung II: Bischofskonferenzen bei Papst Franziskus

Astrid Kaptijn hat in der Zeitschrift Communio jüngst vorgeschlagen, dass die Bischofskonferenzen als „partielle Verwirklichungen des Bischofskollegiums mit diözesanen und überdiözesanen Aufgaben betrachtet werden, die in der Bischofsweihe wurzeln14“. .Die Überlegungen von Papst Franziskus zeigten nach Kaptijn die Bedeutung von drei Dimensionen in der Kirche: Primat, bischöfliche Kollegialität und Synodalität. Es bedarf einer Integration aller spezifischen Zuschreibungen15. Auch ein Blick in die Apostolische Konstitution Praedicate Evangelium legt diesen Zusammenhang nahe. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der c. 447 CIC, auf den in Nr. 9 der Präambel AK Praedicate Evangelium inhaltlich Bezug genommen wird, ausdrücklich besagt, dass die Bischöfe in der Bischofskonferenz „gemeinsam“ (coniunctim und nicht collegialiter) nur „einige pastorale Funktionen“ (munera quaedam pastoralia) ausüben, also nicht alle. Gianfranco Ghirlanda betonte dazu bei der Präsentation des Dokuments, dass „gemeinsam“ gesagt würde, um den Eindruck zu vermeiden, dass die kollegiale Gewalt der Bischöfe in den Konferenzen ausgeübt wird, die nur von ihnen ausgeübt werden kann, wenn das gesamte Kollegium einberufen ist.

Gesamtkirchliche Ebene

Unter gesamtkirchlicher Ebene verstehen wir hier die Formen der Synodalität auf der Ebene höchsten Autorität. Die gegenwärtigen Schwierigkeiten in ihrer Entwicklung gehen auf die Erfahrungen zurück, die auf dem Konzil bei der Suche nach der schwierigen Harmonisierung von Primat und Bischofsamt gemacht wurden, ja sie sind die Fortsetzung dieser Schwierigkeiten, die sich nie beruhigt haben16.

Das Ökumenische Konzil

Die Option, die Gesetzgebung über das Ökumenische Konzil in das Kapitel De Collegio Episcoporum des CIC aufzunehmen, scheint das Ergebnis einer theologischen Reflexion zu sein, die noch nicht ausgereift war und stark von den auf dem Konzil entstandenen Spaltungen beeinflusst wurde. Die Grenzen waren offenkundig, und ein großer Teil der Theologen zögerte nicht, seine Vorbehalte zum Ausdruck zu bringen, und zwar sowohl gegenüber der typisch universalistischen und hierarchischen Grundstruktur als auch gegenüber der spezifischen Formulierung des Kanons, bei der anstelle des Kollegiums die Sorge um die Wahrung der Vorrechte des „Oberhaupts“ in den Vordergrund trat. Die neue Kodifizierung hat das Ökumenische Konzil als feierlichen Ausdruck der bischöflichen Kollegialität betrachtet und nicht dazu beigetragen, die konziliare Dimension, die zur Kirche gehört und in der Kirche ist, hervorzuheben.

Die Bischofsernennung

Historische Daten zeigen, dass der Vorbehalt und die Bestätigung des Grundsatzes der freien Ernennung von Bischöfen durch den Papst erst Ende des 18. Jahrhunderts erfolgt ist. Tatsächlich wäre eine stärkere Beteiligung der Ortskirche zweifellos im Sinne der Tradition und wäre alles andere als die Einführung einer neuen Praxis, sondern die Wiedereinführung einer traditionellen Praxis in einer der veränderten Situation angemessenen Weise17.

In Wirklichkeit stärkt c. 377/CIC die absolute Freiheit des Papstes hinsichtlich der Bischofsernennungen. Der allgegenwärtigen Forderung nach einer stärkeren Beteiligung der Partikularkirche, die auch einige zaghafte positive Antworten findet, steht jedoch die Praxis des „Aufdrückens „, wie Walter Kasper es formuliert hat gegenüber oder sogar die paradoxe Praxis, die weltlichen Instanzen außerhalb der Kirche ein Ernennungsrecht bei Bischöfen zusichert (vgl. China).

Was könnte sich ändern? Der Bischof von Rom könnte bei der Bischofsernennung auf ein Vorrecht verzichten, das nicht zu seinem Amt gehört, und es zum Beispiel den Bischofskonferenzen oder der Kirchenprovinz anvertrauen, wobei er sich Formen der Approbation und der Gemeinschaft in Analogie zu den Ostkirchen vorbehält. Hier wären de lege ferenda neue Wege zu beschreiten.

Im Sommer 2022 gab es in einigen Kreisen beträchtliche Aufregung, als Papst Franziskus drei Frauen zu Mitgliedern des vatikanischen Dikasteriums für Bischöfe ernannte, das dem Papst Empfehlungen für Bischofsernennungen in weiten Teilen des lateinischen Katholizismus gibt. Ob diese Neuerung in der letzten Phase eines langen, komplexen Prozesses einen signifikanten Unterschied machen wird, bleibt abzuwarten; angesichts der kurialen Vorsicht und Zurückhaltung habe ich meine Zweifel. Aber wir werden sehen.

Katholische Laien können hilfreich sein, wenn es darum geht, potenzielle Bischöfe mit diesem apostolischen Eifer und mit den persönlichen Qualitäten und Fähigkeiten zu finden, die für eine Führungspersönlichkeit erforderlich sind, der andere gerne folgen. Eine ernsthafte Konsultation mit engagierten (und diskreten) Laien auf lokaler Ebene trägt also dazu bei, zu verhindern, dass der Episkopat zu einem sich selbst erhaltenden Club wird – oder schlimmer noch, zu einer höheren klerikalen Kaste. Apostolische Nuntien sollten auch gut genug informiert sein, um katholische Laien zu kennen, denen man zutrauen kann, die Eignung eines Priesters für das Bischofsamt ehrlich, unideologisch und unpolitisch zu beurteilen.

Die Römische Kurie

Papst Franziskus Änderungen, die er in seiner apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium („Verkündet das Evangelium“) vom 19. März 2022 dargelegt hat, sind die einschneidendsten Veränderungen in der Kirchenleitung seit Papst Paul VI., worauf jüngst der Jesuit Thomas Reese im National Catholic Reporter verwiesen hatte (15. Juli 2022).

Er hat fast alle vatikanischen Ämter für Laien geöffnet, einschließlich der Leiter der Dikasterien (früher Kongregationen genannt). Das bedeutet, dass sogar das Dikasterium für die Bischöfe, das Kandidaten für das Bischofsamt in aller Welt vorschlägt, nun von einer Nonne geleitet werden kann. Die Leiterin des Dikasteriums für die Glaubenslehre könnte eine Theologin sein. Sogar der Staatssekretär, der höchste vatikanische Beamte unter dem Papst, könnte eine Laienperson sein. Mit anderen Worten: Die Kurie ist Personal, nicht Teil der Befehlskette. Sie ist eher ein öffentlicher Dienst als eine Regierungselite. Sie erfolgt kraft der vom Papst empfangenen Vollmacht, der gewöhnlichen stellvertretenden Vollmacht; in diesem Sinne sind die Grundsätze und Kriterien, Nr. 5, und Art. 15 der Apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium zu verstehen. Sie kommen, um die Frage der Möglichkeit der Laien zu regeln, Ämter zu empfangen, die mit der Ausübung der Leitungsgewalt in der Kirche verbunden sind, sofern sie nicht den Empfang der heiligen Weihen voraussetzen, und bekräftigen indirekt, dass die Leitungsgewalt in der Kirche nicht aus dem Sakrament der heiligen Weihen, sondern aus der kanonischen Sendung stammt, da sonst nicht möglich wäre, was in der Apostolischen Konstitution selbst vorgesehen ist.

Dies wird von manchen gegenwärtig als revolutionär gesehen, jedenfalls kann ein Paradigmenwechsel vermutet werden. Dieser bewegt das Papsttum weg von seinem monarchischen Modell, in dem der Papst König ist und die Kardinäle und Bischöfe Quasi-Fürsten sind, hin zu einem kollegialen Modell, das vom Zweiten Vatikanischen Konzil entwickelt wurde. Franziskus will so das Potenzial der Bischofskonferenzen stärken und stärker vertiefen, als es Johannes Paul und Benedikt taten.

Die Bischofssynode

Die gewählte Art des Gesetzgebungsaktes, die Apostolische Konstitution Episcopalis communio vom 15. September 2018, brachte bedeutende Neuerungen mit sich, aber strukturell hat sich nichts geändert hat.

Autoren sind der Meinung, dass vorher geklärt werden muss, welcher Weg eingeschlagen werden soll, ob man mit dem spezifischen Charakter eines bischöflichen Organs (Bischofssynode) fortfahren will oder ob man im Gegenteil einen neuen Weg mit der Gestaltung einer Art „Kirchensynode“ gehen will18. Die jüngsten Synodenereignisse im Blick auf die Weltsynode 2021-2024 scheinen sich eher dieser zweiten Perspektive zuzuwenden19. Gemäß c. 337 § 3 CIC ergibt sich die Legitimation aus dem stets kollegialen Charakter des Rechtsakts, an dem die Gesamtheit durch ein repräsentatives Benennungsverfahren teilnimmt, das in seinen verschiedenen Phasen sowohl in Bezug auf die Themen als auch auf den Inhalt darauf achten muss, keinen der anspruchsberechtigten teilnehmenden Bischöfe auszuschließen.

Die Synodalität im kirchlichen Recht: Bräuchte es ein erneuertes „Grundgesetz“?

Ich komme zum Schluss: Das Bischofsamt ist in Diskussion, ist angefragt, nicht zuletzt im deutschen Diskussionszusammenhang, wo es bei der Bündelung der Macht im Bischofsamt und die mangelnde Transparenz und Kontrolle der Machtausübung als Problem gesehen werden und man beim synodalen Weg in Deutschland in deutlicher Abweichung vom Konzil und auch vom Kirchenrecht die Denkfigur der „freiwilligen Selbstbindung“ eingeführt hat. Schnell ist man heute, wie Kardinal Schönborn treffend im Juni 2022 in einem Interview mit der Zeitschrift Communio festgehalten hat, „vom Missbrauchsthema bei den Kirchenverfassungsfragen20“, Wohin geht nun die Reise?

Die Forderungen nach einer Dezentralisierung der Gesetzgebung in einer Zeit, die durch eine „Ent-kodifizierung“ gekennzeichnet ist, werden im kirchlichen Bereich zunehmend wahrgenommen, wobei die Tendenz besteht, eine Vervielfältigung der Codices unter Wahrung der Besonderheiten der kirchlichen Traditionen in einzelnen größeren Regionen und Gebieten anzudenken. (so z.B. der Erzbischof von Görz und ausgewiesene Kanonist Roberto M. Raedelli21). Es handelt sich um eine Anwendung von Gesetzgebungstechniken, in deren Rahmen sich auch das Subsidiaritätsprinzip, das in der kanonischen Ordnung richtig angewandt wird, entfalten würde22.

Die ekklesiologische Reflexion steht offenbar vor dem Ende der hierarchisch-pyramidalen Ekklesiologie. Die wiederentdeckte und sich neu etablierte Pneumatologie verlangt nach Michael Böhnke in seinem fundamentalen Wurf „Kirche in der Glaubenskrise. Eine pneumatologische Ekklesiologie“ von der Kanonistik das Wirken des Heiligen Geistes, der am Ursprung der Strukturierung des Volkes Gottes steht, mit juristischer Bedeutung zu gestalten. Die Institution bzw. die institutionelle Dimension der Kirche verweist auf das Wirken des Heiligen Geistes, der sie immer wieder „einrichtet“23.

Die Synodalität war auch von Corecco als „ontologische Dimension der kirchlichen Verfassung“ betrachtet und definiert worden, aber diese lehrmäßige Position verwies diese Dimension in die Sphäre des Weihesakramentes. Heute wird durch Papst Franziskus „die Synodalität als konstitutive Dimension der Kirche bekräftigt“, ja sie „bezeichnet in erster Linie den besonderen Stil, der das Leben und die Sendung der Kirche kennzeichnet24. Damit die Synodalität in angemessener Weise in besonderen Normen entwickelt werden kann, die den verschiedenen Bedürfnissen der lokalen Kontexte der Kirchen entsprechen, ist es notwendig, der konstitutiven Dimension der Synodalität ihren „juristischen Platz im Leben“ zu geben, der auch an die Gesetzgebungstechnik der Zeit angepasst ist.

Die juristische Übersetzung der oben genannten ekklesiologischen Elemente würde daher in einer „Grundrechtsordnung“ ihre heute am besten geeignete Formalisierung im Rahmen der üblicherweise verwendeten juristischen Sprache und Instrumente finden.

Der Vergleich mit der Rechtsordnung der katholischen Ostkirchen, sollten dabei vertieft werden, da sie dem Kanonisten und Theologen eine bereichernde Perspektive öffnen, die die Kodifizierung nicht zweier, sondern all jener lokaler Codices ermöglicht und garantiert, die notwendig sind, um die synodale Dimension der Organisation in der Vielfalt der Partikularkirchen zu unterstützen.

Harald Tripp
Referat beim Studientag „Synodalität aus der Perspektive theologischer Disziplin“ der österr. Sektion der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie (ET) in Salzburg am 19. September 2022

DOI: 10.25365/phaidra.384

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1Vgl. dazu Eugenio CORECCO, Das Wesen der Synodalität, in: Ordinatio fidei. Schriften zum kanonischen Recht, Paderborn, 1994, 380-401.

2Siehe dazu Karl WALLNER, Exemplarisches Laientum. Zur Theologie des Laien-Standes nach Hans Urs von Balthasar, in:Wolfgang BUCHMÜLLER OCist / P. Johannes Paul CHAVANNE OCist (Hg.), Cor ad Cor loquitur-Das Herz spricht zum Herzen, Festschrift für Abt Maximilian Heim OCist, 326. Für diesen Teil besonders H. U. VON BALTHASAR, Christlicher Stand, Einsiedeln 1977.

3Nach Balthasar nimmt der Laie auf verschiedenen Ebenen an derselben Amtlichkeit teil wie der Kleriker. Nicht insofern, als er gleiche Autorität genießt, sondern „in dem Sinne, dass er innerhalb des Verwaltungsbereichs der Hierarchie bestimmte Rechte ausüben und bestimmte Handlungen vornehmen kann, die ihm entweder von Rechts wegen als Christ zustehen oder ihm von der Hierarchie ordnungsgemäß übertragen werden“.

4H. HOFFMANN, Repräsentation. Studien zur Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, Berlin 1974.

5Vgl. dazu auch Wilhelm REES, Gemeinsam auf dem Weg. Geschichte, Bestimmungen der römisch-katholischen Kirche und Überlegungen zur Weiterentwicklung von Synodalität, in: Liborius LUMMA, Wilhelm REES, Andreas VONACH (Hg.), Religiöse Autoritäten, Innsbruck 2022, 201-240.

6Andreas KOWATSCH, Personale teilkirchliche Gemeinschaften, St. Ottilien 2019, besonders 417 u. 453.

7Christoph OHLY, Personaladministration und Personalordinariat: Neue verfassungsrechtliche Strukturen im Hinblick auf die Entwicklung eines ökumenischen Kirchenrechts, in: Wilhelm REES (Hg.), Ökumene: Kirchenrechtliche Aspekte, Wien 2014, 105-120.

8INTERNATIONALE THEOLOGISCHE KOMMISSION, Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche, Rom 2018, Nr. 67-68.

9Gianfranco GHIRLANDA, La Cost. Ap. Praedicte Evangelium sulla Curia Romana, in: Periodica 111 (2022) 355-420, 377 f.

10Siehe insbesondere die Abkommen mit Spanien im Jahr 1979 über Bildung, Kultur und Wirtschaft sowie 1980 über Steuern7, mit Italien im Jahr 1984, mit Malta zwischen 1989 und 1998, mit Polen im Jahr 1993, mit Ungarn im Jahr 1994 und 1997, und mit Kroatien ab 1996, Slowakei und Slowenien. Vgl. dazu Giuseppe DALLA TORRE, Die Konkordatstätigkeit Johannes Pauls II., in: Ludger MÜLLER/Libero GEROSA (Hg.), Johannes Paul II.-Gesetzgeber der Kirche, Paderborn 2017, 71-89, hier74 ff.

11Devolution meint in der Staatsrechtslehre die Übertragung administrativer Funktionen in einem Einheitsstaat an regionale Körperschaften.

12Siehe dazu Peter SZABO, Episcopal Conferences, Particular Councils, and the Renewal of Inter-Diocesan „Deliberative Synodality, in: Studia canonica 53, 2019, 265-296, hier 279 ff.

13In der Praxis handelt es sich um die Erteilung eines Nulla osta, die es dem Heiligen Stuhl ermöglicht, im Voraus zu überprüfen, dass sie nichts enthalten, was dem Wohl der Kirche und insbesondere der Einheit des Glaubens, der Gemeinschaft und der Rechtskultur zuwiderläuft oder widerspricht.

14 Siehe dazu Astrid KAPTIJN, Bischofskonferenzen in einer synodalen Kirche, in: IKaZ 51 (2022) 419-430, 423.

15 Der päpstliche Primat ist ein aktiver Teil der bischöflichen Kollegialität, jedoch mit einer besonderen Rolle. Die bischöfliche Kollegialität drückt sich in einer synodalen Kirche aus und bedarf ihrer Vervollständigung, an der alle Gläubigen aktiv teilnehmen.

16 Vgl. dazu Wilhelm REES, Gemeinsam auf dem Weg, 215 f.

17 Siehe dazu Richard POTZ, Bischofsernennungen, in: Gisbert GRESHAKE, Zur Frage der Bischofsernennungen in der römisch-katholischen Kirche, Freiburg 1991, 17-50, hier 37f.

18 Vgl. dazu etwa Wilhelm REES, Gemeinsam auf dem Weg, 228 ff.

19 Vgl. dazu besonders Myriam WIJLENS, „Die Kirche Gottes ist zu einer Synode einberufen“-Theologische und kirchenrechtliche Herausforderungen zur Synode 2021-2023, in: Paul M. ZULEHNER u.a., Synodalisierung, Ostfildern 2022, 433-461, hier 443 f.

20 Siehe dazu Christoph Kardinal Schönborn über theologische Grundlagen, Chancen und Risiken von Synodalität. Ein Gespräch mit Jan-Heiner Tück, in: IKaZ 51 (2022) 317-330, hier 323.

21 Siehe dazu Carlo Maria REDAELLI, Il Codice e la Chiesa. Attualità e futuro di una relazione, in: QDE XXX (2017), 207.

22 Die Technik der Kodifizierung selbst sollte nicht aufgegeben werden, wohl aber der Wert, der dem Instrument des Kodex beigemessen wird, wie dies bei den beiden derzeit in der Kirche geltenden Kodizes der Fall ist. Es wird immer dringlicher, auf die Bequemlichkeit einer Vielzahl möglicher Kodifizierungen zu reagieren, die die Besonderheiten der einzelnen Ortskirchen getreuer und kohärenter umsetzen. Aber gerade diese bewundernswerte Vielfalt verlangt nach einer gemeinsamen Grundlage, die in ihren juristischen Elementen das Minimum und damit die grundlegenden Elemente des Kircheseins zum Ausdruck bringt. All dies wird als Ergebnis einer schwierigen Arbeit betrachtet, einer Anstrengung, den theologischen Reichtum in die juristische Sprache zu übersetzen, wobei das Konzil im Zweifelsfall der Interpretationsschlüssel bleibt.

23 Siehe dazu Michael BÖHNKE, Kirche in der Glaubenskrise. Eine pneumatologische Ekklesiologie, Freiburg 2013, 250 f.

24 Siehe dazu Wilhelm REES, Synodalität. Möglichkeiten der Weiterentwicklung aus katholisch-kirchenrechtlicher Perspektive, in: Paul M. ZULEHNER u.a., Synodalisierung, Ostfildern 2022, 413-430, 416 f.

Die Mitwirkung in der Kirche als Form der Partizipation nach dem CIC: Die Mitwirkungsrechte

CIC (Foto: Daniel Tibi)

Von Felix Ouedraogou.

Der Autor verfasst derzeit eine Dissertation am Institut für Kirchenrecht und Religionsrecht, die der Frage nach der höchstpersönlichen Leitungsverantwortung des Bischofs im Kontext der Synodalität nachgeht. 

1. Einführung

Wenngleich die römisch-katholische Kirche keine Verfassung im Sinne der modernen Demokratien aufweist, so bedeutet die hierarchische Verfasstheit nicht, dass die kirchliche Autorität ohne Rücksicht auf die Rechte der Gläubigen agieren kann. Diesbezüglichen Sorgen steht die Tatsache gegenüber, dass die Kirche über ein Gesetzbuch[1] verfügt. Im Verfassungsrecht der Kirche, das im Buch II (cc. 204–746) des CIC mit dem Titel „Volk Gottes“ verortet ist, sind unter anderen Themen die Rechte und Pflichten der Gläubigen und die hierarchische Verfassung der Kirche enthalten. Zwischen der Hierarchie und den anderen Gläubigen besteht eine kooperative Beziehung, die unter dem Oberbegriff „Partizipation“ zusammengefasst werden kann.

Gegenstand der vorliegenden Überlegung ist eine spezifische Form der Kooperation, nämlich die Mitwirkungsrechte im Rahmen der Partizipation im geltenden Kirchenrecht. Der Begriff „Mitwirkungsrechte“ wird in CIC/1983 zwar nicht wörtlich erwähnt. Das Feld der Partizipationsmöglichkeiten in der katholischen Kirche, das der CIC bietet, ermöglicht es jedoch, diese Rechte zu erkennen, die entweder vor der Handlung oder nach der Handlung im Rahmen einer Mitwirkung ausgeübt werden können. Im CIC gibt es etwa 250 Vorschriften verschiedener Art von Mitwirkungsrechten.[2]

2. Die Mitwirkung [3]

Mitwirkung bedeutet, dass man sich auf eine bestimmte Art und Weise an der Handlung eines anderen beteiligt. Dies lässt bereits erkennen, dass man nicht Akteur der sogenannten Handlung ist. Man nimmt also an einer Handlung eines anderen teil, der die volle Verantwortung für die Handlung trägt. Dieses Verständnis von Mitwirkung bezieht sich nur auf den Bereich der Mitwirkungsrechte und nicht auf die anderen Rechtsbereiche der Mitwirkung, in denen man sich durch die Mitwirkung an einer Straftat gemäß c. 1329 CIC strafbar machen kann, weil man ein Mittäter ist. Da auf rechtlicher Ebene die Mitwirkung oft für die Wirksamkeit von Rechtsakten vorgeschrieben wird, wird diese Mitwirkung auch rechtlich durch Normen gerahmt.[4]

3. Mitwirkungsrechte

3.1. Begriffsbestimmung

Konkret besteht ein Mitwirkungsrecht, wenn aus rechtlicher Sicht der Handelnde darauf angewiesen ist, dass sein Vorgesetzter oder jemand anderes, der mit demselben Rang ausgestattet ist, durch einen formellen Akt der Stellungnahme eingreift. Z.B.: Ein Mönch, der auf Urlaub fahren möchte, muss vorher seinen Abt informieren, um die Erlaubnis zu erhalten: Hier handelt es sich um einen Handelnden gegenüber seinem Vorgesetzten. Der Abt hat Mitwirkungsrechte gegenüber seinen Mönchen. Oder ein anderes Beispiel: Ein Diözesanbischof konsultiert den Metropoliten[5], weil er den Priesterrat seiner Diözese auflösen will, der seine Aufgabe in schwerwiegender Weise missbraucht hat: Hier handelt es sich um eine Mitwirkung zwischen Gleichgestellten (beide sind Bischöfe). Der Metropolit hat Mitwirkungsrechte gegenüber dem Suffraganbischof[6] in bestimmten Fällen. Inhaber des Rechts ist somit derjenige, der an der Handlung mitwirkt, denn ohne diese Mitwirkung hat die Handlung des mitwirkungsbedürftigen Handelnden keine Rechtsgültigkeit. Daraus folgt, dass der Mitwirkungsbedürftige nicht handeln darf, ohne zuvor den Beitrag desjenigen zu verlangen, der über das Mitwirkungsrecht verfügt, falls ein rechtlich relevantes Ziel ohne die Mitwirkung des Mitwirkungsberechtigten nicht erreicht werden kann. Die Mitwirkungsrechte sind also „Vorschriften über Erlaubnisse, Approbationen und andere ähnliche Weisen der Beteiligung kirchlicher Autoritäten an Handlungen Dritter.“[7]

Klaus Mörsdorf, der den Begriff „Mitwirkungsrechte“ in die Kanonistik eingeführt hat[8], verwendet den Begriff „Mitwirkungsrechte des kirchlichen Oberen“, „um eine Mitwirkung kirchlicher Autoritäten bei Handlungen neben- oder untergeordneter Personen oder Organe“[9] zu bezeichnen. Mit dieser Unterscheidung will Mörsdorf zeigen, dass es auch weitere Mitwirkungsrechte gibt, nämlich die Beispruchsrechte, welche Mitwirkungsrechte sind, die sich auf die Mitwirkung untergeordneter Organe oder Personen in Form der Anhörung durch eine übergeordnete Autorität oder der Zustimmung zu Handlungen dieser Autorität beziehen (vgl. c. 127 CIC). Um den Unterschied zwischen Mitwirkungsrechten und Beispruchsrechten auszudrücken, würde ich mit Mörsdorf sagen:

Während Beispruchsrechte Dritter die Handlungsfreiheit eines Oberen einschränken, handelt es sich bei den Mitwirkungsrechten von Oberen darum, dass ein oder mehrere Obere (z.B. Papst und Diözesanbischof) zu irgendwelchen Handlungen Untergebener oder nebengeordneter Personen oder Organe mitzuwirken berufen sind. Die Mitwirkung kann entweder vor oder nach der Handlung rechtlich vorgesehen sein.[10]

Unter „kirchlicher Autorität“, um deren Mitspracherechte es hier geht, sind die „kirchlichen Oberen“ zu verstehen, nämlich die in C. 134 § 1 CIC erwähnten Ordinarien: der Papst, die Diözesanbischöfe, die Vorsteher einer Teilkirche, die Generalvikare, die Bischofsvikare, die höheren Oberen klerikaler Ordensinstitute päpstlichen Rechtes und klerikaler Gesellschaften des apostolischen Lebens päpstlichen Rechtes mit wenigstens einer ordentlichen ausführenden Gewalt, etc.  

3.2. Die Mitwirkungsrechte kirchlicher Autoritäten

Für die Rechtswirksamkeit bestimmter Rechtshandlungen sieht das Recht eine Form vor, die gewissenhaft eingehalten werden muss, oder wo die Befreiung davon durch Ausnahmen nachzuweisen ist (vgl. cc. 127, 474, 1108 CIC), wie zum Beispiel zur Eheschließungsassistenz durch delegierte Laien.[11] Im Allgemeinen beziehen sich die Mitwirkungsrechte auf die kirchliche Autorität, wie schon oben gesagt wurde, weil sie Fälle begrenzen, „in denen einer kirchlichen Autorität Mitwirkungsrechte bei Handlungen neben- oder untergeordneter Personen oder Organe zukommen.“[12] Die kirchliche Autorität ist der Mitwirkungsberechtigte, der immer gegenüber einem oder mehreren Mitwirkungsbedürftigen steht (Bischof[13], Priester, Ordensmitglieder, eine kirchliche Vereinigung, usw.).

Wenn für bestimmte Handlungen das Recht eine Erlaubnis oder eine Bestätigung von einer kirchlichen Autorität oder die Beteiligung der kirchlichen Autorität in einer anderen Form (z.B. eine Zulassung) verlangt, spricht man von Mitwirkungsrechten kirchlicher Autorität. Anders gesagt, „nimmt der Begriff ‚Mitwirkungsrechte kirchlicher Autoritäten‘ auf Vorschriften des kanonischen Rechts Bezug, die für bestimmte Handlungen eine Erlaubnis, Approbation, Bestätigung oder eine andere, ähnliche Weise der Beteiligung einer Autorität verlangen.“[14] Der Mitwirkende muss über den Handelnden oder neben den Handelnden stehen. 

Je nach dem Zeitpunkt der Mitwirkung ist zwischen vorausgehender, gleichzeitiger Mitwirkung und nachfolgender Mitwirkung zu unterscheiden. Man spricht von einer vorausgehenden und gleichzeitigen Mitwirkung, wenn untergeordnete oder nebengeordnete Personen bzw. Organe „den zuständigen Oberen um dessen Zustimmung oder Erlaubnis zu irgendeinem Handeln angehen müssen, oder wenn der Obere das Recht hat, vor der Handlung eines Dritten informiert zu werden, um dazu Stellung nehmen zu können.“[15] Laut Ulrich Rhode „kann die vorausgehende und gleichzeitige Mitwirkung daraufhin untersucht werden, ob sie zur Gültigkeit der mitwirkungsbedürftigen Handlung erforderlich ist oder nicht.“[16] Wenn sie zur Gültigkeit der mitwirkungsbedürftigen Handlung erforderlich ist, muss sie unter Androhung der Nichtigkeit vor der getroffenen Handlung erfolgen. Die nachfolgende Mitwirkung ist diejenige, die eintritt, nachdem eine Handlung bereits durchgeführt wurde. Bei einer nachfolgenden Mitwirkung geht es um die Prüfung eines bereits getätigten Rechtsgeschäftes oder eines tatsächlichen Sachverhalts (z.B. Wahl auf ein Kirchenamt, Gründung eines Vereins, Schaffung einer Satzung, Echtheit einer Urkunde).[17] Es handelt sich um eine nachträgliche Aufsicht.

4. Umsetzung der Mitwirkungsrechte im Codex Iuris Canonici (CIC)

Einige ausgewählte Kanones regeln die Mitwirkungsrechte; die hier ausgewählten Kanones werden zitiert und kommentiert, um zu zeigen, welcher Aspekt des Mitwirkungsrechts gemeint ist.

C. 216 CIC: „Da alle Gläubigen an der Sendung der Kirche teilhaben, haben sie das Recht, auch durch eigene Unternehmungen je nach ihrem Stand und ihrer Stellung eine apostolische Tätigkeit in Gang zu setzen oder zu unterhalten; keine Unternehmung darf sich jedoch ohne Zustimmung der zuständigen kirchlichen Autorität katholisch nennen.“

In der Kirche wurde das Vereinigungsrecht (vgl. c. 215 CIC) für alle Gläubigen anerkannt und zugelassen. Eine Variante dieses Vereinigungsrechts ist die Förderung apostolischer Unternehmungen: z.B. Verlage, Krankenstationen, Bildungszentren, Radio- oder Fernsehsender etc. Dieses Recht umfasst das Recht einzelner Gläubiger oder derjenigen in einer Vereinigung, die genannten Unternehmungen zu gründen, sich am Betrieb bereits bestehender Unternehmungen zu beteiligen oder die Leitungsfunktion zu übernehmen. Die Tatsache, dass Unternehmen von Gläubigen gegründet und geleitet werden, verleiht diesen Unternehmen jedoch nicht die Kennzeichnung „katholische Unternehmen“. Sie benötigen eine offizielle Anerkennung der kirchlichen Autorität, um sich als „katholisch“ bezeichnen zu dürfen. Die gläubigen Unternehmer müssen um die Erlaubnis der zuständigen kirchlichen Autorität ansuchen. Das Mitwirkungsrecht der kirchlichen Autorität bezieht sich hier auf die Zustimmung (consensus).

Die gleiche Rechtslage bzw. Rechtsfigur findet sich in c. 803 § 3 CIC in Bezug auf katholische Schulen: „Keine Schule, selbst wenn sie tatsächlich katholisch ist, darf die Bezeichnung Katholische Schule führen, es sei denn mit Zustimmung der zuständigen kirchlichen Autorität.“ Schulen, die von juristischen öffentlichen Personen (z.B. eine Ordensgemeinschaft) oder von Privatpersonen gegründet werden, sind keine „katholischen Schulen“, auch wenn diese Personen Christgläubige sind und auch wenn sie sich in ihrem Unterricht an die katholische Lehre anpassen. Es liegt bei der zuständigen kirchlichen Autorität, ihren Konsens durch ein Dekret zu erteilen, damit diese Schulen als „katholisch“ bezeichnet werden können. Das Mitwirkungsrecht der kirchlichen Autorität im c. 803 § 3 CIC bezieht sich auch auf die Zustimmung (consensus) für eine Benennungszuweisung.

C. 831 § 1 CIC: „In Tageszeitungen, Zeitschriften oder anderen periodischen Veröffentlichungen, welche die katholische Religion oder die guten Sitten offenkundig anzugreifen pflegen, dürfen Gläubige nichts schreiben, es sei denn, es läge ein gerechter und vernünftiger Grund vor; Kleriker aber und Mitglieder von Ordensinstituten dürfen das nur mit Erlaubnis des Ortsordinarius tun.“

Hier geht es nicht um die Erlaubnis in Form einer Genehmigung zur Veröffentlichung eines konkreten Artikels, Gegenstand der Erlaubnis ist nicht der Inhalt dessen, was veröffentlicht werden soll. Die Erlaubnis bezieht sich vielmehr auf die Zusammenarbeit überhaupt mit denen, die die katholische Religion oder die guten Sitten offenkundig anzugreifen pflegen; deshalb müssen Kleriker und Mitglieder von Ordensinstituten ihren zuständigen Oberen um Erlaubnis bitten, auch wenn es bei der spezifischen Zusammenarbeit nicht um den Glauben oder die Sitten geht. Das Mitwirkungsrecht der kirchlichen Autorität (hier ausdrücklich Diözesanbischof oder Ordensoberer bzw. Oberin) in diesem Fall betrifft die Erlaubnis (licentia), ohne die der Handelnde illegal handelt.

C. 1210 CIC: „An einem heiligen Ort darf nur das zugelassen werden, was der Ausübung oder Förderung von Gottesdienst, Frömmigkeit und Gottesverehrung dient, und ist das verboten, was mit der Heiligkeit des Ortes unvereinbar ist. Der Ordinarius kann aber im Einzelfall einen anderen, der Heiligkeit des Ortes jedoch nicht entgegenstehenden Gebrauch gestatten.“

Die Widmung eines heiligen Ortes für den Kult ist an sich exklusiv, denn die Heiligkeit, mit der er bekleidet ist, erlaubt nicht, dass er gleichzeitig gewöhnlich für nichtreligiöse Zwecke genutzt wird, was zur Entweihung des Ortes führen würde (vgl. c. 1212 CIC). Gelegentlich, d.h. für jeden einzelnen Fall, kann der Bischof bzw. der zuständige Obere jedoch erlauben, dass er zu Zwecken verwendet wird, die der Heiligkeit des Ortes nicht widersprechen. Nach diesem Kanon gibt es also drei Kategorien von Nutzungen: 1) Nutzungen, die der Ausübung des Kultes, der Frömmigkeit oder der Religion (Gottesdienst) dienen oder sie fördern; 2) profane Nutzungen, die der Heiligkeit des Ortes nicht widersprechen und die der Ordinarius gelegentlich zulassen kann (z.B. ein Konzert); 3) profane Nutzungen, die der Heiligkeit des Ortes widersprechen und die niemals zugelassen werden dürfen (z.B. als rein kommerzieller Weihnachtsmarkt oder als Bar). Hier spricht man von „zulassen“ (permittere). Das Mitwirkungsrecht der kirchlichen Autorität betrifft in diesem c. 1210 CIC die Zulassung.

C. 1291 CIC: „Zur gültigen Veräußerung von Vermögensstücken, die durch rechtmäßige Zuweisung das Stammvermögen einer öffentlichen juristischen Person bilden und deren Wert eine rechtlich festgesetzte Summe überschreitet, wird die Erlaubnis der nach Maßgabe des Rechts zuständigen Autorität verlangt.“

Das System präventiver kirchenrechtlicher Kontrollen für die rechtsgültige Veräußerung kirchlicher Güter soll sicherstellen, dass die Gründe für die Veräußerung gerecht und vernünftig sind; gleichzeitig ermöglicht es, dass eine gute Koordinierung der Vermögen im kirchlichen Interesse sichergestellt wird. Die Kontrolle wird im CIC/83 durch das Erfordernis der Genehmigung der zuständigen kirchliche Autorität aufrechterhalten. Diese Erlaubnis ist erforderlich, wenn man Güter veräußern will, die zum Stammvermögen einer öffentlichen Rechtsperson (z.B. eine Pfarre oder ein Kloster) gehören und deren Wert eine gesetzlich festgelegte Summe übersteigt. Grundsätzlich legt die Österreichische Bischofskonferenz für ihren Bereich eine Untergrenze und eine Obergrenze fest (c. 1292 § 1, 1. Teilsatz CIC). Dies ist derzeit als Untergrenze € 80.000 und als Obergrenze € 3 Mio.[18] Sobald die geplante Veräußerung die festgesetzte Untergrenze überschreitet, sind zusätzlich weitere Bedingungen nach c. 1293 § 1, 1° und 2° CIC[19] zu erfüllen.

Die Definition von „Stammvermögen“ zeigt die extreme Schwere, die die Veräußerung von Vermögenswerten aus einem solchen Vermögen annehmen kann, da sie den Lebensunterhalt der juristischen Person gefährden kann, sofern die Veräußerungshandlung riskant ist und den finanziellen Untergang der Institution zur Folge haben könnte. Die Einstufung von Gütern, die zum stabilen Vermögen gehören, wird in diesem Kanon durch Bezugnahme auf ihre rechtmäßige Zuordnung bestimmt. Zu dieser Kategorie gehören daher alle Vermögenswerte, die in Übereinstimmung mit den in den Satzungen oder im Partikularrecht festgelegten Regeln dem stabilen Vermögensfonds zugewiesen wurden, nachdem alle diese Vermögenswerte durch einen Beschluss der zuständigen Organe festgelegt wurden. Hier bezieht sich das Mitwirkungsrecht der kirchlichen Autorität auf die Erlaubnis (licentia) für die Vermögensveräußerung.

5. Schluss

Zusammenfassend lässt sich hilfreich darauf hinweisen, dass die meisten Vorschriften über Mitwirkungsrechte kirchlicher Autoritäten das Ziel verfolgen, Aufsicht auszuüben. Dies führt in der Praxis allerdings nicht selten zu auch Problemen – ein Umstand, der sich sowohl aus der Aufnahmebereitschaft des Handelnden als auch aus der Feinfühligkeit oder dem Taktgefühl des Mitwirkenden bei der Umsetzung der Vorschriften verstehen lässt. Denn „aus der Sicht des Handelnden stellen sie häufig vor allem eine Einschränkung seiner Handlungsfreiheit dar. Aus der Sicht des Mitwirkenden können sie leicht als bloßer Verwaltungsaufwand oder als unnötiges Konfliktpotential wahrgenommen werden.“[20]

Alles in allem ist das Ziel des Gesetzgebers das Wohl der kirchlichen Gemeinschaft (vgl. c. 1752 CIC). Die Sendung der Kirche kann nur fruchtbar sein, wenn es eine echte Gemeinschaft unter den Gläubigen gibt, die berufen und gesandt sind, den Auftrag Christi zu erfüllen. Jeder Getaufte ist ein Glied des Volkes Gottes und berufen, seiner Lebenssituation entsprechend daran mitzuwirken, die kirchliche Gemeinschaft (Communio) zu verwirklichen. Dazu wollen die Mitwirkungsrechte beitragen und so verstanden, wären sie unverzichtbar.


[1] Latein: Codex Iuris Canonici (CIC).

[2] Siehe Rhode, Ulrich, Mitwirkungsrechte kirchlicher Autoritäten im Codex Iuris Canonici. Teil I: Die Rechtsfigur des Mitwirkungsrechts, St. Ottilien 2001, 379–387.

[3] Es handelt sich hier nur um Mitwirkung im Hinblick auf die Mitwirkungsrechte.

[4] Vgl. c. 166 CIC.

[5] Ein Metropolit ist der Erzbischof, der einem Verband von mehreren benachbarten Diözesen vorsteht. Dieser Verband heißt Kirchenprovinz.

[6] Ein Suffraganbischof ist ein Bischof einer Diözese, der einem Metropoliten unterstellt ist. 

[7] Rhode, Ulrich, ebd., 377.

[8] Vgl. ebd., 17.

[9] Ebd., 18.

[10] Aymans, Winfried/Mörsdorf Klaus, Kanonisches Recht. Lehrbuch aufgrund des Codex Iuris Canonici. Band I: Einleitende Grundfragen und Allgemeine Normen, Paderborn u.a. 1991, 375.

[11] C. 1112 § 1 CIC: „Wo Priester und Diakone fehlen, kann der Diözesanbischof, aufgrund einer vorgängigen empfehlenden Stellungnahme der Bischofskonferenz und nach Erhalt der Erlaubnis des Heiligen Stuhles, Laien zur Eheschließungsassistenz delegieren.“

[12] Rhode, Ulrich, Mitwirkungsrechte kirchlicher Autoritäten, ebd., 19.

[13] Konkretes Beispiel im c. 501 § 3 CIC (der Mitwirkende ist dem Handelnden nebengeordnet): „Wenn der Priesterrat die ihm zum Wohl der Diözese übertragene Aufgabe nicht erfüllt oder in schwerwiegender Weise missbraucht, kann der Diözesanbischof ihn nach Rücksprache mit dem Metropoliten oder, wenn es sich um den Metropolitansitz selbst handelt, mit dem dienstältesten Suffraganbischof auflösen, muss ihn aber innerhalb eines Jahres neu bilden.“

[14] Rhode, Ulrich, Mitwirkungsrechte kirchlicher Autoritäten, ebd., VII.

[15] Aymans–Mörsdorf, KanR I, ebd., 376.

[16] Rhode, Ulrich, ebd., 377.

[17] Vgl. Aymans–Mörsdorf, KanR I, 379.

[18] Vgl. Amtsblatt der Österreichischen Bischofskonferenz Nr. 45, 1. Mai 2008, Nr. 4. 

[19] CIC 1293 § 1, „1° ein gerechter Grund, wie z. B. dringende Notwendigkeit, offenbarer Nutzen, Frömmigkeit, Caritas oder ein anderer gewichtiger pastoralem Grund;

2° eine von Sachverständigen schriftlich vorgenommene Schätzung der zu veräußernden Sache.“

[20] Rhode, Ulrich, ebd., 377.


[1] Latein: Codex Iuris Canonici (CIC).

[2] Siehe Rhode, Ulrich, Mitwirkungsrechte kirchlicher Autoritäten im Codex Iuris Canonici. Teil I: Die Rechtsfigur des Mitwirkungsrechts, St. Ottilien 2001, 379–387.