Synodalität und die Ebenen der Kirchenverfassung. Theologische und kanonistische Blicke auf das Bischofsamt

Von Harald Tripp.

Einführung: Das Kirchenrecht zwischen Bischofsamt und Synodalität

Meine Thematik lässt sich insbesondere im zweiten Buch des CIC 1983 verorten. Heute sind wiederum im theologischen Diskurs Fragen zwischen Ekklesiologie und Kirchenrecht relevant, wenn diese Beziehung auch schwerfällig erscheinen mag.

Ekklesiologische Grundlagen

Communio und Synodalität

Aus Anlass des 50- jährigen Jubiläums der Bischofssynode betonte Papst Franziskus am 17. Oktober 2015, dass die Synodalität eine „grundlegende Dimension“ der Kirche wäre, und einen „Interpretationsrahmen zum richtigen Verstehen des hierarchisch strukturierten Dienstamtes in der Kirche“ böte. Diese Worte weisen eine beachtliche Analogie mit dem Denken einiger Theologen und Kanonisten auf, besonders mit dem Zugang des Schweizer Theologen und Kanonisten Eugenio Corecco (1931-1995)1. In Coreccos Überlegungen sind Communio und Synodalität nicht nur zwei Schlüsselbegriffe der Ekklesiologie, sondern zwei Dimensionen von „ontologischer Bedeutung“, die eng miteinander verwoben sind. Wechselseitige Immanenz von Gesamt- und Teilkirche nach LG 23 ist der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Ekklesiologie Coreccos.

Bei Corecco geht sein Verständnis auf die Theologie von Hans Urs von Balthasar zurück, dessen Theologie auch seine kanonistische Sichtweise wesentlich beeinflusst hatte. Der Christ erhalte seinen Stand vor Gott, im Sinne eines gnadenhaften gottgeschenkten Zustandes. Schon jeder Getaufter ist ein Gerufener, denn durch die Taufe tritt er ein in die neue Seinsform des Christus Standes.2Die „zirkuläre Beziehung“ zwischen den verschiedenen Ständen bedeutet bei Balthasar wie bei Corecco, dass jeder Stand insofern ein solcher ist, als er „ein Abbild von etwas ist, das auch in den anderen Ständen des Lebens vorhanden ist“, so dass keiner von ihnen ohne den anderen existieren kann, sondern jeder die anderen ergänzt, um den Leib Christi wachsen zu lassen3.

Im Lichte dieser Prämissen kann man verstehen, dass die große Einschränkung des Zweiten Vatikanischen Konzils für Corecco darin bestand, sich auf die Beziehung zwischen Kollegialität und Primat zu konzentrieren, d.h. dem Verständnis von Synodalität mit der als Tätigkeit der am Konzil versammelten Bischöfe.

Das Bischofsamt

Die offensichtlich bedingte Dynamik des Konzils führte zur Bekräftigung der Sakramentalität des Bischofsamtes, die in Verbindung mit der Kollegialität die Probleme verschärfte. Die Konzentration auf die Beziehung zwischen Kollegialität und Primat hat unter anderem dazu geführt, dass die Synodalität mit der Tätigkeit der im Konzil versammelten Bischöfe identifiziert wird. Dies ist aber heute teilkirchlich zu bestimmen: Der künftige Bischof kommt aus einer Kirche, die apostolisch ist, weil sie in eine Communio ecclesiarum eingegliedert ist, und die daher in der Lage ist, den Hirten auszuwählen und vorzustellen, der mit dem vorgesehenen liturgischen Ritus ein solcher wird, ein Bischof, der in und aus der Gemeinschaft der Ortskirchen geboren ist.

Die Synodalität

Synodalität als Mitverantwortung

In der Wiederaufnahme des klassischen „quod omnes tangit debet ab omnibus approbari“ durch Papst Franziskus kann man die Aufforderung erkennen, die Logik der klerikalen Potestas endgültig zu überwinden, die sich falscher Ängste vor subsidiären Strömungen bedient und die Entwicklung des kirchlichen „Propriums“ torpediert, das mit der Taufe die Gläubigen in einen Status grundlegender Gleichheit versetzt.

Inzwischen ist in der 10. Auflage des CIC1983/Deutsche Ausgabe der Begriff „viri laici“ des c. 230 CIC, das so sehr dazu beigetragen hat, Frauen aus den kirchlichen Funktionen des Gottesdienstes und der Leitung zu verdrängen, gestrichen worden.

Synodalität als Repräsentation

Der Begriff „Repräsentation“ scheint rechtshistorisch komplex zu sein, eine wesentliche Bedeutung versteht Repräsentation als eine Art von Delegation, wie sie auch staatstheoretisch in der Gegenwart verstanden wird4. In der Kirche kann die Repräsentation von einer verfassungsgemäßen Voraussetzung nicht absehen, nämlich dem Wirken des Geistes, wonach jede Person oder Versammlung, die glaubhaft den Anspruch erhebt, die Kirche zu vertreten, in einer Weise handeln muss, die mit der Leitung des Geistes übereinstimmt .

Die Repräsentationsfähigkeit erwächst dem Bischof nicht aufgrund einer besonderen Gnade, sondern aus der Tatsache, dass er das sichtbare Prinzip und Fundament der Einheit in seiner Teilkirche ist (LG 23). Deshalb liegt der Ursprung der bischöflichen Befähigung in der Eignung des Bischofs, ein wahrer Dreh- und Angelpunkt der „Synodalität von und in der ihm anvertrauten Kirche“ zu sein, eine Befähigung, die sich im Zuhören dem Glaubenssinn (sensus fidei fidelium) der Gläubigen öffnet, ihn wahrnimmt und ihn fördert.

Blättert man im Inhaltsverzeichnis des aktuellen CIC 1983 nach den Wörtern „Repräsentation“ und „Mitverantwortung“, findet man wenig.

Die Ebenen der Synodalität

Lokale Ebene

Von der lokalen Ebene auszugehen, ist eine logische Konsequenz der in quibus et ex quibus definierten und zusammengefassten Ekklesiologie; sie ist die erste und grundlegende Ebene, auf der das „gemeinsame Priestertum“ aufgerufen ist, seinen ganzen Reichtum zum Ausdruck zu bringen5.

Strukturen von Synodalität in der Beziehung Bischofsamt-Priestertum

Priesterrat und das Konsultorenkollegium stehen hier im Blickpunkt.

Hinsichtlich des ausschließlich beratenden Charakters des Priesterrates wird der Inhalt von c. 500 § 2 CIC herangezogen, um den Rat auf den spezifischen Raum konsultativer Beratung zu verweisen: „Consilium presbyterale gaudet voto tantum consultivo; Episcopus dioecesanus illud audiat in negotiis maioris momenti, eius autem consensu eget solummodo in casibus iure expresse definitis“. Mit dem Begriff audiat drückt man nicht einen bloßen Wunsch, eine Aufforderung, sondern eine Verpflichtung mit rechtlicher Bedeutung aus.

Was ist heute zu tun?

Erstens scheint die Beibehaltung zweifacher Strukturen nicht mehr angemessen. Die Probleme mit dem Priesterrat haben zu einer missbräuchlichen Stärkung des Konsultorenkollegiums als Gremium geführt, das faktisch an die Stelle des Priesterrates trat, jedoch mit der Folge, dass ein Gremium eingesetzt wurde, das kein presbyterium repraesentans ist. Ein neuer Ansatz böte eine bessere Lösung: Man findet ihn in der jüngeren Gesetzgebung in einem Dekret der Bischofskongregation der zu gründenden Apostolischen Personaladministration zum Hl. Johannes Maria Vianney Animarum bonum vom 18 Jänner 2002, welcher dann in der von Papst Benedikt XVI. veröffentlichten Apostolischen Konstitution Anglicanorum coetibus im Jahre 2009 übernommen wurde. Andreas Kowatsch hat in seiner Habilitationsschrift darauf verwiesen6, dass das Personalordinariat stärker als andere Teilkirchen des lateinischen Rechtskreises von synodalen Elementen geprägt“ sei. Gemäß Art. X § 1 AC wurde ein einziges Gremium für die Zusammenarbeit bei der Leitung einiger neu eingerichteter Strukturen geschaffen: der Leitungsrat, consilium regiminis, in dem die Zuständigkeiten des Priesterrates und des Konsultorenkollegiums zusammengefasst sind.

Seine Rechtsnatur ist durch die drei Kennzeichen festgemacht, an denen die theologische Reflexion über die Mitverantwortung, zum Ausdruck kommen soll: Konsens, Beratung und entscheidendes Stimmrecht. Die Einzigartigkeit dieses Gremiums könnte die Lösung für die chronische Unzufriedenheit sein, die in der Kirche in Bezug auf die Beteiligungsstrukturen und Mitverantwortung weit verbreitet ist.

Ausdrucksformen von Synodalität und gemeinsamer Mitverantwortung

Das Beispiel, das wir hier im Rahmen unserer Ausführungen kurz ansprechen, betrifft natürlich das Organ der Mitverantwortung auf der Grundlage der Taufe, sowohl auf Gemeinde- als auch auf Diözesanebene: den Pastoralrat. Die Gesetzgebung im geltenden CIC 1983, getreu dem konziliaren Diktat, legte keine Verbindlichkeit fest und war zweifellos dürftig und wenig einflussreich. Auch hier könnte die rezente Gesetzgebung für die Anglikaner Hilfestellung bieten: Der für die Diözese lediglich fakultativ vorgesehene Pastoralrat (vgl. cc. 511-514 CIC) ist im Personalordinariat verpflichtend vorgesehen. Mit der Rücksichtnahme auf das anglikanische Erbe werden Wirklichkeiten behutsam neu bestimmt und im Lichte der katholischen Tradition interpretiert und ausgerichtet, worauf Christoph Ohly in einem Beitrag verwiesen hat7.

Es ist notwendig, der repräsentativen und nicht bloß rein beratenden Funktion eine neue Bedeutung und einen neuen Wert zuzuweisen, indem Verfahren eingeführt werden, die eine Teilhabe fördern und dabei eine Haltung des Hörens entwickeln und danach suchen, was der Geist der Kirche in der Phase der Entscheidungsfindung sagt.8.

Regionale Ebene

Bischofskonferenz als „Instanz der Zwischenebene“ von Gesamt- und Teilkirchen

Die in der Regel nationalen Bischofskonferenzen sind Einrichtungen zwischen der Universalkirche und den Partikularkirchen. Viele sehen die Bischofskonferenzen durch das Konzil „zu kollegialen hierarchischen Mittelinstanzen auf der Ebene zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Einzelbistum“ ausgebaut. Papst Franziskus hat nun aber in Evangelii gaudium angekündigt, über eine Neuausrichtung des Papsttums nachzudenken, weil eine übertriebene Zentralisierung der Kirche nicht helfe, sondern ihr Leben und ihre missionarische Dynamik verkompliziere (EG 32). Das Vorwort Nr. 7 in Praedicate Evangelium sagt:

„Die Entstehung der Bischofskonferenzen in der lateinischen Kirche stellt eine der jüngsten Formen dar, in denen die communio Episcoporum im Dienste der communio Ecclesiarum, die auf der communio fidelium gründet, zum Ausdruck gekommen ist. Unbeschadet der Gewalt, die dem Bischof als Hirten der ihm anvertrauten Teilkirche zukommt, sind daher die Bischofskonferenzen, einschließlich ihrer regionalen und kontinentalen Zusammenschlüsse, zusammen mit den jeweiligen orientalischen hierarchischen Strukturen gegenwärtig eine der bedeutendsten Modalitäten, um der kirchlichen Gemeinschaft in den verschiedenen Gebieten zusammen mit dem Papst, dem Garanten der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft, Ausdruck zu verleihen und zu dienen“.

Daher werden sie nicht, worauf Gianfranco Ghirlanda verwiesen hatte, als „zwischengeschaltete hierarchische Strukturen betrachtet, sondern als Einrichtungen der Subsidiarität9“.

Heilsame Dezentralisierung I: Umsetzung der Konkordatspolitik im Blick auf die Bischofskonferenzen unter Papst Johannes Paul II.

Johannes Paul II. setzte Subsidiarität auf der Ebene der Konkordatspolitik konkret um, indem er verschiedenen Bischofskonferenzen die Aufgabe zuweist, Regelungen zur Umsetzung der festgelegten Konkordate zu erlassen und sogar weitere Vereinbarungen mit dem Staat zu treffen10.

Auf diese Weise ist eine neue Art von Konkordat entstanden, das als Rahmenkonkordat bezeichnet werden kann, da es sich darauf beschränkt, die wesentlichen Grundsätze festzulegen, und alle weiteren und notwendigen Spezifizierungen späteren Vereinbarungen überlässt, für die das kirchliche Gremium, das am besten geeignet ist, mit den staatlichen Behörden zu verhandeln, häufig die nationale Bischofskonferenz ist.

An der Erteilung der Approbation im Sinne einer Recognitio ist zuerst das Staatssekretariat beteiligt. Es handelt sich nämlich nicht um die Zuweisung einer Vertretungsfunktion (Bischofskonferenz als verlängerter Arm des Hl Stuhls), sondern um die Übertragung einer spezifischen Befugnis, die die Konferenzen in eigener und voller Verantwortung ausüben können und müssen. Ein säkularer Jurist könnte von Devolution sprechen11. Peter Szabo hatte 2019 die Streichung bzw. einen Ersatz für die recognitio angeregt mit dem Verweis auf die Rechtslage in den katholischen Ostkirchen, wo, „die übergeordnete Gesetzgebungstätigkeit der östlichen Bischofssynoden völlig frei von höherer Kontrolle“ sei12.

Wenn man bei der Übersetzung liturgischer Texte in die Muttersprache die Approbation nunmehr mit Magnum Principium in die Hände der Bischofskonferenzen gelegt hat, so scheint dies bei der Umsetzung eines Konkordates in Teilverträgen jedoch immer noch sinnvoll, das Staatssekretariat, Zweite Sektion Beziehung zu den Staaten aufgrund der Einheitlichkeit der Vereinbarung und des Konkordates und damit der Rechtssicherheit einzubinden13. Dennoch tragen Vereinbarungen durch Bischöfe zur Dezentralisierung im Sinne einer gelebten Subsidiarität bei.

Heilsame Dezentralisierung II: Bischofskonferenzen bei Papst Franziskus

Astrid Kaptijn hat in der Zeitschrift Communio jüngst vorgeschlagen, dass die Bischofskonferenzen als „partielle Verwirklichungen des Bischofskollegiums mit diözesanen und überdiözesanen Aufgaben betrachtet werden, die in der Bischofsweihe wurzeln14“. .Die Überlegungen von Papst Franziskus zeigten nach Kaptijn die Bedeutung von drei Dimensionen in der Kirche: Primat, bischöfliche Kollegialität und Synodalität. Es bedarf einer Integration aller spezifischen Zuschreibungen15. Auch ein Blick in die Apostolische Konstitution Praedicate Evangelium legt diesen Zusammenhang nahe. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der c. 447 CIC, auf den in Nr. 9 der Präambel AK Praedicate Evangelium inhaltlich Bezug genommen wird, ausdrücklich besagt, dass die Bischöfe in der Bischofskonferenz „gemeinsam“ (coniunctim und nicht collegialiter) nur „einige pastorale Funktionen“ (munera quaedam pastoralia) ausüben, also nicht alle. Gianfranco Ghirlanda betonte dazu bei der Präsentation des Dokuments, dass „gemeinsam“ gesagt würde, um den Eindruck zu vermeiden, dass die kollegiale Gewalt der Bischöfe in den Konferenzen ausgeübt wird, die nur von ihnen ausgeübt werden kann, wenn das gesamte Kollegium einberufen ist.

Gesamtkirchliche Ebene

Unter gesamtkirchlicher Ebene verstehen wir hier die Formen der Synodalität auf der Ebene höchsten Autorität. Die gegenwärtigen Schwierigkeiten in ihrer Entwicklung gehen auf die Erfahrungen zurück, die auf dem Konzil bei der Suche nach der schwierigen Harmonisierung von Primat und Bischofsamt gemacht wurden, ja sie sind die Fortsetzung dieser Schwierigkeiten, die sich nie beruhigt haben16.

Das Ökumenische Konzil

Die Option, die Gesetzgebung über das Ökumenische Konzil in das Kapitel De Collegio Episcoporum des CIC aufzunehmen, scheint das Ergebnis einer theologischen Reflexion zu sein, die noch nicht ausgereift war und stark von den auf dem Konzil entstandenen Spaltungen beeinflusst wurde. Die Grenzen waren offenkundig, und ein großer Teil der Theologen zögerte nicht, seine Vorbehalte zum Ausdruck zu bringen, und zwar sowohl gegenüber der typisch universalistischen und hierarchischen Grundstruktur als auch gegenüber der spezifischen Formulierung des Kanons, bei der anstelle des Kollegiums die Sorge um die Wahrung der Vorrechte des „Oberhaupts“ in den Vordergrund trat. Die neue Kodifizierung hat das Ökumenische Konzil als feierlichen Ausdruck der bischöflichen Kollegialität betrachtet und nicht dazu beigetragen, die konziliare Dimension, die zur Kirche gehört und in der Kirche ist, hervorzuheben.

Die Bischofsernennung

Historische Daten zeigen, dass der Vorbehalt und die Bestätigung des Grundsatzes der freien Ernennung von Bischöfen durch den Papst erst Ende des 18. Jahrhunderts erfolgt ist. Tatsächlich wäre eine stärkere Beteiligung der Ortskirche zweifellos im Sinne der Tradition und wäre alles andere als die Einführung einer neuen Praxis, sondern die Wiedereinführung einer traditionellen Praxis in einer der veränderten Situation angemessenen Weise17.

In Wirklichkeit stärkt c. 377/CIC die absolute Freiheit des Papstes hinsichtlich der Bischofsernennungen. Der allgegenwärtigen Forderung nach einer stärkeren Beteiligung der Partikularkirche, die auch einige zaghafte positive Antworten findet, steht jedoch die Praxis des „Aufdrückens „, wie Walter Kasper es formuliert hat gegenüber oder sogar die paradoxe Praxis, die weltlichen Instanzen außerhalb der Kirche ein Ernennungsrecht bei Bischöfen zusichert (vgl. China).

Was könnte sich ändern? Der Bischof von Rom könnte bei der Bischofsernennung auf ein Vorrecht verzichten, das nicht zu seinem Amt gehört, und es zum Beispiel den Bischofskonferenzen oder der Kirchenprovinz anvertrauen, wobei er sich Formen der Approbation und der Gemeinschaft in Analogie zu den Ostkirchen vorbehält. Hier wären de lege ferenda neue Wege zu beschreiten.

Im Sommer 2022 gab es in einigen Kreisen beträchtliche Aufregung, als Papst Franziskus drei Frauen zu Mitgliedern des vatikanischen Dikasteriums für Bischöfe ernannte, das dem Papst Empfehlungen für Bischofsernennungen in weiten Teilen des lateinischen Katholizismus gibt. Ob diese Neuerung in der letzten Phase eines langen, komplexen Prozesses einen signifikanten Unterschied machen wird, bleibt abzuwarten; angesichts der kurialen Vorsicht und Zurückhaltung habe ich meine Zweifel. Aber wir werden sehen.

Katholische Laien können hilfreich sein, wenn es darum geht, potenzielle Bischöfe mit diesem apostolischen Eifer und mit den persönlichen Qualitäten und Fähigkeiten zu finden, die für eine Führungspersönlichkeit erforderlich sind, der andere gerne folgen. Eine ernsthafte Konsultation mit engagierten (und diskreten) Laien auf lokaler Ebene trägt also dazu bei, zu verhindern, dass der Episkopat zu einem sich selbst erhaltenden Club wird – oder schlimmer noch, zu einer höheren klerikalen Kaste. Apostolische Nuntien sollten auch gut genug informiert sein, um katholische Laien zu kennen, denen man zutrauen kann, die Eignung eines Priesters für das Bischofsamt ehrlich, unideologisch und unpolitisch zu beurteilen.

Die Römische Kurie

Papst Franziskus Änderungen, die er in seiner apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium („Verkündet das Evangelium“) vom 19. März 2022 dargelegt hat, sind die einschneidendsten Veränderungen in der Kirchenleitung seit Papst Paul VI., worauf jüngst der Jesuit Thomas Reese im National Catholic Reporter verwiesen hatte (15. Juli 2022).

Er hat fast alle vatikanischen Ämter für Laien geöffnet, einschließlich der Leiter der Dikasterien (früher Kongregationen genannt). Das bedeutet, dass sogar das Dikasterium für die Bischöfe, das Kandidaten für das Bischofsamt in aller Welt vorschlägt, nun von einer Nonne geleitet werden kann. Die Leiterin des Dikasteriums für die Glaubenslehre könnte eine Theologin sein. Sogar der Staatssekretär, der höchste vatikanische Beamte unter dem Papst, könnte eine Laienperson sein. Mit anderen Worten: Die Kurie ist Personal, nicht Teil der Befehlskette. Sie ist eher ein öffentlicher Dienst als eine Regierungselite. Sie erfolgt kraft der vom Papst empfangenen Vollmacht, der gewöhnlichen stellvertretenden Vollmacht; in diesem Sinne sind die Grundsätze und Kriterien, Nr. 5, und Art. 15 der Apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium zu verstehen. Sie kommen, um die Frage der Möglichkeit der Laien zu regeln, Ämter zu empfangen, die mit der Ausübung der Leitungsgewalt in der Kirche verbunden sind, sofern sie nicht den Empfang der heiligen Weihen voraussetzen, und bekräftigen indirekt, dass die Leitungsgewalt in der Kirche nicht aus dem Sakrament der heiligen Weihen, sondern aus der kanonischen Sendung stammt, da sonst nicht möglich wäre, was in der Apostolischen Konstitution selbst vorgesehen ist.

Dies wird von manchen gegenwärtig als revolutionär gesehen, jedenfalls kann ein Paradigmenwechsel vermutet werden. Dieser bewegt das Papsttum weg von seinem monarchischen Modell, in dem der Papst König ist und die Kardinäle und Bischöfe Quasi-Fürsten sind, hin zu einem kollegialen Modell, das vom Zweiten Vatikanischen Konzil entwickelt wurde. Franziskus will so das Potenzial der Bischofskonferenzen stärken und stärker vertiefen, als es Johannes Paul und Benedikt taten.

Die Bischofssynode

Die gewählte Art des Gesetzgebungsaktes, die Apostolische Konstitution Episcopalis communio vom 15. September 2018, brachte bedeutende Neuerungen mit sich, aber strukturell hat sich nichts geändert hat.

Autoren sind der Meinung, dass vorher geklärt werden muss, welcher Weg eingeschlagen werden soll, ob man mit dem spezifischen Charakter eines bischöflichen Organs (Bischofssynode) fortfahren will oder ob man im Gegenteil einen neuen Weg mit der Gestaltung einer Art „Kirchensynode“ gehen will18. Die jüngsten Synodenereignisse im Blick auf die Weltsynode 2021-2024 scheinen sich eher dieser zweiten Perspektive zuzuwenden19. Gemäß c. 337 § 3 CIC ergibt sich die Legitimation aus dem stets kollegialen Charakter des Rechtsakts, an dem die Gesamtheit durch ein repräsentatives Benennungsverfahren teilnimmt, das in seinen verschiedenen Phasen sowohl in Bezug auf die Themen als auch auf den Inhalt darauf achten muss, keinen der anspruchsberechtigten teilnehmenden Bischöfe auszuschließen.

Die Synodalität im kirchlichen Recht: Bräuchte es ein erneuertes „Grundgesetz“?

Ich komme zum Schluss: Das Bischofsamt ist in Diskussion, ist angefragt, nicht zuletzt im deutschen Diskussionszusammenhang, wo es bei der Bündelung der Macht im Bischofsamt und die mangelnde Transparenz und Kontrolle der Machtausübung als Problem gesehen werden und man beim synodalen Weg in Deutschland in deutlicher Abweichung vom Konzil und auch vom Kirchenrecht die Denkfigur der „freiwilligen Selbstbindung“ eingeführt hat. Schnell ist man heute, wie Kardinal Schönborn treffend im Juni 2022 in einem Interview mit der Zeitschrift Communio festgehalten hat, „vom Missbrauchsthema bei den Kirchenverfassungsfragen20“, Wohin geht nun die Reise?

Die Forderungen nach einer Dezentralisierung der Gesetzgebung in einer Zeit, die durch eine „Ent-kodifizierung“ gekennzeichnet ist, werden im kirchlichen Bereich zunehmend wahrgenommen, wobei die Tendenz besteht, eine Vervielfältigung der Codices unter Wahrung der Besonderheiten der kirchlichen Traditionen in einzelnen größeren Regionen und Gebieten anzudenken. (so z.B. der Erzbischof von Görz und ausgewiesene Kanonist Roberto M. Raedelli21). Es handelt sich um eine Anwendung von Gesetzgebungstechniken, in deren Rahmen sich auch das Subsidiaritätsprinzip, das in der kanonischen Ordnung richtig angewandt wird, entfalten würde22.

Die ekklesiologische Reflexion steht offenbar vor dem Ende der hierarchisch-pyramidalen Ekklesiologie. Die wiederentdeckte und sich neu etablierte Pneumatologie verlangt nach Michael Böhnke in seinem fundamentalen Wurf „Kirche in der Glaubenskrise. Eine pneumatologische Ekklesiologie“ von der Kanonistik das Wirken des Heiligen Geistes, der am Ursprung der Strukturierung des Volkes Gottes steht, mit juristischer Bedeutung zu gestalten. Die Institution bzw. die institutionelle Dimension der Kirche verweist auf das Wirken des Heiligen Geistes, der sie immer wieder „einrichtet“23.

Die Synodalität war auch von Corecco als „ontologische Dimension der kirchlichen Verfassung“ betrachtet und definiert worden, aber diese lehrmäßige Position verwies diese Dimension in die Sphäre des Weihesakramentes. Heute wird durch Papst Franziskus „die Synodalität als konstitutive Dimension der Kirche bekräftigt“, ja sie „bezeichnet in erster Linie den besonderen Stil, der das Leben und die Sendung der Kirche kennzeichnet24. Damit die Synodalität in angemessener Weise in besonderen Normen entwickelt werden kann, die den verschiedenen Bedürfnissen der lokalen Kontexte der Kirchen entsprechen, ist es notwendig, der konstitutiven Dimension der Synodalität ihren „juristischen Platz im Leben“ zu geben, der auch an die Gesetzgebungstechnik der Zeit angepasst ist.

Die juristische Übersetzung der oben genannten ekklesiologischen Elemente würde daher in einer „Grundrechtsordnung“ ihre heute am besten geeignete Formalisierung im Rahmen der üblicherweise verwendeten juristischen Sprache und Instrumente finden.

Der Vergleich mit der Rechtsordnung der katholischen Ostkirchen, sollten dabei vertieft werden, da sie dem Kanonisten und Theologen eine bereichernde Perspektive öffnen, die die Kodifizierung nicht zweier, sondern all jener lokaler Codices ermöglicht und garantiert, die notwendig sind, um die synodale Dimension der Organisation in der Vielfalt der Partikularkirchen zu unterstützen.

Harald Tripp
Referat beim Studientag „Synodalität aus der Perspektive theologischer Disziplin“ der österr. Sektion der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie (ET) in Salzburg am 19. September 2022

DOI: 10.25365/phaidra.384

Titelbild: pixabay.com


1Vgl. dazu Eugenio CORECCO, Das Wesen der Synodalität, in: Ordinatio fidei. Schriften zum kanonischen Recht, Paderborn, 1994, 380-401.

2Siehe dazu Karl WALLNER, Exemplarisches Laientum. Zur Theologie des Laien-Standes nach Hans Urs von Balthasar, in:Wolfgang BUCHMÜLLER OCist / P. Johannes Paul CHAVANNE OCist (Hg.), Cor ad Cor loquitur-Das Herz spricht zum Herzen, Festschrift für Abt Maximilian Heim OCist, 326. Für diesen Teil besonders H. U. VON BALTHASAR, Christlicher Stand, Einsiedeln 1977.

3Nach Balthasar nimmt der Laie auf verschiedenen Ebenen an derselben Amtlichkeit teil wie der Kleriker. Nicht insofern, als er gleiche Autorität genießt, sondern „in dem Sinne, dass er innerhalb des Verwaltungsbereichs der Hierarchie bestimmte Rechte ausüben und bestimmte Handlungen vornehmen kann, die ihm entweder von Rechts wegen als Christ zustehen oder ihm von der Hierarchie ordnungsgemäß übertragen werden“.

4H. HOFFMANN, Repräsentation. Studien zur Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, Berlin 1974.

5Vgl. dazu auch Wilhelm REES, Gemeinsam auf dem Weg. Geschichte, Bestimmungen der römisch-katholischen Kirche und Überlegungen zur Weiterentwicklung von Synodalität, in: Liborius LUMMA, Wilhelm REES, Andreas VONACH (Hg.), Religiöse Autoritäten, Innsbruck 2022, 201-240.

6Andreas KOWATSCH, Personale teilkirchliche Gemeinschaften, St. Ottilien 2019, besonders 417 u. 453.

7Christoph OHLY, Personaladministration und Personalordinariat: Neue verfassungsrechtliche Strukturen im Hinblick auf die Entwicklung eines ökumenischen Kirchenrechts, in: Wilhelm REES (Hg.), Ökumene: Kirchenrechtliche Aspekte, Wien 2014, 105-120.

8INTERNATIONALE THEOLOGISCHE KOMMISSION, Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche, Rom 2018, Nr. 67-68.

9Gianfranco GHIRLANDA, La Cost. Ap. Praedicte Evangelium sulla Curia Romana, in: Periodica 111 (2022) 355-420, 377 f.

10Siehe insbesondere die Abkommen mit Spanien im Jahr 1979 über Bildung, Kultur und Wirtschaft sowie 1980 über Steuern7, mit Italien im Jahr 1984, mit Malta zwischen 1989 und 1998, mit Polen im Jahr 1993, mit Ungarn im Jahr 1994 und 1997, und mit Kroatien ab 1996, Slowakei und Slowenien. Vgl. dazu Giuseppe DALLA TORRE, Die Konkordatstätigkeit Johannes Pauls II., in: Ludger MÜLLER/Libero GEROSA (Hg.), Johannes Paul II.-Gesetzgeber der Kirche, Paderborn 2017, 71-89, hier74 ff.

11Devolution meint in der Staatsrechtslehre die Übertragung administrativer Funktionen in einem Einheitsstaat an regionale Körperschaften.

12Siehe dazu Peter SZABO, Episcopal Conferences, Particular Councils, and the Renewal of Inter-Diocesan „Deliberative Synodality, in: Studia canonica 53, 2019, 265-296, hier 279 ff.

13In der Praxis handelt es sich um die Erteilung eines Nulla osta, die es dem Heiligen Stuhl ermöglicht, im Voraus zu überprüfen, dass sie nichts enthalten, was dem Wohl der Kirche und insbesondere der Einheit des Glaubens, der Gemeinschaft und der Rechtskultur zuwiderläuft oder widerspricht.

14 Siehe dazu Astrid KAPTIJN, Bischofskonferenzen in einer synodalen Kirche, in: IKaZ 51 (2022) 419-430, 423.

15 Der päpstliche Primat ist ein aktiver Teil der bischöflichen Kollegialität, jedoch mit einer besonderen Rolle. Die bischöfliche Kollegialität drückt sich in einer synodalen Kirche aus und bedarf ihrer Vervollständigung, an der alle Gläubigen aktiv teilnehmen.

16 Vgl. dazu Wilhelm REES, Gemeinsam auf dem Weg, 215 f.

17 Siehe dazu Richard POTZ, Bischofsernennungen, in: Gisbert GRESHAKE, Zur Frage der Bischofsernennungen in der römisch-katholischen Kirche, Freiburg 1991, 17-50, hier 37f.

18 Vgl. dazu etwa Wilhelm REES, Gemeinsam auf dem Weg, 228 ff.

19 Vgl. dazu besonders Myriam WIJLENS, „Die Kirche Gottes ist zu einer Synode einberufen“-Theologische und kirchenrechtliche Herausforderungen zur Synode 2021-2023, in: Paul M. ZULEHNER u.a., Synodalisierung, Ostfildern 2022, 433-461, hier 443 f.

20 Siehe dazu Christoph Kardinal Schönborn über theologische Grundlagen, Chancen und Risiken von Synodalität. Ein Gespräch mit Jan-Heiner Tück, in: IKaZ 51 (2022) 317-330, hier 323.

21 Siehe dazu Carlo Maria REDAELLI, Il Codice e la Chiesa. Attualità e futuro di una relazione, in: QDE XXX (2017), 207.

22 Die Technik der Kodifizierung selbst sollte nicht aufgegeben werden, wohl aber der Wert, der dem Instrument des Kodex beigemessen wird, wie dies bei den beiden derzeit in der Kirche geltenden Kodizes der Fall ist. Es wird immer dringlicher, auf die Bequemlichkeit einer Vielzahl möglicher Kodifizierungen zu reagieren, die die Besonderheiten der einzelnen Ortskirchen getreuer und kohärenter umsetzen. Aber gerade diese bewundernswerte Vielfalt verlangt nach einer gemeinsamen Grundlage, die in ihren juristischen Elementen das Minimum und damit die grundlegenden Elemente des Kircheseins zum Ausdruck bringt. All dies wird als Ergebnis einer schwierigen Arbeit betrachtet, einer Anstrengung, den theologischen Reichtum in die juristische Sprache zu übersetzen, wobei das Konzil im Zweifelsfall der Interpretationsschlüssel bleibt.

23 Siehe dazu Michael BÖHNKE, Kirche in der Glaubenskrise. Eine pneumatologische Ekklesiologie, Freiburg 2013, 250 f.

24 Siehe dazu Wilhelm REES, Synodalität. Möglichkeiten der Weiterentwicklung aus katholisch-kirchenrechtlicher Perspektive, in: Paul M. ZULEHNER u.a., Synodalisierung, Ostfildern 2022, 413-430, 416 f.