Zur wahrheitspolitischen Heteronomie des „sensus fidei fidelium“ im Kontext des Synodalen Weges

Von Christian Faber.

DOI: 10.25365/phaidra.393

1. Einleitung

In den synodalen Bestrebungen der Weltkirche und dem Synodalen Weg in Deutschland stellt sich so prominent wie lange nicht mehr die Frage nach dem Verhältnis der Kirche zu ihren Gläubigen. Als Reaktion auf die sogenannte Missbrauchsstudie von 2018 und die hohe Anzahl an Kirchenaustritten, schickt sich das von der DBK und dem ZDK initiierte Forum an, den Gläubigen einen institutionalisierten Raum zu geben, damit die Partikularkirche den Glaubenssinn ihrer Gläubigen vernehmen kann, und so zu einer hörenden Kirche wird.
Schließlich sind die dogmatischen Voraussetzungen für eine breite Partizipation der Laien, durch die Feststellung des unbeirrbaren Glaubenssinn aller Gläubigen durch das 2. Vatikanische Konzil, schon längst gegeben. Doch wie so viele lehramtliche Texte und Schriften, die sich auf das vermittelte Wort Gottes berufen, sind auch die Verlautbarungen des Konzils hinsichtlich der Rolle der Laien interpretationsoffen. Dies führt zu einem Problem, das Sabine Demel prägnant zusammenfasst: „Seit jeher behaupten die einen, dass es eine Communio-Ekklesiologie ist, die anderen dagegen, dass es eine Hierarchie Ekklesiologie ist und beide Richtungen meinen, auf entsprechende Konzilsbelege verweisen können“ (Demel 2012: 15). Die bestimmte Ekklesiologie hat zentrale Konsequenzen für die Frage nach den Kompetenzen, die dem sensus fidei fidelium zugestanden werden. Jene, die das aktuelle Verhältnis zwischen Laien und Klerus kritisieren, tun dies explizit mit dem Verweis auf die verlautbarte Dogmatik des 2. Vatikanischen Konzils. Für sie bleibt der proklamierte übernatürliche Glaubenssinn aller Gläubigen zugunsten der gottgewollten Hierarchie wahrheitspolitisch auf der Strecke; sie fragen: „Wie läßt sich die eingetretene Schwerhörigkeit der Kirche als Institution heilen und in einen guten Dialog überführen“ (Wiederkehrer 1993: 79)? Doch kann eine solche Form der Zusammenkunft, wie die des Synodalen Weges, den jahrzehntelang gepflegten epistemologischen Graben zwischen Laien und Klerus überwinden? Handelt es sich dabei nicht viel eher um eine „Partizipationsattrappe“ (Lüdecke 2021: 12)? Oder gibt es vielleicht überhaupt keinen Grund die tradierte Hierarchie in der Kirche zu egalisieren? Die These, die diese Arbeit zu untermauern versucht, lautet: Obwohl das Konzil dem sensus fidei fidelium historisch unvergleichliche Autorität beimisst, haben es Lehramt und Kirchenrecht versäumt, diese Einsichten geistlich in die wahrheitspolitischen Prozesse zu integrieren. Der Synodale Weg in Deutschland stellt in diesem Kontext einen ersten Versuch dar, dieses Missverhältnis zu begradigen. Ob das gelingt, bzw. überhaupt so gelingen kann, soll hier versucht werden zu beantworten.
So erfolgt zunächst im 2. Kapitel die Erörterung des Glaubenssinns aller Gläubigen vor dem Hintergrund des II. Vatikanischen Konzils, um die daraus gewonnen Erkenntnis dem Lehramt gegenüberzustellen. Nach einem kurzen Resümee über das Verhältnis zwischen diesen beiden Quellen der Glaubenswahrheiten folgt eine Erläuterung über die kirchenrechtlichen Konsequenzen. In den Rechtsnormen über das Verhältnis von Laien und Klerikern zeigt sich, wie sich die dogmatischen Verlautbarungen des Konzils nach seinem Ende einseitig zugunsten der Kleriker im kanonischen Recht materialisiert haben. Schließlich wird die Einbeziehung des sensus fidei in die communio hierarchica am Beispiel des Synodalen Weges in Deutschland diskutiert. Das Fazit fasst letztlich die Ergebnisse zusammen und gibt einen kurzen Ausblick auf künftige Reformpotentiale.

2. Zum Verhältnis vom Glaubenssinn aller Gläubigen und dem Lehramt der katholischen Kirche


Die Frage nach den Grenzen und Potentialen der Partizipation von Laien in den aktuellen Synodalen Bestrebungen, sowohl im deutschen Synodalen Weg wie auch in der laufenden Weltsynode, fundiert sich in der grundsätzlichen Beziehung zwischen Klerikern und Laien, sowie der Frage nach dem Wesen und der Konstitution der Kirche selbst. Im Folgenden sollen deshalb mit dem sensus fidei fidelium und dem Lehramt zwei Elemente innerhalb der Kirche gegenübergestellt werden, die jeweils auf ihre Art und Weise fundamentale Einsichten in eben jenes Wesen der Kirche und die Praxis des Glaubens geben. Dieses Kapitel wird durch die Rekonstruktion dieser Opposition zu dem Ergebnis kommen, dass der sensus fidei fidelium ein zugunsten der Hierarchie und der Tradition vernachlässigtes Element innerhalb der Wahrheitspolitik der Kirche darstellt. Im dritten Teil werden die hier gewonnen Einsichten dann im Kontext der kirchenrechtlichen Dimension hinsichtlich der Laienpartizipation eingeordnet.

2.1 Heteronomie und Autonomie des sensus fidei fidelium

Das II. Vatikanum hob den „supernaturalis sensus fidei“ (LG 12) durch Ihre lehramtliche Gewalt aus einer verlorenen gegangen Tradition in eine prädestinierte Stellung, die sich im Dokument Lumen Gentium (LG) niederschlägt. Diese privilegierte Stellung erwächst zunächst aus der epistemologischen Autorität: „Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben (vgl. 1 Joh 2,20.27), kann im Glauben nicht irren“ (LG 12). Der sensus fidei fidelium stellt eine „Gabe an das ganze Volk Gottes dar, die den einzelnen Gläubigen durch die Geistesgabe in Taufe und Firmung zugesprochen wird“ (Ohly 1999: 319). Im Idealfall äußert sich der sensus fidei fidelium dort, wo das Gottesvolk, vom Laien bis zum Bischof, „ihren universalen Konsens in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert bzw. hervorbringt“ (Burghardt 2002: 23). Dieser Konsens ist „eine Manifestation der Beteiligung Gottes am Entscheidungsprozess“ (Wijlens 2022: 449). Das gesamte Gottesvolk schließt so eben jene mit ein, die nicht durch das Weihesakrament einen höheren Geistesbeistand genießen und bindet die Hirten an die Erkenntnisfähigkeit ihrer Herde, der Laien1. So wird gleich zu Beginn von LG 12 betont, dass das gesamte Gottesvolk (also auch die Laien) am dreifachen Priesteramt Jesu Christi teilhaben. Das dreifache Amt umschließt hierbei neben der priesterlichen und königlichen Würde auch das prophetische Amt, also das lehramtliche Amt. Eine eklektische Interpretation dieser Stelle im LG könnte nun annehmen, dass das amtliche Lehramt und das allgemeine Lehramt aller Gläubigen mindestens ein reziprokes Verhältnis zueinander pflegen. Das Laienapostolat ist Teil der Sendung der Kirche selbst und nicht ontologisch abhängig von der Hierarchie. Hier zeigt sich die relative Autonomie und die geistlich Subjektwerdung der Laien durch das II. Vatikanische Konzil (vgl. Neuner 2015: 121). LG 31 präzisiert dieses Postulat, wenn es im Abschnitt über die Laien heißt, dass sie „auf ihre Weise teilhaftig“ sind. Diese Partikularität wird durch nachfolgende Äußerungen über den bestimmten „Weltcharakter“ (LG 31) der Laien verdeutlicht. Peter Neuner verweist jedoch darauf, dass diese Äußerungen keine Wesensdifferenz zwischen Klerikern und Laien konstituieren und so nicht als „Einschränkung des Laienapostolats“ (Neuner 2015: 243) zu verstehen seien. Dieser Umstand wird dann für das Wesen der Kirche virulent, wenn es darum geht, wie Entscheidungen über die Wahrheit des rechten Glaubens getroffen werden. Thomas Schüller zitiert hierzu Papst Franziskus: „Der sensus fidei verbietet, starr zwischen Ecclesia docens [der lehrenden Kirche] und Ecclesia discens [der lernenden Kirche] zu unterscheiden, weil auch die Herde einen eigenen ‚Spürsinn‘ besitzt, um neue Wege zu erkennen, die der Herr für die Kirche erschließt“ (Papst Franziskus 2015, zitiert nach Schüller 2022: 347).
Dabei wirkt der Glaubenssinn nicht ausschließend auf der individuellen oder auf der kollektiven Ebene. Christoph Ohly betont die doppelte Seite des sensus; einerseits dient der sensus als sensus fidei zur persönlichen Vertiefung in die Glaubenseinsicht und andererseits als sensus fidei fidelium zur intersubjektiv geteilten Einheit mit anderen Gläubigen (vgl. Ohly 1999: 319). Durch die Wirksamkeit auf beiden Ebenen ist der Gläubige zum Erkennen und zur Annahme von Gottes Wort, zum Festhalten am Glauben selbst und zum tieferen Eindringen in den Glauben fähig. So gelingt es den christfidelis als Gemeinschaft, mit den Worten von Wijlens, „[to] arrive at an insight about what is a value for it“(Wijlens 1995: 25).

Doch ist nicht jede (vermeintliche) Einsicht eines Gläubigen über den Glauben und seine Praxis gleichsam vom Heiligen Geist getragen, der den Gläubigen ihren Glaubenssinn spendet. Immer wieder warnen Hierarchen davor, dass der Zeitgeist der öffentlichen Meinung oder der „Ungeist“ den Glaubenssinn korrumpieren. Denn es muss festgestellt werden: weil jemand gläubiger Christ ist und die Initiationssakramente empfangen hat, ist nicht jede seiner Aussagen und Handlungen vom Heiligen Geist beseelt. Peter Brauchart führt in seiner Dissertation (1983) die latente Anfälligkeit der Laien für solche Verirrungen auf die Erbsünde zurück, von der sie durch ihren Weltcharakter besonders betroffen seien; das falsche Erkennen sei „in der Schwäche des christlichen Volkes zu suchen, das aufgrund seiner sündigen Verfaßtheit das Wirken des Geistes behindert, der allen Kirchen zur Ausnahme der einen Wahrheit und zur Einheit treiben möchte“ (133). Im Gegensatz zu den Laien kommt den Geweihten qua ihrer göttlichen Berufung ein höherer Geistesbeistand zu. Schließlich sind Kleriker nicht durch machtpolitische Manöver und harten Fleiß in Amt und Würden gekommen, sondern weil sie von Gott auserwählt wurden, um das Hirtenamt für die Gemeinde resp. die Diözese auszuführen. Norbert Lüdecke spricht in diesem Kontext von der ontologischen Scheidung. Für ihn sind Kleriker und Laien bezüglich der spirituellen Epistemologie eben doch grundsätzlich dem Wesen nach verschieden. Deswegen trifft der Verdacht des Zeitgeistes oder Ungeistes weniger auf die Geweihten zu.
Um nun zu erkennen, welche Einsichten der Laien vom Heiligen Geist getragen sind, bedarf es einer „Unterscheidung der Geister“. Die Internationale Theologische Kommission gibt in Ihrer Verlautbarung „SENSUS FIDEI und SENSUS FIDELIUM im Leben der Kirche“ (2014) eine Übersicht darüber, wie sichergestellt werden kann, dass es sich um eine authentische geistliche Einsicht in die Glaubenswahrheiten handelt. Dort werden Charakteristika identifiziert, die die Gläubigen zu wahrhaftigen Subjekten des sensus fidei machen sollen. Diese Merkmale bündeln sich letztlich unter dem Begriff der Partizipation in der Kirche. Konkret muss der Laie folgende Aktivitäten wahrnehmen:

„[…] ständiges Gebet (vgl. 1 Thess 5,17), aktive Teilnahme an der Liturgie, besonders an der Eucharistie, regelmäßiger Empfang des Bußsakraments, Wahrnehmung und Anwendung der Gaben und Charismen, die man vom Heiligen Geist empfängt, aktives Engagement in der Mission der Kirche und in der diakonia.“ Hinzu kommt „das Akzeptieren der kirchlichen Lehre in Fragen des Glaubens und der Sitten […], die Bereitschaft, Gottes Gebote zu befolgen und den Mut, seine Brüder und Schwestern zu korrigieren, wie auch selbst Zurechtweisungen anzunehmen“ (89). Das bedeutet auf emotionaler-spiritueller Ebene „in Harmonie mit der Kirche fühlen, empfinden und wahrnehmen“ (90).

So stellt die Kommission bei jenen Gläubigen einen authentischen Glaubenssinn sicher, die bereits aktiv in die hierarchische Kirche eingebunden sind. An dieser Stelle leitet der Passus über das Akzeptieren der „kirchlichen Lehre in Fragen des Glaubens und der Sitten“ zum Teil über das Verhältnis zum Lehramt über.

Nun handelt sich bei Lumen Gentium selbst um einen lehramtlichen Text höchster Autorität. Peter Neuner verweist darauf, dass das Konzil den Text auch aus pragmatischen Gründen bewusst interpretationsoffen formulierte, um eine höchstmögliche Einmütigkeit zu erzielen (vgl. 2015: 130f.). Bezüglich der Rolle der Laien und des sensus fidei fidelium treten dadurch ambivalente Äußerungen auf. Im vorherigen Teil wurde der sensus fidei fidelium weitestgehend als egalitäres Moment in der Kirche erörtert, der die Subjekt-Werdung des einzelnen Gläubigen innerhalb der Hierarchie stärkt und somit den sensus fidei als autonome Quelle der Erkenntnis über die Glaubenswahrheit in den Mittelpunkt stellt. Doch wie bereits in der Erklärung der Internationalen Theologischen Kommission zitierten Verlautbarung, lässt Lumen Gentium auch eine Interpretation zu, die den Glaubenssinn aller Gläubigen unter die Fittiche des Glaubenssinns des Klerus nimmt. Deswegen sollen hier kurz die Argumente vorgebracht werden, die in der nachkonziliaren Rezeption die Heteronomie des sensus fidei feststellen und das wahrheitspolitische Missverhältnis zwischen Klerikern und Laien erhalten wollen. In LG 12 wird nämlich nicht nur die Unfehlbarkeit festgestellt, sondern auch die Abhängigkeit des Glaubenssinns vom Lehramt: „Durch jenen Glaubenssinn nämlich […] hält das Gottesvolk unter der Leitung des heiligen Lehramtes […] den einmal den Heiligen übergebenen Glauben (vgl. Jud 3) unverlierbar fest“; und weiter: „Das Urteil über ihre Echtheit [die Gaben des Heiligen Geistes] und ihren geordneten Gebrauch steht bei jenen, die in der Kirche die Leitung haben und denen es in besonderer Weise zukommt, den Geist nicht auszulöschen, sondern alles zu prüfen und das Gute zu behalten (vgl. 1 Thess 5,12.19-21) (LG 12)“. Die hervorgehobenen Stellen verdeutlichen die Heteronomie des Glaubenssinns vom Lehramt2. Exemplarisch für eine solche kleruszentrierte Wahrheitspolitik der ecclesia hierarchia dient dieses Zitat von Peter Brauchart: „Das sichere Fundament für die Wahrheitserkenntnis in der Kirche ist die Übereinstimmung des gesamten Gottesvolkes, wobei den Aussagen des Lehramtes auf Grund seiner qualifizierten Verantwortung und der leichteren Greifbarkeit ein besonderes Gewicht zukommt“ (Brauchart 1982: 129). Myriam Wijlens hingegen betont in abwägender Manier, dass das Urteil in Glaubensfragen „nicht allein unter der Leitung des Lehramtes ausgeübt [wird], sondern es besteht eine Zirkularität zwischen dem sensus fidelium und dem Lehramt“ (2022: 442).
Unfehlbarkeit kommt nicht nur der Gesamtheit der Gläubigen zu, wo sie einen Konsens erzielen, sondern auch dem Lehramt (vgl. c. 748 §2). Dies stellt für Dietrich Wiederkehrer ein Problem dar. Er negiert den universell-göttlichen Wahrheitsanspruch zugunsten der Feststellung, dass auch lehramtliche Einsichten und Entscheidungen nie frei von Umwelteinflüssen und zeitgeistlichen Entwicklungen sein können (vgl. Wiederkehrer 1994: 189). Der Verdacht des Lehramtes am bloß relativen Wahrheitsgehalt des sensus fidei fidelium, der in vielen verschiedenen Wahrheitsgestalten auftritt, müsse sich auch in produktiver Weise auf sich selbst beziehen:

„Diese Partikularisierung auch der lehramtlichen Entscheidungen und Formulierungen wird erst und meist mit Widerwillen zugestanden, wenn ihre eigene schlechte Unzeitgemäßheit und ihre bewußten oder unbewußten Verblendungszusammenhänge nicht mehr zuzudecken sind“ (190).

Mit Walter Benjamin kann man hier von einem „Zeitkern“ (Benjamin 1982: 578) der Wahrheit sprechen. Neben den selbstevidenten Anspruch der Universalität der Wahrheit in der Verkündung lehramtlicher Einsichten, tritt der unbedingte Wille nach Konsens und Harmonie. Auch hier sei eine Relativierung dieser beiden Ansprüche produktiv für das Lehramt, um den latenten Zweifel gegenüber dem sensus fidei fidelium vermindern. Nur dort, wo Dissens über Glaubensfragen zugelassen wird, ohne schismatische Vorwürfe geltend zu machen, könne die Wahrheitspolitik eine egalitäre und produktive Wendung erfahren.

2.2 Resümee: Konkurrenten oder Partner?

An dieser Stelle lässt sich resümieren, dass zwischen Lehramt und Glaubenssinn, je nach Interpretation, ein zumindest ambivalentes Verhältnis erwächst. Wie beschrieben holte erst das II. Vatikanische Konzil den übernatürlichen Glaubenssinn aller Gläubigen aus der historischen Versenkung, wobei die expliziten Äußerungen im Lumen Gentium interpretationsoffen bleiben. Gleichzeitig wurde der Glaubenssinn hierbei unter die epistemologischen Fittiche des Lehramts gestellt, wodurch seine Kompetenz und seine Autonomie stark beschnitten wurde. In der nachkonziliaren lehramtlichen Rezeption des sensus fidei wird immer wieder das reziproke Verhältnis dieser beiden Quellen der Glaubenswahrheit betont. Jedoch muss eindeutig festgestellt werden, dass in der Wahrheitspolitik der Kirche das Primat des amtlichen Lehramtes unangetastet bleibt. Dies ist nur folgerichtig, wenn man die Notwendigkeit der Unterscheidung der Geister akzeptiert. Während die Laien gewissermaßen zu Gehorsam in Glaubensfragen durch das Lehramt gezwungen werden, gibt es keinerlei Obligationen gegenüber dem Klerus den sensus fidei fidelium anzuhören. Das Verhältnis ist auf vielen Ebene eine Einbahnstraße, obwohl es genügend Gründe und dogmatisch ermöglichte Reformen gebe, um die Laien und Ihren Glaubenssinn stärker in die Wahrheitspolitik der Kirche einzubinden (vgl. Wijlens 2022: 439). Wie geht nun der Gesetzgeber mit dieser Ambivalenz um?

2.3 Zur Rolle des kanonischen Rechts

Weil sich im Kirchenrecht das Kirchenverständnis materialisiert, ist die Beantwortung nach der Frage der Konstitution der Kirche nicht von der Betrachtung der Rechtsrealität zu lösen. Das kanonische Recht von 1983 ist die (vermittelte) Konsequenz aus dem II. Vatikanum3 und in seiner Entstehung und in der Interpretation der einzelnen Normen auf die Ekklesiologie der Konzilsväter angewiesen: „Das konziliare Kirchenbild ist der Kontext der kirchlichen Gesetze des CIC, der bei allen kirchlichen Gesetzen heranzuziehen ist“ (Demel 2012: 17). Gleichzeitig, so Christoph Ohly, warne die Kanonistik vor der Überbewertung des sensus fidei fidelium (vgl. Ohly 1999: 5). An dieser Stelle soll gezeigt werden, wie sich diese Warnung, bzw. das Misstrauen, in den Rechtsnormen des CIC niederschlägt.
Doch zunächst zu einigen ausgewählten Rechtsnormen. In den vier Katalogen über die Rechte und Pflichten der Gläubigen im Buch Zwei des CIC schlägt sich „das Kirchenverständnis, das sich im Kirchenrecht konkretisiert“ (Boeckenförde 1994: 207) nieder und somit auch das Verhältnis zwischen Laien und Klerikern. Zunächst ist festzustellen, dass die Laien im Gesetzbeuch ex negativo definiert werden: „Kraft göttlicher Weisung gibt es in der Kirche unter den Gläubigen geistliche Amtsträger, die im Recht auch Kleriker genannt werden, die übrigen dagegen heißen auch Laien“ (c. 207 §1). Wo sich für manche Kirchenrechtler hier die vom II. Vatikanum vermeintlich überwundene societas inaequalis nahtlos fortschreibt (vgl. Konrad 2010: 19), stellt der Katalog über die Rechte und Pflichten der Laien, durch seine voran gestellte Position innerhalb des CIC, eine Würdigung der Gläubigen mit Weltcharakter dar (vgl. Ahlers 2015: 299; Riedl 2015: 303f.). Jedoch gesteht Ahlers ein, dass das CIC die Gleichheit unmittelbar wieder „verdunkelt“ (ebd. 299), wenn im Gesetzbuch die Abschnitte über Rechte und Pflicht wiederum in „Laien“ und „Kleriker“ geteilt sind. Aber nicht nur die Position der Kanones über die Laien, sondern auch c. 208 stärkt das Argument der fundamentalen Gleichheit, wenn der Gesetzgeber verlauten lässt, dass unter allen Gläubigen „eine wahre Gleichheit in ihrer Würde und Tätigkeit [besteht], kraft der alle je nach ihrer eigenen Stellung und Aufgabe am Aufbau des Leibes Christi mitwirken“ (c. 208). Analog zur Uneinigkeit bei der Frage, ob Lumen Gentium eine egalitäre oder eine hierarchische Ekklesia konstituiert, lässt c. 212 offen, ob die zuvor postulierte Gleichheit aller Gläubigen durch das lehramtliche Primat in Glaubensfragen zur Disposition gestellt oder zumindest eingeschränkt wird. Dort heißt es in §1: „Was die geistlichen Hirten in Stellvertretung Christi als Lehrer des Glaubens erklären oder als Leiter der Kirche bestimmen, haben die Gläubigen im Bewußtsein ihrer eigenen Verantwortung in christlichem Gehorsam zu befolgen“ (c. 212 §1). Diese Stelle kann zweifelslos als nahtlose Übersetzung der konziliaren Ekklesiologie hinsichtlich des Primats des Lehramtes des Klerus festgestellt werden. Doch wie verhält es sich mit der Anerkennung des sensus fidei fidelium und dem Laienapostolat? Im dritten Kapitel des Zweiten Buches über die Rechte und Pflichten der Kleriker, zeigt sich, wie die Kleriker das Laienapostolat anzuerkennen und zu fördern haben (vgl. c. 275 §2). Gerda Riedl lobt hier die Anerkennung des Sendungsauftrag der Laien, doch schwächt sie ihr Argument fundamental, wenn sie daraufhin schreibt: „Laien können auf verschiedene Weise auch zur unmittelbaren Mitarbeit in der Kirche herangezogen werden“ (Riedl 2015: 305f.). Die Betonung soll hier auf das „können“, die „Mitarbeit“ und die passivierende Form des „herangezogen werden“ liegen. Darin ist, zumindest für viele Gläubige, eine gesetzlich verankerte (bzw. eben nicht verankerte) Herabwürdigung impliziert. Einzig den Geweihten kommen alle Entscheidungen zu,

„obwohl doch der Geist seine Gaben an alle aus- und jedem nach seinem Maß zuteilt. Theologisch gesprochen wird diese einschränkende Formulierung dem Sensus Fidei Fidelium nicht gerecht, diesem »Spürsinn der Herde«, um »neue Wege zu finden« (vgl. EG 31; vgl. LG 12a: in credendo falli nequit)“ (Borras 2021: 6).

Das Zitat von Riedl macht klar, dass abseits der Partizipationsmöglichkeiten (nicht: Partizipationsrechte) auf der Ebene der Pfarrei (vgl. c. 529 §2), die Anhörung und Aufnahme des geistgeleiteten sensus fidei fidelium einzig von der Gunst des Hierarchen abhängt. Wenn Riedl bezüglich der Heilssendung auf die „konstruktiv-komplementäre Verwiesenheit“ (306) von Klerus und Laien verweist, so negiert sie die offensichtliche Einseitigkeit dieses vermeintlich reziproken Verhältnisses. Wollte man diesen Idealtypus der Verwiesenheit auch in die ekklesiologische Wirklichkeit übersetzen, kommt man nicht um eine Anhörungspflicht der Laien, wie sie Böckenförde vorschlägt (vgl. 1994: 207), umhin. Im Zeichen der Weltsynode und der ausgerufenen Synodalität als Grundlage der Kirche überhaupt, kann man mit Sabin Demel fragen, ob es „neue theologische Erkenntnisse [gibt], die rechtserheblich sind und deshalb eine entsprechende kirchenrechtliche Umsetzung verlangen“ (Demel 2009: 15). Burghardt geht in seiner Analyse so weit zu schreiben, dass eine „Vernachlässigung des sensus fidei im CIC“ bestehe, die einen „Mangel in Bezug auf die Rezeption des II. Vaticanums durch den CIC“ (Burghardt 2002: 99) darstelle. Somit falle das Kirchenrecht von 1983 hinter die Einsichten des II. Vatikanischen Konzils zurück. Ähnlich resümiert Michael Böhnke, wenn er von der „Geistvergessenheit des kirchlichen Gesetzbuches“ spricht, das „den Begriff des Glaubenssinn der Gläubigen unterschlagen hat“ (Böhnke 2017: 121f.). Ob der Synodale Weg in Deutschland Produkt einer solchen theologischen Erkenntnis ist und ob er ein solches Forum bieten kann, oder ob der sensus fidei fidelium nicht viel eher dezentral und ohne ein Repräsentationssystem erlebt und erhoben werden sollte, soll im nächsten Kapitel diskutiert werden.

3. Diskussion am Gegenstand des Synodalen Weges in Deutschland

In der Synodalversammlung des Synodalen Weges formiert sich der Anspruch einer synodalen Kirche durch gemeinsame Anwesenheit von Laien und Klerikern. Dabei stellt der Synodale Weg in Deutschland eine sehr breite Themenpalette zur Abstimmung, die fast durchweg in den Kompetenzbereich der Weltkirche und des Universalrechts fallen. Diese fehlende Rechtssetzungskompetenz war im Vorfeld klar. Zudem handelt es sich nicht um eine ordentliche Synode, da eine ordentliche Synode „der Zustimmung durch den Heiligen Stuhl [bedarf], die oft erst nach einem längerfristigen Verfahren erteilt werden kann“ (https://www.synodalerweg.de/faq).
An dieser Stelle soll es weniger um die Inhalte des Synodalen Weges gehen. Stattdessen soll der Synodale Weg an seinem Anspruch und seinem Verfahren betrachtet werden. Das Verfahren soll hier auf das gemeinsame Anhören und Abstimmen reduziert werden, da diese deliberative Form dem päpstlichen Ideal einer hörenden Kirche entspricht, wie es im Vorfeld der Weltsynode verlautbart wurde. Dieser Prozess wird der zuvor genannten idealtypischen Reziprozität hinsichtlich der lehramtlichen Verlautbarungen zwischen Klerikern und Laien, abseits der Abwesenheit rechtssetzender Kompetenzen, durch die gemeinsame Anhörung und die Abstimmung gerecht. Einschränkend erwähnt sei an dieser Stelle die in der Satzung festgelegt Sperrminorität der Bischöfe, welche die Anerkennung der Hierarchie und des klerikalen Primats ernst nehmen soll. Zur Annahme einer Beschlussfassung benötigt es neben der 2/3 Mehrheit der restlichen Synodalversammlung, die Zustimmung von 2/3 der anwesenden Bischöfe. Somit können 24 Bischöfe eine Entscheidung blockieren (vgl. Lüdecke 2021: 166). Deswegen spricht Lüdecke in diesem Zusammenhang auch von einem „kontrollierten Gleichheitsgefühl“ (ebd. 180).
Wie Alphonse Borras (2021) feststellt, herrscht auf allen Ebenen ein geregeltes Maß an Laienbeteiligung, das, wie im Teil über die kirchenrechtlichen Konsequenzen ausgeführt, so minimal und unverbindlich wie möglich gehalten ist. Wo die Gunst des Pfarrers es erlaubt, ist diese Partizipation auf die Beratungsfunktion der Laien begrenzt, zumal die Einrichtung eines Diözesanrates nicht durch das CIC garantiert ist, sondern auf die Empfehlung des II. Vatikanums zurückgeht (vgl. Borras 2021: 5f.). Beim Synodalen Weg ist den Laien nun nicht nur das Recht zur Beratung gegeben, sondern auch das zur Entscheidung in Form von Abstimmung über die Beschlusstexte. Dadurch geht das Forum in seiner Konstitution über bisherige Formen der Laienpartizipation hinaus. Auch die vorangehende Anhörung beider Seiten zielt bereits über das alltägliche Maß an Deliberation hinaus.
Synodalität, so Papst Franziskus, „setzt die Einwirkung des Heiligen Geistes voraus und bedarf ihrer“ (Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland). Doch analog zur Unterscheidung der Geister abseits von Synoden ist auch hier das Erkennen der authentischen Anwesenheit keine eindeutige Angelegenheit. In polemischer und doch pointierter Weise fasst Norbert Lüdecke das Problem zusammen, wie es auch auf dem Synodalen Weg auftritt:

„Geistererfüllte Synodalität bedeutet also: Wenn in der Kirche, auf einer Synode oder einem synodalen Weg etwas weht, entscheiden darüber, ob es der Heilige Geist oder doch nur Durchzug war, jene Männer, denen Gott in der Bischofsweihe besonderen Geistesbeistand verliehen hat. Ausschlaggebend sind jene Männer, die Gott in so spezieller Weise Christus gleichförmig gemacht hat, dass sie, wenngleich cum et sub Petro, seinen Willen verlässlich erkennen und für die übrigen Gläubigen verbindlich erklären“ (Lüdecke 2022: 174f.).

Ein weiterer Kritikpunkt, der für die Frage nach den Möglichkeiten der Realisierung des sensus fidei fidelium relevant erscheint, ist die Frage nach der Struktur des Synodalen Weges mittels des Repräsentationsprinzips4. Genauso wie die Kirche kein Parlament sei, so wenig lässt sich der sensus fidei fidelum mittels Repräsentation (abseits der Fragen nach deskriptiver und substanzieller Repräsentation) in ein solches Forum übertragen. Diesem Argument folgend eignet sich überhaupt keine Form der Synodalität für die Erhebung und Verwirklichung des sensus fidei, da die Anwesenheit der zu vertretenden Gläubigen notwendig ist, damit sich der Glaubenssinn intersubjektiv verwirklichen kann. Dem schafft vor allem die geplante Einrichtung eines Synodalen Rates keine Abhilfe.
Stattdessen soll an dieser Stelle auf die prädestinierte Institution verwiesen werden, die es bereits in der Struktur der Kirche gibt, die aber durch eine Anhörungspflicht der Laien und einen Abbau der Barrieren gestärkt werden muss: die Ebene der Pfarrei. Um den sensus fidei fidelium konstruktiv und wahrhaftig als Quelle für Erkenntnisse über die Glaubenswahrheit anzurufen, braucht es eine unvermittelte und rechtlich garantierte Form der Einbindung und Anhörung der Laien auf der Ebene der Pfarrei. Nirgendwo sonst ist der Hirte so nah an seiner Herde und nirgendwo sonst kommt das Volk Gottes in solcher Intersubjektivität und institutionalisierter Form zusammen. Dabei gibt es bereits rechtliche Möglichkeiten um die Laien beratend anzuhören. Genau wie Wiederkehrer es betont, müsse hierfür die Angst vor Uneinigkeit und Dissens überwunden werden. Diese Form könnte eine rechtlich einklagbare Norm sein, bei der die Laien auch Entscheidungsbefugnisse haben. Die daraus gewonnen Erkenntnisse für den Pfarrer sollten sich infolgedessen in graswurzelartiger Manier die Stufen der Hierarchie hinaufranken. So könnte sich das Laienapostolat und der sensus fidei fidelium in produktiver Weise verwirklichen und ein ausgeglicheneres Verhältnis zwischen Lehramt und sensus fidei realisieren, wenn denn die Erkenntnisse der Laien ernstgenommen werden.

4. Fazit

Durch den Glaubenssinn aller Gläubigen und das durch das II. Vatikanum proklamierte Laienapostolat wurden schlüssige Argumente für die spirituell-epistemologische Kompetenz der Laien geliefert, die eine egalitäre Kirchenverfassung und eine breite Partizipation der Laien, die auch kanonisch geregelt werden könnte, garantieren können. Zu dieser Interpretation gesellen sich die die aufgezählten Kanones, die die Laien geradezu zur Partizipation an der Sendung verpflichten und den Pfarrer dazu anhalten das dreifache Priesteramt der Laien anzuerkennen und zu fördern. Doch der Ekklesiologie des II. Vatikanums wir der Kodex nur sehr bedingt gerecht. Kirchenrecht und Lehramt verfügen in Gänze über die Hoheit der Wahrheitspolitik in der Kirche. Um ein tatsächliches reziprokes Verhältnis zwischen Lehramt und Glaubenssinn herzustellen, gilt es den konstruktiven Charakter des sensus fidei fidelium für das Lehramt zu betonen. Das täte auch der Ekklesiologie der Konzilsväter genüge, wenn man den Dogmatikern und Kirchenrechtlern folgt, die im CIC eine einseitige Rezeption der Konzilsbeschlüsse hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Laien und Klerus bemängeln, die sich zugunsten der Hierarchie gestaltet. So schlägt Boeckenförde eine rechtsbindende Anhörungspflicht vor, siedelt sie aber nicht auf einer bestimmten Verwaltungsebene an: „Es fehlt bisher ein kirchenrechtlich garantierter Rahmen, in dem sich der sensus fidelium artikulieren kann, um mit den Charismen der Amtsträger zum consensus Ecclesiae zusammenzuwachsen“ (Boeckenförde 1994: 210). Diese Anhörung findet nun auf dem Synodalen Weg statt. „Eine solche Forderung erkennt die Autorität des Amtsträgers an und kann deshalb nicht als revolutionär denunziert werden“ (ebd.: 211). Dieses Prozedere kann zudem, solange er nicht das Universalrecht berührt, bereits in den Diözesen angewandt werden. Kardinal Marx Äußerungen stellen hierfür ein produktives Beispiel dar, wenn er mithilfe des Priesterrates und des Diözesanrates Beschlüsse des Synodalen Weges umsetzen will.5 Der Synodale Weg stellt eine wichtige Erprobung von Laienpartizipation mit Entscheidungsbefugnissen und Anhörungspflichten dar. Doch scheitert er bezüglich der Realisierung des sensus fidei fidelium an seinem Repräsentationssystem und der fehlenden Rechtssetzungskompetenz. Stattdessen wurde in der Diskussion vorgeschlagen, die Ebene der Pfarrei, auf der die Gläubigen unmittelbar im Glauben zusammenkommen, als prädestinierten Ort der Verwirklichung des sensus fidei fidelium und das dreifache Priesteramt in den Fokus zu nehmen. Neben der Förderung einer solchen Kultur der Partizipation, dem Setzen von Anreizen und dem Abbau von Barrieren, müssten die bereits existierenden rechtlichen Möglichkeiten ausgebaut werden. Denn wenn „einmal alle Glaubenden als das Subjekt „Volk Gottes“ eingesetzt sind, muß dies über kurz oder lang die bisherige Autoritäts- und auch Machtverteilung verändern, dies gilt auch für die bei der Wahrheitsverantwortung ausgeübte Macht“ (Wiederkehrer 1994: 183). Diese Einsetzung liegt nun über 50 Jahre zurück. Die genannten Vorschläge könnten einer adäquaten Rückwirkung des sensus fidei fidelium auf das feierliche Lehramt den Weg ebnen.

Anmerkungen

1 Ulrich Rhode stellt fest, dass es im Lumen Gentium keine einheitliche Verwendung des Begriffs der Laien gibt. Im Folgenden sind mit Laien Christen katholischen Glaubens gemeint, die keine Kleriker sind (vgl. Rhode 2015: 80f.).

2 Das Lehramt meint an dieser Stelle das amtliche Lehramt im Gegensatz zur Allgemeinen Lehraufgabe (vgl. Ohly 1999: 313), die jedem Christgläubigen gesetzlich gebilligt ist, bzw. durch den Pfarrer gefördert werden soll.

3 Der Codex „kann gewissermaßen als ein großes Bemühen aufgefasst werden […] die konziliare Ekklesiologie in die kanonistische Sprache zu übersetzen“ (Johannes Paul II 1983, zitiert nach Demel 2009: 46).

4 Eine Form des Repräsentationssystem findet innerhalb der Hierarchie für das Gottesvolk statt, was, wie bereits argumentiert wurde, keine adäquate Lösung für das Problem der Laienpartizipation bietet. Die Amtspriester würden lediglich das Priestertum der Gläubigen repräsentieren, und keine privilegierte Position innehaben; „somit [sei das Amtspriestertum] für das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen da und nicht umgekehrt, ohne das gemeinsame Priestertum gäbe es auch kein Amtspriestertum“ (Konrad 2010: 18).

5 Vgl. dazu: Vatican News vom 11.09.2022: Marx will Beschlüsse auf synodale Weise Umsetzen. Zuletzt abgerufen am 10.03.2023, unter https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2022-09/marx-reform-synodaler-weg-kardinal-muenchen-frauen-laien-kirche.html.

Literaturverzeichnis

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Wiederkehr, Dietrich (1994): Sensus vor Consensus: auf dem Weg zu einem partizipativen Glauben – Reflexionen einer Wahrheitspolitik. In: Dietrich Wiederkehr (Hg.): Der Glaubenssinn des Gottesvolkes – Konkurrent oder Partner des Lehramts? Freiburg im Breisgau, Basel, Wien: Herder, S. 182–206.

Wiederkehr, Dietrich (1994): Vorwort: „Glaubenssinn des Gottesvolkes“: Aufarbeitung von Realitätsdefiziten. In: Dietrich Wiederkehr (Hg.): Der Glaubenssinn des Gottesvolkes – Konkurrent oder Partner des Lehramts? Freiburg im Breisgau, Basel, Wien: Herder, S. 9–19.

Wijlens, Myriam (1995): The Church Knowing and Acting. The Relationship between Theology and Canon Law. In: Louvain Studies 20, S. 21–40.

Wijlens, Myriam (2022): „Die Kirche Gottes ist zu einer Synode einberufen“. Theologische und kirchenrechtliche Herausforderungen zur Synode 2021-2023. In: Paul Zulehner, Peter Neuner und Anna Hennersperger (Hg.): Synodalisierung. Eine Zerreißprobe für die katholische Weltkirche? : Expertinnen und Experten aus aller Welt beziehen Stellung. Ostfildern: Matthias Grünewald Verlag, S. 433–461.


Titelbild: pixabay.com

Bericht über den Gastvortrag von Prof. Dr. Myriam Wijlens: „Zuhören und Unterscheiden. Katholizität in der weltweiten Synode 2021–2024“

Im Rahmen des Seminars „Synodalität im Kirchenrecht – Seminar zum synodalen Prozess der Weltkirche“ hielt Prof. Dr. Myriam Wijlens, Inhaberin des Lehrstuhls für Kirchenrecht der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Erfurt, am 12. Dezember 2022 an der Universität Wien einen Gastvortrag zum Thema „Zuhören und Unterscheiden. Katholizität in der weltweiten Synode 2021–2024“.

In einer Atmosphäre von Herzlichkeit und Freude präsentierte Wijlens Lehrenden und Studierenden der Universität Wien sowie zahlreichen Gästen Intention und Struktur der Weltsynode und stellte das im Oktober 2022 vom Synodensekretariat veröffentlichte Dokument für die kontinentale Etappe (DKE) vor. Als Mitglied der Steuerungskommission der Synode und als Konsultorin der Bischofssynode hat die renommierte Kirchenrechtlerin den Finger am Puls der Synode und gestaltet die synodale Dynamik einer Zirkularität zwischen den verschiedenen Ebenen der Kirche wesentlich mit. Sie brachte ihre Begeisterung zum Ausdruck, dass das Synodendokument mit dem bezeichnenden Titel „Mach den Raum deines Zeltes weit!“ (Jes 54,2) als Ergebnis des Zuhörens auf der Ebene der Ortskirchen „einen vortrefflichen theologischen Schatz in sich birgt, nämlich die Erfahrung, wie das Volk Gottes auf die Stimme des Heiligen Geistes gehört hat und dadurch sein sensus fidei zum Tragen kommen kann“ (DKE, 8). Die Beiträge in den nationalen Synthesen der diözesanen Phase zeigen überraschend eine einzigartige Übereinstimmung sowohl bezüglich der Hoffnungen und positiven Erfahrungen als auch angesichts der zur Sprache gebrachten Fragen und offenen Probleme der Kirche weltweit. Im Besonderen hat der Skandal der Missbrauchsfälle in der Kirche „viele Synodengruppen dazu veranlasst, einen kulturellen Wandel der Kirche zu fordern, hin zu mehr Transparenz, Rechenschaft und Mitverantwortung“ (DKE, 20).


Hören Sie hier einen Ausschnitt aus dem Vortrag:


„Die Berichte der Konferenzen lassen erahnen, welch ein Reichtum an Glauben und Hoffnung sowie Energie und an Nächtenliebe im Volk Gottes vorhanden ist.“
—Myriam Wijlens

Das DKE beginnt mit den Worten: „Die Synode ist voll im Gange.“ (DKE, 1). Und das Neue ist, dass sie ekklesial konzipiert ist, und nicht rein episkopal, wie Prof. Wijlens betont. Sie lädt ein, uns überraschen zu lassen – in einer Haltung der Offenheit und im Vertrauen auf den Heiligen Geist, denn „der Heilige Geist bittet uns nun, noch synodaler zu sein“ (DKE, 3).

Sr. Romana-Maria Paleček

Die Mitwirkung in der Kirche als Form der Partizipation nach dem CIC: Die Mitwirkungsrechte

Text von Felix Ouedraogou
Der Autor verfasst derzeit eine Dissertation am Institut für Kirchenrecht und Religionsrecht, die der Frage nach der höchstpersönlichen Leitungsverantwortung des Bischofs im Kontext der Synodalität nachgeht. 

1. Einführung

Wenngleich die römisch-katholische Kirche keine Verfassung im Sinne der modernen Demokratien aufweist, so bedeutet die hierarchische Verfasstheit nicht, dass die kirchliche Autorität ohne Rücksicht auf die Rechte der Gläubigen agieren kann. Diesbezüglichen Sorgen steht die Tatsache gegenüber, dass die Kirche über ein Gesetzbuch[1] verfügt. Im Verfassungsrecht der Kirche, das im Buch II (cc. 204–746) des CIC mit dem Titel „Volk Gottes“ verortet ist, sind unter anderen Themen die Rechte und Pflichten der Gläubigen und die hierarchische Verfassung der Kirche enthalten. Zwischen der Hierarchie und den anderen Gläubigen besteht eine kooperative Beziehung, die unter dem Oberbegriff „Partizipation“ zusammengefasst werden kann.

Gegenstand der vorliegenden Überlegung ist eine spezifische Form der Kooperation, nämlich die Mitwirkungsrechte im Rahmen der Partizipation im geltenden Kirchenrecht. Der Begriff „Mitwirkungsrechte“ wird in CIC/1983 zwar nicht wörtlich erwähnt. Das Feld der Partizipationsmöglichkeiten in der katholischen Kirche, das der CIC bietet, ermöglicht es jedoch, diese Rechte zu erkennen, die entweder vor der Handlung oder nach der Handlung im Rahmen einer Mitwirkung ausgeübt werden können. Im CIC gibt es etwa 250 Vorschriften verschiedener Art von Mitwirkungsrechten.[2]

2. Die Mitwirkung [3]

Mitwirkung bedeutet, dass man sich auf eine bestimmte Art und Weise an der Handlung eines anderen beteiligt. Dies lässt bereits erkennen, dass man nicht Akteur der sogenannten Handlung ist. Man nimmt also an einer Handlung eines anderen teil, der die volle Verantwortung für die Handlung trägt. Dieses Verständnis von Mitwirkung bezieht sich nur auf den Bereich der Mitwirkungsrechte und nicht auf die anderen Rechtsbereiche der Mitwirkung, in denen man sich durch die Mitwirkung an einer Straftat gemäß c. 1329 CIC strafbar machen kann, weil man ein Mittäter ist. Da auf rechtlicher Ebene die Mitwirkung oft für die Wirksamkeit von Rechtsakten vorgeschrieben wird, wird diese Mitwirkung auch rechtlich durch Normen gerahmt.[4]

3. Mitwirkungsrechte

3.1. Begriffsbestimmung

Konkret besteht ein Mitwirkungsrecht, wenn aus rechtlicher Sicht der Handelnde darauf angewiesen ist, dass sein Vorgesetzter oder jemand anderes, der mit demselben Rang ausgestattet ist, durch einen formellen Akt der Stellungnahme eingreift. Z.B.: Ein Mönch, der auf Urlaub fahren möchte, muss vorher seinen Abt informieren, um die Erlaubnis zu erhalten: Hier handelt es sich um einen Handelnden gegenüber seinem Vorgesetzten. Der Abt hat Mitwirkungsrechte gegenüber seinen Mönchen. Oder ein anderes Beispiel: Ein Diözesanbischof konsultiert den Metropoliten[5], weil er den Priesterrat seiner Diözese auflösen will, der seine Aufgabe in schwerwiegender Weise missbraucht hat: Hier handelt es sich um eine Mitwirkung zwischen Gleichgestellten (beide sind Bischöfe). Der Metropolit hat Mitwirkungsrechte gegenüber dem Suffraganbischof[6] in bestimmten Fällen. Inhaber des Rechts ist somit derjenige, der an der Handlung mitwirkt, denn ohne diese Mitwirkung hat die Handlung des mitwirkungsbedürftigen Handelnden keine Rechtsgültigkeit. Daraus folgt, dass der Mitwirkungsbedürftige nicht handeln darf, ohne zuvor den Beitrag desjenigen zu verlangen, der über das Mitwirkungsrecht verfügt, falls ein rechtlich relevantes Ziel ohne die Mitwirkung des Mitwirkungsberechtigten nicht erreicht werden kann. Die Mitwirkungsrechte sind also „Vorschriften über Erlaubnisse, Approbationen und andere ähnliche Weisen der Beteiligung kirchlicher Autoritäten an Handlungen Dritter.“[7]

Klaus Mörsdorf, der den Begriff „Mitwirkungsrechte“ in die Kanonistik eingeführt hat[8], verwendet den Begriff „Mitwirkungsrechte des kirchlichen Oberen“, „um eine Mitwirkung kirchlicher Autoritäten bei Handlungen neben- oder untergeordneter Personen oder Organe“[9] zu bezeichnen. Mit dieser Unterscheidung will Mörsdorf zeigen, dass es auch weitere Mitwirkungsrechte gibt, nämlich die Beispruchsrechte, welche Mitwirkungsrechte sind, die sich auf die Mitwirkung untergeordneter Organe oder Personen in Form der Anhörung durch eine übergeordnete Autorität oder der Zustimmung zu Handlungen dieser Autorität beziehen (vgl. c. 127 CIC). Um den Unterschied zwischen Mitwirkungsrechten und Beispruchsrechten auszudrücken, würde ich mit Mörsdorf sagen:

Während Beispruchsrechte Dritter die Handlungsfreiheit eines Oberen einschränken, handelt es sich bei den Mitwirkungsrechten von Oberen darum, dass ein oder mehrere Obere (z.B. Papst und Diözesanbischof) zu irgendwelchen Handlungen Untergebener oder nebengeordneter Personen oder Organe mitzuwirken berufen sind. Die Mitwirkung kann entweder vor oder nach der Handlung rechtlich vorgesehen sein.[10]

Unter „kirchlicher Autorität“, um deren Mitspracherechte es hier geht, sind die „kirchlichen Oberen“ zu verstehen, nämlich die in C. 134 § 1 CIC erwähnten Ordinarien: der Papst, die Diözesanbischöfe, die Vorsteher einer Teilkirche, die Generalvikare, die Bischofsvikare, die höheren Oberen klerikaler Ordensinstitute päpstlichen Rechtes und klerikaler Gesellschaften des apostolischen Lebens päpstlichen Rechtes mit wenigstens einer ordentlichen ausführenden Gewalt, etc.  

3.2. Die Mitwirkungsrechte kirchlicher Autoritäten

Für die Rechtswirksamkeit bestimmter Rechtshandlungen sieht das Recht eine Form vor, die gewissenhaft eingehalten werden muss, oder wo die Befreiung davon durch Ausnahmen nachzuweisen ist (vgl. cc. 127, 474, 1108 CIC), wie zum Beispiel zur Eheschließungsassistenz durch delegierte Laien.[11] Im Allgemeinen beziehen sich die Mitwirkungsrechte auf die kirchliche Autorität, wie schon oben gesagt wurde, weil sie Fälle begrenzen, „in denen einer kirchlichen Autorität Mitwirkungsrechte bei Handlungen neben- oder untergeordneter Personen oder Organe zukommen.“[12] Die kirchliche Autorität ist der Mitwirkungsberechtigte, der immer gegenüber einem oder mehreren Mitwirkungsbedürftigen steht (Bischof[13], Priester, Ordensmitglieder, eine kirchliche Vereinigung, usw.).

Wenn für bestimmte Handlungen das Recht eine Erlaubnis oder eine Bestätigung von einer kirchlichen Autorität oder die Beteiligung der kirchlichen Autorität in einer anderen Form (z.B. eine Zulassung) verlangt, spricht man von Mitwirkungsrechten kirchlicher Autorität. Anders gesagt, „nimmt der Begriff ‚Mitwirkungsrechte kirchlicher Autoritäten‘ auf Vorschriften des kanonischen Rechts Bezug, die für bestimmte Handlungen eine Erlaubnis, Approbation, Bestätigung oder eine andere, ähnliche Weise der Beteiligung einer Autorität verlangen.“[14] Der Mitwirkende muss über den Handelnden oder neben den Handelnden stehen. 

Je nach dem Zeitpunkt der Mitwirkung ist zwischen vorausgehender, gleichzeitiger Mitwirkung und nachfolgender Mitwirkung zu unterscheiden. Man spricht von einer vorausgehenden und gleichzeitigen Mitwirkung, wenn untergeordnete oder nebengeordnete Personen bzw. Organe „den zuständigen Oberen um dessen Zustimmung oder Erlaubnis zu irgendeinem Handeln angehen müssen, oder wenn der Obere das Recht hat, vor der Handlung eines Dritten informiert zu werden, um dazu Stellung nehmen zu können.“[15] Laut Ulrich Rhode „kann die vorausgehende und gleichzeitige Mitwirkung daraufhin untersucht werden, ob sie zur Gültigkeit der mitwirkungsbedürftigen Handlung erforderlich ist oder nicht.“[16] Wenn sie zur Gültigkeit der mitwirkungsbedürftigen Handlung erforderlich ist, muss sie unter Androhung der Nichtigkeit vor der getroffenen Handlung erfolgen. Die nachfolgende Mitwirkung ist diejenige, die eintritt, nachdem eine Handlung bereits durchgeführt wurde. Bei einer nachfolgenden Mitwirkung geht es um die Prüfung eines bereits getätigten Rechtsgeschäftes oder eines tatsächlichen Sachverhalts (z.B. Wahl auf ein Kirchenamt, Gründung eines Vereins, Schaffung einer Satzung, Echtheit einer Urkunde).[17] Es handelt sich um eine nachträgliche Aufsicht.

4. Umsetzung der Mitwirkungsrechte im Codex Iuris Canonici (CIC)

Einige ausgewählte Kanones regeln die Mitwirkungsrechte; die hier ausgewählten Kanones werden zitiert und kommentiert, um zu zeigen, welcher Aspekt des Mitwirkungsrechts gemeint ist.

C. 216 CIC: „Da alle Gläubigen an der Sendung der Kirche teilhaben, haben sie das Recht, auch durch eigene Unternehmungen je nach ihrem Stand und ihrer Stellung eine apostolische Tätigkeit in Gang zu setzen oder zu unterhalten; keine Unternehmung darf sich jedoch ohne Zustimmung der zuständigen kirchlichen Autorität katholisch nennen.“

In der Kirche wurde das Vereinigungsrecht (vgl. c. 215 CIC) für alle Gläubigen anerkannt und zugelassen. Eine Variante dieses Vereinigungsrechts ist die Förderung apostolischer Unternehmungen: z.B. Verlage, Krankenstationen, Bildungszentren, Radio- oder Fernsehsender etc. Dieses Recht umfasst das Recht einzelner Gläubiger oder derjenigen in einer Vereinigung, die genannten Unternehmungen zu gründen, sich am Betrieb bereits bestehender Unternehmungen zu beteiligen oder die Leitungsfunktion zu übernehmen. Die Tatsache, dass Unternehmen von Gläubigen gegründet und geleitet werden, verleiht diesen Unternehmen jedoch nicht die Kennzeichnung „katholische Unternehmen“. Sie benötigen eine offizielle Anerkennung der kirchlichen Autorität, um sich als „katholisch“ bezeichnen zu dürfen. Die gläubigen Unternehmer müssen um die Erlaubnis der zuständigen kirchlichen Autorität ansuchen. Das Mitwirkungsrecht der kirchlichen Autorität bezieht sich hier auf die Zustimmung (consensus).

Die gleiche Rechtslage bzw. Rechtsfigur findet sich in c. 803 § 3 CIC in Bezug auf katholische Schulen: „Keine Schule, selbst wenn sie tatsächlich katholisch ist, darf die Bezeichnung Katholische Schule führen, es sei denn mit Zustimmung der zuständigen kirchlichen Autorität.“ Schulen, die von juristischen öffentlichen Personen (z.B. eine Ordensgemeinschaft) oder von Privatpersonen gegründet werden, sind keine „katholischen Schulen“, auch wenn diese Personen Christgläubige sind und auch wenn sie sich in ihrem Unterricht an die katholische Lehre anpassen. Es liegt bei der zuständigen kirchlichen Autorität, ihren Konsens durch ein Dekret zu erteilen, damit diese Schulen als „katholisch“ bezeichnet werden können. Das Mitwirkungsrecht der kirchlichen Autorität im c. 803 § 3 CIC bezieht sich auch auf die Zustimmung (consensus) für eine Benennungszuweisung.

C. 831 § 1 CIC: „In Tageszeitungen, Zeitschriften oder anderen periodischen Veröffentlichungen, welche die katholische Religion oder die guten Sitten offenkundig anzugreifen pflegen, dürfen Gläubige nichts schreiben, es sei denn, es läge ein gerechter und vernünftiger Grund vor; Kleriker aber und Mitglieder von Ordensinstituten dürfen das nur mit Erlaubnis des Ortsordinarius tun.“

Hier geht es nicht um die Erlaubnis in Form einer Genehmigung zur Veröffentlichung eines konkreten Artikels, Gegenstand der Erlaubnis ist nicht der Inhalt dessen, was veröffentlicht werden soll. Die Erlaubnis bezieht sich vielmehr auf die Zusammenarbeit überhaupt mit denen, die die katholische Religion oder die guten Sitten offenkundig anzugreifen pflegen; deshalb müssen Kleriker und Mitglieder von Ordensinstituten ihren zuständigen Oberen um Erlaubnis bitten, auch wenn es bei der spezifischen Zusammenarbeit nicht um den Glauben oder die Sitten geht. Das Mitwirkungsrecht der kirchlichen Autorität (hier ausdrücklich Diözesanbischof oder Ordensoberer bzw. Oberin) in diesem Fall betrifft die Erlaubnis (licentia), ohne die der Handelnde illegal handelt.

C. 1210 CIC: „An einem heiligen Ort darf nur das zugelassen werden, was der Ausübung oder Förderung von Gottesdienst, Frömmigkeit und Gottesverehrung dient, und ist das verboten, was mit der Heiligkeit des Ortes unvereinbar ist. Der Ordinarius kann aber im Einzelfall einen anderen, der Heiligkeit des Ortes jedoch nicht entgegenstehenden Gebrauch gestatten.“

Die Widmung eines heiligen Ortes für den Kult ist an sich exklusiv, denn die Heiligkeit, mit der er bekleidet ist, erlaubt nicht, dass er gleichzeitig gewöhnlich für nichtreligiöse Zwecke genutzt wird, was zur Entweihung des Ortes führen würde (vgl. c. 1212 CIC). Gelegentlich, d.h. für jeden einzelnen Fall, kann der Bischof bzw. der zuständige Obere jedoch erlauben, dass er zu Zwecken verwendet wird, die der Heiligkeit des Ortes nicht widersprechen. Nach diesem Kanon gibt es also drei Kategorien von Nutzungen: 1) Nutzungen, die der Ausübung des Kultes, der Frömmigkeit oder der Religion (Gottesdienst) dienen oder sie fördern; 2) profane Nutzungen, die der Heiligkeit des Ortes nicht widersprechen und die der Ordinarius gelegentlich zulassen kann (z.B. ein Konzert); 3) profane Nutzungen, die der Heiligkeit des Ortes widersprechen und die niemals zugelassen werden dürfen (z.B. als rein kommerzieller Weihnachtsmarkt oder als Bar). Hier spricht man von „zulassen“ (permittere). Das Mitwirkungsrecht der kirchlichen Autorität betrifft in diesem c. 1210 CIC die Zulassung.

C. 1291 CIC: „Zur gültigen Veräußerung von Vermögensstücken, die durch rechtmäßige Zuweisung das Stammvermögen einer öffentlichen juristischen Person bilden und deren Wert eine rechtlich festgesetzte Summe überschreitet, wird die Erlaubnis der nach Maßgabe des Rechts zuständigen Autorität verlangt.“

Das System präventiver kirchenrechtlicher Kontrollen für die rechtsgültige Veräußerung kirchlicher Güter soll sicherstellen, dass die Gründe für die Veräußerung gerecht und vernünftig sind; gleichzeitig ermöglicht es, dass eine gute Koordinierung der Vermögen im kirchlichen Interesse sichergestellt wird. Die Kontrolle wird im CIC/83 durch das Erfordernis der Genehmigung der zuständigen kirchliche Autorität aufrechterhalten. Diese Erlaubnis ist erforderlich, wenn man Güter veräußern will, die zum Stammvermögen einer öffentlichen Rechtsperson (z.B. eine Pfarre oder ein Kloster) gehören und deren Wert eine gesetzlich festgelegte Summe übersteigt. Grundsätzlich legt die Österreichische Bischofskonferenz für ihren Bereich eine Untergrenze und eine Obergrenze fest (c. 1292 § 1, 1. Teilsatz CIC). Dies ist derzeit als Untergrenze € 80.000 und als Obergrenze € 3 Mio.[18] Sobald die geplante Veräußerung die festgesetzte Untergrenze überschreitet, sind zusätzlich weitere Bedingungen nach c. 1293 § 1, 1° und 2° CIC[19] zu erfüllen.

Die Definition von „Stammvermögen“ zeigt die extreme Schwere, die die Veräußerung von Vermögenswerten aus einem solchen Vermögen annehmen kann, da sie den Lebensunterhalt der juristischen Person gefährden kann, sofern die Veräußerungshandlung riskant ist und den finanziellen Untergang der Institution zur Folge haben könnte. Die Einstufung von Gütern, die zum stabilen Vermögen gehören, wird in diesem Kanon durch Bezugnahme auf ihre rechtmäßige Zuordnung bestimmt. Zu dieser Kategorie gehören daher alle Vermögenswerte, die in Übereinstimmung mit den in den Satzungen oder im Partikularrecht festgelegten Regeln dem stabilen Vermögensfonds zugewiesen wurden, nachdem alle diese Vermögenswerte durch einen Beschluss der zuständigen Organe festgelegt wurden. Hier bezieht sich das Mitwirkungsrecht der kirchlichen Autorität auf die Erlaubnis (licentia) für die Vermögensveräußerung.

5. Schluss

Zusammenfassend lässt sich hilfreich darauf hinweisen, dass die meisten Vorschriften über Mitwirkungsrechte kirchlicher Autoritäten das Ziel verfolgen, Aufsicht auszuüben. Dies führt in der Praxis allerdings nicht selten zu auch Problemen – ein Umstand, der sich sowohl aus der Aufnahmebereitschaft des Handelnden als auch aus der Feinfühligkeit oder dem Taktgefühl des Mitwirkenden bei der Umsetzung der Vorschriften verstehen lässt. Denn „aus der Sicht des Handelnden stellen sie häufig vor allem eine Einschränkung seiner Handlungsfreiheit dar. Aus der Sicht des Mitwirkenden können sie leicht als bloßer Verwaltungsaufwand oder als unnötiges Konfliktpotential wahrgenommen werden.“[20]

Alles in allem ist das Ziel des Gesetzgebers das Wohl der kirchlichen Gemeinschaft (vgl. c. 1752 CIC). Die Sendung der Kirche kann nur fruchtbar sein, wenn es eine echte Gemeinschaft unter den Gläubigen gibt, die berufen und gesandt sind, den Auftrag Christi zu erfüllen. Jeder Getaufte ist ein Glied des Volkes Gottes und berufen, seiner Lebenssituation entsprechend daran mitzuwirken, die kirchliche Gemeinschaft (Communio) zu verwirklichen. Dazu wollen die Mitwirkungsrechte beitragen und so verstanden, wären sie unverzichtbar.


[1] Latein: Codex Iuris Canonici (CIC).

[2] Siehe Rhode, Ulrich, Mitwirkungsrechte kirchlicher Autoritäten im Codex Iuris Canonici. Teil I: Die Rechtsfigur des Mitwirkungsrechts, St. Ottilien 2001, 379–387.

[3] Es handelt sich hier nur um Mitwirkung im Hinblick auf die Mitwirkungsrechte.

[4] Vgl. c. 166 CIC.

[5] Ein Metropolit ist der Erzbischof, der einem Verband von mehreren benachbarten Diözesen vorsteht. Dieser Verband heißt Kirchenprovinz.

[6] Ein Suffraganbischof ist ein Bischof einer Diözese, der einem Metropoliten unterstellt ist. 

[7] Rhode, Ulrich, ebd., 377.

[8] Vgl. ebd., 17.

[9] Ebd., 18.

[10] Aymans, Winfried/Mörsdorf Klaus, Kanonisches Recht. Lehrbuch aufgrund des Codex Iuris Canonici. Band I: Einleitende Grundfragen und Allgemeine Normen, Paderborn u.a. 1991, 375.

[11] C. 1112 § 1 CIC: „Wo Priester und Diakone fehlen, kann der Diözesanbischof, aufgrund einer vorgängigen empfehlenden Stellungnahme der Bischofskonferenz und nach Erhalt der Erlaubnis des Heiligen Stuhles, Laien zur Eheschließungsassistenz delegieren.“

[12] Rhode, Ulrich, Mitwirkungsrechte kirchlicher Autoritäten, ebd., 19.

[13] Konkretes Beispiel im c. 501 § 3 CIC (der Mitwirkende ist dem Handelnden nebengeordnet): „Wenn der Priesterrat die ihm zum Wohl der Diözese übertragene Aufgabe nicht erfüllt oder in schwerwiegender Weise missbraucht, kann der Diözesanbischof ihn nach Rücksprache mit dem Metropoliten oder, wenn es sich um den Metropolitansitz selbst handelt, mit dem dienstältesten Suffraganbischof auflösen, muss ihn aber innerhalb eines Jahres neu bilden.“

[14] Rhode, Ulrich, Mitwirkungsrechte kirchlicher Autoritäten, ebd., VII.

[15] Aymans–Mörsdorf, KanR I, ebd., 376.

[16] Rhode, Ulrich, ebd., 377.

[17] Vgl. Aymans–Mörsdorf, KanR I, 379.

[18] Vgl. Amtsblatt der Österreichischen Bischofskonferenz Nr. 45, 1. Mai 2008, Nr. 4. 

[19] CIC 1293 § 1, „1° ein gerechter Grund, wie z. B. dringende Notwendigkeit, offenbarer Nutzen, Frömmigkeit, Caritas oder ein anderer gewichtiger pastoralem Grund;

2° eine von Sachverständigen schriftlich vorgenommene Schätzung der zu veräußernden Sache.“

[20] Rhode, Ulrich, ebd., 377.


[1] Latein: Codex Iuris Canonici (CIC).

[2] Siehe Rhode, Ulrich, Mitwirkungsrechte kirchlicher Autoritäten im Codex Iuris Canonici. Teil I: Die Rechtsfigur des Mitwirkungsrechts, St. Ottilien 2001, 379–387.

Thema: Islam und Alevitentum in Österreich

Mit dieser Veröffentlichung legen die Mitglieder des Instituts für Kirchenrecht und Religionsrecht Interessierten ein virtuelles Treffen von vier maßgeblichen Vertretern des Islam und Alevitentums vor: zwei Glaubensgemeinschaften (Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) und Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (ALEVI)) sowie zwei Bekenntnisgemeinschaften (Alt-Alevitische Glaubensgemeinschaft (AAGÖ) und Frei-Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (FAGÖ)). Die Mitarbeiter des Instituts für Kirchenrecht und Religionsrecht hatten außerdem die Möglichkeit zu einem Austausch mit der Islamisch-Schiitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Von der Veröffentlichung wurde jedoch auf Bitte der Islamischen-Schiitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich abgesehen.

Nach einer überblicksmäßigen Einordnung in den Status quo laut geltender Rechtslage durch Prof. Dr. Andreas Kowatsch werden in den Kurzinterviews jeweils die Frage nach der Vertretung eines Teils der muslimischen bzw. alevitischen Gemeinschaft, Fragen der Verfassung, Anerkennung sowie die Bedeutung der einzelnen Gemeinschaften auf Hintergrund des Ausschließlichkeitsrechtes besprochen.

Die Interviews stellen die persönliche Meinung der einzelnen Interviewpartner dar. Intention der Mitarbeiter des Institutes war im Hinblick auf Information und Austausch die Möglichkeit zu bieten, an diesem virtuellen Round Table zwar einzeln, aber so doch für die eigene Glaubensgemeinschaft sprechend diese vorzustellen und aktuelle Herausforderungen anzusprechen.


Foto: Alt-Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich

Hüseyin Akmaz, Mürschid (Oberhaupt) der Alt-Aleviten in Österreich, kam 1978 nach Wien, hat Datentechnik studiert und wirkt seit 35 Jahren als IT-Techniker. Neben langjähriger Tätigkeit im Kurdischen Dachverband betreute er die Gründung der Alt-Alevitischen Glaubensgemeinschaft, die als Bekenntnisgemeinschaft staatlich 2013 eingerichtet wurde. Im Interview mit Univ.-Ass. Dr. Harald Tripp vertieft er die Charakteristik altalevitischen Glaubens im Unterschied zum Islam, erzählt von der Gründung der Bekenntnisgemeinschaft, von Organisation, Religionslehre sowie der erschwerten Situation der Religionsausübung in der Türkei, wobei eine Hauptforderung der Aleviten die Anerkennung der Cem-Häuser als Ort der Religionsausübung und damit eine Gleichstellung mit den Moscheen ist.


Foto: Frei-Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich

Imet Mehmedi, albanisch-mazedonischer Abstammung, selbst für Jahre als Imam tätig und daher mit der islamischen Sichtweise vertraut, ist selbst kein Mitglied der Frei-Alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (FAGÖ), war aber als Jurist von Anfang an in die wesentlichen Verhandlungen mit dem Kultusamt einbezogen. Auf Empfehlung der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FAGÖ, Frau Hatice Sahin Ilter, spricht er in seinen Ausführungen über die grundsätzlich drei Gruppierungen der Aleviten, den Anerkennungsprozess der FAGÖ als Bekenntnisgemeinschaft, die Lehre sowie die innere Verfassung der Frei-Aleviten.


Foto: Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich

Riza Sari, seit 47 Jahren in Österreich, ist stellvertretender Vorsitzender und Pressesprecher der Alevi. Er arbeitet als Beamter bei der Stadt Wien und ist ehrenamtlich in seiner Glaubensgemeinschaft seit 2013 tätig. Die Anerkennung in Österreich ist für Alevi einzigartig und stellt für die 60.000-80.000 Mitglieder in Österreich eine in der Welt rechtliche Besonderheit dar. In seinem Interview mit Univ.-Ass. Dr. Harald Tripp spricht Riza Sari über die Schwierigkeiten am Weg zur Anerkennung, die rechtlichen Schritte vor dem Verfassungsgerichtshof um aufzuzeigen, dass der Islam nicht eine Einheitsreligion sei, sondern verschiedene Facetten aufweise. Die Art und Weise der Anerkennung habe Vor-wie Nachteile, so könnten auch aus politischen Institutionen religiöse Institutionen entstehen, wie man es bei den Frei-Aleviten jüngst wahrnehmen könne. Anerkennung in Differenz kennzeichne hier aber das Religionsrecht in Österreich und Unterschiedlichkeit könne wohl auch ein Mehrwert sein. Weiters erklärt Riza Sari, wie eine Vereinsstruktur nach und nach auch in ihrer Verfassung und in ihren Ämtern entstanden und warum die EMRK in den Statuten erwähnt worden sei.


Foto: Taha Babadostu / IGGÖ

Ümit Vural ist Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, vertritt nicht nur die rund 500.000 Mitglieder der Islamischen Glaubensgemeinschaft, sondern ist selbst Jurist, seit Ende der Achtziger Jahre in Österreich. Er vertieft im Interview mit Univ. Ass. Dr. Harald Tripp den ursprünglich gesetzlichen Auftrag der IGGÖ nach dem Islamgesetz 1912, spricht von 2015 als einem Jahr großer Herausforderungen durch Migration aus Krisenländern wie Syrien, sowie der Angst vor Terrorismus und der Sorge um demographische Veränderung, die die Entstehung und Umsetzung des Islamgesetzes 2015 begleitet haben. Im Interview spricht er über gegenwärtige sowie über die vier Verfassungsänderungen innerhalb der IGGÖ seit 2015 und den gegenwärtigen Dialog mit den zuständigen Stellen. Er erklärt, warum die IGGÖ sich für das Kopftuch einsetzt und warum es den Religionsdialog braucht.


Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Andreas Kowatsch zum Thema „Religionsfreiheit in Zeiten der Pandemie? Anmerkungen aus der Sicht des Religionsrechts und des Kirchenrechts“

am Mittwoch, den 12. Oktober 2022 im Großen Festsaal der Universität Wien

In seiner Antrittsvorlesung widmete sich Univ.-Prof. Andreas Kowatsch zuerst den gemeinsamen Anstrengungen von Staat und Kirche in der Pandemiebekämpfung und ging dann auf das Erkenntnis des  österreichischen Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 2022 ein. Hier ortet Andreas Kowatsch einen „eindimensionalen Verlgeich“ zwischen Kunst, Kultur und Religion. Der VfGH maß in seinem Erkenntnis dem Art. 15 StGG keinerlei eigenständigen Wert bei. Das Erkenntnis suggeriert, dass die Religionsgesellschaften keine Coronaschutzmaßnahmen ergreifen mussten. In Wirklichkeit war auch die öffentliche Religionsausübung massiven Einschränkungen unterworfen.

„Die Religionsgesellschaften dürfen kritisch hinterfragen, ob sie tatsächlich immer bereit waren, die staatliche Erwartung, die Einhaltung der eigenen Maßnahmen konsequent auch gegenüber ihren Mitarbeitenden durchzusetzen, erfüllt haben. Der Verordnungsgeber darf sich fragen, ob die Bereichsausnahme für die Zusammenkünfte zur Religionsausübung nicht besser begründet hätte werden müssen. Der Normtext selbst hätte ausdrücken können, dass die Ausnahme nur gilt, wenn die Religionsgesellschaften auf der Grundlage von mit den zuständigen Staatsorganen erzielten Vereinbarungen eigenständige Maßnahme ergreifen. Insgesamt hat der österreichische Rechtsstaat die Belastungsprobe der Pandemie bislang gut bestanden.“

(c) Joseph Krpelan – der Knopfdrücker
Andreas Kowatschs Schlussworte bei seiner Antrittsvorlesung am 12. Oktober 2022

Die Antrittsvorlesung können Sie auf unserer Institutshomepage nachsehen.

Univ. Prof. Andreas Kowatsch im Gespräch „Flucht, Asyl und der Faktor Religion: Wo der weltanschaulich neutrale Rechtsstaat an seine Grenzen kommt“

Podcast „Diesseits von Eden“ vom 27. Juli 2022  

Initiiert durch unser Symposium zum Thema Den Glauben glaubhaft machen. Religiöse Konversion im Asylverfahren“ sprach Dr. Henning Klingen mit Univ. Prof. Andreas Kowatsch sowie Frau Professor Sabina Konrad, Leiterin des Grazer Instituts für Kanonisches Recht und dem Innsbrucker Dogmatiker Professor Willibald Sandler über die komplexe Frage, wie man mit Konversionen im Asylverfahren umzugehen hat. Denn religiöse Verfolgung zählt zu den zentralen Flucht- und Asylgründen. Doch wie soll, wie kann der weltanschaulich neutrale Rechtsstaat über religiöse Überzeugungen urteilen?

Unsere Tagung hat sich jetzt mit der Frage befasst: Wie gehe ich mit Menschen um, die am Weg ins neue Land, ins Flucht- oder auch erst im Fluchtland eine Transformation ihrer religiösen Identität erleben und konvertieren, sich von einer Religion, der Herkunftsregion, einer neuen Religion zuwenden und dadurch erst eben befürchten müssen, in ihrem Herkunftsland verfolgt zu werden.“

Andreas Kowatsch im Podcast „Diesseits von Eden“ (27. Juli 2022)

© Daniel Tibi

Sie können den Podcast hier in voller Länge nachhören!

Ethikunterricht

Univ.-Prof.in Sabine Konrad und
Univ.-Ass.in Franziska Seiler im Gespräch mit Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl, Schulamtsleiter-Stellv. Johannes Lienhart und Ass.-Prof. Hans-Walter Ruckenbauer

Im Herbst 2021 wurde der Pflichtgegenstand Ethik für Schülerinnen und Schüler im Bundeschulbereich ab der 9. Schulstufe eingeführt. Er ist für alle verpflichtend, die keinen Religionsunterricht besuchen.

Rechtliche Grundlagen

Gesetzlich geregelt wird dies für die allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) in der Erweiterung des § 39 SchOG: „Ab der 9. Schulstufe ist für jene Schülerinnen und Schüler, die am Religionsunterricht nicht teilnehmen, der Pflichtgegenstand Ethik im Ausmaß von zwei Wochenstunden vorzusehen“. Wortgleiche Regelungen für die berufsbildenden mittleren Schulen (BMS) finden sich in § 55a Abs. 1 SchOG und für die berufsbildenden höheren Schulen (BHS) in § 68a Abs. 1 SChOG. Bei diesem neuen Gesetz handelt es sich um die Umsetzung des Nationalratsbeschlusses vom 20. November 2020. Detailliertere Regelungen finden sich in der „Durchführungsrichtlinie zum Religions- sowie zum Ethikunterricht“ des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (Rundschreiben Nr. 5/2021). Demnach haben Schülerinnen und Schüler, die einer der 17 gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgemeinschaften angehören (zum Beispiel der Katholischen Kirche, dem Bund Evangelikaler Gemeinden in Österreich oder Israelitischen Religionsgesellschaft) und sich von ihrem Religionsunterricht innerhalb der ersten fünf Kalendertage des Schuljahres abmelden, verpflichtend den Ethikunterricht zu besuchen. Wer sich nicht abmeldet, hat den entsprechenden Religionsunterricht als Pflichtgegenstand zu besuchen.

Für Schülerinnen und Schüler ohne Bekenntnis oder diejenigen, die einer staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft angehören (zum Beispiel die Alt-Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich oder die Bahá‘í-Religionsgemeinschaft Österreich), wird an den Schulen kein Religionsunterricht angeboten. Für sie besteht allerdings die Möglichkeit, sich entweder innerhalb der ersten fünf Kalendertage des Schuljahres zu einem Religionsunterricht als Freigegenstand anzumelden und diesen zu besuchen, oder verpflichtend am Ethikunterricht teilzunehmen. Die Teilnahme an einem Religionsunterricht eines anderen Bekenntnisses ist als Freigegenstand mit den Wirkungen eines Pflichtgegenstandes möglich, sofern die Religionslehrkraft der Teilnahme zustimmt. Lehnt die Religionslehrkraft die Teilnahme ab, ist der Ethikunterricht als Pflichtgegenstand zu besuchen.


Dr. Johannes Lienhart ist der stellvertretende Leiter des Amtes für Schule und Bildung der Diözese Graz-Seckau. (Foto: Katholische Kirche Steiermark)

„Die Abmeldung vom Religionsunterricht – vorgesehen aus Glaubens- und Gewissensgründen – erfolgt aus den verschiedensten Gründen. Einer könnte zum Beispiel sein, dass die Schülerinnen und Schüler lieber beim Klassenvorstand Unterricht haben, der dort allerdings nur Ethik unterrichtet. Wegfallen werden mit der neuen Regelung diejenigen Abmeldungen, die vorgenommen wurden, um Freistunden für Sport, Musik oder schulische Aufgaben zu haben,“ erläutert Dr. Johannes Lienhart, Leitungs-Stellvertreter des Amtes für Schule und Bildung der Diözese Graz-Seckau. Denn anstelle der Freistunden treten jetzt verpflichtend die Ethik-Stunden. Ethikunterricht sei ein Pflichtgegenstand für jene Schülerinnen und Schüler, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen können oder wollen, denn nur durch die Abmeldung vom Religionsunterricht sei man ipso iure für die Teilnahme am Ethikunterricht eingetragen. Schülerinnen und Schüler, die einer gesetzlich anerkannten Glaubensgemeinschaft angehören, können sich nicht direkt zum Ethikunterricht anmelden, sondern nur indirekt durch Abmeldung von ihrem Religionsunterricht.

Problematisch gestaltet sich in diesem Zusammenhang die Administration des Unterrichts durch die Abmeldefrist von 5 Tagen seit Beginn des neuen Schuljahrs. Jede Art von Unterricht muss vor Beginn des Schuljahres organisiert und geplant werden, so dass es viele Komplikationen und Herausforderungen mit sich bringt, im schon laufenden Schuljahr noch Klassenstärken, Räume und entsprechende Lehrpersonen anzupassen.


Univ.-Prof. Dr. theol. Lic. iur. can. Sabine Konrad ist Lehrstuhlinhaberin für Kanonisches Recht an der Karl-Franzens-Universität Graz. (Foto: Uni Graz/A. Leljak)

Ethikunterricht und Religionsunterricht im Vergleich

Betrachtet man beide Unterrichtsfächer, stellen sich Fragen bezüglich inhaltlicher und konzeptioneller Differenzen und Übereinstimmungen, sowie bezüglich der jeweiligen (Unterrichts-)Ziele.

Gemeinsam ist beiden Fächern die Bindung bzw. Grundausrichtung an die allgemeinen Schulziele, in denen es heißt: „Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihren Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken.“ (Art. 2 Abs. 1 SchOG). Weiters fordert das Gesetz, dass die jungen Menschen „zu selbstständigem Urteil, sozialem Verständnis und sportlich aktiver Lebensweise geführt werden, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sein sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheit- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken.“ Das Bundes-Verfassungsgesetz fordert als Grundwerte der Schulen „Demokratie, Humanität, Solidarität, Friede und Gerechtigkeit sowie Offenheit und Toleranz gegenüber den Menschen, auf deren Grundlage sie der gesamten Bevölkerung, unabhängig von Herkunft, sozialer Lage und finanziellem Hintergrund, unter steter Sicherung und Weiterentwicklung bestmöglicher Qualität ein höchstmögliches Bildungsniveau sichert.“ (Art. 14, 5a B-VG).


Das Bundes-Verfassungsgesetz fordert als Grundwerte der Schulen Demokratie, Humanität, Solidarität, Friede und Gerechtigkeit sowie Offenheit und Toleranz gegenüber den Menschen […].“


Darüber hinaus werden Ethikunterricht und Religionsunterricht in weiten Teilen auf dem gleichen Fundament aufgebaut, da die Ethik vielschichtig von Philosophie, Religion und Kultur beeinflusst ist. Somit sind auch religiöse bzw. christliche Quellen im Ethikunterricht zu finden. Hinzu kommt beim Religionsunterricht das konfessionell Spezifische, die Glaubensunterweisung, Lehrinhalte der Kirche, spirituelle Inhalte und Ausdrücke.
Stark verallgemeinert haben beide Schulgegenstände eine Wertevermittlung zum Ziel. Im Hinblick auf ihre Methodik und die detaillierten Unterrichtsziele lassen sich jedoch einige Differenzen erkennen. Im Ethikunterricht werden unterschiedliche Perspektiven und Wertvorstellungen (aus der Philosophie oder aus den Religionen) vermittelt, aus denen sich die Schülerinnen und Schüler ihr eigenes Urteil und ihre eigenen Werte ableiten müssen. Dies geschieht häufig anhand von Beispielfällen, in denen ethische Dilemmata diskutiert werden. Ebenso hilft es den Schülerinnen und Schülern für die Wertebildung, sich in die Rolle anderer hinein zu versetzen und aus deren Perspektive zu argumentieren. Die Lehrpläne für den Ethikunterricht sind auf drei Ebenen aufgebaut: „Ich mit mir“ (Fragen der Identität), „Ich und du“ (Fragen des Zusammenlebens) und „Ich mit der Welt“ (globale Fragen).

Dagegen werden im Religionsunterricht die Wertvorstellungen der jeweiligen Konfession vermittelt. Im Fall des katholischen Religionsunterrichts handelt es sich hierbei um christliche Wertevermittlung, kulturelle Bildung, Einübung einer religiösen Praxis (die lebensfähig macht), Lebensberatung, Erarbeitung von Lösungsstrategien zwischenmenschlicher Schwierigkeiten, Vermittlung von religiösem Wissen, das christliche Leben sowie die Entwicklung einer selbstbewussten und gesunden christlichen Identität. Letztere ist ein besonders wichtiger und wertvoller Aspekt des Religionsunterrichts. Denn Identitätsentwicklung ist die Voraussetzung für Toleranzentwicklung. Der Religionsunterricht soll auch den Blick auf andere Religionen richten und Möglichkeiten des friedlichen Zusammenlebens vermitteln. Nur wer seine eigene Religion kennt und sich mit ihr identifizieren kann, wird zu Toleranz, Gespräch und Zusammenleben fähig sein.


Ass.-Prof- Mag. Dr. Hans-Walter Ruckenbauer ist Studienkoordinator für das Fach Ethik an der Karl-Franzes-Universität Graz.

Ass.-Prof. Hans-Walter Ruckenbauer, Studienkoordinator für das Unterrichtsfach Ethik an der Karl-Franzens-Universität Graz, sieht eine Differenz beider Fächer in den unterschiedlichen Gewichtungen von Zentralperspektiven: „Im Religionsunterricht werden Themen vor dem Hintergrund einer bestimmten Zentralperspektive betrachtet, während im Ethikunterricht von mehreren gleichwertigen Zentralperspektiven ausgegangen wird“. Zudem unterscheiden sich die Ausgangspunkte beider Fächer. Im Ethikunterricht werde von verschiedenen Fragestellungen her begonnen, wohingegen man im Religionsunterricht von einer (kontextgebundenen) Aussage zu den weiterführenden Fragen gelangt, so Ruckenbauer.

Aus der Perspektive der Lehrerinnen und Lehrer stellen sich die beiden Fächer auch unterschiedlich dar. Während die Ethiklehrerinnen und Ethiklehrer im Unterricht (wie auch in anderen Schulgegenständen üblich) ihre eigenen Wertvorstellungen zurücknehmen und die Inhalte entkoppelt von der eigenen Überzeugung vermitteln müssen, sind „die Religionslehrerin und der Religionslehrer die einzigen Lehrenden, die für ihre eigene Überzeugung stehen und sie im Unterricht vermitteln,“ erklärt Bischof Wilhelm Krautwaschl, Diözesanbischof von Graz-Seckau und Referatsbischof für das Schulwesen in der Österreichischen Bischofskonferenz. Der Religionslehrer und die Religionslehrerin sind die einzigen Lehrkräfte, über die jedes Jahr neu abgestimmt wird, indem sich die Schülerinnen und Schüler wieder für das Fach Religion entscheiden. Innerhalb des Lehrerkollegiums sei die Kompetenz der Religionslehrerinnen und Religionslehrer, interreligiöse Feste durchzuführen, nicht zu unterschätzen. Sie wüssten genau, wie verschiedene Religionen gemeinsam Gottesdienst feiern können, so Bischof Krautwaschl.


Dr. Wilhelm Krautwaschlist der 58. Diözesanbischof von Graz-Seckau. In der Bischofskonferenz trägt er Verantwortung für das Ressort Bildung und Schule und ist Vorsitzender der Katechetischen Kommission. (Foto: Diözese Graz-Seckau / Christian Jungwirth)

Zusammen mit dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Heinz Faßmann, und den Vertretern anderer Religionsgemeinschaften (Griechisch-Orthodoxe Kirche, Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, Israelitische Kultusgemeinde, Buddhistische Religionsgemeinschaft) hat Bischof Wilhelm in einer gemeinsamen Presseerklärung zum Thema „Ethik- und Religionsunterricht“ am 7. Juni 2021 in Wien dargestellt, dass ethische Grundfragen nicht nur im Ethikunterricht, sondern schon immer auch im Religionsunterricht behandelt werden. Mit den Religionsgemeinschaften wurde vereinbart, dass in ihren Lehrplänen ethische Fragen aus den jeweils religionsspezifischen Sichtweisen, aber auch aus den Sichtweisen anderer Religionen und des staatlichen Ethikunterrichts konkret abgebildet werden. Die Lehrpläne beider Schulgegenstände würden zum Teil inhaltlich aufeinander abgestimmt, so dass die Schülerinnen und Schüler ohne Bekenntnis und solche mit unterschiedlichen Bekenntnissen sich austauschen können. Eine enge Kooperation der beiden Gegenstände würde daher ausdrücklich begrüßt und gefördert, so die Presseerklärung. Dadurch, dass Religionsunterricht und Ethikunterricht in der Regel zeitgleich bzw. parallel stattfinden, wird dieser Austausch erleichtert. So können gemeinsame Projekte gefördert werden, in denen Themen (z. B. Natur / Umwelt) aus verschiedenen religiösen und ethischen Perspektiven betrachtet werden.


Univ.-Ass. Mag. Franziska Seiler studierte Katholische Fachtheologie und Kirchenrecht an der LMU München. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Univ.-Prof. Sabine Konrad in Graz.

Ausgebildet werden Religions- sowie Ethiklehreinnen und -lehrer an Universitäten und Hochschulen. Beide Schulgegenstände können im Lehramtsstudium gewählt werden. Um als Religionslehrerin oder -lehrer tätig sein zu können, ist über den universitären Abschluss hinaus die Missio canonica erforderlich. Für diese Unterrichtserlaubnis muss beim zuständigen Ordinarius bzw. beim zuständigen diözesanen Schulamt ein Antrag gestellt werden. Die Rechtsgrundlage hierfür findet sich in c. 805 CIC, sowie in den partikularrechtlichen Normen der Österreichischen Bischofskonferenz gemäß c. 804 CIC eine Rahmenordnung für Religionslehrer der österreichischen Diözesen.

Titelbild: Wokandapix / pixabay.com

URL: rechtundreligion.at/2021/10/14/ethikunterricht/

DOI: 10.25365/phaidra.305

Piusbrüder übernehmen Minoritenkirche

Die bekannte Minoritenkirche in Wien bekommt neue Eigentümer: die Piusbruderschaft. Prof. Andreas Kowatsch gab dazu am 15.09.2021 in Ö1 ein Interview und erläuterte die Thematik aus kirchenrechtlicher Sicht:

https://oe1.orf.at/programm/20210915/650295/Piusbrueder-uebernehmen-Minoritenkirche

Međugorje vor der Anerkennung?

Am 14.09.2021 fand im Wiener Stephansdom das Međugorje-Friedensgebet statt, zudem alljährlich zahlreiche Gläubige kommen. Der Marienwallfahrtsort ist aber nach wie vor von der katholischen Kirche nicht offiziell anerkannt ist. Harald Tripp gab dazu am 14.09.2021 in ORF Religion aktuell ein Interview und erläuterte die Thematik aus kirchenrechtlicher Sicht:

https://religion.orf.at/radio/stories/3208682/