Kommentar zu OGH vom 19.12.2022,9 ObA 124/22h

Von Florian Pichler.

DOI: 10.25365/phaidra.396

Bedauerlicherweise sind Diskriminierung (darunter Formen von Mobbing) keine Seltenheit in der Arbeitswelt. Dass jedoch der OGH einen Streit zwischen einem orthodoxen Priester und seinem Bischof aufgrund von zwischenmenschlichem Fehlverhalten im Kontext der priesterlichen „Arbeit“ und dem hierarchischen „Dienstverhältnis“ klären soll, ist eine Seltenheit:

Der Sachverhalt

„Der Kläger steht als Priester im Dienste einer der griechisch-orientalischen (orthodoxen) Kirchengemeinden in Österreich und ist in (…) Pfarrgemeinden (…) im Auftrag des Bischofs tätig. Mit seiner an das Arbeits- und Sozialgericht gerichteten Klage begehrt der Kläger von der Beklagten (…) Schmerzengeld wegen Mobbing durch den Bischof (…). Dem von der Beklagten erhobenen Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs hielt der Kläger entgegen, dass er mit seinem Begehren einen Anspruch aus dem zwischen den Parteien bestehenden Dienstverhältnis geltend mache, der nicht vom verfassungsrechtlichen Gebot der Freiheit der Religionsausübung umfasst sei (9ObA124/22h)“.

Der Kläger behauptet gegenüber dem Arbeitsgericht, dass sein zuständiger orthodoxer Bischof „ihn (…) mehrfach übergangen und öffentlich schlecht gemacht, nicht zu einem Treffen aller Priester in Österreich eingeladen und die Versetzung des Klägers beabsichtigt und angeordnet habe.“

Der Sachverhalt gibt Einblick in ein tiefes Zerwürfnis zwischen einem Priester und seinem Bischof in der Orthodoxen Kirche. Es mag daher verständlich sein, dass er sich im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit, die er als seine „Arbeit“/seinen „Beruf“ empfindet, an die staatlichen Gerichte wendet und versucht gegen das betreffende Verhalten seines Vorgesetzen vorzugehen. Den subjektiven Anspruch des einzelnen Rechtsunterworfenen (Bürger:in) auf Entscheidung eines Rechtsstreits durch staatliche Organe bezeichnet man als Justizgewährungsanspruch (vgl. Kowatsch, in Kowatsch/Pichler/Tibi/Tripp, 111 Begriffe des österr. Religionsrecht 2022, 193–196). Der einzelne hat Anspruch darauf, dass sein Rechtsstreit von einem staatlichen Gericht beurteilt wird.

Nicht immer:

Zwar zählt das Rechtsschutzprinzip zu den Rechtsprinzipien und Baugesetzen der demokratischen Republik, jedoch gibt es explizit Bereiche, in denen sich nicht nur der staatliche Gesetzgeber, sondern auch die richterliche Gewalt nicht einmischen (vgl. hierzu spezifisch OrthodoxenG 1967 StF: BGBl. Nr. 229/1967 idgF BGBl. I Nr. 68/2011). Dies an der Abgrenzung der inneren Angelegenheiten von den äußeren Rechtsverhältnissen (vgl. Potz, in: Kowatsch/Pichler/Tibi/Tripp, 111 Begriffe des österr. Religionsrechts, 173–176; Kalb/Potz/Schinkele, Religionsrecht (2003), 65-70, 272–301) bzw. dort, wo der Staat eine Schranke durch die „allgemeinen Staatsgesetze“ (Vgl. Art. 15 StGG) setzt und die inneren Angelegenheiten dadurch einschränkt.

Innere Angelegenheiten sind jene Regelungstatbestände, die der Staat aufgrund der Selbstorganisation der Kirchen und Religionsgesellschaften nicht antasten darf. Sie regeln diese autonom. Art. 9 EMRK bzw. Art. 15 StGG sichern diese inneren Angelegenheiten verfassungsrechtlich vor einer staatlich-gesetzlichen Regelung und auch vor einer staatlich-richterlichen Beurteilung. Sie zu schützen oder einzuschränken ist Aufgabe des Rechtstaates (vgl. Korinek, zu Art. 9 EMRK, in: Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rnn. 8–12; Muzak, Art 9 MRK [Stand 1.10.2020, rdb.at], Rn. 9).

Diesem Grundsatz folgt der arbeitsrechtliche Senat des OGH in seiner rechtlichen Beurteilung:

„Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass der Staat und damit die weltlichen Gerichte in den innerkirchlichen Bereich nicht eingreifen dürfen, sodass der Rechtsweg in solchen Angelegenheiten unzulässig ist (Art 15 StGG (…) Zu den „inneren Angelegenheiten“ im Sinne des Art 15 StGG zählen jene, welche den inneren Kern der kirchlichen Betätigung betreffen und in denen ohne Autonomie die Religionsgesellschaften in der Verkündung der von ihnen gelehrten Heilswahrheiten und der praktischen Ausübung ihrer Glaubenssätze eingeschränkt wären. Der sich daraus ergebende Bereich der inneren Angelegenheiten kann naturgemäß nicht erschöpfend aufgezählt werden (…). Im Hinblick auf die Weite der Autonomiegarantie des Art 15 StGG sind auch die Arbeitsverhältnisse derjenigen Personen, die mit inneren Angelegenheiten befasst sind, konsequenterweise Teil der inneren Angelegenheiten (…). Auch bei Dienstrechtsstreitigkeiten scheiden daher aus der Beurteilung durch das Gericht alle Vorfragen aus, welche etwa die Rechtsgültigkeit der Amtsenthebung, der Pensionierung, der Disziplinarstrafen, einer Versetzung oder die Änderung der kirchlichen Organisation und die damit verbundene Auflassung von Pfarren etc. betreffen.“

Mitarbeiter:innen des Bischofs: Laien und Kleriker, Arbeitnehmer:innen und Unterhaltsempfänger

Bei der Lektüre des Urteils ist es notwendig, drei innere Angelegenheiten etwas näher zu beleuchten. Selbst unter den christlichen (vor- und insb. nachreformatorischen) Kirchen gibt es deutliche Unterschiede bei der Wahl der Lebensform, des Arbeits- bzw. Tätigkeitsverhältnisses zum kirchlichen Arbeits- oder Unterhaltsgeber und den innerkirchlichen Gerichten, die solche Streitfragen zu lösen haben:

1. Innere Angelegenheit: Das religiöse Angebot der Lebensformen:

In den vorreformatorischen Kirchen herrscht bis heute eine Standestrennung vor, die Gläubige in zwei bis drei große Gruppen aufteilt: Die einen werden Laien genannt, die anderen sind aufgrund besonderer Gelübde in den Lebensstand der Kleriker und/oder der Ordensleute eingetreten. Alle sind durch die Taufe zu Mitgliedern der Kirche geworden. Im Laufe ihres religiösen Lebens entscheiden sie sich, einer bestimmten religiösen Standesgruppe anzugehören und besondere religiöse Tätigkeiten zu übernehmen. Meistens treten Männer durch Weihen in den Klerikerstand ein. Männer und Frauen versprechen dauerhaft, sich an eine Ordensgemeinschaft zu binden oder eine besondere religiöse Lebensform zu wählen und werden dadurch zu Ordensmitgliedern und Rätechristen. Im überwiegenden Fall leben Kleriker und Ordensangehörige zölibatär.

Die drei klassischen consilia evangelica finden sich im Matthäusevangelium: Mt 19,12 fordert die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen; Mt 19,12 fordert die Gütergemeinschaft im Ordensverband (Klostergemeinschaft) bzw. die Entsagung von übermäßigem Verlangen nach irdischen Gütern und Mt 20,26 fordert die Unterordnung in ein hierarchisches Gefüge im klösterlichen Verband oder gegenüber dem Bischof. Dies sind freiwillig übernommene Regeln für ein gelingendes religiöses Leben in einem besonderen religiösen Lebenstand. Diese zu regeln ist Kernaufgabe der inneren Angelegenheiten (in der Katholischen Kirche insb. c. 573 CIC, vgl. Meier, Gelübde, in: Meier, Kandler-Mayr, Kandler, 100 Begriffe aus dem Ordensrecht (2014),197–200).

2. Innere Angelegenheit: Das Anstellungs- bzw. Tätigkeitsverhältnis

Die überwiegende Anzahl der kirchlichen Mitarbeiter:innen steht heute in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis (etwa nach dem AngestelltenG) zu ihrem kirchlichen Dienstgeber. Im Regelfall sind diese der Gruppe der Laien innerhalb der jeweiligen Kirche zuzuordnen.

Ihr Gegenüber steht die besondere Personengruppe, die durch die Kirche (oder den Bischof) unterhalten werden. Sie empfangen keinen Lohn für ihre verrichtete Tätigkeit, sondern einen Unterhalt. Dieser Unterhalt wird Sustentation (vgl. Kowatsch, in 111-Begriffe, 317–320) genannt. Das Unterhaltsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis. Es wird innerhalb der meisten Kirchen als Inkardination (Ins-Herz-Schließen) bezeichnet. Die Verpflichtungen seitens des Unterhaltsgebers sind umfassender als bei einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis. Eine Kündigung gibt es nicht, der Ausschluss ist an strenge innerkirchliche Normen und Verfahren gebunden. Die Unterhaltshöhen variieren nach den Bedürfnissen der Inkardinierten (Unterhaltssumme, Ausbildung, Versicherungen, besondere Aufwände). Klassisch übernimmt der Inkardinationsträger auch die Versorgung im Alter und in Krankheit ohne zeitliche Begrenzung, denn er zahlt im Regelfall nicht in das staatliche Pensionssystem ein. Inkardiniert werden Kleriker von ihrem Bischof oder Ordensgeistliche von ihrem Ordensoberen. Sollte jemand den Inkardinationsverband verlassen, hat der kirchliche Unterhaltsgeber verschiedenen Pflichten nachzukommen, um derjenigen Person einen geregelten Start in der Arbeitswelt (inklusive Sozial- und Pensionssystem) außerhalb eines Inkardinationsverhältnis zu ermöglichen (§§ 4 (1) Z. 13, aber 5 (1) Z. 7 und § 314 ASVG, weiters Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 132 ArbVG Rz. 58).

Im betreffenden Fall ist der orthodoxe Priester (Pfarrer ist sein Verwendungszweck innerhalb der orthodoxen Kirche) inkardiniert und kein Arbeitnehmer in einem Dienstverhältnis nach staatlichem Recht. Er wird von seinem Bischof unterhalten und übt die Seelsorge – eine typische innere Angelegenheit von Kirchen und Religionsgesellschaften – als geistlicher Amtsträger im Auftrag des Bischofs aus. Nicht jeder Priester ist Pfarrer, aber jeder Pfarrer ist Priester. Beide sind jedoch Inkardinierte und unterstehen der religiösen Autorität, die zumeist Bischof genannt wird, der sie unterhält. Sie sind aber nicht durch einen Arbeitsvertrag an die religiöse Autorität gebunden.

3. Innere Angelegenheit: Die kirchenrechtliche Beurteilung von Streitigkeiten zwischen Inkardinierten und Inkardinationsbischof

Betont werden muss, dass Mobbing (bzw. Diskriminierung) zwischenmenschlich in keinem Arbeits- und keinem Inkardinationsverhältnis tolerabel ist. Im Arbeitsrecht ist dafür § 1 (1) Z. 1 GlBG einschlägig. Es gilt für „Arbeitsverhältnisse aller Art, die auf privatrechtlichem Vertrag beruhen“. Neben dieser Bestimmung sind Regeln der Moral, der Sitte oder religiöse Normen (grundlegend für Christen die Goldene Regel nach Mt 7,12 „Was Du nicht willst, das man Dir tut, …“) besonders für kirchliche Autoritäten Handlungsleitlinien, Gebote und religiös Verbindliches, gegen das ihre Verantwortungsträger:innen nicht verstoßen sollten. Nach § 17 (1) Z. 6 GlBG ist eine Belästigung (Mobbing) ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz und wird als Diskriminierung betrachtet. Nach § 21 (2) Z. 1–3 GlBG liegt eine Diskriminierung nach § 17 auch vor, wenn die „Würde der betroffenen Person verletzt oder dies bezweckt“ wird oder der Arbeitgeber eine Verhaltensweise setzt, „die für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und (…) die ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.“

Nun beruht jedoch das Verhältnis dieses inkardinierten Priesters, der von seinem Bischof mit der Seelsorge und Leitung der orthodoxen Pfarren beauftragt wurde, nicht einem privatrechtlichen Vertrag, sondern einem Verhältnis sui generis, das zu den inneren Angelegenheiten nach Art. 15 StGG zählt. Er ist inkardinierter Unterhaltsempfänger und übt die Tätigkeit des Pfarrers aus, auf welche das GlBG nicht zutrifft. Dies ist die Quintessenz des OGH-Erkenntnisses.

Exkurs: Mobbing und Diskriminierung von kirchlichen Mitarbeiter:innen im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis

Angenommen es würde sich beim vorliegenden Sachverhalt um einen kirchlichen Mitarbeiter mit privatrechtlichem Anstellungsverhältnis handeln, wären einige Sondernormen des GlBG zu beachten: § 20 (1–2) GlBG enthält Ausnahmen in Bezug auf Merkmale der Religion und die geforderte Lebensform:

§ 20 (1) leg. cit: „Bei Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals“ nach „§ 17 genannten Diskriminierungsgründe steht, liegt keine Diskriminierung vor, wenn das betreffende Merkmal auf Grund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt (…). (2) Eine Diskriminierung auf Grund der Religion oder Weltanschauung liegt in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen (…), deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, nicht vor, wenn die Religion (…) dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt.“

Auch kirchliche Angestellte in privatrechtlichen Anstellungsverhältnissen (bsp.weise nach dem AngG) unterliegen den betreffenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen des GlBG nicht vollumfänglich. Gegen „Belästigungen“ iSv § 21 (1–4) GlBG können kirchliche Mitarbeiter:innen im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis den staatlichen Rechtsweg einschlagen. Sie ist eine Diskriminierung nach § 17 GlBG. Jedoch sind nicht alle in § 17 BlBG festgehaltenen Diskriminierungstatbestände auf Mitarbeiter:innen von Kirchen und Religionsgesellschaften anzuwenden.

Durch § 20 (1) GlBG ist es zulässig „wegen eines Merkmals (…)“ Arbeitnehmer:innen anders zu behandeln und ihn sie vom (rechtlichen) Vorwurf der Diskriminierung insbesondere im Hinblick auf ihren beruflichen Aufstieg und ihre Anstellung und Entlassung (§ 17 (1) Z. 1,5 und 7 GlBG) anders zu behandeln. Religionsgesellschaften (darunter diese orthodoxe Kirche) sind dabei als Tendenzbetriebe Arbeitgeber, die von ihren Arbeitnehmer:innen besondere Loyalitätspflichten und auch eine bestimmte private Lebensform fordern dürfen, wenn die „Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation“ darstellt. Hierzu sind beispielsweise Religionslehrer:innen oder leitende Angestellte der kirchlichen Verwaltung – u. a. auch Chefärzt:innen in kirchlichen Krankenhäuser (vgl. Fall Egenberger in Deutschland) – zu nennen. Der kirchliche Arbeitgeber ist ebenso frei, die Arbeitnehmer:innen mit unterschiedlich strengen Loyalitätspflichten zu beurteilen.

Fazit

Auf diese Details der Diskriminierungsbestimmungen gemäß GlBG nimmt der OGH bereits keine Rücksicht in seiner Entscheidung, weil er die Beurteilung des Umgangs zwischen Über- und Untergeordneten im Inkardinationsverband als innere Angelegenheit nicht beurteilt, wertet oder kontrolliert. Die Beschwerde des orthodoxen Pfarrers richtet sich „in Wahrheit gegen die inhaltliche Begründetheit“. Die „Äußerungen und Handlungen des Bischofs in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner priesterlichen Tätigkeit“ sind nicht zu beanstanden, da sie „zu diesem innerkirchlichen Bereich“ gehören. Für solche Streitigkeiten haben die meisten Kirchen innerkirchliche Gerichte und Schiedsinstanzen eingerichtet.

Auch der Vorbehalt nach Art. 15 StGG, wonach jede religiöse Autorität bei der Regelung der inneren Angelegenheiten den „allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen“ ist, und daher dem GlBG unterworfen sei, greift nicht. Der Staat kann die Regelungsfreiheit der inneren Angelegenheiten (Art. 9 EMRK/Art. 15 StGG) durch die allgemeinen Staatsgesetze nicht beliebig einschränken. Ansonsten würde eine Fülle von Einzelgesetzesbestimmungen die verfassungsgesetzlich gewährte Autonomie in den inneren Angelegenheiten unterlaufen. Gerade im GlBG nimmt er auf den autonomen Kern der inneren Angelegenheiten Rücksicht, zu diesem gehört die Übertragung eines geistliches Amtes (Pfarramt) und die Aufnahme oder Beendigung in den Inkardinationsverband (Aufnahme in den Klerikerstand/Priesterweihe), aber auch das privatrechtliche Arbeitsverhältnis kirchlicher Mitarbeiter:innen (ohne Inkardination, ohne Weihe). Er trifft Ausnahmebestimmungen zugunsten der verfassungsrechtlich geschützten inneren Angelegenheiten.

Sommerlektüre: Kirchenfinanzierung in Österreich und in Deutschland

Zur Kirchenfinanzierung werden oftmals übereilt zwei Aussagen getätigt. Die Erste ist das geflügelte Wort bzw. der Stehsatz „Die Kirche und das liebe Geld …“ und beschreibt ein ambivalentes Verhältnis, dass eine verschleierte Finanzgebarung andeuten mag. Die zweite Aussage ist ein Ausschnitt aus dem Münzlogion mit dem viel zitierten Wort Jesu „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gott ist!“ (Mt 22,21)1. Aber was und wie viel ist eigentlich das, was Gott geschuldet wird? Die finanziellen Mittel der kirchlichen Organisation, ihre Beschaffung, ihr Einsatz und die Botschaft des Evangeliums werden oftmals in ein Spannungsverhältnis gebracht, was auf den ersten Blick die Kirche und das Geld radikal spaltet. Zusätzlich ist dieses Thema eines, welches im modernen Zusammenspiel von Staat und Kirche Emotionen erregt und für Diskussionsbedarf sorgt. Angelehnt an den Ausspruch Jesu kann provokativ nicht nur die Frage gestellt werden, was Gott gegeben werden muss oder was dem Kaiser gegeben werden muss, sondern schuldet auch der Kaiser (also staatliche Macht) etwas Gott?

Im folgenden Interview befassen sich Prof. Matthias Pulte aus Mainz und Univ.-Prof. Andreas Kowatsch aus Wien mit der Thematik der Finanzierung von Kirchen und Religionsgesellschaften und gehen besonders auf die innerkirchlichen Regelungen der katholischen Kirche ein. Das Interview führte Univ.-Ass. Florian Pichler.


Foto: Sebastian Holzbrecher

Foto: Armin Hubner
Matthias Pulte lehrt seit 2010 Kanonisches Recht an der Johannes Gutenberg Universität Mainz.
2014 erschien sein Werk: Hense / Pulte (Hgg.), Grund und Grenzen staatlicher Religionsförderung unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses von Staat und Katholischer Kirche in Deutschland (Kirchen- und Staatskirchenrecht Bd. 17). ISBN 978-3-506-77882-6
Andreas Kowatsch ist seit 2019 Universitätsprofessor für Kirchenrecht und Religionsrecht an der Universität Wien. 2020 publizierte er als Herausgeber: Kowatsch (Hg.), Vom Ererbten und Anvertrauten Die kirchliche Vermögensverwaltung auf dem Prüfstand. ISBN: 978-3-8306-8126-7

Schuldet der Kaiser etwas Gott? Was beide Staaten historisch trennt und eint

Staatsleistungen2 an Kirchen werden in Deutschland heftiger kritisiert als in Österreich. Trotzdem lohnt es sich, den Blick in die BRD zu lenken und anschließend den Vergleich zu Österreich zu ziehen. Dabei wird sich herausstellen, dass dies gar nicht so einfach zu vergleichen ist. Wie so oft sind Finanzierungsmodelle historisch gewachsen …

Finanzierungssysteme mit Geschichte

Interviewpartner Matthias Pulte betont dabei die Subsistenzwirtschaft der mittelalterlichen Kirche in Mitteleuropa. Große Spenden und Schenkungen begründeten seit der Antike ein kirchliches Vermögen, das kirchlicher- und staatlicherseits mit einem Alienationsverbot belegt war. Amortisationsgesetze folgten auf diese im 14. Jahrhundert. Eine entscheidende Wende brachte § 68 des Reichsdeputationshauptschlusses3 von 1803, der zu einer Enteignung kirchlicher Güter führte. Es fehlte ab diesem Zeitpunkt an finanziellen Mitteln, um „die Kernbereiche von Caritas und Verkündigung abzudecken“, meint Matthias Pulte. Staatlicherseits wird anschließend die Initiative ergriffen, Steuerleistungen für diese Zwecke der Kirchen einzuheben. 1827 ist das erste dieser Steuergesetze im Lippischen nachzuweisen. Dieses und weitere Gesetze sind Folgen der zwei großen Enteignungen kirchlichen Besitzes in der Reformation und 1804. Der Staat schloss Rückübereignungen aus, sodass Entschädigungsleistungen festgesetzt und ausgezahlt wurden. Der bis heute übergeleitete Art. 138 (1) der Weimarer Reichsverfassung bestätigt diese historisch begründeten Staatsleistungen an Kirchen und Religionsgemeinschaften und verweist sie an die Landesgesetzgeber. Gegenwärtig stehen verschiedene Ablösevorschläge zur Debatte.

Das Alienationsverbot beschreibt das Verbot der Verweltlichung.
Kirchenvermögen durfte nicht an weltliche Autorität veräußert werden.
Kirchliches Vermögen wird deswegen auch als „Vermögen zur toten Hand“ bezeichnet.

Auch wenn sich die mittelalterliche Kirchenfinanzierung auf den Gebieten des heutigen Österreichs und Deutschlands deckt, gibt es zentrale historische Unterschiede: Zwar flossen Güter ebenso an die Manus morphoi (Tote Hand) und wurden dadurch dauerhaft Teil des Kirchenvermögens; eine entscheidende Wende für Österreich bedeutete aber das Jahr 1782 und seine Josephinistische Reform: Joseph II. (1765–1790 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, 1780–1790 Alleinregent in den österreichischen Erblanden) griff durch seine kirchlichen Reformen stark in die Kirchenfinanzierung ein. Durch die vorrangige Enteignung von Klostervermögen stellte er kirchliches Gut zweckgebunden unter staatliche Aufsicht. Daraus sollten Pfarren und Priester finanziert werden. Unklar blieb, ob es nun staatliches oder kirchliches Vermögen sei, meint Andreas Kowatsch. Bis in die Zeit des Neoabsolutismus (1850er) verwalten staatliche Organe dieses kirchlich zweckgebundene Vermögen und ermöglichten dem Benefizialsystem ein Fortbestehen. Juristisch gesprochen „überlebte“ der Religionsfond das Ende der Habsburgermonarchie und finanzierte die katholische Kirche weiter. Andere Religionsgesellschaften (wie z.B. die Evangelische Kirche, die Altkatholische Kirche, oder die jüdische Kultusgemeinde) erwirtschafteten zu dieser Zeit ihre finanziellen Mittel über ein Umlagesystem. Dieses Umlagesystem wurde staatlicherseits den Religionsgesellschaften zugesichert und durch den Staat verwaltet. Damit hob der Staat für die übrigen Religionsgesellschaften einen Beitrag ein, weil sie nicht aus dem Religionsfond gespeist wurden. Dieses Recht wurde später auch der katholischen Kirche zugesprochen. Das war notwendig geworden, weil die Mittel des Religionsfonds zur Erfüllung seiner Zwecke nicht mehr ausreichten. Zusätzlich stützen Congrua-Ergänzungen mit staatlichem Geld jene zu kleinen Erträge aus dem Religionsfond. 1939 brachte der Einzug des Religionsfonds die „echte Säkularisation“ (Andreas Kowatsch) mit sich. Durch das Kirchenbeitragsgesetz 1938 soll eine Austrittswelle losgetreten werden. Unerwartet trat jedoch eine Solidarisierungswelle der Gläubigen mit ihrer Kirche auf. Gläubige bezahlten freiwillig ihren Beitrag. Trotz der Frage, ob nicht das Kirchenbeitragsgesetz nationalsozialistisches Gedankengut enthält, wurde es 1945 in das Rechtssystem der jungen zweiten Republik übergeleitet. Entscheidende Weichen stellte Art. 26 des Staatsvertrages4 1955. Er verpflichtete die Republik Österreich zur Restitution des enteigneten Vermögens. Im Vermögensvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich wurde 1960 von Wiedergutmachungszahlungen in diesem Zusammenhang gesprochen. Teil dieser Rechtsmaterie ist eine Verpflichtung zur Valorisierung, sodass 2020 der siebente Zusatzvertrag zum vermögensrechtlichen Teil des Konkordats in Kraft trat.

Der Vermögensvertrag ist ein Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen (StF: BGBL. Nr. 195/1960 idF BGBl. III Nr. 36/2021) und ein völkerrechtlicher Vertrag. Sieben Zusatzverträge (BGBl. III Nr. 36/2021; der Letzte 2021) ergänzen diese Rechtsmaterie.

Als entscheidenden Unterschied zur bundesdeutschen Rechtslage merkt Andreas Kowatsch an, dass die Geldleistungen des Staates an die Kirchen und Religionsgesellschaften in Österreich im Bundesfinanzgesetz als Subventionen des Staates geführt werden. Dieser Wortwechsel lässt politische Diskussionen zu, wenn man der misslichen Formulierung der Subventionen folgt, die jedoch Entschädigungsleistungen aufgrund des Art. 26 des Staatsvertrags von Wien sind.

Kirchenbeitrag / Kirchensteuer

Umgangssprachlich betiteln Katholik:innen in Österreich ihre religiösen Solidaritätsbeiträge an die Katholische Kirche gerne als „Kirchensteuer“. Dies ist aber nicht korrekt, denn Steuern hebt nur der Staat ein. „Die Rechtsnatur dieses Kirchenbeitrages ist (im Unterschied zu Deutschland) keine Kirchensteuer. Der Kirchenbeitrag ist kein rein zivilrechtlicher Beitrag und trotzdem keine Steuer. Seine Höhe wird in der Kirchenbeitragsordnung als eine innere Angelegenheit festgelegt. Er ist eine zivilrechtlich einklagbare Umlage; aber mit der Besonderheit, dass er – anders als Vereinsbeiträge – erst dann einklagbar ist, wenn der Staat die Kirchenbeitragsordnung genehmigt hat. Dies ist ein staatskirchenrechtliches Hoheitselement unserer Rechtsordnung. Vereinsbeiträge müssten niemals vom Staat genehmigt werden.“ (Andreas Kowatsch) Er kann in Österreich bis zu einer Höchstsumme von 400,- Euro steuerlich berücksichtigt werden.

In der Bundesrepublik Deutschland hingegen sind die Geldleistungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften staatlich eingehoben und werden von diesem an die religiösen Autoritäten abgeführt. Der Staat behält sich 3–4% davon zurück, um den Verwaltungsaufwand zu decken. Matthias Pulte hält dies aber für unangemessen. „Was früher Mitarbeiter:innen händisch berechneten, erledigen heute digitale Systeme. Allerdings fiele der Personalaufwand für Kirchen und Religiosngemeinschaften höher als 3–4% der Steuereinnahmen aus, müssten sie selbst das Personal und Infrastruktur dafür bezahlen“ (Matthias Pulte).

Im Unterschied zu Österreich erhalten Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland
das Besteuerrungsrecht. Diese sind steuertechnisch vollabzugsfähig“
(Matthias Pulte)

In Österreich wird der Kirchenbeitrag der Katholischen Kirche von der diözesanen Kirchenbeitragsorganisation eingehoben. Die Höhe des Beitrags pro Katholik:in wird entweder durch Berechnung aufgrund eines Einkommensnachweises (Lohnzettel) oder durch Selbsteinschätzung der Gläubigen geleistet. Seriösen Schätzungen zur Folge würde eine Finanzierung durch eine staatliche Steuer mittels Nachweispflicht und Berechnung auf dieser Grundlage zu um 40 % höhere Gesamtsummen führen. Zusammen mit den 9 % der derzeitigen Ausgaben für Werbe-, Sach- und Personalkosten der diözesanen (kirchlichen) Kirchenbeitragsstellen für die Organisation des Beitragswesens ist dieser Differenzbetrag nicht unerheblich. Seriöse Pläne, den Kirchenbeitrag staatlich einheben zulassen gab es auch in Österreich, betont Andreas Kowatsch. Die Diözesanbischöfe stimmten jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg dagegen.

Wer in Österreich oder Deutschland nachweislich für religiöse Zwecke spendet,
kann dies steuerlich berücksichtigen.

Zusätzlich sind weitere Spenden an Kirchen oder Religionsgesellschaften von steuerlicher Relevanz: Wer in Deutschland an Kirchen oder Religionsgemeinschaften spendet, ist dort steuerlich voll abzugsberechtigt. Spendenprojekte außerhalb der Kirchensteuer sind dadurch ebenso staatlicherseits steuerlich begünstigt. In Österreich besteht für Kirchen und Religionsgesellschaften die Möglichkeit, Spendenaktionen durch eine Meldung an das Finanzministerium ebenso steuerlich begünstigen zu lassen. Dies geschah beispielsweise bei der Restaurierung der Riesenorgel im Stephansdom.

Verpflichtendes Erbe und Auftrag: Verwendung der Mittel

Berechtigt fragen heute katholische Gläubige und Beitragszahler:innen / Steuerzahler:innen nach den Verwendungszwecken ihrer Gelder. Ein Blick ins Kirchenrecht lässt aber klar durchblicken, dass es Zweckbindungen gibt. „Dreh- und Angelpunkt ihrer Finanzierung sind für die Katholische Kirche c. 222 und c. 1254 CIC. Der eine verpflichtet die Gläubigen, einen angemessenen Beitrag zu leisten, der andere beansprucht „Vermögen zur Verwirklichung der eigenen Zwecke zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern“ (Matthias Pulte). Einerseits werden damit seit der Urkirche drei Bereiche finanziert: die Feier des Gottesdienstes, der Unterhalt der Kleriker und die Unterstützung der Armen. (Vgl. dazu die Rezension zum Buch: Pulte, Das Vermögensrecht der katholischen Kirche (2019) in Recht und Religion.) Die Kleriker sind heute um jene Menschen zu erweitern, die Mitarbeiter:innen der Pastoral und der kirchlichen Verwaltung sind. Auch Pastoralassistent:innen oder seelsorgliche Mitarbeiter:innen erhalten somit ein kirchliches Gehalt.

O-Ton: Andreas Kowatsch zur Zweckbindung kirchlichen Vermögens

Mit der Feier des Gottesdienstes ist auch die Baulast verbunden. Die Baulast (Erhaltungskosten) für historische Kirchenbauten ist nicht zu unterschätzen. In Deutschland ist der Staat noch öfter als in Österreich verpflichtet, sich an diesen baulichen Erhaltungen / Restaurierungen zu beteiligen. Dies betrifft vor allem die negativen Staatsleistungen.

Positive und negative Staatsleistungen

Gelder, die aus dem Staatshaushalt an Kirchen und Religionsgemeinschaften fließen, sind in zwei Gruppen zu teilen, erklärt Matthias Pulte. Die positiven Staatsleistungen sind Geldleistungen des Staates, die aufgrund von Verpflichtungen des Staates gegenüber den Kirchen und Religionsgesellschaften gezahlt werden. Dazu zählen in Deutschland die Dotationen der Bischöfe und selten noch der Pfarrer. Diese Gelder werden pauschaliert und zweckgebunden als Fixum an die kirchliche Autorität gezahlt. Kritisch muss dorthin geblickt werden, wo die kirchliche Autorität diesen Zweck nicht mehr vollumfänglich ausführt. Andererseits sind negative Staatsleistungen für die Kirchen- und Religionsgesellschaften von Bedeutung: Die Befreiung von Grund- oder Grunderwerbssteuer sind nicht unerwähnt zu lassen. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich sind für den Gottesdienst gewidmete Räume von der Grundsteuer befreit. Für Gebäude in zentraler Stadtlage – wie Stephansdom und Kölner Dom – ist dies nicht unerheblich.

Spende, Abgabe und Steuer

Immer wieder werden Meinungen laut, dass große Geldsummen über kirchliche Wege ins Ausland fließen. Prinzipiell ist nach dem universalen Kirchenrecht keine globale Umverteilung vorgesehen. Vermögen kommt demjenigen zu, der es aufbringt, dem es gehört und dort soll es auch verwendet werden. Das bedeutet, dass die jeweiligen Teilkirchen (Ortskirchen / Diözesen) aufgerufen sind, sich selbst zu erhalten. Dabei darf jedoch der appellative Charakter des Subsidiaritätsprinzips nicht vernachlässigt werden. Solidarisch helfen Bistümer einander, wie auch die diözesan organisierte Caritas oder einzelne Diakonien anderernorts als im eigenen Gebiet helfen. Der Papst hat diesbezüglich jedoch kein Mitbestimmungsrecht. Dies ist den jeweiligen Diözesen überlassen. Ebenso gibt es keine römische Aufsicht über die einzelnen diözesanen Organisationen. Letztverantwortlicher ist der Diözesanbischof.

C. 222 §§ 1–2 CIC: „Die Gläubigen sind verpflichtet, für die Erfordernisse der Kirche Beiträge zu leisten, damit ihr die Mittel zur Verfügung stehen, die für den Gottesdienst, die Werke des Apostolats und der Caritas sowie für einen angemessenen Unterhalt der in ihrem Dienst Stehenden notwendig sind. Sie sind auch verpflichtet, die soziale Gerechtigkeit zu fördern und, des Gebotes des Herrn eingedenk, aus ihren eigenen Einkünften die Armen zu unterstützen.“

Spenden, die beispielsweise sonntags bei der Kollekte zusammengetragen werden, können von den Pfarren frei verwendet werden, betont Matthias Pulte. „Wenn keine bischöfliche oder päpstliche Zweckbindung vorgesehen ist, darf damit jedes Ziel verfolgt werden mit Ausnahme der Besoldung von Pfarrern und Mitarbeiter:innen “.

Schnittstelle Religionsunterricht: Staatliches Gehalt für die Lehrer:innen von kirchlichem Inhalt

Für viele erscheint es alltäglich, dass in Österreich und in Deutschland Religion an Schulen unterrichtet wird. Dieses Fach rückte in letzter Zeit dann in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit, wenn es in Zusammenhang mit der Frage nach dem neuen Pflichtfach Ethik diskutiert wurde. Durch die Bezahlung von Religionslehrer:innen leistet der Staat Personalsubventionen für inhaltlich kirchliche Zwecke, die formalrechtlich staatliche Aufgabe sind. Er finanziert damit auch indirekt die religionsunterrichtleistenden Kirchen und Religionsgesellschaften, darunter auch den Islam.

Der Religionsunterricht ist in Österreich – wie jedes andere Schulfach – Angelegenheit des Staates. Er lässt ihn aber von den Vertreter:innen der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften frei besorgen. Unterschiedslos der Konfession oder Religion erhalten Lehrer:innen des Schulunterrichtsfaches ein staatliches Gehalt. Es spielt dabei ebenso keine Rolle, ob sie an einer kirchlichen Privatschule oder an einer öffentlichen staatlichen Schule unterrichten. Religionslehrer:innen erhalten wie alle übrigen Lehrer:innen für ihre Tätigkeit ein staatliches Gehalt.

Art. 7 GG: (1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. (2) (…) (3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt.

In Deutschland findet der Religionsunterricht als einziges Unterrichtsfach in Art. 7 (3) GG ausdrückliche Erwähnung im Grundgesetz. „Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt.“ Lehrer öffentlicher Schulen werden damit unabhängig ihres unterrichteten Faches vom Staat besoldet; Lehrer privater Schulen werden unabhängig von ihrem Fach nicht staatlich bezahlt.

Sollte die kirchliche Autorität einzelnen Religions:lehrerinnen die Missio canonica (c. 805 CIC) entziehen, unterrichten sie nur noch ihr zweites (säkulares) Schulfach und erhalten weiterhin ein staatliches Gehalt. Das gilt auch für Österreich, solange ein zweites Fach unterrichtet werden darf.

Kooperationsrechtliche System haben einen höheren Output

Wenn eingangs von Überlegungen zur Ablöse von Staatsleistungen oder der Umwandlung von kooperativen rechtlichen Modellen der Zusammenarbeit von Staat und Religionsgemeinschaften in ein laizistischen Staat und Religionsgemeinschaften trennendes System für Deutschland gesprochen wurde, muss mitbedacht werden, was Kirchen und Religionsgemeinschaften tagtäglich an Unterstützung für Menschen in Not leisten. Caritas oder Diakonie beispielsweise könnten ohne Zuschüsse kaum ein solides Fundament bilden, um weitere Spenden zu rekurrieren und damit schlussendlich Menschen in Not zu helfen. Religionslehrer:innen tragen einen wichtigen Beitrag dazu bei, dass Menschen für ein soziales Miteinander sensibilisiert werden und sich solidarisieren.

Der kirchliche Output darf mit dem Böckenförde-Dilemma in Bezug gebracht werden:
„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen,
die er selbst nicht garantieren kann“

Zuletzt bieten Kirchen und Sakralbauten Räume, die dem Menschen Platz für Gottesdienste oder Platz für Gebete bieten, die unter einer holistischen Sichtweise Teil seiner Existenz und seiner Gesundheit sind. Sie zu erhalten dient in erster Linie dem religiösen Menschen, erst danach der Sicherung eines Kulturdenkmals. Laizistische Trennung würde zwar dem Staat Geld sparen, aber würde wesentlich mehr zerstören, was dem Menschen „lieb und heilig“ ist, als es möchte. Ein engmaschiges soziales Netz der Fürsorge und des Miteinanders würde spröde auseinanderbrechen und durchlässig werden. Den Output aus diesen kooperationsrechtlichen Systemen könnte der laizistische Staat, der Religion und Staat strikt voneinander trennt, allein nicht finanzieren. Es würde schlussendlich größere Probleme und Finanzierungsfragen in sozialen Fragen mit sich bringen. Matthias Pulte und Andreas Kowatsch sind sich dabei einig: Damit verbunden bleibt die Mahnung an die Kirchen und Religionsgemeinschaften, transparent und nachvollziehbar mit dem Geld der Gläubigen umzugehen und kritisch zu prüfen, wofür es verwendet wird.

Anmerkungen

1 „ἀπόδοτε οὖν τὰ Καίσαρος Καίσαρι καὶ τὰ τοῦ θεοῦ τῷ θεῷ.“ aus Mt 22, 15–22: „Damals kamen die Pharisäer zusammen und beschlossen, Jesus mit einer Frage eine Falle zu stellen. (…) Sag uns also: Ist es nach deiner Meinung erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht? Jesus aber erkannte ihre böse Absicht und sagte: Ihr Heuchler, warum stellt ihr mir eine Falle? Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt! Da hielten sie ihm einen Denar hin. Er fragte sie: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie antworteten: Des Kaisers. Darauf sagte er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört! Als sie das hörten, waren sie sehr überrascht (…).“

2 Kritik bzw. die Forderung nach einem Ende der Staatsleistungen (in der BRD) erheben beispielsweise: Bundestagswahlprogramm DIE GRÜNE Bundestagswahlprogramm 2017, S. 121.

3 Text § 68 des Reichsdeputationshauptschlusses, online unter: http://www.documentarchiv.de/nzjh/rdhs1803.html [Abruf: 20.06.2022]: „Bei denjenigen geistlichen Ländern, welche nicht ganz oder größtentheils mit ihren Residenzen an einen weltlichen Herrn kommen, sondern unter mehrere vertheilt werden (…) , sind sowohl in Ansehung der standesmäßigen Unterhaltung der unter der gegenwärtigen Veränderung leidenden Personen, als wegen der Sicherstellung der Dienerschaften des Landes, auch kirchlichen, religiösen Verfassung und dergleichen, alle diejenigen Grundsätze in Anwendung zu bringen (…). Nur erfordert die Vertheilung der Sustentationssumme, und der Fonds (…) in diesen Landen nothwendig näher Bestimmung. Diesemnach fallen die (…) einzelnen (…) Lasten, z.B. die Unterhaltung eines mittelbaren Klosters, die Uebernahme der Beamten und Diener eines einzelnen Amtes (…), denjenigen neuen Herren allein zur Last, die solche erhalten (…). Zur Vertheilung unter sämmtliche neue Theilhaber eines solchen Landes bleiben also nur die auf das Ganze sich beziehenden Lasten übrig, wohin denn vorzüglich die Sustentationssumme des von der Regierung abtretenden geistlichen Landesherrn gehört. (…).

4 Art. 26 Staatsvertrag von Wien (= Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich StF: BGBl. Nr. 152/1955 idF BGBl. III Nr. 179/2002 idgF BGBl. I Nr. 2/2008.): „1. Soweit solche Maßnahmen noch nicht getroffen worden sind, verpflichtet sich Österreich in allen Fällen, in denen Vermögenschaften, gesetzliche Rechte oder Interessen in Österreich seit dem 13. März 1938 wegen der rassischen Abstammung oder der Religion des Eigentümers Gegenstand gewaltsamer Übertragung oder von Maßnahmen der Sequestrierung, Konfiskation oder Kontrolle gewesen sind, das angeführte Vermögen zurückzugeben und diese gesetzlichen Rechte und Interessen mit allem Zubehör wiederherzustellen. Wo eine Rückgabe oder Wiederherstellung nicht möglich ist, wird für auf Grund solcher Maßnahmen erlittene Verluste eine Entschädigung (…) gewährt (…). Siehe auch Bundesgesetz vom 20. Dezember 1955, womit Bestimmungen zur Durchführung des Artikels 26 des Staatsvertrages, BGBl. Nr. 152/1955, hinsichtlich kirchlicher Vermögensrechte getroffen werden. StF: BGBl. Nr. 269/1955 idF BGBl. Nr. 98/1988.

DOI: 10.25365/phaidra.348

Die physische Strecke zwischen zwei Menschen heißt Abstand und ist zwei Meter lang

Sonntagmorgen, 06:45 Uhr, kurz nach Sonnenaufgang. Nach mehreren Tagen des Leidens an einer Krankheit, die zu diesem Zeitpunkt viele Zeitgenossen betrifft, verstirbt Albin im Jahr 1374 in einem Quarantänelager in Reggio nell’Emilia. Er sollte dort vierzig (quaranta) Tage ausharren, um keine Krankheiten in die Stadt hineinzutragen, wo er Handel treiben wollte. Die Morgensonne steigt langsam am Horizont empor, niemand ist im Moment des Todes dabei. Albin verstirbt mit seitlicher Kopflage und Blick zum Fenster hinaus in die aufgehende Sonne. Niemand darf danach seinen Leichnam besuchen. „Er war gläubig und hat auf Christus gehofft“, wird der Priester in seiner Seelenmesse zu den wenigen Anwesenden sagen.

Sie denken, dass diese Schilderung eine mittelalterliche Erzählung und historische Glosse ist? Leider nein, sie ist (wieder) Realität geworden. Das Begleiten von Erkrankten und Sterbenden durch Seelsorgende steht naturgemäß in einem Spannungsverhältnis zu Abstandsregeln, dem Sich-Fernhalten und Absonderungsregeln zur Eindämmung von Erregern, die für Mitmenschen gefährlich sind. Wenn ein vielzitierter Ausspruch Seelsorgender lautet, dass „an der Hand eines Menschen gestorben werden soll“, so sind Absonderungsbescheide garstige, breite Gräben, welche denen, die den Erkrankten beistehen schier unüberwindlich erscheinen.

Das Wort „Quarantäne“ kommt aus den romanischen Sprachgruppen des Französischen und des Italienischen und nimmt auf eine vierzigtägige Zeitspanne Bezug. In dieser Zeit wurde ein sichtlich oder potenziell erkrankter Mensch an einem bestimmten Ort abgesondert. Dort wurde überwacht, ob er Krankheitssymptome zeigte oder in Folge erkrankte. Die Quarantäne endete mit Zeitablauf oder durch Tod. Absonderung und Isolation werden heute in Österreich als Synonyme verwendet.

Erinnern wir uns an das Jahr 2021, also das Vorjahr: Da lautete die Geschichte, also der Bericht über das Geschehene so: In vorpandemischen Zeitabschnitten hätte die Pflegekraft wie folgt gehandelt: „Nach einem Sterbefall richtet sie die toten Patienten für Angehörige noch her, macht die Haare, wenn Hinterbliebene im würdigen Rahmen Abschied nehmen wollen. Nicht so bei hochinfektiösen Leichen, wie sie dieser Tage oft vorkommen: ,Coronavirus-Tote steckst du nackt in einen luftdicht verschlossenen Plastiksack, zippst zu und das war’s.‘ Jeder Coronavirus-Todesfall sei auch für langdienende Pflegerinnen […] eine enorme psychische Belastung. ,Keiner draußen kann sich vorstellen, was das bedeutet‘“ (ORF).

Kirchliche und staatliche Regeln zur Pandemie gibt es schon länger

Was sich in den letzten 600 Jahren zwischen diesen beiden Szenen nicht geändert hat, ist, dass in Seuchen- und Pandemiezeiten eine Flut an sowohl kirchlichen als auch staatlichen Normen den Alltag des (religiösen) Menschen zu regeln versucht. Was sich jedoch geändert hat ist die Präsenz religiöser Regelungen in der Öffentlichkeit. Wurde noch in Pestzeiten die tägliche Hl. Messe am Wiener Graben so zelebriert, dass die, die in häuslicher Absonderung lebten an der Haustür oder am Fenster teilnehmen konnten und der Gottesdienst daher von niemandem ausgelassen werden musste, so ist heute nur mehr eine kleine Gruppe von Gottesdienstteilnehmenden in den Kirchen mit Abstandsregeln, Maskenpflicht, Singverbot und Desinfektionsspendern konfrontiert. Vieles, was früher die kirchliche Ordnung für das Abstandhalten vorsah, verordnet heute der Staat. Schauen wir uns diese Regeln in Auszügen an:

Infektionsordnungen (InfO) gab es unter anderem 1540, 1551, 1562, 1597, 1617, 1654, 1656, ab 1913 ein Epidemiegesetz (EpG)

Detailliert regelt die 1521 im Herzogtum Steiermark erlassene Pestordnung das religiöse Alltagsleben, weil der physische Kontakt unter Menschen bei der Religionsausübung damals alltäglich ist (Hiersche, Sanitätspolizeiliche Bekämpfung übertragbarer Krankheiten (2010), 14). 1551 lässt sich eine Infektionsordnung mit einer Anzeigepflicht der Erkrankung und dem Namen der erkrankten Person an den Magister Sanitatis nachweisen. Erzherzogin Maria Theresia lässt 1770 den seit 1728 an der Grenze zum Osmanischen Reich bestehenden Pestkordon mit einer Länge von 1900 km einrichten. Sie regelt 1770 im Hauptsanitätsnormativ diese Schutzzone, die vor Krankheitseinschleppungen sichern soll. Ein Beherbergungsverbot und die aufoktroyierte Schließung von Gaststätten lassen sich bereits 1562 nachweisen. Die Gastronomie muss auch bereits 1551 mit erzwungenen Sperrstunden leben (Langeder, Die rechtliche Entwicklung der Pestbekämpfung im Österreich der frühen Neuzeit (1996), 71; 77). War es zuvor die Pest, so quälte den Menschen danach die Cholera oder die Ruhr. Rechtssystematisch und -historisch führte dies 1913 zum ersten Epidemiegesetz in Österreich (Hiersche (2010), 17).

Seelsorge und Pandemie in der Katholischen Kirche im Jahr 2022

Der Umgang mit Krankheiten und Seuchen durch das für den Gottesdienst zusammenkommenden Gottesvolk wird bereits in der Hl. Schrift im Kapitel Lev 13,1–46 für das Volk Israel geregelt. War damals die Gottesdienstgemeinde mit dem in Stammes- und Familienverband lebenden, teils nomadisch umherziehenden, Gottesvolk ident, so bildet das Gottesvolk der Teilkirchen heute weitaus weniger eine einheitliche Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft. Für klösterliche Lebensformen ist dies aber nach wie vor zu bejahen.
Derzeit ist die 19. „Rahmenordnung der Österreichischen Bischofskonferenz zur Feier öffentlicher Gottesdienste“ (wirksam ab 12.12.2021) in Kraft. 18 Versionen gingen dieser seit dem 15. Mai 2020 voraus. Davor betraf ein Lockdown auch den Gemeindegottesdienst. Dieser war aber nicht staatlicherseits, sondern kirchlicherseits als innere Angelegenheit verordnet. Diese Rahmenordnungen werden von den fachversierten Organen der Bischofskonferenz erarbeitet, müssen aber von den Diözesanbischöfen jeweils für ihre Teilkirche/Diözese eigenständig in Kraft gesetzt werden, weil die Bischofskonferenz keine Befugnis für das Gebiet der von ihr erfassten Bistümer hat. Dies geschieht durch neuerliche Verlautbarung in den diözesanen Amts- oder Verordnungsblättern, die analog zum Bundesgesetzblatt existieren (Vgl. c. 8 § 2 CIC). Vielfältig regeln die Rahmenordnungen hygienespezifische Materien bei der Zusammenkunft zur Sonntagsmesse und bei anderen Feiern anlässlich der Spendung eines Sakraments. Sie richten sich nach den aktuellen Verordnungen der staatlichen Autorität (bsp.weise COVID-19-MGG StF: BGBl. I Nr. 12/2020 idF BGBl. I Nr. 255/2021; 6. COVID-19-SchuMaV StF: BGBl. II Nr. 537/2021 idF BGBl. II Nr. 6/2022). Auf ein korrespondierendes staatliches Dokument bezog sich die „Infektions-Ordnung für das Fürstliche Erzstift Salzburg 1547“ noch nicht (Flamm, Die ersten Infektions- oder Pest-Ordnungen in den österr. Erblanden (2008), 63f). Staatliche und religiöse Obrigkeit fielen schlichtweg zusammen.

Grüner Pass

Schon 1577 ist von einem Gesundheitspass die Rede. Wer ihn nicht beibringen kann, ist mit anderen in einem Lazarett zu behandeln (Langeder (1996), 77). Auch die Statistik über Genesene, Erkrankte und Verstorbene ist nichts Neues: Schon 1617 sieht eine Infektionsordnung (InfO) vor, dass die betreffenden Personen zu registrieren sind. (Langeder (1996), 94). Zwar wurden diese Daten nicht tagesaktuell allen Bürgern zur Verfügung gestellt, jedoch war bei der staatlichen Obrigkeit ein gewisses Interesse an der Statistik vorhanden. Auch das religionsfeindliche Regime des Nationalsozialismus kannte einen Gesundheitspass i. S. e. Ausweisdokumentes für gesunde Menschen, war aber in erster Linie von rassistischen Kriterien bestimmt.

Quelle: Twitter.com. Dort nicht näher beschrieben.

„Gebt uns die Hl. Messe wieder“

Eine kleine Gruppe von aufgebrachten Gläubigen forderte im ersten Lockdown der Pandemie 2020 und dem Gottesdienstverbot medienwirksam die „Rückgabe“ der Eucharistiefeier. Sie wollte damit wieder öffentliche Gottesdienste mit Gemeindeteilnahme erwirken aber sah sich nicht durch den Staat um die Rechte der freien Religionsausübung des Art. 14 StGG, Art. 63 StVStG oder Art. 9 EMRK, sondern von der kirchlichen Autorität um die Möglichkeit der Gottesdienstteilnahme gebracht.
Schon 1654 sah die damalige Infektionsordnung vor, dass mit dem Versammlungsverbot im Pandemiefall ein Verbot von Kirchtagsfeiern und Kirchweihfesten einherging. Es sollten Jahrmärkte und Bäderanstalten gemieden werden. Das Zusammenkommen bei Hochzeiten, Taufen und Messen wurde streng reglementiert (Langeder (1996), 107). Ähnliche Regelungen finden sich in den Bestimmungen der österr. Bischofskonferenz (s.o.) wieder. Und letztlich sollte auch ein dunkles und trauriges Kapitel nicht vergessen werden: 1710 lässt sich aufgrund von sanitätsrechtlichen Bestimmungen auch eine Judenvertreibung feststellen (Langeder (1996), 117). 1679 begründete Kaiser Leopold I., dass die Pest in Wien grassierte mit folgender Aussage: „Dieweil kein Zweifel/ daß die leydige Seuch der Pest (…) sowohl als andere Plagen und Straffen daher kommen (…) daß sich kein Mensch von Gott abwend (…)“ (Hiersche (2010), 14f). Dass dies judenfeindlichen Haltungen und Pogromen in die Tasche spielte, bleibt vernunftbedingt ein historisches Relikt.

Impfen oder Zuhausebleiben?

Interessanterweise befasste sich der österr. Episkopat 2020 nicht zum ersten Mal mit dem Thema „Impfung“. In der Diözese Seckau lässt sich für den Zeitraum 1781–1886 immer wieder die Frage einer Impfpflicht für Kleriker und auch für das Gottesvolk nachweisen (DAGS, Ordinariatsakten Seckau, jew. Zeitraum). Für die akute Pandemie sprachen sich österr. Hirten für eine temporäre Impfpflicht als ultima ratio aus. Dass Kranke zuhause bleiben sollen, ist nach wie vor ein wesentliches Credo der Rahmenordnung für die katholischen Gottesdienste. Unter hygienischen Vorsichtsmaßnahmen sollen aber Hausgottesdienste gefeiert und Krankenkommunionen ans Bett gebracht werden.

Der Abstand zwischen Gott und dem Menschen ist physisch inexistent und hat keine Länge.

Unlängst berichtete mir ein aufgebrachter Wiener Seelsorger, dass er trotz dreifacher Impfung eine Krebspatientin im Endstadium ihrer Krankheit im Spital nicht besuchen durfte, weil er keinen gültigen PCR-Test vorzeigen konnte. Zwischenmenschlich ein heikler Fall, bei dem der Frust auf beiden Seiten deutlich zum Vorschein kommt. Einerseits ist die Patientin in absehbarer Zeit mit dem Tod konfrontiert und einsam in ihrem Einzelzimmer, andererseits soll der Seelsorger weder Spitalsbelegschaft noch anderes Pflegepersonal gefährden. Seelsorge ist mit Sicherheit keine Tätigkeit, die ohne Probleme ins Digitale verlegt werden kann. Sie braucht den physischen und zwischenmenschlichen Kontakt an einem Ort des Zusammenkommens. Beispielsweise ist in der Katholischen Kirche nur so das Spenden des Bußsakramentes möglich. Die Frage, ob eine Telefonbeichte gültig wäre, ist bisher nicht eindeutig geklärt (Ohly, HdbkathKR § 79, 1184). Dieses Thema wurde in Zeiten der Coronapandemie wieder aufgeworfen. Auch sollte Seelsorgenden bewusst sein, dass ihre Tätigkeit und der vielfache direkte Kontakt in Pandemiezeiten sie potenziell zu risikobehafteten Krankheitsüberträgern und -trägerinnen werden lässt: Alleine deswegen sollten sie Vorbilder beim Einhalten der Maskenpflicht und der epidemiologischen Schutzmaßnahmen sein. Derzeit erschwert die Pandemie das Vollbringen der Werke der Barmherzigkeit. Fest steht dabei dennoch: Hungernde speisen, Dürstenden zu trinken geben, Nackte bekleiden, Fremde aufnehmen, Kranke pflegen, Gefangene besuchen und Tote begraben (Mt 25,34–46 / Tob 1,17–20) sind keine Dinge, die via Zoom vollbracht werden können. Seelsorge benötigt das Unterschreiten des Abstandes und die Nähe zu den Menschen. Nur dann wird den Gläubigen ersichtlich, dass Gott ihnen sogar noch näher ist als der Mitmensch.

Titelbild: pixabay.com
DOI:
10.25365/phaidra.318

„Aufhören. Aufhören. Schluss jetzt (…)“

Am 25.08.2021 veröffentlichte der ORF auf seinem Instagram-Auftritt die Nachricht, dass der Name „des ,Patriachats von Babylon der Chaldäer‘ in ,Chaldäisches Patriachat‘“ geändert wird. Er verwies dabei auf den dazugehörigen Artikel von orf.religion. Der Instagram-Beitrag verlinkte den Artikel zweifelhaft launig mit dem Hashtag #daslebendesbrian. Scherze über Monti Python’s Life of Brian ließen nicht auf sich warten: Das Chaldäische Patriachat wurde mit der Volksfront von Judäa verglichen. Oder war es doch die judäische Volksfront? Der Titel dieses Beitrags ist ein genauso unpassendes Zitat aus dem genannten Film wie der erste Hashtag des ORF dazu. Lenken wir unseren Blick jedoch nun auf das Wesentliche:

Synode beschließt neuen Namen für Patriarchat und neue Titelformulierung für dessen Patriarchaten

Einstimmig hat die Synode der chaldäischen Bischöfe unter Louis Raphaël I. Kardinal Sako diesen beiden Änderungen im August 2021 zugestimmt. Er selbst wird sich nicht mehr Patriarch von Babylon nennen (Vatican.news).

#wasistdenneinpatriachat

Ein Patriarchat wird wörtlich aus den altgriechischen Wörtern für Vater und Herrschaft gebildet. Es meint seit vorreformatorischer Zeit einen Jurisdiktionsbereich. Patriarchate werden aus Diözesen/Eparchien gebildet. Übergeordneter Diözesanbischof ist dabei der Patriarch, der die Rechts-, Verwaltungs- und Lehrhoheit für sein Patriarchat in sich vereint. Dennoch darf nun nicht der Eindruck entstehen, dass die Kirche aus verschiedenen Stäben oder Abteilungen besteht, die alle gleichrangige Vorsitzende einer Gruppe sind. Hierarchisch bleibt Ihnen der Diener der Diener Gottes vorangestellt. Der Papst ist dabei gemäß c. 331 CIC bzw. 43 CCEO Träger der höchsten, vollen, unmittelbaren, universalen und ordentlichen Gewalt, die er immer frei ausüben kann. Können Sie diese Artikel aufzählen? Für Theologiestudierende stellt diese Frage eine beliebte Prüfungsfrage im Fach Kirchenrecht dar.

#wasunsdennochverbindet

Ausschlaggebend für die Lehre der Zusammengehörigkeit in der Kirche und die Kirchengliedschaft ist die Lehre der tria vincula, also dreier Bänder, die Christinnen und Christen, Kleriker, Laiinnen und Laien im Volk Gottes zusammenbinden: Sie bindet erstens das Band des Glaubensbekenntnisses (vinculum symbolicum), zweitens das Band der Sakramente (vinculum liturgicum) und drittens das Band der kirchlichen Leitung (vinculum hierarchicum), was letztlich den Bischof von Rom meint. Es ist zugleich eine Ausdeutung der Sendung der Kirche, die von Christus in die Welt gesandt wurde. Das prophetische Wirken Christi ist ein munus docendi, was sich im Glaubensbekenntnis zeigt. Das priesterliche Wirken Christi ist ein munus sanctificandi, was sich in den Sakramenten widerspiegelt. Das königliche Wirken Christi ist ein munus regendi, was sich in der kirchlichen Leitung abzeichnet. Der Petrusnachfolger ist zugleich Successor Principis Apostolorum. „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen (…). Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ (Mt 16,18–19 EU).

#kirchebestehtinundausdenteilkirchen

Und wieder einmal lohnt sich ein Blick in die Dogmatische Konstitution der Verfassung der Kirche: Lumen gentium. Im achten Kapitel entfaltet sich die Ekklesiologie, also die Lehre von der Kirche wie folgt: „Der einzige Mittler Christus hat seine heilige Kirche, die Gemeinschaft des Glaubens (…) hier auf Erden als sichtbares Gefüge verfaßt (…). Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei verschiedene Größen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit (…). [So] dient (…) das gesellschaftliche Gefüge der Kirche dem Geist Christi (…).“
Folglich darauf aufbauend kann c. 368 CIC rechtlich bestimmen: Die Kirche setzt sich aus „Teilkirchen [zusammen], in denen und aus denen die eine und einzige katholische Kirche“ besteht. Diese Kirche ist eine communio Ecclesiarum. Nicht nur das. Diese Gemeinschaft ist eine Gesellschaft; eine societas (vgl. LG 8). Sie besteht in den Teilkirchen und sie besteht aus den Teilkirchen. Und zu diesen Teilkirchen gehören unter anderem Patriarchate, Eparchien, Diözesen, Erzdiözesen, Kirchenprovinzen, Militärdiözesen, Personaladministraturen, Territorialabteien und vor allem Pfarren. Das Chaldäische Patriarchat ist somit eine Teilkirche der katholischen Kirche. Ihr teleologischer Zweck findet sich wiederum in Lumen Gentium 8: Sie zu weiden, hat unser Erlöser nach seiner Auferstehung dem Petrus übertragen [und] ihm und den übrigen Aposteln hat er ihre Ausbreitung und Leitung anvertraut “ (Vgl. Joh 20,17; Mt 2818ff und 1 Tim 3,15).
Die chaldäisch-katholische Kirche besteht im Jahr 2013 aus rund 540.000 Gläubigen, wovon die eine Hälfte im Irak, die andere Hälfte in der Diaspora und hier vorrangig in den USA lebt. Sie ist mit Rom uniert und erkennt daher den Papst als Inhaber der Primitialgewalt an. Ihr Oberhaupt ist seit 2013 Luis Raphaël I. Kardinal Sako. Er gehört damit als Patriarch zu den Papstwählern im Falle eines Konklaves. Näheres ist auch im Artikel von orf.religion zu finden.

#hatdiekirchenurdieseprobleme

In Folge der zynischen und launigen Kommentare stellte eine Person die Frage, ob kirchenintern keine wichtigeren Probleme vorhanden wären, als über Titulaturen zu diskutieren. Ein Blick auf vatican.news oder in den bollettino.vaticano können dazu einen guten Überblick geben, was sich „in der Kirche“ tut. Warum diese Benennungen dennoch von Wichtigkeit sind, zeigt folgendes:
2006 verzichtete der damalige Bischof von Rom auf den Titel des „Patriarchen des Abendlandes“. Wem aus Kindheitstagen Aladdins Wunderlampe ein Begriff ist, der hat auch etwas über die Märchen des Morgenlandes erfahren. Wenn im Osten die Sonne aufgeht, geht sie im Westen unter. Infolgedessen wurde Europa als das Abendland bezeichnet. Wer wie ein Wächter auf den Morgen wartet, wird bemerken, dass es im Morgenland zuerst hell wird. Der Titel Patriarch des Abendlandes wurde 642 erstmals von Papst Theodorus I. verwendet.
Auch der gegenwärtige Hl. Vater Franziskus hat bereits symbolisch eine Veränderung bei seinen Titeln herbeigeführt. Im Annuario Pontificio, dem Who’s Who der hierarchisch verfassten Kirche, ließ er eine Kategorie „historische Titel“ des Papstes vermerken, sie aber nicht formell ablegte. Von religionsrechtlicher und damit verbundener völkerrechtlicher Bedeutung ist der Titel Souverän des Vatikanstaates. Er kennzeichnet ihn als wahlmonarchisches Oberhaupt des Kleinstaates. Zu diesem originär staatlichen Völkerrechtssubjekt des Staates der Vatikanstadt tritt das originär nichtstaatliche Völkerrechtssubjekt des Hl. Stuhles hinzu. Von theologischer Bedeutung sind im Unterschied dazu die Worte des neugewählten obersten Brückenbauers nach seiner Wahl: „Und jetzt beginnen wir diesen Weg, Bischof und Volk. Dieser Weg der Kirche Roms, der jener ist, der in der Barmherzigkeit allen Kirchen vorsteht“. Der Papst hat also den Vorsitz in der Liebe. Er mahnt und leitet, er korrigiert und regelt in der brüderlichen Liebe.
In der lateinischen Kirche und ihren 23 unierten Schwesterkirchen finden sich im Laufe der Geschichte mehrere Patriarchate. Von ihnen bestehen das Koptisch-katholisches Patriarchat von Alexandria, das Maronitisches Patriarchat von Antiochien und des ganzen Orients, das Syrisch-katholisches Patriarchat von Antiochia, das Melkitisches Patriarchat von Antiochien, das Armenisch-katholische Patriarchat von Kilikien und eben das Chaldäisches Patriachat. Jedes dieser Patriarchate beruft sich auf eine eigene Geschichte, die aber immer in einer Tradition und Verbindung zur Urkirche und in Verbindung zu Rom steht. Sie alle sind unierte Schwesterkirchen und unterliegen dem CCEO. Historische Erkenntnisse haben gezeigt, dass Babylon als Hauptstadt Mesopotamiens bereits zerstört war, als das Christentum dort eingezogen ist. Folglich wäre eine namentliche Nennung der Stadt im Titel des Patriarchats historisch nicht haltbar. Er ist 1742 in den Namen aufgenommen worden, als der Patriarch zudem im Osmanischen Reich auf dem Gebiet der heutigen Türkei residierte. Kritik erfährt diese Titulaturänderung beispielsweise durch Kritiker und Kritikerinnen, die eine Theorie babylonischen Erbes und einer damit verbunden Verantwortung vertreten.
Die Veränderung des Namens hat also den historischen Anspruch keine namentlichen Irreführungen oder falschen Ansprüche zu stellen. Historische Forschungen und Erkenntnisse sind in diese Entscheidung eingeflossen. Es ist kein aberwitziges Geplänkel zwischen einer Volksfront von Judäa oder einer judäischen Volksfront, die noch dazu selbst in Monti Python’s Film nicht in Babylon im Irak tätig ist. Parallel dazu lohnt es sich, sein historisches Wissen zu vertiefen, warum es bis 1918 „Der deutsche Kaiser“, aber „Der Kaiser von Österreich“ hieß. Titel sind bis heute mit Traditionen, Abstammungen und Ansprüchen verbunden. Tradition und Apostolische Sukzession sind dabei gerade beim Leitungsamt in der Kirche von immanenter Bedeutung. Geschichtsvergessenheit oder historische Unwahrheiten lassen sich mit Theologie und kirchlicher Tradition nicht unter einen Hut bringen.

Der Autor hat den ORF via Instagram gebeten, den eingangs erwähnten Hashtag zu entfernen. Die schriftliche Bitte erhielt weder Lesebestätigung noch Antwort der Redaktion.

#imratderweisen

Wer noch mehr über Patriarchate und Ehrentitel wissen möchte, kann sich über das Patriarchat von Lissabon, von Ostindien, Westindien, das Patriarchat von Aquileia, von Grado, von Venedig, von Antiochien, von Konstantinopel und von Alexandrien informieren.

DOI: 10.25365/phaidra.294

Titelbild: pcdazero/Pixabay

Sind etwa alle Apostel, alle Propheten, alle Lehrer?

Am 10. Mai 2021 errichtete Papst Franziskus für die Römisch-Katholische Kirche dauerhaft den laikalen Dienst der Katecheten und Katechetinnen. Zugleich beauftragt er für den lateinischen Ritus die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung und die Versammlungen der Hierarchen für die katholischen Ostkirchen mit der Ausarbeitung eines liturgischen Formulars zur Beauftragung von Katecheten und Katechetinnen.
Mit dem Bibelvers aus 1 Kor 12,28f spannt der Papst gemeinsam mit den ersten Worten seines motu proprio einen Bogen der Kontinuität. Ein ministerium antiquum, also ein alter Dienst aller Gläubigen, soll in einer liturgischen Zeremonie ausgestaltet werden, um ihm mehr Beständigkeit und Außenwirksamkeit zu verleihen (vgl. c. 774 § 1 CIC.). Dabei ist zuerst zu fragen, was ein Katechet oder eine Katechetin ist, nämlich „Zeuge des Glaubens, Lehrer und Mystagoge zugleich sowie Begleiter und Pädagoge, der im Namen der Kirche unterweist“ (Vgl. Franziskus, MP min. ant. Nr. 6). Damit definiert der kirchliche Gesetzgeber die Aufgaben und das Handlungsfeld des künftig beauftragten Katecheten / der künftig beauftragen Katechetin.

Frauen und Männer sind gleichermaßen zum Dienst als Katecheten und Katechetinnen berufen.

Zusätzlich zu diesem laikalen Dienst kennt die Kirche folgende Beauftragungen, die vom dreistufigen Weiheamt unterschieden sind: Den Dienst als Lektor und als Akolythen; ferner werden Gläubige zu außerordentlichen Kommunionspendern vom Ortsbischof beauftragt, um zumeist Priester in den Gottesdiensten zu unterstützen und Erkrankten die Krankenkommunion zu bringen. Papst Franziskus schafft mit dieser Beauftragung einen Dienst für Männer und Frauen. Erst unlängst hat er eine geschlechterunterscheidende Lücke damit geschlossen, dass er in Canon 230 § 1 CIC das erste Wort, das den Dienst des Akolythen als Dienst von Männern vorgesehen hatte, aufheben hat lassen. Zu Akolythen und Akolythinnen können seitdem Frauen und Männer beauftragt werden. Dieser neue Dienst eröffnet gemäß 1 Kor 12,28 allen fähigen Gläubigen beiderlei Geschlechts von Anfang an den Zugang zum Dienst als Katecheten und Katechetinnen. Ein Anspruch darauf besteht jedoch nicht.

„Solche Ämter […] z. B. das Amt des Katecheten […], sind alle wertvoll für die Einpflanzung, das Leben und Wachsen der Kirche.“

(Paul VI., AS Evangelii nuntiandi, 73.)

Keine Klerikalisierung

Papst Franziskus errichtet ihn ausdrücklich als einen Dienst der Laien. Er möchte damit nicht den Anschein einer Vorstufe zum Weiheamt oder einer verkappten niederen Weihe entstehen lassen. Deswegen mahnt er die ausführenden Bischöfe, „ohne irgendeine Ausdrucksweise der Klerikalisierung“ (Vgl. Franziskus, MP min. ant. Nr. 7.) vorzugehen. Nichtsdestotrotz erscheint es möglich, einen Seminaristen im Zuge seiner Seminarausbildung zum Katecheten zu beauftragen, da er einerseits Laie ist und andererseits im Rahmen seines Ausbildungsweges zum Priester auch rechtmäßig katechetisch wirken kann, wenn er die geforderten Voraussetzungen erfüllt. Er erhält im Laufe seiner Ausbildung ebenso die Beauftragungen zum Lektorat und zum Akolythat. Für Priester oder Diakone stellt sich die Frage dieser Beauftragung nicht. Kraft des Weihesakramentes sind sie zum Dienst als Katecheten berufen (vgl. c. 773 CIC.)

Österreichische Religionslehrerinnen und Religionslehrer erhalten die missio canonica

Österreichische Religionslehrerinnen und Religionslehrer wenden nun zu Recht ein, dass sie nicht nur vom Bischof die Erlaubnis erhalten haben, den Schulunterricht zu erteilen, sondern sogar von ihm dazu in einer Liturgie feierlich beauftragt sind. Das ist rechtens und bleibt davon auch rechtlich unberührt. Die Kirche wertschätzt durch diesen laikalen Dienst der Katechetinnen und Katecheten diesen mitarbeitenden Dienst neben den ureigenen Aufgaben von Diakonen und Priestern. Auch sie müssen eine „gebührende biblische, theologische, pastorale und pädagogische Ausbildung erhalten […] und sollen bereits […] Erfahrung in der Katechese haben (Franziskus, MP min. ant. Nr. 8).“ Diese erlangen sie etwa durch das Studium der Fachtheologie oder der Religionspädagogik an einer theologischen Fakultät oder einer kirchlichen Hochschule. Sie werden anschließend nach ihrer pastoralen und fachspezifischen Zusatzausbildung und einer begleiteten Praxiserfahrung mit der missio canonica ausgestattet. Darin ist das Wort Sendung enthalten, was auch Auftrag und Aussendung meint. Sie wird im Rahmen eines Gottesdienstes übermittelt und erlangt somit Rechtskraft. Mit der missio canoncia Ausgestattete werden zugleich also ausgesandt. Die Rahmenordnung für den Schulunterricht sieht diese missio canonica für den Beginn der ordentlichen und rechtmäßigen Lehrtätigkeit des Lehrenden an Schulen vor. Ministerium antiquum umfasst aber nicht nur den Dienst der Katechese im Religionsunterricht, sondern bringt weitere Orte der katechetischen Vermittlung vor den Vorhang. Glaubenserfahrung und Katechese werden in Gemeinschaft vermittelt, was meint, dass auch Pfarrgemeinden, pfarrliche Treffen oder andere Zusammenkünfte kategorialer Seelsorge darunter zu subsumieren sind. Überall dort wo sich in Gemeinschaft die Möglichkeit bietet katechetisch zu wirken, eröffnet sich ein Tätigkeitsfeld dieser beauftragten Katechetinnen und Katecheten.

Dr. Birgit S. Moser-Zoundjiekpon, ist Leiterin der Abteilung Recht des Erzbischöflichen Amtes für Schule und Bildung der Erzdiözese Wien

Die missio canonica richtet sich nach den kirchenrechtlichen Bestimmungen des c. 805 CIC: „Der Ortsordinarius hat für seine Diözese das Recht, die Religionslehrer zu ernennen bzw. zu approbieren und sie, wenn es aus religiösen oder sittlichen Gründen erforderlich ist, abzuberufen bzw. ihre Abberufung zu fordern.“ Sie beinhaltet einerseits das Unbedenklichkeitsvotum der kirchlichen Instanz und andererseits das Versprechen der beauftragten Person Lehre und persönliche Lebensführung mit Vorbildwirkung mit der Kirche in Einklang zu bringen. Sie kann seitens der kirchlichen Instanz auch wieder entzogen werden. Pastorale Mitarbeiter, die ein seelsorgliches Amt bekleiden, erhalten Ihre missio canonica gemäß den Bestimmungen von c. 145 CIC i. V. m. 228 § 1 CIC.

In Österreich sind rund 6.800 Personen als Lehrerinnen und Lehrer für den katholischen Religionsunterricht an Schulen mit der missio canonica ausgestattet. Sie alle sind bereits Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Bischofs, der der erste Katechet seiner Diözese ist und gemeinsam mit dem Presbyterium die pastorale Sorge um die Bildung und Seelsorge der Gläubigen trägt. Katechetinnen und Katechetin sind durch ihren Dienst aber weiterhin von den Seelsorgern unterschieden. Sie sind folglich des motu proprios Glaubenszeugen, Lehrer und einführende Mystagogen, die unterweisen (vgl. Franziskus, MP min. ant. Nr. 5). Sie alle, die den Bischof dabei unterstützen, sind diese Lehrerinnen und Lehrer, die der Papst und damit die Kirche nun ritualisiert durch die Beauftragung zum Katecheten und Katechetinnen wertschätzt.

DOI: 10.25365/phaidra.273