Zur Finanzierung der Kirche und staatlich anerkannter Religionsgemeinschaften in Kroatien

Von Andrian Pfeiffer.

Die Finanzierung der Katholischen Kirche

Artikel 41 der Verfassung der Republik Kroatien erklärt die Gleichheit aller Religionsgemeinschaften vor dem Staat und die Trennung des Staates von den Religionsgemeinschaften. Die öffentliche Ausübung der Religion und der Schutz für von Religionsgemeinschaften gegründete und verwaltete Bildungshäuser und sozial-karitative Einrichtungen, wird garantiert.

In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat die Regierung der Republik Kroatien mit dem Heiligen Stuhl vier große Abkommen geschlossen und hierbei auch nachhaltig die Finanzierung der katholischen Kirche im eigenen Land geregelt. Der Hinweis auf die Tatsache, dass diese Abkommen vor dem Hintergrund geschlossen wurden, dass sich die Mehrheit der Kroaten als katholisch bekennen, fehlt auch in den Abkommen nicht und kann wohl, auch als Argument herangezogen werden, um der Kritik an der Schließung eines Staatsvertrages zwischen einem nach Selbstbekunden religiös neutralen Staat und einem Subjekt des Völkerrechtes, das die Anliegen einer einzelnen Religion vertritt, zu begegnen. Von besonderer Bedeutung sind hierbei selbstverständlich die wirtschaftlichen Fragen, die im Jahr 1998 umfassend zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Kroatien geregelt wurden, nachdem Einzelfragen finanzieller Natur schon zuvor rechtlich fixiert worden waren.

Nach Abschluss der Verträge lässt sich die Finanzierung der Katholischen Kirche in Kroatien auf drei Quellen zurückführen. Den höchsten Anteil bilden hierbei die staatlichen Zuschüsse.

Außer diesen gewährt der Staat der Kirche in Artikel 1 der Vereinbarung über wirtschaftliche Angelegenheiten das Recht, von ihren Gläubigen Spenden zu erhalten und auch andere Formen traditioneller Beiträge anzunehmen. Hierbei ist ein großer Faktor wohl die Kollekte zur Messfeier.

Die staatlichen Zuschüsse sind in den verschiedenen Verträgen in unterschiedlichem Umfang geregelt. Das Personal des Militärordinariates wird materiell von Verteidigungs- und Innenministerium unterstützt, die die materiellen Voraussetzungen liefern, derer das Militärordinartiat zur Funktionstüchtigkeit benötigt. Sie stellen außerdem einen angemessenen Dienstsitz und Gottesdiensträume zur Verfügung. Der Dienstsitz des Ordinariates wurde im Jahr 2003 in Zagreb eingeweiht.

Darüber hinaus wurde vereinbart, dass die wirtschaftlichen Zuschüsse, die die Republik Kroatien den sozial-karitativen Einrichtungen der katholischen Kirche gewährt in gegenseitigem Einvernehmen der zuständigen Behörden festgesetzt werden.

Die Kirche nutzt außerdem für den eigenen Religionsunterricht die Räumlichkeiten und pädagogischen Hilfsmittel der Schulen und Universitäten. Druck und Redaktion der Schulbücher für den konfessionellen Religionsunterricht zahlt der kroatische Staat, den Inhalt legt die Bischofskonferenz fest. Die Kosten für das Lehrpersonal, die Erzieher und übrigen Angestellten an kirchlichen Instituten für die Ausbildung von Religionslehrern und anderen pastoralen Mitarbeitern trägt die Republik Kroatien. Die katholisch-theologische Fakultät der Universität Zagreb und jenen in Dakovo und Split, auch die philosophische Fakultät der Jesuiten in Zagreb und die 2006 gegründete päpstliche Universität in Zagreb werden finanziell durch den Staat getragen oder unterstützt. Auch wenn die Katholische Universität in Zagreb erst 2006 gegründet wurde und darum im Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Bildung und Kultur von 1996 nicht aufscheinen kann, ist dort in Artikel 10, 3. die Möglichkeit zur Neugründung katholischer Universitäten und Hochschulen durch die kirchlichen Behörden geregelt, die dann nach Vereinbarung mit den zuständigen staatlichen Behörden angemessene wirtschaftliche Unterstützung erfahren.

Eine Rückgabe der im Kommunismus enteigneten Güter der Kirche nach Möglichkeit wurde vereinbart. Bei Unmöglichkeit der Rückgabe wird für Ersatz gesorgt oder ein finanzieller Ausgleich geleistet. Die Rückgabe ergibt sich bereits aus dem Gesetz zur Entschädigung von verstaatlichtem Vermögen, das in der Zeit der jugoslawischen kommunistischen Herrschaft enteignet wurde und, im Oktober 1996 verabschiedet, im Januar 1997 in Kraft trat.

In Anerkennung des Wertes des gesellschaftlichen Nutzens, den die Kirche im Dienst der Bürger auf vielerlei Weise leistet, zahlt der kroatische Staat eine monatliche Summe an die Bischofskonferenz, die der Höhe von zwei durchschnittlichen Bruttogehältern pro real existierender Pfarrei in Kroatien entspricht.

Mit diesem Geld soll der Unterhalt des Klerus und der Bau und die Instandhaltung von Kirchen und pastoralen Zentren bezuschusst werden und ein Beitrag für die karitative Tätigkeit der Kirche geleistet sein. Finanzielle Unterstützung für Einzelprojekte wird von staatlichen Behörden außerdem jährlich auf Vorschlag eines Diözesanbischofs gewährt. In der Städteplanung werden geeignete Standorte für den Kirchenbau und für Gebäude mit pastoralem Nutzen auf Vorschlag des Diözesanbischofs eingerechnet. Nach Möglichkeiten der zuständigen Stellen werden Bau und Renovierung dieser Gebäude finanziell unterstützt.

Die vom kroatischen Staat an die katholische Kirche geleisteten wirtschaftlichen Unterstützungen müssen vor dem Hintergrund gelesen werden, dass sich heute ca. 86 Prozent (Volkszählung von 2011)[1] der Kroaten als Katholiken verstehen. Durch die Zahlungen an die Kirche werden zum einen die vielen karitativen, kulturellen und bildungsfördernden Einrichtungen, die allen Menschen unabhängig von deren Religion oder Weltanschauung zur Verfügung stehen, gefördert. Andererseits wird auch die religiöse Grundversorgung des größten Teils der Bevölkerung durch den kroatischen Staat sichergestellt.

Die Finanzierung kleinerer Religionsgemeinschaften

Die Verträge mit anderen Religionsgemeinschaften können nicht den Status eines Staatsvertrages haben, der nach Art. 141 der kroatischen Verfassung, wonach internationale Verträge als Teil der Rechtsordnung der Kroatischen Republik angesehen werden, in seiner Rechtskraft über dem Gesetz steht. Es ist aber notwendig zu erwähnen, dass seit Ratifizierung der Verträge mit dem Heiligen Stuhl auch Vereinbarungen mit der Serbisch-Orthodoxen Kirche, mit anderen christlichen Konfessionen und einer Gemeinschaft islamischen Bekenntnisses geschlossen wurden, die sich im Wesentlichen an den Verträgen mit der katholischen Kirche orientieren.

Im Allgemeinen ist der Umgang des Staates mit den Religionsgemeinschaften im Gesetz über die rechtliche Stellung von Religionsgemeinschaften aus dem Jahr 2002 geregelt. Art. 17. GRG erlaubt den registrierten Religionsgemeinschaften Einkünfte aus vorhandenem Vermögen zu erwerben und Spenden anzunehmen. Staatliche Mittel oder Förderbeträge durch politische Gemeinden werden je nach Bedarf und auf begründeten Antrag, für den Erhalt von Gebäuden mit einem Wert für die Allgemeinheit und eben solcher Tätigkeit der religiösen Institutionen jährlich neu berechnet und vergeben.

Quellenlinks

Pintaric Tomislav, Die Religionsfreiheit in Kroatien, https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/0030-6444-2018-3-406.pdf (Stand: 26.06.24).

Vertrag zwischen dem Hl. Stuhl und der Republik Kroatien bezüglich der Seelsorge für Katholiken in den militärischen Streitkräften und in der Polizei der Republik Kroatien (19. Dezember 1996): https://www.vatican.va/roman_curia/secretariat_state/archivio/documents/rc_seg-st_19961219_s-sede-croazia-religioso_it.html (Stand: 26.06.2024).

Vertrag zwischen dem Hl. Stuhl und der Republik Kroatien bezüglich juristischer Fragen (19. Dezember 1996): https://www.vatican.va/roman_curia/secretariat_state/archivio/documents/rc_seg-st_19961219_s-sede-croazia-giuridico_it.html (Stand: 26.06.2024).

Vertrag zwischen dem Hl. Stuhl und der Republik Kroatien bezüglich der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Erziehung, der Bildung und der Kultur (19. Dezember 1996): https://www.vatican.va/roman_curia/secretariat_state/archivio/documents/rc_seg-st_19961219_s-sede-croazia-educativo_it.html (Stand: 26.06.2024).

Vertrag zwischen dem Hl. Stuhl und der Republik Kroatien bezüglich wirtschaftlicher Fragen (9. Oktober 1998): https://www.vatican.va/roman_curia/secretariat_state/1998/documents/rc_seg-st_19981009_croazia-economico_it.html (Stand: 26.06.2024).


[1] Pintaric Tomislav, Die Religionsfreiheit in Kroatien, OER 3/2018, DOI: 10.5771/0030-6444-2018-3-406.

Religiöse Konversion in Österreich als Asylgrund. Zum Urteil EuGH, 29. Februar 2024, C-222/22 (Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen gegen JF)

Von Andreas KowatschORCID logo

DOI: 10.25365/phaidra.462

1. Zum Gang des Verfahrens

Am 29. Februar 2024 beantwortete der EuGH durch ein Urteil in einem Vorabentscheidungsverfahren eine Frage, die im Rahmen eines Asylrechtsstreites in Österreich durch den VwGH als oberstes Verwaltungsgericht an den Gerichtshof herangetragen worden war. Konkret ging es um die Frage, wie § 3 Abs. 3 des österreichischen AsylG 2005 im Licht der unionsrechtlichen Vorgaben (Art. 5 Abs. 3 RL 2011/951) richtig zu interpretieren und zu vollziehen ist. Während diese Entscheidungen im konkreten Verfahren durch den VwGH noch ausstehen, war es Aufgabe des EuGH, über die korrekte Auslegung der unionsrechtlichen Bestimmung zu urteilen.

JF, ein iranischer Staatsbürger, hatte 2015 beim Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen (BFA), der für die Entscheidung über Asylanträge zuständigen österreichischen Behörde, einen Antrag auf „internationalen Schutz“ gestellt. Er sei im Iran als Fahrschullehrer vom iranischen Geheimdienst befragt und auch bereits als Student verfolgt worden, weil er einen islamischen Prediger kritisiert hätte. 2017 wurde dieser Antrag rechtskräftig abgewiesen und die Rückkehr in den Iran angeordnet. 2019 stellte JF einen „Folgeantrag“. Er sei zwischenzeitlich zum Christentum konvertiert und würde daher im Falle einer Rückkehr in den Iran wegen seiner Religion verfolgt werden. Das BFA wies auch diesen Antrag ab, stellte aber fest, dass die Konversion zum Christentum aufgrund einer inneren Überzeugung erfolgt sei. Da die Verfolgung aufgrund der Religion im Iran zu befürchten sei, wurde JF daher zwar nicht als Flüchtling anerkannt, ihm jedoch der Status eines „subsidiär Schutzberechtigten“ verliehen. Da dieser Status im Vergleich zur Rechtsstellung von Flüchtlingen weniger umfassende Rechte verbürgt, erhob JF Beschwerde vor dem BVwG. Dieses entschied 2020 zu seinen Gunsten. Das Urteil wurde jedoch durch das BFA mittels ordentlicher Amtsrevision vor dem VwGH angefochten. Dieser setzte das Verfahren aus und ersuchte den EuGH um die Durchführung des Vorlageverfahrens.

2. Der asylrechtliche Rahmen der Entscheidung

Das österreichische Asylrecht ist inhaltlich geprägt durch völkerrechtliche Verträge und Rechtsakte der Europäischen Union. Völkerrechtlich bildet nach wie vor das allgemein als „Genfer Flüchtlings-Konvention“ bekannte „Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ (GFK) aus dem Jahr 1951 samt der Zusatzprotokolle die Grundlage für die Gewährung „internationalen Schutzes“ vor Verfolgung im Herkunftsland. Als Flüchtling im Sinn von Art. 1 A2 GFK gilt, „wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.“

Die hier angesprochenen „Fluchtgründe“ sind ein Ausdruck dafür, dass in diesem Teilgebiet des Fremdenrechts mehr als in vielen anderen Rechtsgebieten unmittelbar jene Grundrechte, die für die menschliche Existenz von fundamentaler Wichtigkeit sind und in welche daher entweder gar nicht oder nur im Rahmen sehr enger rechtlicher Schranken staatlich eingegriffen werden darf, im Fokus stehen. Es liegt nahe, dass das Recht auf Leben und das (ausnahmslose) Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung besondere asylrechtliche Relevanz haben. Neben diesen fundamentalen Rechten sind aber auch das Menschenrecht auf Privat- und Familienleben gem. Art. 8 EMRK und auch das Recht auf religiöse Freiheit gem. Art. 9 EMRK von besonderer Bedeutung.

Richtlinien der EU, so Art. 288 AEUV, sind für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Die Wahl der Form und der Mittel für die Umsetzung bleibt jedoch den innerstaatlichen Stellen überlassen. Für die Frage der Zuerkennung internationalen Schutzes als anerkannter Flüchtling bzw., sollte dieses Begehren scheitern und dennoch die Gefahr der Verfolgung im Herkunftsland bestehen, für die Entscheidung über die Gewährung „subsidiären Schutzes“, zentral ist die sog. „Status-Richtlinie“2. Ihre Umsetzung ins österreichische Recht erfolgte hauptsächlich durch Novellierungen des AsylG 2005, wobei in der Richtlinie nicht alle Details, sondern lediglich Mindeststandards normiert sind.

Jeder Antrag auf internationalen Schutz muss individuell geprüft werden. Um die Gefahr einer Verfolgung einschätzen zu können, ist die individuelle Situation des Antragstellers zu eruieren. Die individuelle Situation kann aber nicht losgelöst von der objektiven politischen und gesellschaftlichen Situation im Heimatland beurteilt werden.

Wenn das Asylverfahren nicht missbraucht wird, um aus anderen (vor allem rein wirtschaftlichen) Gründen ein Bleiberecht in Österreich zu erlangen, haben Asylwerber bereits in ihrem Herkunftsland Unrecht, Verfolgung bzw. erniedrigende Behandlungen erfahren müssen. So ist Flucht wegen einer Verfolgung aus religiösen Gründen kein seltenes Ausnahmephänomen, sondern der bedrückende Alltag von Menschen in sehr unterschiedlichen Staaten. Verfolgung aufgrund der Religion trifft Anhänger aller Religionen. Weltweit betrachtet, überragt die Zahl der verfolgten Christen jedoch alle anderen Religionen um ein trauriges Vielfaches.3

Die (begründete) Furcht vor Verfolgung kann aber auch erst nach dem Verlassen des Heimatlandes entstehen. So kann sich während eines Auslandsstudienjahres die politische Situation zu Hause so verändern, dass eine Heimkehr nicht mehr ohne Gefahr möglich ist. In diesem Fall spricht man von einem „objektiven“ Nachfluchtgrund, der ohne ein spezielles Zutun des Antragstellers auf Asyl entstanden sein muss. Davon zu unterscheiden sind die für den weiteren Gedankengang wichtigen „subjektiven“ Nachfluchtgründe (vgl. zu beidem § 3 Abs. 2 AsylG 2005). Die Gefahr, im Herkunftsland verfolgt zu werden, hat hier ihre Ursache im Verhalten des Antragstellers. Unabhängig von der Frage des Motivs wird der Fluchtgrund in Österreich durch den Asylsuchenden selbst hergestellt. Subjektive Nachfluchtgründe können Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sein. Sie können aber auch ohne Kontinuität zu einer schon bestehenden Gesinnung neu entstehen.

Die GFK unterscheidet nicht zwischen Fluchtgründen im Herkunftsstaat und „sur place“ ausgelösten Gründen. Entscheidend ist nur die Frage, wie glaubhaft bzw. wahrscheinlich die Verfolgung im Fall der (u. U. erzwungenen) Rückkehr ist. Damit betont die GFK sehr stark das subjektive Schutzbedürfnis potenziell verfolgter Menschen. Der Staat ist daran gebunden, muss aber zugleich verhindern, dass das Asylrecht missbraucht wird, indem Fluchtgründe bewusst geschaffen werden, um in den Genuss der Rechte zu kommen, die nur anerkannte Flüchtlinge genießen. Dieser Schutz vor Missbrauch ist essenziell für die Verfolgten selbst, da das asylrechtliche System politisch von der Akzeptanz der Gesamtbevölkerung abhängt, die zu kippen droht, wenn politisch oder faktisch die rechtlich vorgesehene Unterscheidung von Flüchtlingen, subsidiär Schutzberechtigten und sonstigen Migranten verwischt wird.

§ 3 Abs. 2 AslyG 2005 normiert, dass die Verfolgung (im Herkunftsland) auch auf Aktivitäten des Fremden beruhen kann, „die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.“

Durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ ergibt sich bereits eine gewisse Einschränkung. Eine besondere Einschränkung enthält diese Norm aber für subjektive Nachfluchtgründe, die erst in einem „Folgeantrag“4 geltend gemacht werden. Ein Folgeantrag ist ein neuerlicher Asylantrag, der gestellt wird, nachdem bereits ein Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen worden ist. Das Vorbringen neuer Gründe ist in bestimmten Grenzen möglich, da über diese noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Es liegt hier aber auf der Hand, dass Folgeanträge besonders missbrauchsanfällig sind und eine Verzögerungstaktik für den Vollzug einer Ausweisungsentscheidung sein können. Ganz besonders gilt dies für den Fall, dass nach dem abgelehnten ersten Verfahren der Antragsteller selbst den Fluchtgrund schafft, auf den er sich dann im Folgeantrag beruft. § 3 Abs. 2 AsylG 2005 normiert daher: „Einem Fremden, der einen Folgeantrag … stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.“

Diese Bestimmung des AsylG erging in Umsetzung von Art. 5 Abs. 2 und 3 der Status-RL, deren Wortlaut für das gegenständliche Verfahren ausschlaggebend ist.5 Vergleicht man die Texte, so erkennt man, dass die Formulierung im österreichischen AsylG enger ist.

3. Konversion als Asylgrund?

Die Religionsfreiheit schützt nicht nur die Ausübung der Religion im Rahmen der verfassungsrechtlich zulässigen Grenzen, sondern auch die Freiheit, die eigene Religion zu wechseln. Das Recht auf Apostasie (Glaubensabfall) – ohne oder mit einer einhergehenden Zuwendung zu einer anderen Religion oder Weltanschauung – steht im Zentrum des staatsgerichteten Grundrechts auf Religionsfreiheit.

Ob die Hinwendung zu einer neuen Religion bzw. die damit oftmals verbundene Abwendung von der ursprünglichen Religion, eine taugliche Grundlage für die Zuerkennung internationalen Schutzes als Flüchtling ist, hängt wie bei allen anderen Asylgründen vom individuellen Fall ab. Im Normalfall muss die Konversion in Österreich mit dem inneren Entschluss verbunden sein, die neue Religion im Herkunftsland auch ausüben zu wollen. Die Entscheidung darüber wirft aber schwierige Fragen der Kompetenz des Staates auf. Wie weit dürfen, können oder müssen staatliche Behörden die persönliche Ernsthaftigkeit des Religionsbekenntnisses beurteilen? Auch erfolgen im Rahmen der Konversion zwar einige feststehende Schritte (z. B. der Empfang der Taufe), zugleich ist die Konversion religionspsychologisch aber schwer an einem bestimmten Punkt festzumachen. Eine staatliche Beurteilung dieser Frage bewegt sich an der Grenze der weltanschaulich-religiösen Neutralität des säkularen Staates.6 Schließlich können auch weniger ernsthafte „Konversionen“ und selbst bloße Scheinkonversionen Auslöser für Verfolgung sein, wenn etwa das Foto eines Taufscheins in den sozialen Medien verbreitet wurde.

4. Zum Urteil des EuGH

Der EuGH musste die Frage klären, ob Art. 5 Abs. 2 und 3 der Status-RL7 so zu verstehen ist, dass einem Folgeantrag wegen subjektiver Nachfluchtgründe nur stattgegeben werden darf, wenn die vom Antragsteller nach seiner Flucht ausgeübten Aktivitäten in diesem Mitgliedstaat zulässig sowie nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung sind.

Die Konversion zu einer neuen Religion ist in Österreich wie in allen anderen Mitgliedstaaten der EU zweifellos eine zulässige Handlung. Die Religionsfreiheit gilt als Menschenrecht für jedermann und unterliegt keinen Einschränkungen für Drittstaatsangehörige. Die Hinwendung zur neuen Religion kann die Fortsetzung eines Prozesses sein, der bereits im Heimatland begonnen hat. So kann jemand bereits zu Hause mit dem Christentum bzw. der Kirche in Kontakt gekommen sein, etwa in Form der Entwicklungshilfe im Rahmen christlicher Mission und Caritas. Erst in Österreich erfolgte dann aber eine Intensivierung des Kontakts und eine persönliche religiöse Neuorientierung. Das Konversionsgeschehen kann aber auch erst in Österreich ausgelöst worden sein, etwa, weil ein Fremder in einer kirchlichen Gemeinde soziale Kontakte gefunden hat. Eine Ungleichbehandlung der einen und der anderen Konversion wirft erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken im Blick auf die in Österreich in Art. 63 Abs. 2 StV St. Germain und Art. 9 EMRK jedermann garantierte Religionsfreiheit auf. Da zudem eine Umsetzung von Unionsrecht vorliegt, ist auch Art. 10 GRC zu beachten.

Auch wenn man den Blick auf die Religionsfreiheit außer Acht lässt, musste der EuGH prüfen, ob die entsprechende Norm in der Status-RL so ausgelegt werden muss, dass ein Staat einem Fremden „die Anerkennung als Flüchtling nur verweigern darf, wenn feststeht, dass dieser Antrag eindeutig auf einer Verfolgungsgefahr beruht, die der Antragsteller nach der bestandskräftigen Entscheidung über seinen früheren Antrag vorsätzlich durch unredliche Aktivitäten, Handlungen oder Verhaltensweisen allein deshalb herbeigeführt hat, um die für seine Anerkennung als Flüchtling erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen.“8

Art. 5 Abs. 3 der Status-RL, an dem § 3 Abs. 3 AsylG zu messen ist, sieht vor, dass die dort genannten Einschränkungen von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden können. Es handelt sich demnach nicht um eine Verpflichtung (EuGH, Nr. 26). Die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft soll auch nicht automatisch in jedem Fall, sondern nur „in der Regel“ erfolgen (EuGH, ebd.). Soweit der Nachfluchtgrund „nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung“ ist, ist ein Missbrauch prima facie weniger wahrscheinlich. Eine generelle Tatbestandsvoraussetzung ist diese Kontinuität jedoch nicht, da Abs. 2 nicht nur von einer Möglichkeit der Umsetzung spricht, sondern diese Anknüpfung durch die Wendung „insbesondere“ relativiert.

Die Status-RL steht im Kontext des internationalen Asylrechts, dessen zentrale Normierung die GFK darstellt. Alle Mitgliedstaaten haben die GFK ratifiziert. Daher kann die RL auch nur im Licht der GFK ausgelegt werden (EuGH, Nr. 27). Der EuGH weist darauf hin, dass Art. 5 Abs. 3 Status-RL keinen Automatismus legitimiert. Die staatliche Pflicht, jeden Fall individuell zu prüfen bleibt unberührt (EuGH, Nr. 34). Auch wird keine rechtliche Vermutung aufgestellt, „wonach jeder Folgeantrag, der auf Umständen beruht, die der Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslands selbst geschaffen hat, a priori auf eine Missbrauchsabsicht und die Absicht zurückzuführen ist, das Verfahren für die Zuerkennung internationalen Schutzes zu instrumentalisieren“ (EuGH, Nr. 36).

Im Ergebnis kommt der EuGH zum Urteil, dass Art. 5 Abs. 3 der Status-RL einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund eines Folgeantrags, der auf eine Verfolgungsgefahr gestützt wird, die auf Umständen beruht, die der Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslands selbst geschaffen hat, von der Voraussetzung abhängig macht, dass diese Umstände Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung des Antragstellers sind.

Sollten die staatlichen Organe nach einem individuellen Verfahren feststellen, dass die Umstände, die die Verfolgungsgefahr begründen, gesetzt wurden, um das Asylverfahren zu missbrauchen, dann ermöglicht die Status-RL die Verweigerung der Flüchtlingseigenschaft auch dann, wenn im Heimatland tatsächlich die Gefahr der Verfolgung besteht. Schutzlos ist der Fremde indes dennoch nicht, da aufgrund der Wortfolge „unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention“ eine Zurückweisung ins Herkunftsland dennoch verboten sein kann. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der EuGH den unionsrechtlichen vom völkerrechtlichen Flüchtlingsstatus unterscheidet, sodass ein Fremder Flüchtling im Sinn der GFK sein kann, ohne dass er immer auch zugleich Flüchtling im Sinn des Unionsrechts und seiner nationalen Umsetzungen sein müsste (EuGH, Nr. 40f.).

Durch dieses Urteil ist die Rechtslage für konvertierte Flüchtlinge entscheidend verbessert, da Konversionen, die erst in Österreich ausgelöst und existentiell vollzogen wurden, nicht mehr unter dem Generalverdacht der missbräuchlichen Erschleichung der Flüchtlingseigenschaft durch einen Folgeantrag stehen

Für das gegenständliche Verfahren ausschlaggebend war die Feststellung, dass die Konversion des Iraners JF auf einer inneren Überzeugung beruht, welche durch das BFA auch festgestellt wurde. Damit freilich ist für zukünftige Verfahren die Frage verbunden, ob die Feststellung der Ernsthaftigkeit durch die staatliche Behörde nicht als technischer Fehler im Verfahren erscheinen kann, bei dessen Vermeidung eine Ablehnung der Flüchtlingseigenschaft auch vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils bestandsfest bleibt. Damit ist aber letztlich nur ein weiteres Mal die Frage aufgerissen, nach welchen Kriterien Organe des weltanschaulich-religiös neutralen Staates die Ernsthaftigkeit eines religiösen Bekenntnisses beurteilen sollen.

Anmerkungen

1 Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung). Verbreitet sind auch die Kurzbezeichnungen „Anerkennungs-RL“ bzw. „Qualifikations-RL“.

2 Siehe vorige FN.

3 Vgl. u. a. die Länderberichte zu Christenverfolgungen und den „Weltverfolgungsindex“, URL: https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex.

4 Vgl. Art. 2 lit. q RL 2013/32/EU bzw. § 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005.

5 Abs. 2: „Die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, kann auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen des Herkunftslandes beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind.“
Abs. 3: „Unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention können die Mitgliedstaaten festlegen, dass ein Antragsteller, der einen Folgeantrag stellt, in der Regel nicht als Flüchtling anerkannt wird, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslandes selbst geschaffen hat.“

6 Die prinzipielle Kompetenz des Staates, asylrechtliche Fragen zu entscheiden, kann nicht mit dem Hinweis, es handle sich um eine „innere Angelegenheit“ der Kirchen und Religionsgesellschaften i. S. v. Art. 15 StGG infrage gestellt werden. Für die Beurteilung der Konversion durch staatliche Organe ist jedoch die Aussage von mit dem Fall vertrauten offiziellen Vertretern der jeweiligen Religionsgesellschaft von besonderer Bedeutung. Vgl. dazu meinen ausführlichen Beitrag: „Gerichtliche Überprüfung von Konversion als religionsrechtliche Herausforderung für den säkularen Staat“, in: Österreichisches Archiv für Recht und Religion 69 (2022), 1–48.

7 Siehe FN 5.

8 So Generalanwalt de la Tour im Schlussantrag vom 15. Juni 2023 (Nr. 4).

Meinungsfreiheit und Koranverbrennungen: Audiokommentare von Andreas Kowatsch

Meinungsfreiheit

In seinem ersten Audiokommentar untersucht Andreas Kowatsch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit im Kontext der Demokratie. Die Gewährleistung dieses Rechts, ebenso wie anderer Grundrechte, ist nicht absolut. Insbesondere im Hinblick auf Verhetzung und Hassrede werden die Grenzen dieser Freiheit näher beleuchtet.

„Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gehört wohl zu den Kostbarkeiten einer freiheitlich-demokratischen Verfassungsordnung.“

—Andreas Kowatsch

Koranverbrennungen

In seinem zweiten Audiokommentar analysiert Andreas Kowatsch die jüngsten Vorfälle von Koranverbrennungen und die daraufhin erfolgten Reaktionen in Medien, Politik und der allgemeinen Öffentlichkeit. Dabei stellt er die hypothetische Frage, ob ähnliche Verbrennungen der Bibel vergleichbare Reaktionen hervorgerufen hätten.


Titelbild: Daniel Tibi

Der Wiener Religionsrat: Strukturierter Dialog im Sinne von Art. 17 AEUV

Rathaus Wien (Foto: Daniel Tibi)

Von Florian Pichler. ORCID logo

Vor wenigen Monaten informierten der ORF und weitere Medien darüber, dass in Wien ein Religionsrat gegründet wurde. Mit einem „Austausch auf Augenhöhe“ initiierte der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig ein regelmäßiges Zusammentreten der Vertreter:innen der „Religionsgruppen“. Darunter sind Vertreter:innen gesetzlich anerkannter, eingetragener Bekenntnisgemeinschaften und weiterer religiöser Vereinigungen zu finden.1

„Die aktuellen Konflikte beobachte Wiens Bürgermeister […] wie viele Teile der Wiener Bevölkerung mit großer Sorge. ‚Kriege können nie eine nachhaltige Lösung sein‘, sagte Ludwig. Auch Terror würde nur versuchen, die Friedensordnung zu destabilisieren. […] Wir ,wollen in Wien mit positivem Beispiel vorangehen und ein friedliches Miteinander erhalten‘, so der Bürgermeister“.2

Ausgangslage dafür waren Häufungen von Extremismus und Terrorwarnungen, die einer radikalisierten religiösen Gesinnung nahestanden. Der Terror geht nicht nur von religiös motivierten Täter:innen aus, sondern richtet sich auch gegen religiöse Gebäude und Institutionen anderer Religionen. Gerade um das Weihnachtsfest 2023 häufen sich diese Terrorwarnungen.3 Aufgabe der leitenden Vertreter:innen der jeweiligen Religionsgemeinschaft (iSv Art 9 EMRK) ist es, dazu in den Dialog zu treten, um Gefahren zu erkennen und sich in der pluralistischen Gesellschaft miteinander vertraut zu machen, um Vorurteile abzubauen und den gegenseitigen Respekt zu stärken. Dabei unterstützt sie der religiös neutrale Staat.4 Unionsrechtlich bildet Art 17 AEUV das Fundament für diesen „strukturierten Dialog“:

Art 17 (1) AEUV: Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht.
(2) […]
(3) Die Union pflegt mit diesen Kirchen und Gemeinschaften in Anerkennung ihrer Identität und ihres besonderen Beitrags einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog. 5

Kein religiöses Stadtparlament – kein religionsübergreifendes internes Recht

Der Religionsrat ist jedoch kein Rat mit legislativer Entscheidungskompetenz. Weder staatliche Vertreter:innen noch religiöse Vertreter:innen fassen gemeinsam bindende Beschlüsse. Der Religionsrat ist kein religiöses Parlament oder Gremium mit Entscheidungsbefugnis. Der Staat bindet damit weder die einzelnen Religionsgemeinschaften, noch binden Entschlüsse die einzelnen Religionsgemeinschaften. Ein religionsübergreifendes inneres Recht existiert ebenso wenig. Jede Religionsgemeinschaft erledigt ihre inneren Angelegenheiten gem Art 15 StGG und Art 9 EMRK autonom.

Kurze Geschichte der religiösen Toleranz

Der Dialog wird nicht nur auf Unionsebene, sondern auch in Österreich seit langem gepflegt. Bürgermeister Ludwigs Religionsrat ist damit in die Kontinuität des strukturierten Dialogs einzubetten.

In der Geschichte, als der religiös neutrale Staat noch keine solchen strukturierten Dialoge kannte, war das Verhältnis von Staat und Kirche vom Cäsaropapismus oder Papocäsarismus geprägt.

Wenn sich die religiöse Institution dem Staat unterordnet, spricht man vom Cäsaropapismus und einer Staatskirche. Wenn sich die staatliche Macht der religiösen Autorität unterordnet, spricht man vom Papocäsarismus und dem Kirchenstaat.

Ein Meilenstein auf dem weiten und langen Weg zum religiös neutralen Staat war die Zwei-Schwerter-Theorie im frühen Mittelalter.6 Zwei Schwerter symbolisieren dabei die weltliche und die staatliche Macht, die getrennt an unterschiedliche Personen übergeben werden.

Die Glaubenskriege des 16. Jahrhunderts machten es notwendig, Konfessionen zu bilden. Die staatliche Obrigkeit sah sich mit Katholiken und Reformierten konfrontiert und musste mit beiden Gruppen den Ausgleich für ein friedvolles und gedeihliches Miteinander suchen. Der Augsburger Religionsfriede von 1555 ist im vollen Titel ein Augsburger Reichs- und Religionsfrieden, was die politische Dimension zum Ausdruck bringt. Institutionalisierter Dialog wurde bereits auf dem Reichstag für notwendig erachtet.7 Religiöse Toleranz gegenüber Jüd:innen wurde per kaiserlichem Patent verordnet8; der Islam 1912 in der Donaumonarchie anerkannt und unter die gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften aufgenommen.9

Ziele von institutionalisiertem Dialog

Neben der Möglichkeit, sich in einem moderierten Gremium mit der staatlichen Autorität und den Nachbarreligionen auszutauschen, bildet der Religionsrat die Grundlage für eine Dialogkultur. Sich kennenzulernen fördert die Toleranz, unterschiedliche strukturelle Lösungen miteinander zu besprechen und stärkt die Synergien. Trotz theologischer Unterschiede finden sich in allen Religionen vergleichbare Strukturen, die den Aufbau der religiösen Gemeinschaft regeln10 und sich als verfasster Zusammenschluss nach österreichischem Recht bilden. Religiöse Vereine, eingetragene Bekenntnisgemeinschaften und gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaften finden sich unter diesen.11

Schwierigkeiten treten dort auf, wo sich Gesinnungsgruppen abspalten oder radikalisiert neu gründen. Diese sind schwer in den Dialog einzubinden bzw. mangels rechtlicher Verfasstheit für den Rechtsstaat schwer greifbar.

Letztlich fördert der Religionsrat auch das Verständnis für den religiös neutralen Staat, dessen Prinzipien der Neutralität12 und Parität13 erst den konfessionsungebundenen Staat in einer pluralistischen Gesellschaft des heutigen Europas ermöglichen. Ein strukturierter Dialog hält die Religionsfreiheit hoch, sodass der Gottesstaat oder eine Theokratie nicht das Ziel sind, sondern das Entfalten der eigenen Freiheit innerhalb der Schranken der Religionsfreiheit gem Art. 9 EMRK.

Der heutige österreichische Rechtsstaat ist in seinem Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften vom Prinzip der Neutralität und der Parität geprägt: Einerseits distanziert sich der Staat von jeglicher Staatsreligion oder Staatskirche, bietet aber andererseits von seiner neutralen Position Religionsgemeinschaften die Möglichkeit, sich im Rahmen der allgemeinen Staatsgesetze (Art 15 StGG) zu entfalten. Dort, wo es gemeinsame Angelegenheiten gibt, versucht die staatliche und die religiöse Autorität eine Regelung der Dialogmaterie. Durch die Parität wird eine Gleichbehandlung erwirkt. Sie umfasst daher „jene staatlichen Regelungen, die für alle“ Kirchen und Religionsgesellschaften „gleichermaßen gelten“.14

Religiöse Institutionen als Partner der staatlichen Autorität

Im Zuge der Trennung von Staat und Kirche wurden Kompetenzgrenzen gezogen: Zwischen inneren Angelegenheiten, die ausschließlich die religiöse Autorität für die eigene Religionsgemeinschaft besorgt und äußeren Rechtsverhältnissen, die der Staat als eine Dialogmaterie auf rechtliche Beine stellt und die Religions- und Bekenntnisgemeinschaften damit rechtlich verfasst, verläuft eine deutliche Trennlinie, die von der Auslegung der Grund- und Freiheitsrechten durch die öffentlich-rechtlichen Gerichte abhängig ist. In den Regelungstatbestand der inneren Angelegenheiten darf der Staat gem Art 15 StGG iVm Art 9 EMRK nur in bestimmten Situationen und mit einem vorgegebenen Zweck eingreifen.15

Zum Höchststand der Coronapandemie wusste der Staat – heute wie gestern – dass Kirchen, Synagogen und Moscheen nicht einfach wie Kinos, Supermärkte oder Opernhäuser zu schließen sind. Ein Eingriff in die inneren Angelegenheiten ist anders zu bewerkstelligen als ein Eingriff aufgrund einer Verordnung aufgrund des EpidemieG 195016 bzw. dem anlassbezogen erlassenen COVID-19-MG17. Explizit enthalten diese Rechtsmaterien auch Ausnahmen für Kirchen und Religionsgesellschaften.18

Dabei stellte sich heraus, dass der Staat sich einen institutionellen Rahmen und eine strukturelle Verfassung der Religionsgesellschaft erwartet, um die Regelung der inneren Angelegenheiten im eigenen Wirkungsbereich zu belassen. Nicht einzugreifen bedeutet, dass der Staat abschätzt, ob eine gleichwertige Regelung, welche zum Ziel führt, im eigenen Wirkungsbereich der Religionsgesellschaften durch die inneren Angelegenheiten zu erwarten ist. Strukturierter Dialog und ein Religionsrat können letztlich auch dazu beitragen, seitens der Religionsgemeinschaften aufzuzeigen, dass man weiterhin handlungsfähig im eigenen Wirkungsbereich ist.19 Neben einer Plattform, um sich mit staatlichen Expert:innen auszutauschen, kann er ebenso die Grundalge dafür sein, voneinander zu lernen und rechtliche Vorbilder20 adaptiert zu übernehmen.

Warten auf die Geschäftsordnung des Wiener Religionsrats

Der Wiener Religionsrat ist gerade in der Aufbauphase. Auf Rückfrage im Büro des Bürgermeisters erhielt der Autor die Information, dass er im Frühjahr 2024 fortgesetzt wird. Sollte es möglich sein, informieren wir hier auf Recht und Religion in gewohnter Weise über seine rechtlichen Ausformungen, Ziele und Erfolge.

Anmerkungen

1 Vgl. https://wien.orf.at/stories/3229022/ [Abruf: 27.12.2023]; vgl. weiters https://www.erzdioezese-wien.at/site/home/nachrichten/article/115517.html [Abruf: 27.12.2023]; vgl. weiters https://presse.wien.gv.at/presse/2023/10/19/buergermeister-ludwig-trifft-vertreter-innen-unterschiedlichster-religionsgruppen [Abruf: 27.12.2023].

2 https://presse.wien.gv.at/presse/2023/10/19/buergermeister-ludwig-trifft-vertreter-innen-unterschiedlichster-religionsgruppen [Abruf: 27.12.2023].

3 Vgl. https://wien.orf.at/stories/3238006/ [Abruf: 27.12.2023]; vgl. weiters https://www.diepresse.com/17943583/anschlagsgefahr-und-festnahmen-polizei-kontrolliert-kirchen-und-maerkte [Abruf: 27.12.2023].

4 Vgl. Hammer, Neutralität des Staates, religiös-weltanschauliche, in: Kowatsch/Pichler/Tibi/Tripp (Hgg.), 111 Begriffe des österreichischen Religionsrechts (2022), 235–239.

5 Art 17 AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, StF: BGBl. III Nr. 86/1999 idF BGBl. III Nr. 171/2013.

6 Vgl. Caspar, Geschichte des Papsttums. Von den Anfängen bis zur Höhe der Weltherrschaft. Bd 2, Das Papsttum unter byzantinischer Herrschaft (1933), 33ff, 62ff.

7 Vgl. Schmidt, Der Dreißigjährige Krieg (2003), 17f; vgl. weiters Arndt, Der Dreißigjährige Krieg 1618–1648 (2009).

8 Vgl. für die Toleranz gegenüber Protestant:innen Joseph II., Patent vom 13. Oktober 1781 und in dessen Folge heute das Bundesgesetz vom 6. Juli 1961 über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche StF: BGBl. Nr. 182/1961 idF BGBl. I Nr. 166/2020; vgl. für die Toleranz gegenüber Jüd:innen Joseph II., Patent vom 2. Jänner 1782 und in dessen Folge heute das Gesetz vom 21. März 1890, betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft StF: RGBl. Nr. 57/1890 idF BGBl. I Nr. 166/2020.

9 Vgl. das Gesetz vom 15. Juli 1912, betreffend die Anerkennung der Anhänger des Islams als Religionsgesellschaft StF: RGBl. Nr. 159/1912; vgl. heute Bundesgesetz über die äußeren Rechtsverhältnisse islamischer Religionsgesellschaften – Islamgesetz 2015
StF: BGBl. I Nr. 39/2015 idF BGBl. I Nr. 146/2021.

10 Vgl. Leitner, Verfassungen von Religionsgesellschaften, in: Kowatsch/Pichler/Tibi/Tripp (Hgg.), 111 Begriffe des österreichischen Religionsrechts (2022), 334–337; vgl. weiters Berkmann, Internes Recht der Religionen (2018).

11 Vgl. Kowatsch, Anerkennung von Religionsgesellschaften, staatliche, in: Kowatsch/Pichler/Tibi/Tripp (Hgg.), 111 Begriffe des österreichischen Religionsrechts (2022), 32–38; vgl. weiters Hirnsperger, Bekenntnisgemeinschaft, staatlich eingetragene religiöse, in: in: Kowatsch/Pichler/Tibi/Tripp (Hgg.), 111 Begriffe des österreichischen Religionsrechts (2022), 60–63; vgl. weiters Kowatsch, Vereine, religiöse, in: Kowatsch/Pichler/Tibi/Tripp (Hgg.), 111 Begriffe des österreichischen Religionsrechts (2022), 331–334.

12 Vgl. Kalb/Potz/Schinkele, Religionsrecht (2003), 16; 22; 42–43.

13 Vgl. Kalb/Potz/Schinkele, Religionsrecht (2003), 62–64.

14 Kalb/Potz/Schinkele, Religionsrecht (2003), 62.

15 Vgl. Pabel, Grundrechtsschranken, in: Kowatsch/Pichler/Tibi/Tripp (Hgg.), 111 Begriffe des österreichischen Religionsrechts (2022), 156–158.

16 Epidemiegesetz 1950.StF: BGBl. Nr. 186/1950 idF BGBl. I Nr. 103/2020.

17 COVID-19-MG StF: BGBl. I Nr. 12/2020.

18 Vgl. beispielsweise die Ausnahme § 9 (1) Z 7 in 2. COVID-19-Basismaßnahmenverordnung StF: BGBl. II Nr. 156/2022.

19 Vgl. grundlegend Kowatsch, Die freie Religionsausübung in Zeiten der Pandemie – ein religionsrechtlicher und kanonistischer Zwischenbericht, in: ÖARR 61/2 (2022), 225–297.

20 Vgl. Schipka, Zwischen staatlicher Erwartungshaltung und Aufrechterhaltung kirchlicher Sendung: Institutionalisierte Kontakte zwischen Staat und Kirche in der Corona-Krise in der Republik Österreich, in: Mückl (Hg.), Religionsfreiheit in Seuchenzeiten (2021), 253–263.


Titelbild: Daniel Tibi

Homophobe Äußerungen, ein Bischof und die Grenzen der Meinungsfreiheit. Kurzkommentar zu EGMR 31.08.2023 – 47833/20, Amvrosios-Athanasios Lenis ./. Griechenland

Von Andreas KowatschORCID logo

DOI: 10.25365/phaidra.435

1. Was ist geschehen?

Amvrosios Lenis ist als Metropolit von Kalavryta und Egialia im Norden der Halbinsel Peloponnes einer der höchsten Repräsentanten der Griechisch-Orthodoxen Kirche in Griechenland. Im Dezember 2015 verfasste er anlässlich einer Parlamentsdebatte um die Einführung einer rechtlichen Regelung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften einen Beitrag auf seinem persönlichen Blog mit der Überschrift „Der Bodensatz der Gesellschaft hat seine Häupter erhoben. Seien wir ehrlich: Spuckt auf sie![1]. Homosexualität sei eine Abweichung von den Gesetzen der Natur, ein soziales Verbrechen und eine Sünde. Homosexuelle und jene, die sie unterstützen, seien keine normalen Leute, sondern der Abschaum der Gesellschaft, Menschen mit einer geistigen und spirituellen Störung, auf die man spucken solle. Die Tiraden wurden von mehreren Medien online weiterverbreitet. In einer anschließenden Klarstellung versuchte der Bischof eher halbherzig, seine Aussagen in den Kontext bloßer politischer Kritik an einzelnen Abgeordneten zu stellen. Nach der innerstaatlichen Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe rief der Metropolit den EGMR an und brachte vor, von Griechenland im Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) verletzt worden zu sein.

2. Die Zurückweisung der Klage durch den EGMR

Bereits 1976 hatte der Gerichtshof in der Rechtssache „Handyside[2] die zentrale Rolle der Meinungsfreiheit für die Demokratie und die Entwicklung eines jeden Menschen betont. Pluralismus, Toleranz und Aufgeschlossenheit verlangen auch die Freiheit für Äußerungen, die den Staat oder einen Teil der Bevölkerung beleidigen, schockieren oder stören. Ausnahmen müssen daher streng ausgelegt und die Notwendigkeit von Einschränkungen muss überzeugend begründet werden.

An diese Rechtsprechung knüpft der EGMR im vorliegenden Fall an. Gleich im Anschluss an grundsätzliche Aussagen zu Art. 10 EMRK bringt der Gerichtshof Art. 17 EMRK ins Spiel. Dieser Artikel verbietet den Missbrauch der in der EMRK und ihren Zusatzprotokollen normierten Menschenrechte. Die Berufung auf ein Menschenrecht soll nicht dazu führen, dass dadurch die Grundwerte der EMRK infrage gestellt werden.[3] Als Bestimmung, die Missbräuche verhindern soll, ist Art. 17 EMRK nur in begründeten Ausnahmefällen einschlägig.

Im gesellschaftlichen Diskurs ist der Begriff „Hassrede“ weit verbreitet. Eine weithin akzeptierte rechtliche Definition gibt es dennoch weder im österreichischen noch im internationalen Recht. Allerdings ist nicht zuletzt auf völkerrechtlicher Ebene eine deutliche Tendenz festzustellen, dass neben erzieherischen und integrationsfördernden Maßnahmen zumindest gegen schwere Formen der Hassrede eine strafrechtliche Verfolgung durch die Staaten notwendig ist. Hassrede knüpft an der Zugehörigkeit einer Person zu einer Gruppe an oder wendet sich direkt gegen eine besondere Personengruppe, die sich durch bestimmte Merkmale wie ethnische Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung oder Geschlecht abgrenzen lässt. Hassrede trägt stets etwas Gewaltvolles in sich, sei es, dass direkt zur Gewalt angestachelt wird, sei es, dass einzelnen Personengruppen das Menschsein oder die volle Zugehörigkeit zur Gesellschaft abgesprochen wird. In Österreich dient (neben dem VerbotsG 1947) vor allem § 283 StGB (Verhetzung) dazu, öffentlich vorgetragene Hassreden strafrechtlich verfolgen zu können. Daneben sind Beleidigungen als sog. Privatanklagedelikt durch § 115 StGB für strafbar erklärt. Der Tatbestand der Herabwürdigung religiöser Lehren (§ 188 StGB) ist im religiös-weltanschaulich neutralen Staat nicht unumstritten, verbietet in seinem Kern aber ebenfalls bestimmte hasserfüllte Meinungsäußerungen.

Ob es sich bei einer starken und aggressiven Kritik um eine Hassrede handelt, hängt nicht nur von den verwendeten Worten, sondern vom gesamten Kommunikationszusammenhang ab. So floss im Fall Lenis gegen Griechenland in die Entscheidung des EGMR nicht nur die inhaltliche Qualifikation der Äußerungen als Hassrede ein, sondern auch die besondere Rolle des Klägers innerhalb der griechischen Gesellschaft. Ein Metropolit habe die Macht, nicht nur seine eigene Gemeinde, sondern die orthodoxe Mehrheit der griechischen Bevölkerung zu beeinflussen.[4] Auch führt eine Verbreitung im Internet zu einer von vornherein nicht begrenzbaren Zahl von Adressaten, selbst wenn der eigentliche Blog nicht von vielen Usern wahrgenommen wird. Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Ausrichtung wiegen ebenso schwer wie Diskriminierungen aufgrund von „Rasse, Herkunft oder Hautfarbe“.[5]

Der EGMR unterscheidet in seiner Judikatur zwei Formen von Hassrede, für die die Anwendung von Art. 17 EMRK infrage kommt.[6] Die erste Kategorie bilden Hassreden, die zugleich zu konkreter Gewalt anstacheln. Hat der Kläger versucht, sich auf die Meinungsfreiheit zu berufen, um eine Tätigkeit auszuüben oder Handlungen vorzunehmen (d. h. eine Hassrede zu veröffentlichen), die auf die Zerstörung der in der EMRK verankerten Rechte und Freiheiten abzielen, dann wird die Klage aufgrund der Sache selbst – ratione materiae – zurückgewiesen (Art. 35 Abs. 3 lit. a EMRK). Mit diesem Unzulässigkeitsgrund ist – etwas unpräzise ausgedrückt – die Aussage verknüpft, dass das Klagebegehren von vornherein nicht in den Anwendungsbereich der EMRK fällt.

In die zweite Kategorie fallen alle anderen Meinungsäußerungen, welche als Hassrede einzustufen sind. Auch wer eine solche Hassrede tätigt, kann sich im Ergebnis nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen. Allerdings erfolgt die Prüfung, ob der Gerichtshof überhaupt in die Sachentscheidung eintritt oder die Klage zurückweist, im Rahmen des Art. 10 Abs. 2 EMRK. Ergibt sich unmittelbar, dass ein Eingriff in die Meinungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft im Blick auf die Ziele des Abs. 2 notwendig und verhältnismäßig war, erfolgt eine Zurückweisung aufgrund der „offensichtlichen Unbegründetheit“ der Klage (Art. 35 Abs. 3 [a] und 4 EMRK).

Die Äußerungen des Bischofs wurden vom EGMR der ersten Kategorie zugezählt. Der Metropolit hatte versucht, die Meinungsfreiheit für Zwecke zu verwenden, die den Werten der Konvention zuwiderlaufen.[7] Die Klage wurde folgerichtig ratione materiae zurückgewiesen, womit die rechtliche Feststellung verbunden ist, dass die homophoben Äußerungen von Art. 10 EMRK nicht geschützt sind.

3. Kurzkommentar

Art. 17 EMRK enthält eine besondere Schutzbestimmung, die den Missbrauch von Grundrechten verhindern soll. Die einzelnen Rechte und die EMRK als ganze dürfen nicht so ausgelegt werden, dass eine Handlung geschützt ist, die darauf abzielt, die in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten abzuschaffen oder sie stärker einzuschränken, als es in der Konvention vorgesehen ist. Welche Rechtsfolgen aus dieser Bestimmung folgen, lässt sich allerdings weder nach ihrem Wortlaut noch ihrer systematischen Stellung im Kontext der EMRK genau bestimmen. Rechtsdogmatisch sind zwei unterschiedliche Lösungen möglich, die beide auch vom EGMR angewendet werden. Eine klare Linie der Judikatur fehlt bislang.

Der Missbrauch eines Grundrechts wird am effektivsten eingeschränkt, wenn von vornherein klargestellt wird, dass eine bestimmte Handlung vom betreffenden Grundrecht gar nicht geschützt wird. In juristischer Sprache bedeutet dies dann, dass diese Handlung nicht in den grundrechtlichen Schutzbereich fällt.

Der Missbrauch eines Grundrechts kann aber auch verhindert werden, wenn nicht die Handlung als solche aus dem Schutzbereich fällt, sondern wenn im Einzelfall Eingriffe in das Grundrecht gerechtfertigt sind. In einem ersten Schritt der rechtlichen Bewertung ist die Äußerung dann prinzipiell grundrechtlich geschützt. Auch der Hassredner darf sich hier legitimerweise auf die Meinungsfreiheit berufen. Eine staatliche Reaktion auf die Handlung, etwa in Gestalt einer strafgerichtlichen Verurteilung, stellt daher einen Eingriff ins Grundrecht dar. In einem notwendigen zweiten Schritt ist dann sogleich die Frage zu klären, ob der Eingriff gerechtfertigt war. Gerechtfertigt ist ein Eingriff in die Meinungsfreiheit dann, wenn drei Kriterien erfüllt sind.

Erstens muss der Eingriff aufgrund einer gesetzlichen Grundlage erfolgt sein. Dies korrespondiert in Österreich mit Art. 18 B-VG, der die Ausübung der staatlichen Verwaltung nur auf einer hinreichend klaren (bestimmten) gesetzlichen Grundlage erlaubt. Aus dem Gleichheitssatz der Verfassung (Art. 7 B-VG) folgt nach der Rechtsprechung des VfGH auch ein Verbot staatlicher Willkür.

Die zweite Voraussetzung für die Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs ist dessen Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft. Die Notwendigkeit ergibt sich immer erst aus der Verknüpfung mit einem bestimmten legitimen Ziel. Art. 10 Abs. 2 EMRK zählt eine ganze Reihe solcher Ziele auf (nationale oder öffentliche Sicherheit, territoriale Unversehrtheit, Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, Schutz der Gesundheit und der Moral, Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer). Ebenso legitim sind, bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen, Eingriffe mit dem Ziel, die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu sichern.

Das dritte Kriterium ist mit der Notwendigkeit verknüpft und gibt ihr ein inneres Maß. Der Eingriff muss in seiner Gesamtheit, d. h. im Blick auf das gewählte Mittel und die Dringlichkeit des Zieles, sowie unter Berücksichtigung aller beteiligten rechtlich geschützten Interessen, verhältnismäßig[8] sein.

Die drei Kriterien bauen aufeinander auf, sodass sich eine Prüfung erübrigt, wenn keine gesetzliche Grundlage vorhanden ist. Fragen der Verhältnismäßigkeit stellen sich nicht, wenn ein Eingriff nicht notwendig ist, weil das Ziel ohne Weiteres auch ohne Beeinträchtigung von durch die EMRK geschützten Rechten erreicht werden kann.

In dieser zweiten Variante vervollständigt das Verbot des Grundrechtsmissbrauchs das Schema der Prüfung der Rechtfertigung. Art. 17 EMRK gibt der Prüfung des zweiten (Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft mit Blick auf ein legitimes Ziel) und dritten (Verhältnismäßigkeit) Kriteriums eine bestimmte Richtung. Liegt der Verdacht auf eine missbräuchliche Ausübung eines Konventionsrechts vor, erübrigt sich die Rechtfertigungsprüfung nicht. Soweit eine Handlung auf die Abschaffung von Grundrechten zielt oder die Berufung auf das Grundrecht diametral den Werten entgegensteht, die durch die Grundrechte eigentlich geschützt werden sollen, ist eine Einschränkung im Einzelfall aber besonders leicht als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ zu begründen. Auch die Verhältnismäßigkeit lässt sich einfacher argumentieren, wenn Art. 17 EMRK erfüllt ist.

Welche Lösung ist nun aber die sachgemäßere? Ein Ausschluss einer missbräuchlichen Handlung aus dem Schutzbereich des betreffenden Grundrechts hat den (scheinbaren?) Vorteil, rasch zu eindeutigen Lösungen zu gelangen. In der Tat ist gegenüber der demokratischen Gesellschaft erklärungsbedürftig, warum totalitäre Äußerungen, Leugnung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, maßlose Verspottung religiöser Gefühle mit dem Ziel, Gläubige der Lächerlichkeit preiszugeben oder vorteilsgeschwängerte homophobe Hassrede menschenrechtlich geschützt sein sollten. Der Ausschluss aus dem Schutzbereich ist ein scharfes Schwert in der Hand einer wehrhaften Demokratie, die allen Umtrieben, die direkt gegen sie oder ihre Grundwerte (Toleranz, Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus) gerichtet sind, so von vornherein den rechtlichen Schutz vorenthält. Eine solche Lösung entspricht auf den ersten Blick durchaus auch der Toleranz, die um ihrer selbst willen gegenüber extremen Formen der Intoleranz nicht tolerant sein darf, wenn sie nicht ihre eigenen Grundlagen infrage stellen möchte.

Allerdings bleibt das scharfe Schwert auch in der Hand einer wehrhaften Demokratie das, was es bei nüchterner Betrachtung ist, nämlich eine Waffe. Der Ausschluss bestimmter Handlungen aus dem Anwendungsbereich der Menschenrechte erleichtert nämlich auch eine extensive oder gar willkürliche Berufung auf Art. 17 EMRK bei der innerstaatlichen Normierung einzelner Maßnahmen. Politische Kräfte, welche die Demokratien „illiberalisieren“ wollen, könnten (zumindest innerstaatlich) versuchen, allen möglichen politisch nicht gewollten Meinungen den menschenrechtlichen Schutz zu entziehen. Art. 17 EMRK trägt daher auch das Potential in sich, in das Gegenteil dessen verkehrt zu werden, was die Norm eigentlich erreichen will. Erst im Zusammenhang mit den jeweiligen Grundrechtsschranken ist eine missbräuchliche Anwendung des Missbrauchsverbots verhindert. Der Ausschluss aus dem Schutzbereich eines Menschenrechts führt zum Ausfall der Rechtfertigungsprüfung eines Eingriffs. Insgesamt kann das ein hoher Preis für das verständliche Anliegen, Aufrufe zur Gewalt gegenüber schutzbedürftigen Personengruppen oder extremistische Attacken auf die demokratische Grundordnung möglichst effektiv zu bekämpfen, sein.

Im vorliegenden Fall wäre die Klage jedenfalls zurückgewiesen worden. Der Ausspruch, dass diese angesichts der getätigten hasserfüllten Äußerungen offensichtlich unbegründet ist, hätte ebenfalls keinen Zweifel daran gelassen, dass homophobe Hassrede etwas anderes ist als die werbende Verkündigung für die eigene Religion und ihre Morallehre. Auch wenn die Religionsfreiheit im Fall Lenis gegen Griechenland gar nicht zur Debatte stand, zeigt dieser Fall, dass auch die Berufung auf religiöse Gründe Hassrede nicht legitimiert. Damit begrenzt diese Entscheidung aber nicht die Religionsfreiheit an sich, sondern erleichtert die Abgrenzung von geschützter Religionsausübung und extremistischem Missbrauch von Religion oder Weltanschauung – welcher Provenienz auch immer.

Anmerkungen

[1]   Die Zitate sind eigene Übersetzungen der englischsprachigen Entscheidung des EGMR, 31.08.2023, Amvrosios-Athanasios Lenis ./. Griechenland, no. 47833/20 (dec.), 5. Da es sich um die Übersetzung von bereits Übersetztem handelt, sind sprachliche Ungenauigkeiten nicht auszuschließen.

[2]   EGMR, 07.12.1976, Handyside ./.Vereinigtes Königreich, no. 5493/72.

[3]   Art. 17 EMRK lautet: „Keine Bestimmung dieser Konvention darf dahin ausgelegt werden, dass sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person das Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, die auf die Abschaffung der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten oder auf weitergehende Beschränkungen dieser Rechte und Freiheiten, als in der Konvention vorgesehen, hinzielt.“

[4]   Gem. Art. 3 der Verfassung Griechenlands nimmt die Griechisch-Orthodoxe Kirche als „vorherrschende Religion“ die Rolle einer Staatskirche ein. Versuche in jüngerer Vergangenheit, diesen Status abzuschaffen, waren nicht erfolgreich.

[5]   EMGR, 31.08.2023, Amvrosios-Athanasios Lenis ./.Griechenland, no. 47833/20 (dec.), 53 mit Verweis auf EGMR, 09.02.2012, Vejdeland and Others ./. Sweden, no. 1813/07, 55.

[6]   EGMR, 12.05.2020, Lilliendahl ./. Island (dec.), no. 29297/18, 33.

[7]   EMGR, 31.08.2023, Amvrosios-Athanasios Lenis ./.Griechenland, no. 47833/20 (dec.), 56f.

[8]   Art. 10 Abs. 2 EMKR verwendet den Ausdruck „unentbehrlich“.

Tagung zum Thema „Neutraler Staat? Interdisziplinäre Perspektiven auf die Autonomie von Religion, Kunst und Wissenschaft“ – Ein Tagungsbericht

19.-20. Juni 2023 – Universität Wien

Von 19. bis 20. Juni fand im bereits hochsommerlich heißen Wien die vom Forschungscluster „Transformationen des Rechts in Religion und Gesellschaft“ des Forschungszentrums RaT veranstaltete Konferenz „Neutraler Staat? Interdisziplinäre Perspektiven auf die Autonomie von Religion, Kunst und Wissenschaft“ statt. Ziel der unter der Leitung von Prof. Stefan Hammer (Institut für Rechtsphilosophie) und Prof. Andreas Kowatsch (Institut für Kirchen- und Religionsrecht) organisierten Veranstaltung war es, Expert:innen aus den drei Bereichen miteinander ins Gespräch zu bringen und einen Einblick in aktuelle Debatten und Probleme zu bieten. Was alle miteinander verbindet, ist ihr Autonomieanspruch und das daraus resultierende, spannungsreiche Verhältnis zum Staat (ein besonders virulentes Beispiel hierfür bilden die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie der letzten Jahre).

Marcello Neri (Instituto Superiore di Scienze
dell’Educazione Modena) mit seinem Vortrag zum Thema „Theologische Anmerkungen zum Verhältnis von Recht und Religion“
(Foto: Daniel Tibi)

Durch diese Konstellation wird ein breiter Raum an Fragen eröffnet, dem sich die Beiträge zur Konferenz aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu nähern versuchten: Während sich manche Beiträge den Autonomieansprüchen und den sich daraus ergebenden alten und neuen Herausforderungen aus der Innenperspektive der jeweiligen Sphären widmeten (so etwa Jakob Deibl zur Kunst, Marie-Luisa Frick zum Bereich Wissenschaft und Marcello Neri aus der Sicht der katholischen Theologie), machten sich andere auf die Suche nach Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen den unterschiedlichen Bereichen (so Reinhold Esterbauer aus theologisch-philosophischer, Stefan Hammer aus verfassungstheoretischer und Astrid Mattes aus politikwissenschaftlicher Perspektive und anhand von aktuellen Beispielen der österreichischen Debatte).

Vortrag von Marie-Luisa Frick (Universität Innsbruck) zum Thema „Ohne ideologisches Endziel, aber kein reiner Selbstzweck: Zur „Autonomie“ der Wissenschaften im „neutralen“ Staat“

(Foto: Daniel Tibi)

Einen weiteren Schwerpunkt der Konferenz bildete die juristische Sicht auf den titelgebenden Begriff der staatlichen Neutralität (so Markus Müller im Modus der kritischen Befragung, während Andreas Kowatschs Beitrag sich mit der rechtlichen Situation in Österreich sowie mit den vielen juristischen Facetten des Neutralitätsbegriffs befasste). Zum Abschluss diskutierten Vertreter:innen aus den unterschiedlichen Bereichen die aktuellen Herausforderungen und Probleme aus der Sicht der Alltagspraxis (Cornelia Offergeld aus dem Bereich der Kunst, Imet Mehmedi aus der Sicht der Frei-Alevitischen Glaubensgemeinschaft und Dieter Beck von der Evangelischen Kirche in Österreich; moderiert wurde die Diskussion von Katharina Limacher).

Vortrag von Markus Müller (Universität Bern) zum Thema „Staatliche Neutralität als Mittel der Autonomiegewährung? – Kritische Gedanken am Beispiel der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staats“

(Foto: Daniel Tibi)

Aus den vielen kenntnisreichen Beiträgen und der angeregt geführten Diskussion gingen vor allem zwei Punkte als entscheidend hervor: Erstens ist unter den aktuellen rechtlichen und sozialen Bedingungen Skepsis bezüglich der Möglichkeiten religiös-weltanschaulicher Neutralität des Staates angebracht. Zweitens ist eine Krise des Autonomieanspruchs der verschiedenen Bereiche, insbesondere jedoch der Wissenschaft, zu konstatieren: Die Selbstbestimmung gerät unter den zunehmenden ökonomisch-politischen Abhängigkeiten zusehends unter Druck. Dies führt vor Augen, wie wichtig es ist, die Begriffe der Autonomie und Neutralität stets von Neuem kritisch zu befragen.

Die Beiträge der Konferenz werden in einem Band der RaT-Printreihe erscheinen. Das Programm der Konferenz findet sich hier.

Titelbild: Vortrag von Prof. Andreas Kowatsch (Foto: Daniel Tibi)

Auf der Suche nach religiös-weltanschaulicher Neutralität

Von Sophia Witz.*

Die Tagung „Neutraler Staat? Interdisziplinäre Perspektiven auf die Autonomie von Religion, Kunst und Wissenschaft“ (19.–20.06.2023) behandelte das komplexe Wechselspiel dieser drei Bereiche sowohl zueinander als auch im Verhältnis zum Staat. Die interdisziplinäre Tagung beleuchtete diesen herausfordernden Themenkomplex sowohl aus theologischer als auch aus rechtswissenschaftlicher Perspektive. Hinzukamen philosophische und politikwissenschaftliche Betrachtungen sowie ein Blick in die Praxis.

Alle acht Vortragenden brachten inspirierende Perspektiven und Zugänge ein. An dieser Stelle sollen vorrangig der rechtswissenschaftliche Beitrag von Markus Müller (Universität Bern) zum Thema „Staatliche Neutralität als Mittel der Autonomiegewährung? – Kritische Gedanken am Beispiel der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staats“ sowie der (rechts-)philosophische Beitrag von Marie-Luisa Frick (Universität Innsbruck) zum Thema „Ohne ideologisches Endziel, aber kein reiner Selbstzweck: Zur ‚Autonomie‘ der Wissenschaften im ‚neutralen‘ Staat“ reflektiert werden.1

Markus Müller (Universität Bern) hielt einen Vortrag zum Thema „Staatliche Neutralität als Mittel der Autonomiegewährung? – Kritische Gedanken am Beispiel der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staats“.

Müller bricht in seinem Eröffnungsvortrag gekonnt mit dem Konzept der staatlichen weltanschaulich-religiösen Neutralität und seiner langen (auch rechtswissenschaftlichen) Tradition, insbesondere in der Schweiz.2 Seine Argumentationslinie basiert auf der Annahme, dass das Konzept der Neutralität hohe Erwartungen wecke, die es aufgrund religiöser Vorprägungen der handelnden Akteure nicht erfüllen könne.3 Dabei stützt er sich unter anderem auf Erkenntnisse aus der Psychologie und verneint sowohl Sphären-4 wie auch Rollentrennung.5 Er betrachtet den Staat als Produkt seiner Repräsentant:innen, die oft auch von ihrem Unbewussten gesteuert werden.6 Anders sieht dies bspw Charim, die von Repräsentant:innen der Allgemeinheit bzw des Staates verlangt, ihre private Person von ihrer öffentlichen Person zu unterscheiden, und dadurch die Neutralität des Staates zu gewährleisten.7

Müller hebt auch die große Bandbreite an unterschiedlichen Neutralitätskonzepten (zB Begründungsneutralität,8 teleologisch-reflektierte Neutralität9) hervor, die aus seiner Sicht mit dem strikten Alltagsverständnis von Neutralität nicht in Einklang zu bringen seien.10 Dieser Befund ist zweifelsohne nicht von der Hand zu weisen. Sein Lösungsvorschlag, das (auch rechtsdogmatisch) gut verankerte Konzept der Neutralität durch jenes des ebenso unbestimmten Toleranzbegriffs11 zu ersetzen, erscheint allerdings nicht weniger problematisch. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Toleranzbegriff eine negative Vorprägung aufweist (auch wenn Müller unter seinem Toleranzbegriff nicht bloß das gnädige Dulden durch die Mehrheit verstanden wissen will, wodurch er sich selbst ebenfalls vom Alltagsverständnis dieses Begriffs entfernt).

Marie-Luisa Frick (Universität Innsbruck) hielt einen Vortrag zum Thema „Ohne ideologisches Endziel, aber kein reiner Selbstzweck: Zur ‚Autonomie‘ der Wissenschaften im ‚neutralen‘ Staat“.

Frick untersucht demgegenüber, welchen Grenzen die Wissenschaft unterliegt und identifiziert eine wachsende Gefährdung der wissenschaftlichen Autonomie. Dabei geht sie von der Prämisse aus, kein Staat könne ethisch-weltanschaulich neutral sein, da bereits der Auftrag der Befriedung und Ordnung, wie auch die Grundrechte nicht neutral seien. Frick plädiert daher für ein teleologisch-reflektiertes Verständnis des Gebots zu weltanschaulicher staatlicher Neutralität.12

Die Grenzen der Wissenschaft entspringen laut Frick entweder dem Entstehungs-, dem Begründungs- oder dem Verwendungszusammenhang. Zu ersterem zählt sie die Finanzierung und Förderung der Wissenschaft,13 die arbeitsrechtliche Stellung der Wissenschafter:innen (beachte auch: Wissenschaftsprekariat), Anreize bzw Verpflichtungen, in Publikationsorganen zu veröffentlichen,14 sowie die Leistungs- und Zielvereinbarungen15 der Universitäten, die bereits durch ihre (nicht neutralen) Schwerpunktsetzungen der Wissenschaft Grenzen setzen würden.

Aus grundrechtlicher Perspektive können Zielvorgaben mit der in Art 17 StGG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit der Universitätsangehörigen konfligieren, wenn sie zB festlegen, welche Forschungsmethoden einzusetzen sind.16 Ähnliche Probleme wie Frick sieht auch Pöschl, die vor der Gefahr von Autonomieverlusten durch die verstärkte Drittmittelabhängigkeit warnt (Ausrichtung der Forschung an Vergabekriterien).17 Eisenberger analysiert in diesem Zusammenhang Ethikklauseln bzw ethisch motivierte Förderungsverbote in Forschungsrahmenprogrammen wie Horizont 2020 und weist ua auf eine erhöhte Begründungspflicht des Gesetzgebers hin, wenn dieser einzelne Forschungsgebiete begünstigt oder benachteiligt.18

Im Rahmen des Begründungszusammenhangs sieht Frick Forschungsethik bzw die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis als Grenzen.19 Vorlagepflichten an Ethikkommissionen bspw werden aus rechtswissenschaftlicher Perspektive von Kopetzki als „spezifische“ Eingriffe qualifiziert, die einer Erforderlichkeitsprüfung zu unterziehen sind.20 Anreize, an der Third Mission der Universität mitzuwirken sowie Rückmeldungen und Druck aus der Gesellschaft (zB im Laufe der Pandemie) ordnet Frick schließlich dem Verwendungszusammenhang zu.

Die beiden hier besprochenen Vorträge sowie die Tagung insgesamt kann als sehr gelungen und bereichernd bezeichnet werden, der Publikation der Tagungsbeiträge wird mit großem Interesse entgegengeblickt.

Anmerkungen

* Sophia Witz, LL.M. ist Universitätsassistentin am Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht der Universität Wien.

1 Siehe für einen allgemeinen Tagungsüberblick Institut für Kirchenrecht und Religionsrecht, Tagung zum Thema „Neutraler Staat? Interdisziplinäre Perspektiven auf die Autonomie von Religion, Kunst und Wissenschaft“ – Ein Tagungsbericht, 26.06.2023 rechtundreligion.at, https://rechtundreligion.at/2023/06/26/tagung-zum-thema-neutraler-staat-interdisziplinare-perspektiven-auf-die-autonomie-von-religion-kunst-und-wissenschaft-ein-tagungsbericht/, abgerufen am 12.07.2023.

2 Siehe zur Bejahung der religiösen und ethischen Neutralität des Staates als Grundsatz in der Schweiz zB Engi, Die religiöse und ethische Neutralität des Staates (2017); zur Verankerung religiös-weltanschaulicher Neutralität in der österreichischen Rechtsordnung siehe zB Wagrandl, Die weltanschauliche Neutralität des Staates, JRP 2016, 309; Werni, Vom Nutzen und Nachteil verfassungsrechtlicher „Prinzipien“ für das Religionsrecht, ZÖR 2021, 995; für einen Überblick zur deutschen rechtswissenschaftlichen Diskussion siehe Czermak/Hilgendorf, Religions- und Weltanschauungsrecht2 (2018) § 10 Insbesondere: das Neutralitätsgebot.

3 Siehe dazu Müller, Religion im Rechtsstaat (2017) 29, 84 ff, 140.

4 Vertreten wird die Sphärentheorie unter anderem von Dreier, Staat ohne Gott: Religion in der säkularen Moderne (2018) 12 f, 165 f; siehe auch Spohn, Den säkularen Staat neu denken (2016) 27 ff, 133 kritisch zur Trennung der Sphären in nicht westlich-christlich geprägten Staaten.

5 Zur Rollentrennung siehe zB Schlink, Vergewisserungen (2005) 103 f; Engi, Neutralität 293.

6 Siehe Müller, Religion 48, 85.

7 Siehe Charim, Ich und die Anderen (2018) 75 ff.

8 Vertreten zB von Huster, Die ethische Neutralität des Staates2 (2017) 98 ff, 633 ff; kritisch zur Begründungsneutralität ua Frick, Ethische Neutralität des Staates, in Frick/Mbongo/Schallhart (Hrsg) PluralismusKonflikte (2010) 171 (177 ff).

9 Vertreten von Frick in Frick/Mbongo/Schallhart 182 ff.

10 Siehe Müller, Religiöse Neutralität des Staates?, ZBl 2022, 575 (580 ff).

11 So auch Huster, Neutralität2 222 ff; siehe zur deutschen Rechtslage zB Czermak/Hilgendorf, Religions- und Weltanschauungsrecht2 Rz 161 ff.

12 Siehe Frick in Frick/Mbongo/Schallhart 182 ff; zur politischen Struktur multikultureller Gesellschaften und deren Auswirkung auf die Neutralität des Staates siehe zB Parekh, Rethinking Multiculturalism (2000) 196 ff.

13 Siehe für einen Überblick der Finanzierer von Forschung Pöschl, Private Rechtsetzung – Begriff und verfassungsrechtlicher Rahmen, in WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der Rechtsetzung (2018) 195 (200 ff).

14 Siehe aus rechtswissenschaftlicher Perspektive VwSlg 18449 A/2012, in welcher der VwGH keine Verpflichtung eines Universitätsprofessors zur Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten erkennt.

15 Siehe § 20 Abs 5 UG 2002 der normiert, dass bei Abschluss der Zielvereinbarungen auf die Freiheit der Wissenschaft und einen entsprechenden Freiraum der einzelnen Wissenschafter:innen in der Forschung sowie in der Lehre Bedacht zu nehmen ist.

16 Siehe zu den oben angeführten Aspekten grundlegend aus rechtswissenschaftlicher Perspektive Pöschl, Von der Forschungsethik zum Forschungsrecht: Wie viel Regulierung verträgt die Forschungsfreiheit?, in Körtner/Kopetzki/Druml (Hrsg), Ethik und Recht in der Humanforschung (2010) 90; Kopetzki, Muss Forschung „ethisch vertretbar“ sein?, in FS Mayer (2011) 253; Pöschl, Wissenschaftliche Integrität, in GS Walter (2013) 609; Eisenberger, Innovation im Recht (2016) 184 ff, 217 ff, 268 ff; Pöschl, Normative Grenzen der Wissenschaftsfreiheit, in Neck/Schmidinger/Spiel (Hrsg), Grenzen in den Wissenschaften (2017) 159; Pöschl in WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht 195.

Siehe auch Kröll in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), B-VG Art 17 Abs 1 StGG Rz 33, 169 (13. Lfg 2014); Hammer in Korinek/Holoubek (Hrsg), B-VG Art 17 Abs 1 StGG Rz 19, 25, 56, 66 (12. Lfg 2016); Gamper in Kahl/Khakzadeh/Schmid (Hrsg), B-VG (2021) Art 17 StGG Rz 13; Unger, Eingriff durch Vereinbarung? Zum Spannungsverhältnis von staatlicher Steuerung durch Leistungsvereinbarungen und universitärer Autonomie, JRP 2022, 380 (389).

17 Siehe Pöschl in GS Walter 640 f.

18 Siehe Eisenberger, Innovation 168, 185 ff, 191, 244 ff.

19 Siehe dazu bereits Pöschl in Körtner/Kopetzki/Druml 90 ff, 99 ff; Kopetzki in FS Mayer 263 ff; Eisenberger, Innovation 217 ff, 235.

20 Siehe Kopetzki in FS Mayer 265.


Fotos: Daniel Tibi

Rezension zu: Tilman Schmeller, EuGH und Religionsfreiheit. Zu Grund und Grenzen eines konstitutionellen Momentums in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (= Untersuchungen über Recht und Religion 4), Tübingen: Mohr Siebeck 2023. XIV, 298 Seiten. ISBN 978-3-16-162201-4

Von Harald Tripp.

Tilman Schmeller nimmt sich in seinen Ausführungen – mehr als siebzig Jahre nach Errichtung des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg – vor, die Rechtsprechung dieses Gerichtshofes im Blick auf das Grundrecht der Religionsfreiheit auszuloten. Dabei geht er in drei einzelnen Untersuchungen vor, zeichnet in einem ersten Schritt den Hintergrund der Rechtsprechungslinie des Luxemburger Gerichtshofes auf und beschäftigt sich dabei intensiv mit dem Wesen und dem Selbstbild des Gerichts. Im zweiten Schritt analysiert er Urteile umfassend und leitet aus ihnen Muster ab, die eine Befassung des EuGH mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit prägen. In einer dritten Untersuchung vermisst Schmeller die allgemeinen Grenzen der EuGH-Judikatur neu und versteht das nationale Religionsrecht als Ausdruck soziokultureller Wahrnehmungen.

Konstitutionelles Momentum

Der Begriff des „konstitutionellen Momentums“ dient dem Autor bei seinen Ausführungen, auf einen wichtigen Umstand in der Entwicklung des EuGH im Blick auf die Religionsfreiheit hinzuweisen. Die Phase ab 2017 stellt dabei eine Bewegungskraft mit einer neuen dynamischen Dimension auf, die für den Autor den Beginn einer neuen Phase in der konstitutionellen Judikatur des EuGH einleitet. Für Schmeller sei in der Geschichte der Europäischen Union feststellbar, dass der europäische Kostitutionalismus in der Rechtsprechung des EuGH seit einigen Jahren in eine neue Phase eingetreten sei, die dadurch gekennzeichnet wäre, dass der Gerichtshof offensiv konstitutionell argumentiere, indem er die Werte des Art. 2 S.1 EUV als verfassungsrechtliche Leitprinzipien immer stärker durch seine Judikatur greifbar mache und dabei zudem eine deutlich wahrnehmbare Grundrechtsprechung ausbilde.

Wertekonstitution

Im ersten Kapitel untersucht Schmeller folglich die Grundrechtsprechung der letzten Jahre in der Judikatur des EuGH und befasst sich vornehmlich mit der Werteordnung der EU als Metaprinzipien ihrer Verfassung sowie der gegenwärtigen Krise der Rechtsstaatlichkeit, die dazu geführt habe, dass es in der Judikatur jüngst eine Zunahme an Werterechtsprechung gegeben hat. Hierbei differenziert der Autor zwischen staatsstrukturellen (Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, mitgliedstaatliche Gleichheit) und grundrechtlichen Werten (Menschenwürde, Menschenrechte, Freiheit, unionsbürgerliche Gleichheit). Nach Meinung des Autors erodiere die Rechtsstaatlichkeit in einigen Ländern der EU, wobei gerade die Werterechtsprechung des EuGH als Übersetzung von Werten in konkrete Ableitungen eine schützende Dimension erhalten würde. Wichtig sei dabei jedoch die Feststellung, dass erst wenn eine einheitliche Auslegung und Anwendung des Unionsrechts nicht nur auf die, sondern auch in den Mitgliedsstaaten sichergestellt ist, von Gleichheit ausgegangen werden kann. Nach Meinung des Autors ginge mit den jüngsten Judikaten des EuGH eine Veränderung einher, wobei die Autonomie des Unionsrechts vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen von EuGH und anderen Gerichten diskutiert wird. An zwei Beispielen zeigt Schmeller auf, dass sich die Einheit und Autonomie des Unionsrechts in sich konsequent gegen verschiedenartig gestaltete Heteronomie von außen abschirme. Demokratiestaatlichkeit sei ein besonderer Wert der EU, daher befasse sich der EuGH bei der Ausgestaltung der Werte mit einzelnen Verfassungsnormen (Rechtsstaatlichkeit), verfassungstheorethischen Figuren (mitgliedstaatliche Gleichheit) sowie mit den Fragen nach den Grundrechten (Demokratie).

Modi der Grundrechtsprechung des EuGH

Im zweiten Kapitel befasst sich Schmeller zunächst mit der stärker als bisher wahrnehmbaren Grundrechtsprechung des EuGH, die nach dem verbindlichen Inkrafttreten der Charta der europäischen Grundrechte im Dezember 2009 erst und gerade in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung genommen und einen deutlich höheren Raum in der Judikatur des EuGH eingenommen habe. Für unseren Autor zeige sich hier sehr deutlich, dass die Grundrechtsprechung des EuGH nicht von dem verfassungsrechtlichen Momentum der übrigen Werterechtsprechung losgelöst, sondern mit ihr vielmehr inhaltlich verwandt sei. Historisch habe sich der EuGH hier zu einem Akteur der proaktiven Ausgestaltung grundrechtlicher Dogmatik entwickelt.

Im Folgenden differenziert Schmeller die Grundrechtsprechung des Gerichtshofes anhand der beiden zentralen Modi unionaler Judikatur, der Charta der Grundrechte sowie dem Sekundärrecht bevor er thematische Felder der neueren Grundrechtsprechung sowie eine Bewertung der thematischen Schwerpunktsetzung der neuen unionalen Befassung mit Grundrechten vornimmt. Dabei betont unser Autor die Herausforderung des EuGH auf 27 Rechtssysteme einzugehen und für sich eine komplexe akkulturierende dogmatische Linie schaffen zu müssen. Anlehnen würde sich der EuGH dabei sehr stark an die deutsche Rechtsprechung und an die Tätigkeit des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog als vormaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, auch im Blick auf das Urteilsschema im Umgang mit den Garantien der Grundrechtecharta in die Prüfungspunkte „Schutzbereich“, „Einschränkung“ und „Rechtfertigung“, wobei dieser letzte Punkt sich wieder in die drei Schritte „Legitimer Zweck“, „Geeignetheit“, „Erforderlichkeit“ und „Verhältnismäßigkeit“ unterteilen lässt. Mit ihrem Sekundärrecht bestimme die EU laut Schmeller weltweite Rechtsstandards, die Ausgestaltung von grundrechtlichen Garantien über dieses Sekundärrecht führe zu einer Verwirklichung und erlebbaren Geltung der Grundrechte weltweit, die laut Feststellung unseres Autors mit der Auseinandersetzung nur über die Grundrechtecharta so nicht möglich wären. Schmeller lotet hier einzelne thematische Felder der EuGH-Judikatur aus, unter denen er vor allem den Bereichen Justizgrundrechte, Antidiskriminierung, Recht auf gute Verwaltung, Datenschutz sowie Berufs- und Unternehmensfreiheit als häufigste Grundrechtsfelder große Bedeutung beimisst und diese entsprechend umfassend analysiert. Im Blick auf das Religionsverfassungsrecht wäre dieses laut Schmeller mittelbar über das Antidiskriminierungs- und Datenschutzrecht sowie über den Zugang zu staatlichen Gerichten als Ausprägung der Justizgrundrechte berührt.

Religionsrechtliche Kompetenz des EuGH

Die wachsenden Spannungen im Verhältnis von Europa- und staatlichem Religionsgemeinschaftsrecht übersteige eine erhöhte Grundrechtsprechung, vielmehr könne laut unserem Autor in Bezugnahme auf Art. 10 Grundrechtecharta eine bemerkenswerte Entwicklung wahrgenommen werden: Von 2017 bis 2021 sind neun Urteile ergangen, in denen sich der EuGH mit Art. 10 Grundrechtecharta befasst, hinzu kommen noch weitere Urteile mit religiösem Hintergrund, die sich im Bereich des Sekundärrechts ohne Bezug auf die Grundrechtecharta entfalten. Somit diagnostiziert Schmeller einen spektakulären Anstieg während der letzten Jahre im Blick auf Urteile, die sich auf die Religionsfreiheit beziehen und er spricht deshalb von einer neuen Phase der EuGH-Grundrechtsprechung seit 2009. Die Religionsfreiheit ist ein komplexer Begriff, der durch die Religionsfreiheit als Individualrecht, einschließlich des forum internum und externum, geschützt wird. Darüber hinaus beinhaltet diese Religionsfreiheit auch eine kollektive Dimension, also ein Recht auf Selbstbestimmung für Religionsgemeinschaften. Dieses Recht ist auch in einigen nationalen Verfassungen ausdrücklich verankert. Und schließlich trägt auch das Antidiskriminierungsrecht zur Religionsfreiheit bei. Die Auslegung und Umsetzung bestehender Gesetze zu den Religionsfreiheiten wird stark von historischen, kulturellen und gesellschaftlichen Faktoren beeinflusst, die in jedem Mitgliedstaat anders sind, ist die EU in dieser Hinsicht eine sehr heterogene Gemeinschaft.

EuGH als „Grundrechtegericht“

Der EuGH entwickle sich laut Darstellung unseres Autors immer mehr zum „Grundrechtegericht“ auf dem Weg von der Wirtschafts- zur Werteunion, vom Wirtschafts- zum Verfassungsgericht. Die Grundrechtsprechung des EuGH setze nach Schmöller Schwerpunkte, nach denen ein bestimmtes Kultur-, ein Wertesystem der EU auszumachen sei, das der Sinn des von dieser Verfassung konstituierten Staatslebens sein soll. Religionsfreiheit umfasse nach Schmeller die Freiheit der Religionsausübung individuell und in Gemeinschaft sowie der Zusammenschluss zu einer dauerhaften Gemeinschaft, die um die korporative Religionsfreiheit (Beschränkung und Förderung religionsrechtlicher Belange) erweitert werden. Das staatliche Religionsgemeinschaftsrecht behandle somit das Recht der korporativen Religionsfreiheit nach unserem Autor als einem von insgesamt vier Teilen des Grundrechts der Religionsfreiheit insgesamt und daraus resultiere, dass sich die Rechtsprechung des EuGH zur Religionsfreiheit als solche zum staatlichen Religionsgemeinschaftsrecht begreifen und analysieren lässt. Nach Schmeller werde die Materie des Religionsgemeinschaftsrechts damit sowohl über mitgliedstaatliche wie auch über unionale Normen als Substrat gebildet und laut unserem Autor über die hierzu ergehende mitgliedstaatliche wie unionale Rechtsprechung als weitere Form der Kompetenzwahrnehmung geprägt. Religionsfreiheit vereine damit rechtlich nicht hierarchisierbare, mithin parallele Kompetenzen, die sich nicht einseitig als national oder unional prägen ließen.

Vier religionsrechtliche Grundsätze der EU

Religionsrecht und Religionspolitik der EU lassen sich grundsätzlich auf vier Grundsätze zurückführen: Achtung mitgliedstaatlicher Systemgestaltung, Dialog mit den Religionsgemeinschaften, Garantie korporativer Religionsfreiheit und die Nichtdiskriminierung aus religiösen Gründen. Schmeller verweist hier in seiner gelungenen Analyse auf die Notwendigkeit der Ausübung unional-legislativer Kompetenz auf dem Gebiet des staatlichen Religionsrechts, dies insbesondere in den Bereichen des Steuerrechts, Baurechts sowie bei Markenschutzbestimmungen, Datenschutz und Wettbewerbsrecht und Antidiskriminierungsrecht (Kirchl. Arbeitsrecht). Diese Bereiche bilden hier wichtige Themenfelder der Reflexion unseres Autors, der sodann einzelne Urteile auf dem Gebiet der individuellen Religionsfreiheit und des staatlichen Religionsrechts durch den EuGH untersucht. Schmeller analysiert einige formale und methodische Zugänge zu den Urteilen und dem Stil der Argumentation sowie einer Gewichtung der Auslegungsmethoden durch den EuGH.

Individuelle Religionsfreiheit

Breiten Raum widmet die Darstellung unseres Autors den tierschutzrechtlichen, migrationsrechtlichen sowie antidiskriminierungsrechtlichen Themenfeldern, welche sich auf die individuelle Sphäre der Religionsgemeinschaft beziehen. Durch Analyse und Vergleich ordnet Schmeller die Materie praktisch, sodass dem Leser durch den Inhalt die einzelnen Urteile veranschaulicht dargestellt und kommentiert werden. Beim Tierschutzrecht sowie beim Migrationsrecht, dem Antidiskriminierungsrecht in den Bereichen Kopftuch am Arbeitsplatz sowie Wahrnehmung der religiösen Feiertage betont der EuGH den gesellschaftlichen Pluralismus und das Erfordernis, ein angemessenes Gleichgewicht und ein Ausgleich herzustellen, wenn die in mehreren Verträgen verankerte Grundrechte und Grundsätze betroffen sind. Hier ließen sich nach Schmeller eben Muster der Rechtsprechung des EuGH ausmachen, indem er der Position individueller Religionsfreiheit insgesamt ein sehr hohes Gewicht zuweist. Dies zeige sich vor allem dabei, dass der EuGH sich bisweilen über das einen schwächeren Schutz forcierende Vorbringen von Verfahrensbeteiligten, Mitgliedstaaten oder Generalanwälten hinwegsetze, nur scheinbar neutrale Regelungen sensibel als Ausstrahlung auf Gehalte individueller Religionsfreiheit reflektiere und das Selbstverständnis des Grundrechtsträgers als Ausgangspunkt seiner Prüfung betonte. Insgesamt zeigt sich aus dem von Schmeller analysierten Material der Urteile neben dem kooperativen Umgang mit den mitgliedstaatlichen religionsrechtlichen Ordnungen und den Gerichten auch eine konsequente Einbindung der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.

Korporative Religionsfreiheit

Schmeller setzt sich in einem weiteren Schritt nun nach der Befassung mit der individuellen Religionsfreiheit mit dem korporativen staatlichen Religionsgemeinschaftsrecht auseinander, wobei er sich in seinen Ausführungen im Detail vor allem auf die Bereiche Wettbewerbsrecht, Datenschutzrecht und Antidiskriminierungsrecht bezieht. Dabei wird Art. 10 Gundrechtecharta hier gar regelmäßig nicht in die Prüfung aufgenommen, es zeigt sich aber im Handeln des EuGH eine hohe Responsativität des Gerichtshofes gerade in den Argumentationen gegenüber den mitgliedsstaatlichen Gerichten und dem EGMR. Der EuGH erfülle damit nach Schmeller nicht nur seine Rolle im europäischen Rechtsprechungsverbund (vgl. Art. 52 Abs 3 Grundrechtecharta), sondern nehme auch auf mitgliedsstaatliche Besonderheiten und das dort individuell austarierte Niveau der korporativen Religionsgemeinschaft Rücksicht.

Grenzbestimmungen und Schranken

Im dritten großen Kapitel befasst sich unser Autor mit dem Verhältnis von mitgliedstaatlichem und Unionsrecht als „Mehrebenenrecht“, wobei unionalem Recht hier auch die Funktion von Grenzbestimmungen zukomme. Aus den Mustern der Urteilsanalysen ergibt sich darüber hinaus, dass der Gerichtshof den Wertungen durch die Mitgliedsstaaten im Rahmen seiner Verpflichtung auf Rechtseinheit, Vorrang und Autonomie des Unionsrechts materiell Rechnung trägt. Grundsätzlich gilt Art 17 Abs. 1 AEUV als Basis zur Achtung des Status, „den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht.“ Der EuGH behandle diese Norm nach Schmeller kritikwürdig und undurchsichtig, wenngleich sein Umgang mit religionsgemeinschaftlichen Strukturen als Ausdruck mitgliedstaatlicher Eigenheit vor dem Hintergrund des umfassenden unionalen Kontextes verschiedener Positionen, in den jene eingebettet sind, beurteilt werden müsse. Die Schranken der Grundrechtecharta ließen sich dabei in Bezug auf die weitgehend sekundärrechtlich operierende Rechtsprechung des Gerichtshofs nach Meinung Schmöllers kaum aktivieren. In diesem Zusammenhang könne die Klausel des Art. 17 Abs 1. AEUV für sich im komplexen Unionsverfassungssystem keinen Primat beanspruchen und wirke heute bereits im Sinne einer Abwägung in der Rechtsprechung des EuGH.

Grenzen durch die Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichts

Es sei zweifellos eine Herausforderung, eine kohärente Rechtsprechung zu entwickeln, die kollidierende Rechte gerecht ausbalanciert und schützt und dabei die unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Auffassungen der Mitgliedstaaten von Religionsfreiheit berücksichtigt. Da die Grundrechte von Einzelpersonen, Organisationen und Unternehmen miteinander kollidieren, gebe es zudem keine ideale, perfekte Lösung. Ziel der Arbeit Schmellers war es offensichtlich auch, herauszuarbeiten, wo Spannungen und Konflikte mit den nationalen Rechtsordnungen (hier besonders Deutschland und die Situation des Bundesverfassungsgerichts) grundlegend sind, wo also ein offener Verfassungskonflikt droht und wo umgekehrt nicht. Würde der EuGH dort einen Ermessensspielraum belassen, wo eine nationale Besonderheit einer einheitlichen Auslegung entgegensteht, würde die Stärke der europäischen Rechtsordnung erheblich untergraben. Dies würde nicht nur die Einheitlichkeit, sondern auch die Wirksamkeit der europäischen Rechtsordnung beeinträchtigen. Die Analyse hat gezeigt, dass bei religiösen Symbolen am Arbeitsplatz der margin of appreciation-Ansatz erfolgreich grundlegende Konflikte vermeidet. Aus der Perspektive der europäischen Verfassungsordnung hätte der EuGH sogar eine strengere Prüfung vornehmen können. Obwohl es an einem Konsens zwischen den Mitgliedstaaten mangelt, sei nicht erkennbar, dass ein etwas strengerer Ansatz zu grundlegenden Konflikten geführt hätte. Hinsichtlich der gerichtlichen Überprüfung religiöser Arbeitgeber und ihrer beruflichen Anforderungen wurde deutlich, dass ein wesentlich liberalerer und zurückhaltenderer Ansatz aus Sicht der europäischen Verfassungsordnung wünschenswerter gewesen wäre. Mit seinen Egenberger- und IR/JQ-Urteilen habe der EuGH das Recht auf Rechtsschutz und die individuelle negative Religionsfreiheit gestärkt. Damit hat er jedoch die Verfassungswirklichkeit Deutschlands, Zyperns und letztlich der EU insgesamt verkannt, die nach wie vor auf dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung beruht.

Im Lichte dieser Feststellungen ist zu folgern, dass der EuGH in Fällen, in denen es um religiöse Symbole am Arbeitsplatz geht, eine strengere Kontrolle hätte vornehmen müssen, beispielsweise einen höheren Rechtfertigungsstandard für das Bedürfnis nach Neutralität oder das Bedürfnis des Einzelnen, ein bestimmtes Symbol aufgrund seiner religiösen Überzeugungen zu tragen. Dies würde zu mehr Religionsfreiheit in der EU führen, ohne dass es zu verfassungsrechtlichen Konflikten kommt. In Bezug auf berufliche Anforderungen durch religiöse Arbeitgeber hätte der EuGH mehr Selbstbeschränkung üben und der Justiz der Mitgliedstaaten mehr Spielraum lassen sollen, um einen Verfassungskonflikt zu vermeiden. Dies sei zwar im Hinblick auf die Einheitlichkeit des EU-Rechts und im Hinblick auf den Schutz der negativen Religionsfreiheit und des Rechts auf effektiven Rechtsschutz nicht wünschenswert, trage aber der Komplexität einer supranationalen Rechtsordnung und der darin enthaltenen Rechtsprechung Rechnung.

Ausblick

Tilman Schmellers Untersuchung zeigt uns: Die Religionsfreiheit ist ein wesentliches Merkmal liberaler Demokratien und damit aller Mitgliedstaaten der EU. Einen aktuellen Überblick und eine Einordnung sowie Analyse durchzuführen gelingt dem Autor Tilman Schmeller bei aller gebotenen inhaltlichen Breite. Das Werk ist ansprechend gegliedert und besticht den Leser in den vielen Einzeldetails und Verknüpfungen der Materie und setzt sich damit zum Ziel dieser Monographie, eine jüngere neue dynamische Dimension der Judikatur ausführlich zu analysieren und einzuordnen . Ein umfassend aktualisiertes Literaturverzeichnis lädt den aufmerksamen Leser noch zusätzlich zur Vertiefung der Materie ein. Insgesamt gesehen ist diese Monographie ein sehr nützliches Hilfsmittel für Wissenschaft und Praxis, um das Verständnis der Judikatur und die Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH wahrzunehmen und einzuschätzen.

Die prägnante Analyse und sprachliche Raffinesse Schmellers hat jedoch herausgearbeitet, wie der Ausgleich zwischen diesen widerstreitenden Rechten aus der Perspektive der europäischen Verfassungsordnung gefunden werden kann. Die Sensibilität des Themas macht die Rechtsprechung zur Religionsfreiheit in einer supranationalen Gemeinschaft schwierig. Der EuGH sollte jedoch seine Rechtsprechung überdenken; er sollte das Risiko eines Verfassungskonflikts und seiner Folgen ernst nehmen und versuchen, den nationalen Lehrmeinungen entgegenzukommen. Einheitlichkeit ist kein Selbstzweck, vielmehr kann es sich die Europäische Union leisten, kulturelle und historische Unterschiede zu wahren und nationale Verfassungsidentitäten zu respektieren.

Kommentar zu OGH vom 19.12.2022,9 ObA 124/22h

Von Florian Pichler.

DOI: 10.25365/phaidra.396

Bedauerlicherweise sind Diskriminierung (darunter Formen von Mobbing) keine Seltenheit in der Arbeitswelt. Dass jedoch der OGH einen Streit zwischen einem orthodoxen Priester und seinem Bischof aufgrund von zwischenmenschlichem Fehlverhalten im Kontext der priesterlichen „Arbeit“ und dem hierarchischen „Dienstverhältnis“ klären soll, ist eine Seltenheit:

Der Sachverhalt

„Der Kläger steht als Priester im Dienste einer der griechisch-orientalischen (orthodoxen) Kirchengemeinden in Österreich und ist in (…) Pfarrgemeinden (…) im Auftrag des Bischofs tätig. Mit seiner an das Arbeits- und Sozialgericht gerichteten Klage begehrt der Kläger von der Beklagten (…) Schmerzengeld wegen Mobbing durch den Bischof (…). Dem von der Beklagten erhobenen Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs hielt der Kläger entgegen, dass er mit seinem Begehren einen Anspruch aus dem zwischen den Parteien bestehenden Dienstverhältnis geltend mache, der nicht vom verfassungsrechtlichen Gebot der Freiheit der Religionsausübung umfasst sei (9ObA124/22h)“.

Der Kläger behauptet gegenüber dem Arbeitsgericht, dass sein zuständiger orthodoxer Bischof „ihn (…) mehrfach übergangen und öffentlich schlecht gemacht, nicht zu einem Treffen aller Priester in Österreich eingeladen und die Versetzung des Klägers beabsichtigt und angeordnet habe.“

Der Sachverhalt gibt Einblick in ein tiefes Zerwürfnis zwischen einem Priester und seinem Bischof in der Orthodoxen Kirche. Es mag daher verständlich sein, dass er sich im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit, die er als seine „Arbeit“/seinen „Beruf“ empfindet, an die staatlichen Gerichte wendet und versucht gegen das betreffende Verhalten seines Vorgesetzen vorzugehen. Den subjektiven Anspruch des einzelnen Rechtsunterworfenen (Bürger:in) auf Entscheidung eines Rechtsstreits durch staatliche Organe bezeichnet man als Justizgewährungsanspruch (vgl. Kowatsch, in Kowatsch/Pichler/Tibi/Tripp, 111 Begriffe des österr. Religionsrecht 2022, 193–196). Der einzelne hat Anspruch darauf, dass sein Rechtsstreit von einem staatlichen Gericht beurteilt wird.

Nicht immer:

Zwar zählt das Rechtsschutzprinzip zu den Rechtsprinzipien und Baugesetzen der demokratischen Republik, jedoch gibt es explizit Bereiche, in denen sich nicht nur der staatliche Gesetzgeber, sondern auch die richterliche Gewalt nicht einmischen (vgl. hierzu spezifisch OrthodoxenG 1967 StF: BGBl. Nr. 229/1967 idgF BGBl. I Nr. 68/2011). Dies an der Abgrenzung der inneren Angelegenheiten von den äußeren Rechtsverhältnissen (vgl. Potz, in: Kowatsch/Pichler/Tibi/Tripp, 111 Begriffe des österr. Religionsrechts, 173–176; Kalb/Potz/Schinkele, Religionsrecht (2003), 65-70, 272–301) bzw. dort, wo der Staat eine Schranke durch die „allgemeinen Staatsgesetze“ (Vgl. Art. 15 StGG) setzt und die inneren Angelegenheiten dadurch einschränkt.

Innere Angelegenheiten sind jene Regelungstatbestände, die der Staat aufgrund der Selbstorganisation der Kirchen und Religionsgesellschaften nicht antasten darf. Sie regeln diese autonom. Art. 9 EMRK bzw. Art. 15 StGG sichern diese inneren Angelegenheiten verfassungsrechtlich vor einer staatlich-gesetzlichen Regelung und auch vor einer staatlich-richterlichen Beurteilung. Sie zu schützen oder einzuschränken ist Aufgabe des Rechtstaates (vgl. Korinek, zu Art. 9 EMRK, in: Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rnn. 8–12; Muzak, Art 9 MRK [Stand 1.10.2020, rdb.at], Rn. 9).

Diesem Grundsatz folgt der arbeitsrechtliche Senat des OGH in seiner rechtlichen Beurteilung:

„Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass der Staat und damit die weltlichen Gerichte in den innerkirchlichen Bereich nicht eingreifen dürfen, sodass der Rechtsweg in solchen Angelegenheiten unzulässig ist (Art 15 StGG (…) Zu den „inneren Angelegenheiten“ im Sinne des Art 15 StGG zählen jene, welche den inneren Kern der kirchlichen Betätigung betreffen und in denen ohne Autonomie die Religionsgesellschaften in der Verkündung der von ihnen gelehrten Heilswahrheiten und der praktischen Ausübung ihrer Glaubenssätze eingeschränkt wären. Der sich daraus ergebende Bereich der inneren Angelegenheiten kann naturgemäß nicht erschöpfend aufgezählt werden (…). Im Hinblick auf die Weite der Autonomiegarantie des Art 15 StGG sind auch die Arbeitsverhältnisse derjenigen Personen, die mit inneren Angelegenheiten befasst sind, konsequenterweise Teil der inneren Angelegenheiten (…). Auch bei Dienstrechtsstreitigkeiten scheiden daher aus der Beurteilung durch das Gericht alle Vorfragen aus, welche etwa die Rechtsgültigkeit der Amtsenthebung, der Pensionierung, der Disziplinarstrafen, einer Versetzung oder die Änderung der kirchlichen Organisation und die damit verbundene Auflassung von Pfarren etc. betreffen.“

Mitarbeiter:innen des Bischofs: Laien und Kleriker, Arbeitnehmer:innen und Unterhaltsempfänger

Bei der Lektüre des Urteils ist es notwendig, drei innere Angelegenheiten etwas näher zu beleuchten. Selbst unter den christlichen (vor- und insb. nachreformatorischen) Kirchen gibt es deutliche Unterschiede bei der Wahl der Lebensform, des Arbeits- bzw. Tätigkeitsverhältnisses zum kirchlichen Arbeits- oder Unterhaltsgeber und den innerkirchlichen Gerichten, die solche Streitfragen zu lösen haben:

1. Innere Angelegenheit: Das religiöse Angebot der Lebensformen:

In den vorreformatorischen Kirchen herrscht bis heute eine Standestrennung vor, die Gläubige in zwei bis drei große Gruppen aufteilt: Die einen werden Laien genannt, die anderen sind aufgrund besonderer Gelübde in den Lebensstand der Kleriker und/oder der Ordensleute eingetreten. Alle sind durch die Taufe zu Mitgliedern der Kirche geworden. Im Laufe ihres religiösen Lebens entscheiden sie sich, einer bestimmten religiösen Standesgruppe anzugehören und besondere religiöse Tätigkeiten zu übernehmen. Meistens treten Männer durch Weihen in den Klerikerstand ein. Männer und Frauen versprechen dauerhaft, sich an eine Ordensgemeinschaft zu binden oder eine besondere religiöse Lebensform zu wählen und werden dadurch zu Ordensmitgliedern und Rätechristen. Im überwiegenden Fall leben Kleriker und Ordensangehörige zölibatär.

Die drei klassischen consilia evangelica finden sich im Matthäusevangelium: Mt 19,12 fordert die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen; Mt 19,12 fordert die Gütergemeinschaft im Ordensverband (Klostergemeinschaft) bzw. die Entsagung von übermäßigem Verlangen nach irdischen Gütern und Mt 20,26 fordert die Unterordnung in ein hierarchisches Gefüge im klösterlichen Verband oder gegenüber dem Bischof. Dies sind freiwillig übernommene Regeln für ein gelingendes religiöses Leben in einem besonderen religiösen Lebenstand. Diese zu regeln ist Kernaufgabe der inneren Angelegenheiten (in der Katholischen Kirche insb. c. 573 CIC, vgl. Meier, Gelübde, in: Meier, Kandler-Mayr, Kandler, 100 Begriffe aus dem Ordensrecht (2014),197–200).

2. Innere Angelegenheit: Das Anstellungs- bzw. Tätigkeitsverhältnis

Die überwiegende Anzahl der kirchlichen Mitarbeiter:innen steht heute in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis (etwa nach dem AngestelltenG) zu ihrem kirchlichen Dienstgeber. Im Regelfall sind diese der Gruppe der Laien innerhalb der jeweiligen Kirche zuzuordnen.

Ihr Gegenüber steht die besondere Personengruppe, die durch die Kirche (oder den Bischof) unterhalten werden. Sie empfangen keinen Lohn für ihre verrichtete Tätigkeit, sondern einen Unterhalt. Dieser Unterhalt wird Sustentation (vgl. Kowatsch, in 111-Begriffe, 317–320) genannt. Das Unterhaltsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis. Es wird innerhalb der meisten Kirchen als Inkardination (Ins-Herz-Schließen) bezeichnet. Die Verpflichtungen seitens des Unterhaltsgebers sind umfassender als bei einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis. Eine Kündigung gibt es nicht, der Ausschluss ist an strenge innerkirchliche Normen und Verfahren gebunden. Die Unterhaltshöhen variieren nach den Bedürfnissen der Inkardinierten (Unterhaltssumme, Ausbildung, Versicherungen, besondere Aufwände). Klassisch übernimmt der Inkardinationsträger auch die Versorgung im Alter und in Krankheit ohne zeitliche Begrenzung, denn er zahlt im Regelfall nicht in das staatliche Pensionssystem ein. Inkardiniert werden Kleriker von ihrem Bischof oder Ordensgeistliche von ihrem Ordensoberen. Sollte jemand den Inkardinationsverband verlassen, hat der kirchliche Unterhaltsgeber verschiedenen Pflichten nachzukommen, um derjenigen Person einen geregelten Start in der Arbeitswelt (inklusive Sozial- und Pensionssystem) außerhalb eines Inkardinationsverhältnis zu ermöglichen (§§ 4 (1) Z. 13, aber 5 (1) Z. 7 und § 314 ASVG, weiters Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 132 ArbVG Rz. 58).

Im betreffenden Fall ist der orthodoxe Priester (Pfarrer ist sein Verwendungszweck innerhalb der orthodoxen Kirche) inkardiniert und kein Arbeitnehmer in einem Dienstverhältnis nach staatlichem Recht. Er wird von seinem Bischof unterhalten und übt die Seelsorge – eine typische innere Angelegenheit von Kirchen und Religionsgesellschaften – als geistlicher Amtsträger im Auftrag des Bischofs aus. Nicht jeder Priester ist Pfarrer, aber jeder Pfarrer ist Priester. Beide sind jedoch Inkardinierte und unterstehen der religiösen Autorität, die zumeist Bischof genannt wird, der sie unterhält. Sie sind aber nicht durch einen Arbeitsvertrag an die religiöse Autorität gebunden.

3. Innere Angelegenheit: Die kirchenrechtliche Beurteilung von Streitigkeiten zwischen Inkardinierten und Inkardinationsbischof

Betont werden muss, dass Mobbing (bzw. Diskriminierung) zwischenmenschlich in keinem Arbeits- und keinem Inkardinationsverhältnis tolerabel ist. Im Arbeitsrecht ist dafür § 1 (1) Z. 1 GlBG einschlägig. Es gilt für „Arbeitsverhältnisse aller Art, die auf privatrechtlichem Vertrag beruhen“. Neben dieser Bestimmung sind Regeln der Moral, der Sitte oder religiöse Normen (grundlegend für Christen die Goldene Regel nach Mt 7,12 „Was Du nicht willst, das man Dir tut, …“) besonders für kirchliche Autoritäten Handlungsleitlinien, Gebote und religiös Verbindliches, gegen das ihre Verantwortungsträger:innen nicht verstoßen sollten. Nach § 17 (1) Z. 6 GlBG ist eine Belästigung (Mobbing) ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz und wird als Diskriminierung betrachtet. Nach § 21 (2) Z. 1–3 GlBG liegt eine Diskriminierung nach § 17 auch vor, wenn die „Würde der betroffenen Person verletzt oder dies bezweckt“ wird oder der Arbeitgeber eine Verhaltensweise setzt, „die für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und (…) die ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.“

Nun beruht jedoch das Verhältnis dieses inkardinierten Priesters, der von seinem Bischof mit der Seelsorge und Leitung der orthodoxen Pfarren beauftragt wurde, nicht einem privatrechtlichen Vertrag, sondern einem Verhältnis sui generis, das zu den inneren Angelegenheiten nach Art. 15 StGG zählt. Er ist inkardinierter Unterhaltsempfänger und übt die Tätigkeit des Pfarrers aus, auf welche das GlBG nicht zutrifft. Dies ist die Quintessenz des OGH-Erkenntnisses.

Exkurs: Mobbing und Diskriminierung von kirchlichen Mitarbeiter:innen im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis

Angenommen es würde sich beim vorliegenden Sachverhalt um einen kirchlichen Mitarbeiter mit privatrechtlichem Anstellungsverhältnis handeln, wären einige Sondernormen des GlBG zu beachten: § 20 (1–2) GlBG enthält Ausnahmen in Bezug auf Merkmale der Religion und die geforderte Lebensform:

§ 20 (1) leg. cit: „Bei Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals“ nach „§ 17 genannten Diskriminierungsgründe steht, liegt keine Diskriminierung vor, wenn das betreffende Merkmal auf Grund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt (…). (2) Eine Diskriminierung auf Grund der Religion oder Weltanschauung liegt in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen (…), deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, nicht vor, wenn die Religion (…) dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt.“

Auch kirchliche Angestellte in privatrechtlichen Anstellungsverhältnissen (bsp.weise nach dem AngG) unterliegen den betreffenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen des GlBG nicht vollumfänglich. Gegen „Belästigungen“ iSv § 21 (1–4) GlBG können kirchliche Mitarbeiter:innen im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis den staatlichen Rechtsweg einschlagen. Sie ist eine Diskriminierung nach § 17 GlBG. Jedoch sind nicht alle in § 17 BlBG festgehaltenen Diskriminierungstatbestände auf Mitarbeiter:innen von Kirchen und Religionsgesellschaften anzuwenden.

Durch § 20 (1) GlBG ist es zulässig „wegen eines Merkmals (…)“ Arbeitnehmer:innen anders zu behandeln und ihn sie vom (rechtlichen) Vorwurf der Diskriminierung insbesondere im Hinblick auf ihren beruflichen Aufstieg und ihre Anstellung und Entlassung (§ 17 (1) Z. 1,5 und 7 GlBG) anders zu behandeln. Religionsgesellschaften (darunter diese orthodoxe Kirche) sind dabei als Tendenzbetriebe Arbeitgeber, die von ihren Arbeitnehmer:innen besondere Loyalitätspflichten und auch eine bestimmte private Lebensform fordern dürfen, wenn die „Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation“ darstellt. Hierzu sind beispielsweise Religionslehrer:innen oder leitende Angestellte der kirchlichen Verwaltung – u. a. auch Chefärzt:innen in kirchlichen Krankenhäuser (vgl. Fall Egenberger in Deutschland) – zu nennen. Der kirchliche Arbeitgeber ist ebenso frei, die Arbeitnehmer:innen mit unterschiedlich strengen Loyalitätspflichten zu beurteilen.

Fazit

Auf diese Details der Diskriminierungsbestimmungen gemäß GlBG nimmt der OGH bereits keine Rücksicht in seiner Entscheidung, weil er die Beurteilung des Umgangs zwischen Über- und Untergeordneten im Inkardinationsverband als innere Angelegenheit nicht beurteilt, wertet oder kontrolliert. Die Beschwerde des orthodoxen Pfarrers richtet sich „in Wahrheit gegen die inhaltliche Begründetheit“. Die „Äußerungen und Handlungen des Bischofs in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner priesterlichen Tätigkeit“ sind nicht zu beanstanden, da sie „zu diesem innerkirchlichen Bereich“ gehören. Für solche Streitigkeiten haben die meisten Kirchen innerkirchliche Gerichte und Schiedsinstanzen eingerichtet.

Auch der Vorbehalt nach Art. 15 StGG, wonach jede religiöse Autorität bei der Regelung der inneren Angelegenheiten den „allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen“ ist, und daher dem GlBG unterworfen sei, greift nicht. Der Staat kann die Regelungsfreiheit der inneren Angelegenheiten (Art. 9 EMRK/Art. 15 StGG) durch die allgemeinen Staatsgesetze nicht beliebig einschränken. Ansonsten würde eine Fülle von Einzelgesetzesbestimmungen die verfassungsgesetzlich gewährte Autonomie in den inneren Angelegenheiten unterlaufen. Gerade im GlBG nimmt er auf den autonomen Kern der inneren Angelegenheiten Rücksicht, zu diesem gehört die Übertragung eines geistliches Amtes (Pfarramt) und die Aufnahme oder Beendigung in den Inkardinationsverband (Aufnahme in den Klerikerstand/Priesterweihe), aber auch das privatrechtliche Arbeitsverhältnis kirchlicher Mitarbeiter:innen (ohne Inkardination, ohne Weihe). Er trifft Ausnahmebestimmungen zugunsten der verfassungsrechtlich geschützten inneren Angelegenheiten.

Das österreichische Religionsrecht vor Gericht. Anmerkungen zum Urteil des EuGH in der Rechtssache C‑372/21 vom 2. Februar 2023

Von Andreas Kowatsch.

DOI: 10.25365/phaidra.395

1. Einführung

Besonderheiten des Europarechts

Mit der Mitgliedschaft in der EU ist die Verpflichtung der Staaten verbunden, alle Maßnahmen zu unterlassen, durch die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährdet werden könnte (vgl. Art. 4 Abs. 3 EU-V). Bereits seit den frühen 1960er-Jahren hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zwei Wirkungen des Gemeinschaftsrechts (jetzt: Unionsrechts) herausgearbeitet, die die Wirksamkeit dieser „supranationalen“ Rechtsordnung gewährleisten sollen. Die „unmittelbaren Anwendbarkeit“ des Unionsrechts bedeutet, dass unter bestimmten Voraussetzungen (etwa im Fall einer Verordnung oder einer nicht ausreichend oder fristgerecht ins nationale Recht umgesetzten Richtlinie) das Unionsrecht unmittelbar für die Bürger:innen Rechte begründet. Im klassischen Völkerrecht haben im Normalfall nur die Staaten gegeneinander Rechtsansprüche. Die zweite Wirkung ist der „Anwendungsvorrang“, den die Rechtsakte der Union, die deren Organe im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlassen haben, gegenüber dem gesamten nationalen Recht genießen. Auch nationales Verfassungsrecht darf im Konfliktfall mit gegenteiligem Unionsrecht nicht angewendet werden. Für die Wirksamkeit des Beitritts Österreichs im Jahr 1996 war vor allem deshalb auch zwingend eine Volksabstimmung durchzuführen, da der Vorrang des Europarechts, das (immer noch) eine geringere demokratische Legitimation als das nationale Recht hat, zu einer sogenannten „Gesamtänderung“ des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes (vgl. Art. 44 Abs. 3 B-VG) geführt hat. In einigen Staaten vertreten Lehre und Rechtsprechung die Ansicht, dass der Anwendungsvorrang dann nicht gilt, wenn die EU völlig außerhalb ihrer Kompetenzen gehandelt haben sollte („ultra vires“) oder EU-Recht die „nationale Verfassungsidentität“ in erheblicher Weise gefährden würde (vgl. Art. 4 Abs. 2 EU-V).

Ein „EU-Religionsrecht“?

Mit der Frage der Verfassungsidentität hängt auch das System der rechtlichen Beziehungen zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften zusammen. Die EU verfügt über keine Kompetenz, ein eigenes Religionsverfassungsrecht zu normieren. Allerdings betreffen mittlerweile sehr viele Bereiche, in denen die Union kompetent ist, Rechtsnormen zu erlassen, indirekt die Rechtsstellung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in den Mitgliedstaaten. Das arbeitsrechtliche Antidiskriminierungsrecht würde das grundrechtlich gesicherte Selbstbestimmungsrecht (vgl. Art. 9 EMRK, Art. 10 der Charta der Grundrecht der EU-GRC) völlig aushöhlen, wenn die Religionsgemeinschaften bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter:innen nicht nach der Religionszugehörigkeit differenzieren dürften. Sehr eng gefasste Ausnahmebestimmungen verhindern, dass dies geschieht, sichern aber auch einen möglichst weitgehenden Diskriminierungsschutz. Ein anderes Beispiel ist das Datenschutzrecht, das in den letzten Jahren immer dichter geregelt worden ist. Ohne bestimmte Ausnahmen zugunsten der Religionsgemeinschaften würden bestimmte nationale Systeme der Kirchenfinanzierung (z. B. die im deutschen Grundgesetz garantierte Kirchensteuer) zusammenbrechen. Auch hier sind die Ausnahmen aber sehr eng gefasst. Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich durch die vielfältigen Auswirkungen von Normen, die an sich mit den Religionen nichts zu tun haben, eine Art „EU-Religionsrecht“ entwickelt hat.

Um das Bewusstsein für diese Entwicklung zu schärfen, haben Religionsvertreter anlässlich der Unterzeichnung des Vertrags von Amsterdam 1997 erreichen können, dass diesem eine Erklärung über den Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften in den Mitgliedstaaten angefügt wurde. Diese politische Erklärung wurde dann anlässlich der großen Reform der EU durch den Vertrag von Lissabon 2007 (in Kraft getreten 2009) in den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) als dessen Artikel 17 aufgenommen und ist damit Bestandteil des sogenannten „Primärrechts“. An dieser höchsten Rechtsschicht müssen sich alle anderen Normen der EU messen lassen. In diesem Artikel bekennt sich die Union zu einem institutionalisierten ständigen Dialog mit den Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften. Für die Frage der Abgrenzung von staatlichen und europäischen Kompetenzen wichtig sind die Absätze 1 und 2. Absatz 1 lautet: „Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht.“[1]

Da sowohl von einer „Achtung des Status“ die Rede ist, als auch die Verpflichtung, diesen „nicht zu beeinträchtigen“, festgehalten wird, sichert Art. 17 AEUV die nationalen religionsrechtlichen Systeme primärrechtlich ab. Nicht jede Auswirkung auf staatliche Normen, die die Religionen betreffen, ist dadurch aber verboten. Eine solche Lesart würde den Zielen des Europarechts diametral entgegenstehen. Verboten sind aber Rechtsakte, die das Staat-Kirche-Verhältnis in einem Staat erheblich verschieben würden. Dazu fehlt der EU die Kompetenz. Die Frage, ob ein Gemeinwesen auf einer ausgrenzend-laizistischen Verhältnisbestimmung zu den Religionen aufbaut oder ob wie in Österreich ein verfassungsrechtliches Konzept einer kooperativen Hereinnahme vor allem der anerkannten Religionsgesellschaften in die staatliche Öffentlichkeit vorherrscht, ist Teil der nationalen Verfassungsidentität und ausschließlich von den Mitgliedstaaten zu bestimmen. Sogar die vorherrschende Stellung einer Staatskirche (wie in Griechenland, Malta oder Dänemark) ist mit den Grundprinzipien der EU vereinbar.

2. Das Vorabentscheidungsverfahren C-372/21

Was war geschehen?

Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten ist in Deutschland der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden. Anders als in Österreich beruht dieser Status nicht auf einer gesetzlichen Anerkennung, die an strenge Kriterien geknüpft ist. Ausreichend ist, dass eine Religionsgemeinschaft durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten kann (so Art. 137 Abs. 5 der Weimarer Reichsverfassung von 1919; durch Art. 140 GG wurden die „Kirchenartikel“ der WRV Bestandteile des GG). Das Bundesverfassungsgericht verlangt Rechtstreue als weiteres, ungeschriebenes Kriterium.

In Österreich genießen die „gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften“ (KuR) ebenfalls öffentlich-rechtlichen Status, wobei im Einzelfall die damit verbundenen Rechte umstritten sind. Um den Status einer KuR zu erlangen, normiert das Anerkennungsrecht (im AnerkG von 1874 und in § 11 BekGG) strenge Voraussetzungen. So muss eine positive Grundeinstellung gegenüber dem Staat und der Gesellschaft vorhanden sein. Die Gemeinschaft muss bereits eine längere Zeit in Österreich bestehen, über eine Mindestanzahl von Gläubigen (2 Promille der österreichischen Bevölkerung) verfügen und muss sich eine Verfassung geben, die dem Staat gegenüber verbindlich die vertretungsbefugten Personen erkennen lässt und die Abgrenzung von anderen KuR erlaubt. In Österreich ist die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten seit 1998 eine staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft, nicht aber eine KuR.

Die deutschen Adventisten haben gegen die Bildungsdirektion für Vorarlberg geklagt, weil diese den Antrag auf Subventionierung einer als kombinierten Grund- und Mittelschule[2] geführten Bildungseinrichtung, die von dieser Religionsgemeinschaft als „konfessionelle Schule“ anerkannt und von ihr unterstützt wird, abgewiesen hatte. Die Schule wird von einem österreichischen Verein betrieben.

Gem. § 17 Abs. 1 PrivatschulG hat der Staat den KuR „für die mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten konfessionellen Privatschulen“ Subventionen zum Personalaufwand zu gewähren. Abs. 2 bestimmt, dass unter einer konfessionellen Privatschule eine von einer KuR unmittelbar oder durch eine ihrer Einrichtungen erhaltenen Schule zu verstehen ist. Wenn eine Schule von Vereinen, Stiftungen und Fonds erhalten werden, kann die zuständige religionsgesellschaftliche Oberbehörde diese Schule als konfessionelle Privatschule anerkennen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes können demnach nur die anerkannten KuR Subventionen für den Personalaufwand ihrer konfessionellen Privatschulen erhalten.

Die Siebenten-Tags-Adventisten sahen darin eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit als einer der Grundfreiheiten des Unionsrechts (vgl. Art. 56 AUEV) und erhoben Klage vor dem österreichischen Bundesverwaltungsgericht. Dieses wies die Klage ab, da das Unionsrecht Österreich nicht verpflichte, eine zuvor in einem anderen Mitgliedstaat anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft anzuerkennen. Auch eine solche Religionsgemeinschaft müsse daher nach dem österreichischen Recht als KuR anerkannt sein, um sich auf § 17 PrivatschulG berufen zu können.[3] Dagegen erhoben die Adventisten Revision an den VwGH. Dieser unterbrach sein Verfahren und stellte an den EuGH ein Ersuchen um Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV.[4] Das Vorabentscheidungsverfahren ist eines der wichtigsten Instrumente, um das EU-Recht mit den nationalen Rechtsordnungen zu koordinieren. Um die Einheitlichkeit des Europarechts zu sichern, entscheidet allein der EuGH über strittige Auslegungen der Verträge. Letztinstanzliche nationale Gerichte sind verpflichtet, den EuGH um Vorabentscheidung anzurufen, wenn die Klärung Frage für das jeweilige Verfahren erforderlich ist. Unterinstanzliche Gerichte sind dazu berechtigt.

Der VwGH erläuterte in seinem Ersuchen, warum ausschließlich die KuR für konfessionelle Privatschulen Subventionierungen des Personals erhalten können: KuR seien Körperschaften des öffentlichen Rechts, die über besondere Rechte verfügten und Aufgaben, u. a. im Bereich der Bildung, erfüllten, wodurch sie am staatlichen öffentlichen Leben teilnähmen.[5] Die Union müsse aufgrund Art. 17 AUEV hinsichtlich der Beziehungen zwischen einem Mitgliedstaat und den Religionsgemeinschaften neutral bleiben. Konfessionelle Privatschulen der KuR, die in Österreich hinreichend vertreten sind, ergänzen das öffentliche Schulwesen. Den Eltern soll die Wahl einer Erziehung, die ihrer religiösen Auffassung entspricht, erleichtert werden.[6]

Die Lösung der Frage hing nicht nur davon ab, ob das Unionsrecht überhaupt anwendbar ist, wenn es sich um eine Frage der grundlegenden religionsrechtlichen Normen (wie dem österreichischen Anerkennungsrecht) handelt. Die Tätigkeit der privaten Bildungseinrichtung musste auch eine wirtschaftlich relevante Erbringung von Dienstleistungen darstellen.[7] Würden die Subventionen gewährt werden, erfolgte die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln, sodass dann keine wirtschaftliche Tätigkeit mehr vorläge.

Die Entscheidung des EuGH

Nachdem der Generalanwalt seine Stellungnahme abgegeben hatte,[8] erging am 2. Februar 2023 das Urteil. Die dritte Kammer des EuGH führt aus, dass Art. 17 Abs. 1 AEUV die EU in der Frage, wie die Mitgliedstaaten ihre Beziehungen zu den Kirchen und religiösen Vereinigungen oder Gemeinschaften gestalten, neutral bleiben müsse. Dadurch würden aber religiöse Tätigkeiten nicht grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des Unionsrechts herausgenommen. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Tätigkeit in der Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt auf einem bestimmten Markt bestehe, wie es bei privat finanzierten Bildungseinrichtungen regelmäßig der Fall ist.[9]

Die Schule, für die die Adventisten Subventionen beantragt hat, wird nicht durch öffentliche Mittel finanziert. Sie übt daher wirtschaftliche Tätigkeiten aus. Für die Anwendbarkeit des Unionsrechts sei es unerheblich, so der EuGH, dass eine zukünftige Subventionierung dazu führen würde, dass keine wirtschaftliche Tätigkeit mehr vorläge. Da die Bildungseinrichtung nicht direkt von den deutschen Adventisten, sondern von einem österreichischen Verein betrieben wird, handle es sich jedoch nicht um eine Frage der Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 AEUV, sondern betrifft mit der in Art. 49 AUEV garantierten Niederlassungsfreiheit eine andere europäische Grundfreiheit.[10] Zudem gelte der Grundsatz des Verbots der Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Dieser verbiete nicht nur offensichtliche Diskriminierungen, sondern auch alle verdeckten Formen der Diskriminierung.[11]

Wendet man diese grundsätzlichen Gedanken auf den Sachverhalt an, dann steht fest, dass der Antrag auf Subventionierung einer konfessionellen Privatschule nur den in Österreich bestehenden und nach dem österreichischen Recht gesetzlich anerkannten KuR offensteht, wodurch die Niederlassungsfreiheit eingeschränkt wird. Zudem erschweren die Voraussetzungen für die gesetzliche Anerkennung, dass bislang nicht in Österreich wirkende Religionsgemeinschaften überhaupt anerkannt werden könnten. Jedenfalls fällt dies in Österreich bereits ansässigen Gemeinschaften ungleich leichter: „Diese Voraussetzungen sind also geeignet, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Kirchen und Religionsgesellschaften zu benachteiligen, die in Österreich ansässige private Bildungseinrichtungen als konfessionelle Schulen anerkennen und unterstützen.“[12]

Das grundsätzliche Verbot, die Niederlassungsfreiheit einzuschränken, wird allerdings von einigen Ausnahmen durchbrochen. So gelten die entsprechenden Bestimmungen nicht für Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind (vgl. Art. 51 AEUV). So können Richter:innen sich beispielsweise nicht unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit in einem anderen Mitgliedstaat auf das Richteramt bewerben. Staatliche Sonderregelungen für Ausländer sind nicht absolut verboten. Sie müssen allerdings aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sein (vgl. Art. 52 AEUV). Dies ist auch dann der Fall, wenn ein zwingender Grund des Allgemeininteresses eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt, solange die unterscheidenden Maßnahmen verhältnismäßig sind. Diese müssen geeignet sein, „die Erreichung der verfolgten Zielsetzung in kohärenter und systematischer Weise zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen darf, was hierzu erforderlich ist.“[13]

Daher hatte der Gerichtshof zu prüfen, ob im konkreten Fall die unterschiedliche Behandlung von nach dem österreichischen Recht anerkannten KuR und anderen Religionsgemeinschaften gerechtfertigt ist. Innerstaatlich ist es ständige Rechtsprechung des VfGH, dass gegen unterschiedliche Kategorien der rechtlichen Anerkennung von Religionsgemeinschaften keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, da die österreichische Verfassung in Art. 15 StGG diese Unterscheidung enthalte.[14]

Die Subventionierung von anerkannten KuR im Bildungsbereich (ebenso wie im Gesundheitsbereich) hängt damit zusammen, dass diese zum Wohlergehen von Menschen beitragen. Mit dem öffentlich-rechtlichen Status sind auch Pflichten verbunden, zu denen nach herrschender Auffassung auch die Erteilung des Religionsunterrichts zählt.[15] Den Eltern es tatsächlich zu ermöglichen, eine Erziehung ihrer Kinder zu wählen, die ihren religiösen Überzeugungen entspricht, kann ein legitimes Ziel sein, das der nationale Gesetzgeber verfolgt. Maßnahmen zur Sicherstellung eines hohen Ausbildungsstandards können, so der EuGH unter Verweis auf seine eigene Judikatur, einen „zwingenden Grund des Allgemeininteresses“ bilden.[16] Ob dies im konkreten Fall erfüllt ist, muss der VwGH entscheiden, da nicht der EuGH, sondern die nationalen Gerichte für die Interpretation und die Anwendung des nationalen Rechts zuständig sind. Da diese Beurteilung aber im Licht der unionsrechtlichen Vorgaben erfolgen muss, sieht sich der EuGH ermächtigt, den nationalen Gerichten bestimmte Hinweise zu geben.

In diesem Sinn hebt der EuGH folgende Merkmale des österreichischen Religionsrechts hervor:

  1. Die Anerkennung als KuR setzt eine gewisse Größe voraus, die es erlaubt, dass Tätigkeiten entfaltet werden, die sich nicht allein auf die eigenen Mitglieder beschränken.
  2. Wenn der Staat Schulen subventioniert, muss sichergestellt sein, dass diese „einen bedeutenden Teil der Bevölkerung ansprechen, der dieses Bildungsangebot wählen kann, das das von den öffentlichen Schulen angebotene ergänzt.“[17]

Die Beschränkung des § 17 PrivatschulG scheint dem EuGH daher „nicht unangemessen“ zu sein, um es den Eltern zu ermöglichen, die ihrer religiösen Auffassung entsprechende Erziehung ihrer Kinder im Rahmen eines qualitativ hochwertigen interkonfessionellen Unterrichts zu wählen.[18]

Auswirkungen auf das österreichische Anerkennungsrecht?

Für das österreichische Religionsrecht am interessantesten sind die abschließenden Überlegungen des EuGH. Da Art. 17 Abs. 1 AEUV die EU verpflichtet, den Status der Religionsgemeinschaften in den Mitgliedstaaten zu achten und nicht zu beeinträchtigen, und da in Art. 17 AEUV die Neutralität der Union gegenüber den religionsverfassungsrechtlichen Grundentscheidungen der Mitgliedstaaten ausgedrückt ist, kann die Niederlassungsfreiheit nicht dazu führen, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, den Status einer Religionsgemeinschaft anzuerkennen, den diese nach dem Recht anderer Mitgliedstaaten genießen.

Art. 11 BekGG enthält alternative Voraussetzungen im Blick auf die verlangte Dauer der Ansässigkeit einer Religionsgemeinschaft in Österreich, um als KuR anerkannt zu werden. Diese Voraussetzungen, die in der österreichischen Lehre im Einzelnen durchaus nicht unumstritten sind, gehen nicht über das zur Erreichung des legitimen Ziels, nämlich es den Eltern zu ermöglichen, die ihrer religiösen Auffassung entsprechende Erziehung ihrer Kinder zu wählen, Erforderliche hinaus.[19]

Art. 17 Abs. 1 AUEV bewirkt zwar nicht, dass in der konkreten Situation, die dem Verfahren vor dem VwGH zugrunde liegt, das Unionsrecht nicht anwendbar wäre. Die Verpflichtung der Union, den nationalen Rechtsstatus der Religionsgemeinschaften zu achten und diesen nicht zu beeinträchtigen, zieht dem Handeln der Unionsorgane im Rahmen ihrer Zuständigkeiten keine prinzipielle Grenze. Art. 17 Abs. 1 AEUV kann aber die Grundlage für Ausnahmebestimmungen von ansonsten verpflichtenden Vorschriften sein. Berührt ein unionsrechtlich zu beurteilender Sachverhalt den Status der Religionsgemeinschaften in einem Mitgliedsstaat, sind die entsprechenden Normen des Unionsrechts auch im Licht des Art. 17 AUEVU zu interpretieren. Dadurch ist trotz des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Unionsrechts auch ein gewisser Spielraum eröffnet, wie dieses mit dem jeweiligen nationalen Religionsrecht koordiniert werden kann, ohne den Anwendungsvorrang zu hinterfragen. Aus der Sicht der Religionsrechtswissenschaft zu begrüßen ist, dass der EuGH in diesem Urteil mehr als bislang anerkennt, dass Art. 17 AEUV im Gegensatz zur „Amsterdamer Kirchenerklärung“ nunmehr ein vollgültiger Bestandteil des Primärrecht ist.


Anmerkungen

[1]  Abs. 2 wendet dieselbe Bestimmung auf nichtreligiöse Weltanschauungsgemeinschaften an. Für diese sieht das österreichische Recht bislang keine besondere Rechtsform vor.

[2]  So in Nr. 12 des Schlussantrags des Generalanwalts.

[3]  Nr. 9. Die nachfolgend zitierten Nummern beziehen sich auf das EuGH-Urteil.

[4]  Die Frage lautete im Detail: „1. Fällt eine Situation, in der eine in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union anerkannte und ansässige Religionsgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat um Subventionierung einer von ihr als konfessionell anerkannten, von einem nach dem Recht dieses anderen Mitgliedstaats eingetragenen Verein in diesem anderen Mitgliedstaat betriebenen Privatschule ansucht, unter Berücksichtigung von Art. 17 AEUV in den Anwendungsbereich des Unionsrechts, insbesondere von Art. 56 AEUV? Für den Fall der Bejahung der ersten Frage: 2. Ist Art. 56 AEUV dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche als eine Voraussetzung für die Subventionierung von konfessionellen Privatschulen die Anerkennung des Antragstellers als Kirche oder Religionsgesellschaft nach nationalem Recht vorsieht?“

[5]  Nr. 11.

[6]  Nr. 16.

[7]  Dass Privatschulen auch wirtschaftlich relevante Dienstleistungen erbringen, hatte der EuGH bereits in einem anderen Verfahren (C‑622/16 P bis C‑624/16 P, Rn. 105) festgestellt.

[8]  Diese ist veröffentlicht auf: https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=A9ADCEEA2282A6B226C7C8EECA3673A1?text=&docid=262447&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=5059329

[9]  Nr. 18–20. Demgegenüber ist Unterricht an einer öffentlichen Bildungseinrichtung, die zumindest überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, keine wirtschaftliche Tätigkeit (Nr. 21).

[10] Nr. 26. Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind prinzipiell verboten. Nicht erst die Unterbindung, sondern jede Maßnahme, die eine geplante Niederlassung erschwert, fällt unter das Verbot. Die Niederlassungsfreiheit gilt auch für Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften, sofern ein Unternehmen in einem EU-Staat seinen Sitz hat.

[11] Nr. 29.

[12] Nr. 31.

[13] Nr. 33.

[14] Vgl. schon VfSlg 9185/1981.

[15] Der EuGH verweist hier (Nr. 35) auf die Erläuterungen zur Änderung des BekGG. Vgl. ErlBRV 1256/XXIV. GP, 4.

[16] Nr. 36 mit Verweis auf Urteile C‑153/02, Rn. 46, und C‑386/04, Rn. 45.

[17] Nr. 40.

[18] Nr. 41.

[19] Nr. 42f. Befremdlich ist allerdings das Argument, dass der österreichische Gesetzgeber deswegen nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des mit der nationalen Regelung verfolgten Ziels erforderlich ist, weil der Nachweis, 2 Promille der Bevölkerung als Mitglieder zu umfassen, nicht nur durch eine offizielle Volkszählung, sondern auch in anderer geeigneter Form erbracht werden kann.