Die Finanzierung von Religionsgemeinschaften in Slowenien

Von Andreas Kowatsch. ORCID logo

DOI: 10.25365/phaidra.738

Die Finanzierung von Religionsgemeinschaften beruht in der Republik Slowenien mit ihren ca. zwei Millionen Einwohner:innen,[1] wie in den meisten anderen europäischen Staaten auf einem Mischsystem, das im Wesentlichen auf Eigenfinanzierungen, aber auch auf Finanzierungen durch den Staat aufbaut. Die staatlichen Finanzierungen können in eher direkte und überwiegend indirekte Formen unterschieden werden. Eine eigenständige Erwähnung bedarf die Frage der „Denationalierung“, d.h. der Restitution von Vermögenswerten, welche nach 1945 durch die kommunistische Staatsführung enteignet worden sind. Hier hat sich Slowenien, anders als zum Beispiel die Republik Österreich, hauptsächlich für Naturalrestitutionen entschieden, wobei es sich hier um einen überaus komplexen und – wie in den meisten Staaten, die mit der rechtlichen Aufarbeitung von Enteignungen aus der Vergangenheit befasst sind – politisch umstrittenen Komplex handelt, welcher am Ende dieses rechtundreligion.at-Beitrags nur kurz angedeutet werden kann.

1. Religionsrechtlicher Rahmen

1.1 Slowenische Verfassung

Slowenien, das nach dem Auseinanderfallen Jugoslawiens 1991 als erster Nachfolgestaat die Unabhängigkeit und Souveränität erlangt hatte, ist eine demokratische Republik. Artikel 7 der Verfassung der Republik Slowenien vom 23. Dezember 1991 sieht die Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften vor. Mit der Trennung ist die Gleichberechtigung der Religionsgemeinschaften ausdrücklich verbunden und ihre freie Tätigkeit garantiert. Der Gleichheitssatz (Art. 14 Verfassung Slowenien) nennt als Kriterium die Gleichheit „ungeachtet des Glaubens“.

Da die Trennung – anders als in Österreich – als ausdrückliches Verfassungsgebot normiert ist, lässt sich Slowenien auf den ersten Blick als laizistischer Staat beschreiben. Dieser Befund wird durch eine Reihe von Besonderheiten[2] bestätigt: die Trennung schließt eine Übernahme von Hoheitsaufgaben durch die Religionsgemeinschaft aus; in den öffentlichen und staatlich zertifizierten Schulen findet kein Religionsunterricht statt; die öffentliche Schule und der öffentliche Kindergarten sind weitestgehend religionsfreie Bereiche. Selbst auf Privatschulen wirkt sich der Trennungsgedanke aus, sofern diese nicht schon vor einem bestimmten Stichtag bestanden haben. Die Trennung steht allerdings der Kooperation des Staates mit den Religionsgemeinschaften dort nicht entgegen, wo eine Zusammenarbeit für die Ausübung der Religionsfreiheit notwendig ist. In einer gewissen Spannung zum Trennungsregime steht auch die Tatsache, dass der Staat auf direkte oder indirekte Weise auf gesetzlicher Grundlage Beiträge zur Finanzierung der Religionsgemeinschaften leistet. In der slowenischen Rechtswissenschaft wird die Trennung daher nicht mit der Zurückdrängung von Religion aus der Öffentlichkeit, wie es für laizistische Staaten kennzeichnend ist, begründet.[3] Die Trennung verhindert vielmehr, dass der Staat Einfluss auf die Identität und die Handlungsfreiheit der Religionsgemeinschaften nimmt. Religionsfördernde Maßnahmen liegen daher im freien Ermessen des Staates, so lange dadurch nicht einzelne Religionsgemeinschaften unsachlich bevorzugt werden. Der slowenische Verfassungsgerichtshof anerkennt die besondere Bedeutung der Religionsgemeinschaften für das Gemeinwohl, da diese durch ihre öffentliche Tätigkeit die Verwirklichung der Religionsfreiheit erst ermöglichen.[4]

Art. 41 der Verfassung garantiert die Religionsfreiheit innerhalb der umfassend normierten Gewissensfreiheit: „Das Bekenntnis des Glaubens und anderer Überzeugungen im privaten und im öffentlichen Leben ist frei“. Neben dieser positiven Religionsfreiheit ist die negative Freiheit von Religion ebenso garantiert wie das elterliche Erziehungsrecht. Das Elternrecht auf religiöse Erziehung und die persönliche Glaubens- und Gewissensfreiheit der Kinder müssen, dem jeweiligen Alter entsprechend, miteinander in Beziehung gesetzt werden.

Als unabhängiger Staat ratifizierte Slowenien 1994 die EMRK. Art. 9 EMRK und alle anderen für die Ausübung der Religionsfreiheit und das Verhältnis von Religion und Staat relevanten Konventionsbestimmungen ergänzen daher den religionsverfassungsrechtlichen Rahmen.

1.2 Gesetz über die Religionsfreiheit

Eine bedeutende einfachgesetzliche Ausgestaltung erfuhr das Verhältnis zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften durch das Gesetz über die Religionsfreiheit („ZVS“) im Jahr 2007.[5] Dieses ermöglicht es religiösen Gemeinschaften, sich bereits ab der Mindestgröße von zehn (!) in Slowenien wohnhaften Mitgliedern staatlich registrieren zu lassen (Art. 14 ZVS). Mit der Registrierung erwirbt die Religionsgemeinschaft einen speziellen, privatrechtlichen Status als eine besondere Form einer freiwilligen, gemeinnützigen Vereinigung. Art. 4 ZVS bekräftigt die religionsgemeinschaftliche Autonomie und die Neutralität des Staates. Der Staat bekennt sich dort aber auch ausdrücklich zur Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften.

Der im ZVS begründete Rechtsstatus ist die Grundlage dafür, dass der Staat mit den einzelnen Denominationen Verträge schließen kann, welche Fragen von gemeinsamer Bedeutung normieren.  Einen besonderen Status nimmt aufgrund der völkerrechtlichen Verpflichtungskraft das Konkordat mit dem Heiligen Stuhl aus dem Jahr 2001[6] ein.

Für den Empfang staatlicher Finanzierungen ist die Registrierung gem. Art. 27 ZVS eine notwendige Voraussetzung. Registrierte Religionsgemeinschaften haben darüber hinaus auch besondere Rechte im Sammlungswesen.

2. Staatliche Finanzierungen

2.1 direkte Finanzierungen

Auch wenn die slowenische Verfassung die Trennung von Religionsgemeinschaften und dem Staat anordnet, existieren einige Formen direkter staatlicher Finanzierung.

a) Kofinanzierung der Sozialbeiträge für Geistliche

Art. 27 ZVS schafft die Rechtsgrundlage für die wichtigste Form der staatlichen Finanzierung von Religionsgemeinschaften. Der Staat bezuschusst durch zweckgebundene, direkte Zahlungen die Beiträge zur Pflichtversicherung in der staatlichen Sozialversicherung (Pensionsversicherung, Krankenversicherung und Invaliditätsversicherung) für die Geistlichen der registrierten Religionsgemeinschaften. Grundlage ist nicht der real gezahlte Lohn bzw. Unterhalt, sondern die durchschnittliche Beitragsgrundlage öffentlich Bediensteter. Eine Novellierung von Art. 27 ZVS im Jahr 2023 reduzierte die ursprünglich vollständig übernommene Bezuschussung in der genannten Höhe auf nur mehr 60 %.

Voraussetzung für die Bezuschussung ist, dass die von der Religionsgemeinschaft angestellte Person ausschließlich für diese tätig ist. Dass Priester und Ordensleute der katholischen Kirche keine Angestellten ihrer Kirche sind, sondern ihren kirchlichen Dienst im Rahmen religiöser Bindungszusammenhänge (Weihe und Inkardination bzw. Ordensgelübde bzw. -versprechen) erbringen, berücksichtigt Art. 27 Abs. 2 ZVS, der die Bezuschussung auf diesen, in der Praxis größten, Personenkreis ausdehnt.

Neben dem Wohnsitz und der tatsächlichen Tätigkeit in Slowenien hängt der Zuschuss noch an einer Mindestgröße. Für je 1000 Mitglieder übernimmt der Staat den Zuschuss für einen Religionsdiener.

b) Finanzierung besonderer Seelsorge

Neben der Kofinanzierung der Sozialversicherungsbeiträge finanziert der Staat teilweise auch das Personal für die Seelsorge im Zusammenhang öffentlicher Anstalten (Gefängnisseelsorge, Militärseelsorge, Polizeiseelsorge, Krankhausseelsorge). Dies geschieht auf der Grundlage der mit den einzelnen registrierten Religionsgemeinschaften geschlossenen Vereinbarungen.

c) Subvention der Erhaltung von Kulturgütern und andere Subventionen

Der Staat subventioniert die für die Erhaltung von Bauten und Kulturdenkmälern, die für das nationale kulturelle Erbe von besonderer Bedeutung sind, anfallenden notwendigen Kosten. Dabei handelt es ich formal um keine besondere Form einer finanziellen Unterstützung von Religionsgemeinschaften, da nicht die Religionsausübung gefördert werden soll, sondern der Kulturgüterschutz. Da die religiösen Bauten und religiösen Kunstschätze aber großteils im Eigentum der Religionsgemeinschaften sind, kommen die Subventionen direkt den religiösen Eigentümern zugute.  Ähnliches gilt dort, wo der Staat Tätigkeiten subventioniert, welche die Religionsgemeinschaften im Bereich der sozialen Fürsorge leisten. Soweit kirchliche Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen oder soziale Projekte gefördert werden, erfolgt dies in gleicher Weise wie bei nichtreligiösen gemeinnützigen Organisationen.

2.2 Indirekte Finanzierungsinstrumente

Als indirekte Finanzierungsinstrumente sind vor allem Steuerbefreiungen und gewisse administrativen Erleichterungen zu nennen. Um in den Genuss der Vorteile zu kommen, ist die staatliche Registrierung erforderlich.

a) Begünstigungen im Steuerrecht

Registrierte Religionsgemeinschaften gelten als spezielle Form einer gemeinnützigen Vereinigung. Sie sind grundsätzlich von der Zahlung der Körperschaftsteuer befreit,[7] solange die Einnahmen aus ihren Haupttätigkeiten stammen bzw. diesen unmittelbar zugeordnet sind.  (z. B. Spenden, Kultbeiträge, Einnahmen im Zusammenhang liturgischer Zeremonien). Soweit eine Religionsgemeinschaft ein Gewerbe in Gewinnabsicht betreibt, unterliegt sie der vollen Steuerpflicht.

Dass jene Immobilien, der der Religionsausübung dienen, keine unmittelbaren Wirtschaftsgüter sind, drückt sich in der Befreiung von der Grundsteuerpflicht und manchen kommunalen Gebühren (z.B. Müllabfuhr) aus.[8]

Auch wenn es sich um keinen Vorteil handelt, der mit dem Status einer registrierten Religionsgemeinschaft unmittelbar in Verbindung steht, da auch andere gemeinnützige juristischen Personen davon profitieren, kann man auch das Recht des Vorsteuerabzugs im Umsatzsteuerrecht in die Aufzählung der steuerlichen Begünstigungen aufnehmen.

Eine weitere indirekte Finanzierung des Staates im Steuerrecht bildet die Absetzbarkeit von Spenden an registrierte Religionsgemeinschaften bis zu einem bestimmten Prozentsatz des steuerpflichtigen Einkommens.[9]

Schließlich unterliegen Gegenstände, die für die Ausübung des Gottesdienstes eingeführt werden, einem ermäßigten Zollsatz bzw. sind überhaupt zollbefreit.[10]

b) Eine Kultursteuer light?

Die Komplexität des slowenischen Finanzierungssystems für Religionsgemeinschaften zeigt sich auch darin, dass neben den beschriebenen Finanzierungsformen die Steuerzahler:innen auch die Möglichkeit haben, 1 % (ursprünglich 0,5 %) ihrer Einkommenssteuer für bestimmte Zwecke im öffentlichen Interesse zu widmen. Dabei handelt es sich nicht um eine mit dem italienischen Otto-per-Mille-System[11] vergleichbaren Mandatssteuer, sondern um „persönliche Schenkungen der Einkommenssteuer“, welche an der insgesamt geschuldeten Steuerlast nichts verändert. Neben Parteien, Gewerkschaften und einer großen Zahl an NGOs sind auch Religionsgemeinschaften mögliche Profiteure dieser Steuerwidmungen. Letztlich handelt es sich hierbei um eine indirekte staatliche Finanzierung, da der Steuergläubiger der Staat ist, der zugunsten der begünstigten Organisationen auf einen (kleinen) Teil der Einnahmen aus der Einkommenssteuer verzichtet. Im Jahr 2022 widmeten die Steuerzahler durchschnittlich 22,11 Euro, welche auf über 6000 begünstigte Organisationen verteilt wurde.[12]

3. Private Finanzierungen

Auch wenn die aufgezählten staatlichen Instrumente der Finanzierung von Religionsgemeinschaften eine nicht unerhebliche Belastung des Staatshaushalts bedeuten, leisten private Finanzierungsquellen die wichtigsten Beiträge zur wirtschaftlichen Absicherung der Aufgaben der registrierten Religionsgemeinschaften. Durch die Registrierung werden diese vollrechtsfähig im Rahmen des slowenischen Privatrechts. Zugleich normiert Art. 29 Abs. 1 ZVS den Grundsatz der Selbstfinanzierung von Religionsgemeinschaften. Spezielle Einschränkungen, am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen, bestehen für Religionsgemeinschaften nicht. Sie können auf jede legale Art Eigentum erwerben und veräußern.  Religionsgemeinschaften können Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit erzielen und Früchte aus Vermögensveranlagungen ziehen. Eine besonders wichtige Einnahmequelle bilden Spenden und Erträgnisse von Sammlungen. Diese können anlassbezogen sein (z.B. Sammlungen im Gottesdienst) oder in regelmäßigen Beiträgen bestehen. Eine für alle Religionsgemeinschaften geltende Beschreibung ist nicht möglich. Innerhalb des allgemeinen Vereinsrechts haben auch die registrierten Religionsgemeinschaften die Möglichkeit, Beiträge von ihren Mitgliedern einzuheben. In der Katholischen Kirche erbitten die Pfarren von ihren Mitgliedern einen regelmäßigen Kultusbeitrag. Abgesehen von der steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden ist der Staat hier nicht beteiligt.  Von rein privaten Spenden unterscheiden sich die Kultusbeiträge aber dann, wenn sie für die Renovierung bestimmter Kulturdenkmäler erbeten werden.  Für diese Fälle besteht die Möglichkeit der staatlichen Ergänzung der Projektkosten.

4. Die „Denationalisierung“ von Eigentum

Nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens stellte sich für die neue demokratische Republik nicht nur die Frage, wie mit den nach 1945 erfolgten Enteignungen bestimmter Personengruppen (v. a. Angehörige der deutschen Volksgruppe) umgegangen werden soll. In wirtschaftlicher Hinsicht viel bedeutender erwies sich die Frage, wie weit die Überführung von Grund und Boden ins Volkseigentum (Nationalisierung) wieder rückgängig gemacht werden kann. Bereits Ende 1991 wurde mit dem „Denationalisierungs-Gesetz“[13] die rechtliche Grundlage für die Wiedergutmachung der Enteigneten geschaffen.

Der slowenische Gesetzgeber entschied sich prinzipiell für die Rückabwicklung der realen Wirtschaftsgüter, also für ein System der Naturalrestitution. Nur wo dies aus faktischen oder rechtlichen Gründen nicht möglich sein sollte, wurden den Geschädigten Ansprüche auf finanzielle Entschädigung eingeräumt.

Kirchen und Religionsgemeinschaften wurden in Art. 14 DenationalisierungsG direkt als Empfänger von Restitutionen angesprochen. Allerdings wurde dort als Voraussetzung normiert, dass diese zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes auf dem slowenischen Staatsgebiet tätig sein mussten. Dies hatte vor allem für einige Einrichtungen der Katholischen Kirche die Konsequenz, dass ihnen trotz nachweisbarer Enteignungen kein Anspruch zustehen konnte. Da nicht die Katholische Kirche als ganze, sondern immer nur eine bestimmte kirchliche juristische Person Eigentümerin von Vermögenswerten sein kann – ein Umstand, der auch dem kanonischen Recht entspricht – wurde beispielsweise ein Antrag der kroatischen Erzdiözese Zagreb auf Restitution abgewiesen.[14] Auch wenn seit 1991 über 40000 Verfahren geführt wurden, konnten bis 2025 immer noch nicht alle Anträge abschließend bearbeitet werden.[15]

Diesem Beitrag liegt folgende Literatur zugrunde:

Andrej Naglič, Svoboda cerkva v Sloveniji, The Freedom of Churches in Slovenia, in Res Novae 2 (2017), 7-32, https://doi.org/10.62983/rn2865.172.1 [Anm.: übersetzt mithilfe von deepl].

Lovro Šturm / Blaž Ivanc, State and Church in Slovenia, in: Gerhard Robbers (Hg.), State and Church in the European Union, Baden-Baden 32019, 539-561.

Ana Vlahek / Matija Damjan, The Denationalisation of Agricultural Land and Forests in Slovenia: Unfolding a Decades-Long Journey, in: Journal of Agricultural and Environmental Law, XIX (2024) No. 37, 347-382, https://doi.org/10.21029/JAEL.2024.37.347.

eurel – Sociological and legal data on religions in Europe and beyond: Länderseite „Slovenia“, https://eurel.info/spip.php?rubrique64&lang=en.


[1] Aktuelle offizielle Zahlen über die Religionszugehörigkeit der Bevölkerung gibt es nicht. Die Zahlen der Volkszählung 2002 sind nicht nur veraltet, sondern aufgrund einer großen Zahl von Nichtdeklarierungen auch nicht aussagekräftig. Die letzte offizielle Statistik der katholischen Bischofskonferenz zählte für das Jahr 2022 1.480.156 Katholik:innen, was 69,92 Prozent der Bevölkerung entsprach. Vgl. https://katoliska-cerkev.si/letno-porocilo-katoliske-cerkve-v-sloveniji-2023?utm_

[2] Zu den nachfolgend aufgezählten Bereichen der Trennung von Staat und Religionen vgl.  Andrej Naglič, Svoboda cerkva v Sloveniji, The Freedom of Churches in Slovenia, in Res Novae 2 (2017), https://doi.org/10.62983/rn2865.172.1 [Anm.: übersetzt mithilfe von deepl], 7-32,16.

[3] Vgl. Andrej Naglič, Svoboda cerkva v Sloveniji, 17.

[4] Vgl. ebd.

[5] Zakon o verski svobodi, Uradni list RS 14/07; zuletzt geändert durch Uradni list RS 102/2023.

[6] Ratifiziert am 28.05.2004, veröffentlicht u.a. im Kundmachungsorgan des Heiligen Stuhls, den Acta Apostolicae Sedis: AAS 103 (2011) 519-527.

[7] Vgl. Art. 59f. slowenisches KöStG.

[8] Diese Vorteile sind freilich politisch umstritten. Vgl. die interreligiöse Stellungnahme vor der Erlassung des geltenden Gesetzes zur Grundsteuer, welches Ausnahmen für religiös genützte Liegenschaften enthält:  A Declaration by the Council of Christian Churches and the Islamic Community in the Republic of Slovenia regarding the Property Tax Law and the Freedom of Religion Law, 30.09.2013, http://en.katoliska-cerkev.si/a-declaration-by-the-council-of-christian-churches-and-the-islamic-community-in-the-republic-of-slovenia-regarding-the-property-tax-law-and-the-freedom-of-religion-law?utm_.

[9] Vgl. Art. 142 ff. slowenisches EStG.

[10] Vgl. https://cof.org/sites/default/files/Slovenia-ia.pdf.

[11] Sieh https://rechtundreligion.at/2024/07/15/steuerwidmung-fur-alle-statt-kirchenbeitrag-vor-und-nachteile-einer-mandatssteuer-zur-kirchenfinanzierung/ hier auf rechtundreligion.at.

[12] https://www.cnvos.si/en/ngo-sector-slovenia-arhiv/personal-income-tax-donations/.

[13] Zakon o denacionalizaciji,  Uradni list RS 27/1991.

[14] Dieses Verfahren ging bis zum EGMR und erlangte dadurch eine Bedeutung für die Beurteilung der Menschenrechtskonformität von rechtlichen Voraussetzungen für die Restitution langer zurückliegender Enteignungen auch außerhalb Sloweniens. Vgl. EGMR 4, Nadbiskupija Zagrebačka v. Slovenia, 27.05.2004, Rs. 60376/00. Der Gerichtshof gesteht dort den Mitgliedstaaten einen weiten Gestaltungspielraum zu. Obwohl die Tätigkeiten der Erzdiözese Zagreb auch (geringe) Bezüge zu Slowenien aufweist, hatte die Klage keinen Erfolg.

[15] Vgl. den Bericht auf: https://sloveniatimes.com/40158/denationalisation-still-ongoing-three-decades-on.

Der neue Grundlagenvertrag zwischen der Tschechischen Republik und der Katholischen Kirche – ein Abkommen nicht nur für Katholiken?

Von Andreas Kowatsch.  ORCID logo

DOI: 10.25365/phaidra.666

Am 24. Oktober 2024 unternahmen die bevollmächtigten Vertreter der Tschechischen Republik und des Heiligen Stuhles einen zweiten Anlauf, das Verhältnis von Katholischer Kirche und dem tschechischen Staat rechtlich zu ordnen. Nach dem grünen Licht des Senats und der anschließenden Genehmigung im Abgeordnetenhaus im März 2025 steht der Ratifikation eines neuen Grundlagenvertrags, der dem nicht immer spannungsfreien Verhältnis zwischen Kirche und Staat eine neue rechtliche Grundlage geben soll, nichts mehr im Weg.[*]

Bereits im Jahr 2002 war ein erster schon unterzeichneter Vertrag vom tschechischen Parlament nicht genehmigt worden. Auch der parlamentarischen Genehmigung des aktuellen Vertrages gingen leidenschaftlich geführte Debatten voraus. Diese drehten sich inhaltlich hauptsächlich um die Kritik am staatlichen Schutz des Beichtgeheimnisses (im Land des heiligen Johannes Nepomuk!), waren in Wahrheit aber wohl auch Auswirkungen eines mitunter ideologisch überhitzten Konflikts um die Neuordnung des Verhältnisses des demokratischen Staates gegenüber den von den Kommunisten enteigneten, gesellschaftlich marginalisierten und mitunter auch heftigen Repressalien ausgesetzten Religionsgemeinschaften.

1. Gesellschaftlicher Hintergrund

Die Millionen Menschen, die jedes Jahr die Tschechische Republik besuchen und nicht nur die Hauptstadt Prag zu einem der wichtigsten Hotspots des internationalen Tourismus machen, gewinnen angesichts der zahllosen Kirchen und christlichen Baudenkmäler sicherlich nicht selten den Eindruck, ein mehrheitlich christliches Land zu bereisen. Dieser Anschein spiegelt die tatsächliche religionssoziologische Situation aber nicht adäquat wider. Das Verhältnis der Tschechen zur Religion wird vielfach als ambivalent beschrieben.  Die „Gegenreformation“ und die enge Verflechtung der Katholischen Kirche mit dem österreichischen Herrscherhaus haben die religiöse und kulturelle Landschaft Tschechiens nachhaltig beeinflusst. Vor allem aber war es der kommunistische Staatsatheismus, der mit wenigen zeitlichen Atempausen die Katholische Kirche an ihrer Sendung behinderte und teilweise auch brutal verfolgte, welcher bis heute vor allem in West- und Nordböhmen Narben hinterlassen hat.

Beim letzten Zensus 2011[1] bekannten sich nur mehr knapp über zehn Prozent der Tschechen zum katholischen Glauben. Andere christliche Konfessionen sind im Land präsent, allerdings in einer verschwindend geringen Anzahl an Gläubigen gemessen an der Gesamtbevölkerung. Zum Islam bekennt sich im Gegensatz zu den meisten westeuropäischen Ländern ebenfalls nur ein sehr kleiner Anteil der Bürger. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass knapp 45 Prozent der beim Zensus Erfassten keine Angaben zum Religionsbekenntnis gemacht hat. Die Vermutung, dass die oftmals gehörte Diagnose, Tschechien sei eines der am stärksten säkularisierten Länder Europas, zu oberflächlich ist, belegen die Zahlen der Tschechischen Bischofskonferenz. Noch ca. 37 Prozent der Bevölkerung sind demnach katholisch getauft. Die hohe Anzahl der Nichtdeklarierten könnte sich daher vielleicht auch mit der Scheu, ausgerechnet dem Staat die eigene Religion zu offenbaren, erklären.

2. Die (Vor-)Frage der Restitution enteigneter Kirchengüter

Tschechien ist das letzte Land in Mitteleuropa, das nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ein Konkordat[2] geschlossen hat.[3] Ursächlich dafür dürfte eine Gemengelage an verschiedenen Faktoren sein, welche zu beurteilen dem österreichischen Religionsrechtler nicht immer ansteht. Feststehen dürfte, dass die Spannungen sich nicht nur um technische Einzelheiten des Staat-Kirche-Verhältnisses drehen, sondern verschiedene Standpunkte zur Aufarbeitung der kommunistischen Zeit berücksichtigt werden müssen. Am augenscheinlichsten lässt sich diese Spannung an den politischen Debatten um die Frage der Restitution von staatlich enteigneten Gütern, welche die Lebensgrundlage vieler Einrichtungen der Katholischen Kirche bildeten, beobachten. Dabei handelt es sich teilweise um Güter, die bereits von den Nationalsozialisten enteignet wurden und später beim kommunistischen Staat verblieben – mitunter unter dem Vorwand, die Eigentümer hätten mit den Nationalsozialisten kollaboriert. Vor allem aber handelt es sich um Vermögen, dass nach 1948 von den Kommunisten verstaatlicht wurde. Zusammen mit diesen Enteignungen wurden Klöster aufgelöst, Religiosen zur Zwangsarbeit verpflichtet, konfessionelle Einrichtungen zerschlagen und die Mehrzahl der Bischöfe verhaftet und interniert. Eine rechtlich verlässliche Lösung der Vermögensfragen war daher aus kirchlicher Sicht nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen Voraussetzung für ein stabiles Fundament der zukünftigen Beziehungen.

Nach langen Verhandlungen und einem Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts 2010 wurde die Vermögensfrage im Jahr 2012 durch das Gesetz Nr. 428/2012 über den Vermögensausgleich mit den Kirchen rechtlich gelöst. Das Verfassungsgericht bestätigte 2013 das Gesetz in den wichtigsten Punkten. Neben der physischen Restitution von Gebäuden und Grund und Boden, die sich im direkten Staatsbesitz befanden, erhalten die betroffenen Kirchen – auf Antrag und nach einem mitunter mühsamen Verfahren – eine auf 30 Jahre verteilte Auszahlung einer Entschädigung für nicht restituierte oder beschädigte Kirchengüter. Bis 2030 erfolgt zudem eine betragsmäßig immer weiter abnehmende Subventionierung in Fortführung des Status Quo vor 2012. Vielfach ungeklärt bleibt vielfach die Frage des Umgangs mit ehemaligen Kirchengütern, die sich im Besitz der Gemeinden oder Privater befinden.

Der erzielte Kompromiss war innerkirchlich nicht unumstritten, da einerseits keine vollständige Restitution der enteigneten Vermögenswerte geleistet werden sollte, andererseits auf die historischen Rechtsansprüche einzelner Ordensgemeinschaften zu wenig Rücksicht genommen wurde. Noch viel stärkeren Widerstand erfuhr das Gesetz aber durch die Kommunistische Partei. Gemeinsam mit der Partei ANO und der Sozialdemokratie brachte sie 2019 einen Gesetzesentwurf erfolgreich durch das Abgeordnetenhaus, welcher eine Besteuerung der Wiedergutmachungszahlungen vorsah. Man wollte also, um es etwas polemisch zuzuspitzen, den Bestohlenen dazu zwingen, Steuern auf das zurückgegebene Diebesgut zu bezahlen. Etliche Abgeordnete des Senats fochten das Gesetz jedoch vor dem Verfassungsgericht an, welches noch im selben Jahr die Verfassungswidrigkeit dieses Vorhabens feststellte.

Die 2012 erzielte Lösung führt zu einer schrittweisen Trennung von Kirche und Staat in Vermögensangelegenheiten, welche 2043 vollständig erreicht sein wird. Der neue Grundlagenvertrag mit dem Heiligen Stuhl nimmt in seiner Präambel explizit auf das Gesetz 428/2012 Bezug, wodurch die vermögensrechtlichen Fragen wenigstens auf kirchlicher Seite als gelöst gelten.[4]

3. Der neue Grundlagenvertrag

Die Präambel des neuen Vertrages verweist auf die „jahrhundertealte Tradition der Beziehungen zwischen dem tschechischen Staat und der katholischen Kirche“. Deren Anpassung liege im Interesse beider Seiten. Im Blick auf die Katholische Kirche wird ihre „Verpflichtung zur Förderung des Gemeinwohls, insbesondere zum Schutz der geistigen, menschlichen und kulturellen Werte“ und ihr „Engagement für die Förderung und Entwicklung des ökumenischen und interreligiösen Dialogs“ angesprochen. Staat und Kirche wollen sich „von den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts leiten lassen, insbesondere denjenigen, die sich auf die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten beziehen“. Mit Blick auf den Staat wird die religiös-weltanschauliche Neutralität Tschechiens hervorgehoben. Die Republik und ihr Rechtssystem sind „an keine exklusive Ideologie oder religiöses Bekenntnis gebunden“. Die Bindung des Heiligen Stuhls an die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils und die Regeln des kanonischen Rechts wird anerkannt. Beide Vertragsparteien bringen schließlich „ihren gemeinsamen Willen zur Förderung einer nutzbringenden Zusammenarbeit zum Ausdruck.“

Weder formal noch materiell betrachtet, handelt es sich beim Vertrag um ein Konkordat im eigentlichen Sinn. Als Konkordat werden in der kirchlichen Rechts- und Vertragspraxis nur feierlich abgeschlossene und umfassende Regelungen des Verhältnisses zwischen Katholischer Kirche und dem jeweiligen Staat bezeichnet. Der vorliegende Vertrag regelt zwar keine isolierte Spezialfrage, sondern bildet die Grundlage des zukünftigen Miteinanders. Allerdings wird die Regelung vieler Einzelfragen zukünftigen Gesetzen überlassen und somit in die Hand des staatlichen Vertragspartners gelegt. Daher ist es korrekter, von einem „Grundlagenvertrag“ zu sprechen.

Verbindendes Kennzeichen der zeitgenössischen Konkordate ist, dass diese nicht mehr in erster Linie das Verhältnis zweier in ihrem eigenen Bereich souveräner Institutionen und damit das korporative Verhältnis von Staat und der Katholischen Kirche regeln. Zwar sind institutionelle Fragen nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil aller Staat-Kirche-Verträge, diese dienen jedoch in erster Linie dem Schutz der Religionsfreiheit. Wo der Heilige Stuhl als Völkerrechtssubjekt Verträge mit den Staaten schließt, geht es daher neben der Sicherung der ungehinderten Glaubenspraxis der Katholiken immer auch um ein anwaltschaftliches Eintreten für die Freiheit der anderen Bekenntnisse und ihrer Gläubigen.

4. Einzelne Vertragsinhalte

a) Bekenntnis zur umfassenden Religionsfreiheit

Ganz in diesem Sinn ist Art. 1 Vertrag zu verstehen, der die in Tschechien bereits verfassungs- und völkerrechtlich garantierte Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit normiert. Diese umfasst als negative Religionsfreiheit auch das Recht des Religionswechsels bzw. keinem Bekenntnis anzugehören. Positiv geschützt sind die „Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Gottesdienstbesuch, Religionsausübung, Unterricht und karitative Tätigkeiten zu bekennen.“ Art. 1 Abs. 2 Vertrag enthält eine Schrankenregelung, die in ihrer Formulierung eng an Art. 9 Abs. 2 EMRK angelehnt ist. Insgesamt fällt auf, dass es nicht nur um die Religionsfreiheit der Katholiken geht und auch nicht bloß um eine vertragliche Sicherstellung, dass auch diese vor dem Staat ihre Religion aufgeben können.

b) Rechtspersönlichkeit im staatlichen Recht

Eine klassische Konkordatsmaterie ist die Frage, welche Rechtspersönlichkeit die Kirche in der staatlichen Rechtsordnung genießt. Art. 2 Abs. 1 Vertrag normiert lediglich die Tatsache, dass die Kirche in Tschechien über eine staatlich anerkannte Rechtspersönlichkeit verfügt. Wie diese zu qualifizieren ist, und welche Rechtswirkungen mit ihr verbunden sind, wird aber nicht geregelt, sondern auf die tschechische Rechtsordnung verwiesen.[5]

Eng mit der Frage der Rechtspersönlichkeit der Kirche als solcher verbunden ist die Frage der Rechts- und Handlungsfähigkeit kirchlicher Einrichtungen. Art. 6 Vertrag anerkennt das Recht der Kirche, juristische Personen kirchlichen Rechts zu gründen. Diese erlangen „nach Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen auch die Rechtspersönlichkeit im Sinne der Rechtsordnung der Tschechischen Republik“. Sie sind verpflichtet, „bei ihrer Tätigkeit die Rechtsordnung der Tschechischen Republik einzuhalten.“ Auf welche Weise die staatliche Anerkennung erfolgt, also ob zum Beispiel (wie in Österreich) eine Anzeige bei der staatlichen Behörde erforderlich ist oder ein Genehmigungsverfahren durchlaufen werden muss, ist hier im Grundlagenvertrag nicht geregelt.

c) kirchliches Selbstbestimmungsrecht, insb. Ämterfreiheit

Bereits im Bekenntnis zur Religionsfreiheit ist ein Kernbereich des korporativen Selbstbestimmungsrechts der Kirche mit enthalten. Art. 2 Abs. 3 Vertrag führt dies näher aus und stellt klar, dass insbesondere die sogenannte „Ämterfreiheit“ geschützt ist. Die Kirche „erfüllt ihren Auftrag und verwaltet ihre Angelegenheiten nach ihren eigenen Regeln, insbesondere durch die Einrichtung, Änderung oder Abschaffung ihrer Organe und internen Strukturen; sie wählt, ernennt und entlässt ihren Klerus und andere unmittelbar an der Seelsorge beteiligte Personen unabhängig von den staatlichen Behörden“

d) kirchliche Verfassungseinrichtungen

Fragen der Errichtung und Veränderung von Diözesen und sonstigen kirchlichen Grundeinrichtungen sind eine weitere klassische Vertragsmaterie. In Art. 2 Abs. 2 Vertrag verpflichtet sich die Kirche dazu, dass ihre territorialen Teilkirchen (lateinische und orientalische) sich nur innerhalb des Staatsgebietes befinden.[6]

e) Seelsorgsgeheimnis

Wie oben bereits angedeutet, wurde der Vertrag vor der Genehmigung durch das Abgeordnetenhaus zum Gegenstand einer gesellschaftlichen Debatte, die sich vor allem an der Formulierung des Art. 4 über die Vertraulichkeit und das Seelsorgsgeheimnis entzündete. Vertreter von Opfern sexueller Gewalt in kirchlichem Kontext befürchteten die Möglichkeit der Vertuschung von Verbrechen. Politische Gegner der Kirche kritisierten, dass in Art. 4 Abs. 2 Vertrag nicht vom Beichtgeheimnis und dem Priester, sondern umfassend von den in der Seelsorge Tätigen die Rede sei. Damit allerdings nimmt der Vertrag eine religionsfreiheitsfreundliche Perspektive ein, welche in den meisten freiheitlichen Demokratien üblich ist. Das Seelsorgsgeheimnis wird allerdings nicht absolut garantiert. Zum einen soll es nur „unter den gesetzlich festgelegten Bedingungen“ gelten, zum anderen entspricht es inhaltlich der auch in anderen beruflichen Kontexten geregelten Schweigepflicht.

f) Anerkennung der kirchlichen Eheschließung

Auch wenn es in Österreich und Deutschland angesichts der seit vielen Jahrzehnten geltenden – ursprünglich gegen erbitterten kirchlichen Widerstand eingeführten – und lange auch strafbewehrten obligatorischen Zivilehe heute auch unter Gläubigen vielfach nicht mehr als Eingriff in die Religionsfreiheit wahrgenommen wird, wenn der Staat die kirchliche Eheschließung nicht wenigstens als Option auch für seinen Bereich anerkennt, hat diese Frage einen fixen Platz in den zeitgenössischen Verträgen. Kirchliches Ideal ist die Anerkennung der nach dem kanonischen Recht geschlossenen Ehe im staatlichen Recht. Die Ehe ist nach dem kirchlichen Selbstverständnis auch eine religiöse Wirklichkeit. Für deren zivile Rechtswirkungen ist der Staat zuständig. Die Ehe als solche ist aber dieselbe im kirchlichen wie im staatlichen Bereich. Sie kann daher nur einmal geschlossen werden, nicht einmal vor dem Staat und einmal in der Kirche. Art. 5 Vertrag kommt der Kirche in dieser Frage weit entgegen, indem die Geltung der kirchlichen Ehen mit der „gleichen Gültigkeit und den gleichen Rechtsfolgen wie eine zivile Eheschließung“ anerkannt wird. Zugleich wird ein Vorbehalt für das staatliche Recht gesetzt, das die Voraussetzungen für diese Anerkennung normieren muss.

g) Kulturgüterschutz

Angesichts des reichen kulturellen Erbes, das durch das Wirken der Katholischen Kirche bis heute Tschechien prägt, ist ein Bekenntnis zur Zusammenarbeit zum Schutz des von Staat und Kirche geteilten Erbes keine Überraschung. Art. 7 Vertrag enthält im Vergleich zu den vorstehenden Bestimmungen auch ins Detail gehende Regelungen, etwa über die Errichtung einer kirchlichen Kommission. Das Kulturerbe soll möglichst allen zugänglich gemacht werden, freilich unter den von den zuständigen kirchlichen Organen festgesetzten Bedingungen. Art. 7 Abs. 5 betont, dass die kirchlichen Eigentümer von kulturell wertvollen Artefakten in gleichem Maße öffentliche Unterstützungen erhalten können wie andere.

h) Seelsorge in sozialen Einrichtungen und Krankenhäusern

Die Normierung der Bedingungen, unter denen die Kirche ihre Seelsorgsdienste in „Anstaltssituationen“ erbringen kann, zählt aufgrund einer Vielzahl von mitunter gegenläufigen Interessen, die in besonderen Einrichtungen aufeinandertreffen können, zu den wichtigsten Fragen im Staatskirchenvertragsrecht.

Art. 8 Vertrag widmet sich der Seelsorge in sozialen Einrichtungen. In Abs. 1 wird das Recht aller Personen, nicht bloß der Katholiken, in diesen Einrichtungen garantiert, von den katholischen Geistlichen und Seelsorger „geistliche und seelsorgerische Betreuung“ zu erhalten. Der Empfang und die Ausübung der Seelsorge sind daher primär personenzentriert garantiert und nicht unmittelbar vom Religionsbekenntnis abhängig. Es handelt sich vorrangig um ein Recht der Person, nicht um ein Freiheitsrecht der Kirche.  Letzteres ist freilich zur tatsächlichen Ausübung der Seelsorge notwendig.

Art. 8 Abs. 2 Vertrag anerkennt das Recht kirchlicher Rechtsträger, „in der Tschechischen Republik und im Ausland soziale, karitative und humanitäre Hilfe zu leisten, und zwar, wenn sie es für zweckmäßig halten, in Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen und nichtstaatlichen Organisationen.“

Die soziale Tätigkeit entfaltet sich innerhalb des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Art. 8 Abs. 3 Vertrag garantiert das Recht kirchlicher Rechtsträger, sich eigene Statuten zu geben. Die Verbindung zur Kirche kommt auch darin zum Ausdruck, dass sie – in österreichischer Terminologie – Tendenzbetriebe bilden, die „nach den moralischen Grundsätzen und Vorschriften der katholischen Kirche verwaltet“ werden. Diese haben unter den gleichen Voraussetzungen wie Einrichtungen in nichtkirchlicher Trägerschaft Zugang zu öffentlicher Finanzierung der erbrachten Leistungen (Abs. 4).

Schließlich verweist Art. 8 Abs. 5 ausdrücklich auf die Möglichkeit, die Seelsorge mit den Gegebenheiten vor Ort zu koordinieren, indem Vereinbarungen „zwischen der zuständigen kirchlichen Behörde und dem zuständigen Träger der Sozialfürsorge oder der zuständigen staatlichen Behörde“ getroffen werden.

Art. 9 Vertrag über die Seelsorge in den Krankenhäusern ist nach demselben Schema formuliert wie Art. 8. Sein Abs. 1 stellt das Recht aller Personen in den Krankenhäusern heraus, Leistungen der spiritual care durch katholische Seelsorger zu empfangen. Abs. 2 garantiert das Recht der Kirche, „Einrichtungen des Gesundheitswesens nach den in der Rechtsordnung der Tschechischen Republik festgelegten Bedingungen und nach den moralischen Grundsätzen und Vorschriften der katholischen Kirche“ zu unterhalten. Abs. 3 ermöglicht weitergehende einvernehmliche Regelungen. Im Gegensatz zu Art. 8 Vertrag fehlt allerdings eine explizite Bestimmung über den gleichen Zugang zu öffentlichen Finanzierungen und Förderungen.

i) Gefängnisseelsorge

Die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßnahme führt nicht dazu, dass dem Strafgefangenen bzw. dem Untergebrachten das Grundrecht auf Religionsausübung und der Zugang zu religiöser Betreuung entzogen würden. Auch (demokratische) Staaten mit einer laizistischen Trennung von Religion und Staat ermöglichen auf die eine oder andere Weise den Zugang der Seelsorger zu den Gefangenen und normieren dafür bestimmte Regelungen.

Art. 10 Vertrag ist ähnlich formuliert wie die beiden unmittelbar voranstehenden Artikel. Abs. 1 garantiert das Recht aller Personen „in Gefängnissen, Haftanstalten und anderen Einrichtungen ähnlicher Art … von der katholischen Kirche geistlich und seelsorgerisch betreut zu werden.“ Auf kirchlicher Seite ist hier nicht der einzelne Seelsorger, sondern die Kirche selbst angesprochen. Kirchliche Stellen können, so Abs. 2, „bei der Erbringung von Bewährungs-, Vermittlungs- und ähnlichen Dienstleistungen“ tätig werden. Auch Art. 10 sieht in Abs. 3 die Möglichkeit der einvernehmlichen Ausgestaltung von Einzelfragen vor.

j) Militärseelsorge

Als letzter Bereich der „Anstaltsseelsorge“ greift Art. 11 Vertrag die Seelsorge für Angehörige der Streitkräfte auf. Abs. 1 spricht vom „Geistlichen Dienst der Armee“ und setzt daher die bereits existierenden Strukturen der Militärseelsorge voraus.[7] Anders als die Art. 7-10 Vertrag wird hier ausdrücklich betont, dass die Seelsorge nur gegenüber jenen Personen, die dies wünschen, ausgeübt wird. Dies gilt auch für die Seelsorge in sozialen Einrichtungen, Spitälern und Gefängnissen, ist aber innerhalb der Befehlsstrukturen des Militärs von besonderer Bedeutung für die Garantie der negativen Religionsfreiheit. Über die grundsätzliche Garantie der Militärseelsorge hinaus verweist auch Art. 11 Abs. 2 noch auf die Möglichkeit der einvernehmlichen Regelung genauerer Bedingungen und reiht sich damit in die Kette der anderen Normen über die Anstaltsseelsorge ein.

Ergänzt wird dieser Bereich noch um die Möglichkeit der Polizeiseelsorge. Voraussetzung dafür ist gem. Art. 12 Abs. 1 Vertrag jedoch ein „Ersuchen der zuständigen Behörde eines Sicherheitskorps“. Auch hier ergänzt Abs. 2 die Möglichkeit weitergehender einvernehmlicher Regelungen außerhalb des Vertrags.

k) Durchführungs- und Schlussbestimmungen

Wenn in mehreren Vertragsbestimmungen auf die Möglichkeit weitergehender einvernehmlicher Regelungen verwiesen wird, stellt sich die Frage, wer über die konkrete Ausgestaltung der vertraglich geregelten Gebiete miteinander in Verhandlung treten soll. Art. 13 Abs. 1 Vertrag ermächtigt die Tschechische Bischofskonferenz, mit den zentralen Verwaltungsbehörden der Tschechischen Republik in allen Angelegenheiten Verhandlungen zu führen, die die gesamte Katholische Kirche in der Tschechischen Republik betreffen. Sofern verbindliche Vereinbarungen getroffen werden sollen, sieht Abs. 2 ein Zustimmungsrecht des Heiligen Stuhls vor. Die Zustimmung kann auch im Vorhinein erteilt werden.

Anders als in Österreich schließt der tschechische Staat mit einzelnen Religionsgemeinschaften aber auch mit Dachverbänden wie dem Ökumenischen Rat der Kirchen Vereinbarungen, um bestimmte gemeinsame Interessen zu koordinieren. Diese Praxis soll durch den Grundlagenvertrag mit der Katholischen Kirche nicht berührt werden. Schließlich hält Art 13 Abs. 1 fest, dass die Republik und der Heilige Stuhl als Vertragspartner immer das Recht haben, in direkte Verhandlungen zu treten.

Keine Regelung enthält der Vertrag für Angelegenheiten, die nicht den Gesamtstaat betreffen. Wo die Einzelbestimmungen des Vertrages einvernehmliche Lösungen durch die zuständigen Organe der Kirche und des Staates vorsehen, richtet sich die Zuständigkeit der kirchlichen Organe nach dem kirchlichen Recht, wobei dem Diözesanbischof in vielen Fällen eine besondere Verantwortung zufallen dürfte. Auf staatlicher Seite richten sich die Zuständigkeiten nach dem tschechischen Recht.

Der Grundlagenvertrag unterliegt den allgemeinen Normen des Völkervertragsrechts. Art. 14 Vertrag sieht vor, dass „Streitigkeiten über die Auslegung oder Durchführung durch Verhandlungen zwischen den Vertragsparteien auf diplomatischem Wege beigelegt“ werden. Eine Änderung oder Ergänzung ist nur schriftlich möglich und bedarf gem. Art. 15 Vertrag jeweils des gegenseitigen Einvernehmens.

Der Grundlagenvertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen.  Art. 16 Vertrag sieht zwar ein allgemeines Kündigungsrecht für jede Partei vor. Vorrang vor einer Kündigung hat aber die Verpflichtung auf die Herstellung einer möglichst einvernehmlichen Lösung.

4. Würdigung

Der Grundlagenvertrag zwischen der Republik Tschechien und dem Heiligen Stuhl eröffnet für das nicht immer einfache, mitunter auch konfliktbeladene Verhältnis zwischen Tschechien und der Katholischen Kirche die Möglichkeit einer echten Neubestimmung des Miteinanders. Nach der Lösung der schwierigen Restitutionsfragen betont das Abkommen die Rolle der Kirche in der Bewahrung des gemeinsamen Erbes Tschechiens als Kulturnation. Ein wesentlicher Teil dieses Erbes verdankt sich dem katholischen Christentum. Der Vertrag stellt aber nicht die Freiheiten der Kirche als Institution in den Mittelpunkt, sondern bekräftigt und ermöglicht die Ausübung der Religionsfreiheit.

Auffallend ist der mehrmalige Hinweis auf das Recht der Kirche auf gleichen Zugang zu öffentlichen Finanzierungen. Dies ist indirekt als Absage an jede rechtliche Schlechterstellung der Kirche zu verstehen, wie sie gerade in vermögensrechtlichen Fragen viele Jahrzehnte lang zu beobachten war.

Wo die Kirche als Anbieterin von Seelsorgsdiensten auftritt, gilt ihre Sendung immer allen Menschen, die Zustimmung des Einzelnen vorausgesetzt. In einzelnen Punkten überschreitet der Vertrag den Horizont der katholischen Gläubigen erheblich. Art. 3 Vertrag verpflichtet die Tschechische Republik das „Recht auf Verweigerung des Militärdienstes sowie das Recht auf Verweigerung des medizinischen Dienstes aus Gewissens- oder Religionsgründen unter den gesetzlich festgelegten Bedingungen“ zu garantieren.

Der Vertrag regelt wenige Details. Die Garantien beschränken sich zumeist auf das Bekenntnis, dass es diese oder jede Form freien kirchlichen Handelns geben darf. Die konkrete Regelung wird in den meisten Fragen von weitergehenden einvernehmlichen Lösungen oder gesetzliche Regelungen abhängig gemacht. Soweit es sich dabei um einseitige staatliche Anordnungen handelt, hat der Staat weite Teile der Umsetzung des Vertrages in der Hand. Die konkrete Wirksamkeit des Vertrages wird damit zu einem erheblichen Teil vom jeweiligen politischen Willen abhängen.

Eine Regelung vermögensrechtlicher Fragen fehlt. Das Restitutionsgesetz 2012 regelt die Kirchenfinanzierung nur unter dem Blickwinkel der Wiedergutmachung. Eine vertragliche Garantie anderer Mittel der Kirchenfinanzierung (Beiträge, Subventionen, Spenden, Sammlungen, Stiftungen, etc.) wäre in einem Grundlagenvertrag zu erwarten gewesen. Diese Lücke mag damit zusammenhängen, dass alle Beteiligten froh über den vermögensrechtlichen Status Quo sind. Für die Zukunft sind aber gerade in diesem sensiblen Bereich weitere Konflikte möglich.

Ebenso auffällig ist, dass eine zentrale Konkordatsmaterie völlig fehlt: Der Grundlagenvertrag enthält keine Regelungen zum Thema Schulen und Bildung. Regelungen zu konfessionellen Schulen, der Lehrerausbildung, dem Religionsunterricht und theologischen Fakultäten fehlen. Diese Lücke ist auch angesichts des grundsätzlichen Charakters des Vertrages, der in den allermeisten Fragen auf weitergehende einvernehmliche Lösungen oder gesetzliche Regelungen verweist, auffällig und relativiert die Qualifikation als Grundlagenvertrag. Es bleibt abzuwarten, ob es zu diesem zentralen Bereich der gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche zukünftig ein Spezialabkommen geben wird können.

Trotz dieser Besonderheiten ist mit dem Vertrag ein mutiges Bekenntnis zu den Grundrechten, zum Völkerrecht und zu einem kooperativen Verhältnis von Staat und Religion gelungen, das in die Zukunft weist.

Literatur:

Tomáš Holub, Militärseelsorge in der Armee der Tschechischen Republik, https://www.bmlv.gv.at/pdf_pool/publikationen/20070716_ethica2007_holub.pdf, [02.05.2025].

Jiří Rajmund Tretera und Záboj Horák, State and Church in the Czech Republic, in: Gerhard Robbers (Hrsg.), State and Church in the European Union, Baden-Baden 32019, 69-86.

Jan Wintr, Die Religionsfreiheit in Tschechien, OER Osteuropa Recht 64 (2018), 368-378, doi.org/10.5771/0030-6444-2018-3.


[*] Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Beitrags sah es so aus, als stünde die Ratifikation durch die Republik Tschechien unmittelbar bevor. In der Zwischenzeit hat sich diese aber unerwartet verzögert und wurde das Verfassungsgericht angerufen. Wir halten Sie über das Ergebnis auf dem Laufenden.

[1] Vgl. die Übersicht auf https://www.kooperation-international.de/laender/europa/tschechische-republik/allgemeine-landesinformationen [02.05.2025].

[2] Zur Terminologie siehe Punkt 3.

[3] Vgl. Polen: Konkordat 1993; Slowakische Republik: Konkordat 2000, ergänzt um je einen Teilvertrag zur Militärseelsorge 2002 und zum Thema Schule 2004; Ungarn: vier Teilverträge im Zeitraum 1990-2013.

[4] Nicht präjudiziert sind dadurch noch offene Ansprüche einzelner Rechtspersonen, welche bislang noch nicht abschließend geregelt worden sind.

[5] Mit dem Gesetz 3/2002 wurde die staatliche Eintragung von Religionsgemeinschaften, mit welcher der Erwerb der Rechtspersönlichkeit verbunden ist, neu geordnet. Religionsgemeinschaften, die bis dahin bereits registriert gewesen sind, genießen gegenüber den neu registrierten eine Reihe von besonderen Rechtsvorteilen, welche immer wieder Gegenstand politischer Debatten sind.

[6] Mit der Nennung der orientalischen Rechtsformen der Teilkirchenorganisation (Eparchie, Exarchie) ist indirekt die Frage beantwortet, dass der Vertrag für die gesamte Katholische Kirche in Tschechien gilt. Dies festzuhalten ist deshalb von Bedeutung, da die lateinische „Römisch-Katholische Kirche“ und die „Griechisch-Katholische Kirche“ als zwei unterschiedliche Kirchen staatlich anerkannt sind. Vgl. die Übersicht auf https://mk.gov.cz/data-registrace-cirkvi-a-nabozenskych-spolecnosti-a-svazu-cirkvi-a-nabozenskych-spolecnosti-cs-408?lang=cs [02.05.2025].

[7] Vgl. Tomáš Holub, Militärseelsorge in der Armee der Tschechischen Republik, https://www.bmlv.gv.at/pdf_pool/publikationen/20070716_ethica2007_holub.pdf [02.05.2025].

Über die Zweckwidmung des (katholischen) Kirchenbeitrags

Von Andreas KowatschORCID logo

DOI: 10.25365/phaidra.608

Während die rechtundreligion.at – Reihe zur Finanzierung von Religionsgemeinschaften in Europa nach und nach die einzelnen staatlichen Finanzierungssysteme vorstellen möchte, sind die nachführenden Ausführungen zum österreichischen Kirchenbeitrag an die Katholische Kirche aus der Sicht des Kirchenrechts verfasst. Der Beitrag ergänzt insofern den Beitrag Steuerwidmung für alle statt Kirchenbeitrag? Vor- und Nachteile einer „Mandatssteuer“ zur Kirchenfinanzierung.

Von der Grundpflicht aller Gläubigen zur materiellen Unterstützung ihrer Kirche

Die durch das Zweite Vatikanische Konzil vertiefte Sicht der Kirche als Gemeinschaft aller Getauften ist nicht nur der Grund, um unter dem Stichwort „Synodalität“ nach verstärkten Mitwirkungsrechten der nichtgeweihten Gläubigen zu fragen. Die in der Taufe begründeten Rechte, an der Sendung der Kirche mitzuwirken, rufen die Gläubigen auch in eine im Vergleich zu einer „Kleruskirche“ (P. M. Zulehner) stärkere Verantwortung. Das kirchliche Recht normiert daher nicht nur eine Reihe von Grund-Rechten, welche die Getauften haben, sondern fasst die Berufung aus der Taufe auch in konkrete Rechtspflichten. An deren Spitze steht c. 209 § 1 CIC, welcher die Gläubigen verpflichtet, auch in ihrem eigenen Verhalten, immer die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren. Ebenfalls im Katalog der grundlegenden Rechte und Pflichten aller Gläubigen des Codex des kanonischen Rechts findet sich c. 222 § 1 CIC: „Die Gläubigen sind verpflichtet, für die Erfordernisse der Kirche Beiträge zu leisten, damit ihr die Mittel zur Verfügung stehen, die für den Gottesdienst, die Werke des Apostolats und der Caritas sowie für einen angemessenen Unterhalt der in ihrem Dienst Stehenden notwendig sind.“ C. 222 § 1 CIC gibt über das konkrete Ausmaß, in welchem die Gläubigen zur materiellen Unterstützung der Kirche verpflichtet sind, keine direkte Auskunft. Dieses lässt sich annäherungsweise aus Gerechtigkeitsüberlegungen – wer viel besitzt, kann auch mehr geben; möglichst alle Vermögensarten sollen berücksichtigt werden, damit es nicht zu einer einseitigen Belastung der Arbeitnehmer: innen kommt – und aus den konkreten Erfordernissen für die Verwirklichung der Zwecke des Kirchenvermögens erschließen.

Die Pflicht der Gläubigen, ihre Kirche nicht nur mit ihrer fortdauernden Zugehörigkeit und mit ihrem Gebet, sondern auch mit materiellen Gaben zu unterstützen, ist an sich keine Besonderheit des katholischen Kirchenrechts. Jede freiwillige Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft begründet neben einer Reihe von Rechten auch Pflichten, die auf die Verwirklichung und den Bestand des Gemeinwohls ausgerichtet sind. Schon die Mitgliedschaft in einem Verein geht mit der Verpflichtung, den Vereinsbeitrag zu zahlen, einher. Nach ihrem Selbstverständnis sind die Kirchen aber gerade kein Verein, sondern Ort und Gemeinschaft der christlichen Religionsausübung. Diese bezieht sich nicht nur auf einen „Vereinszweck“, sondert betrifft den ganzen Menschen. Kirche ist, nach eigenem Selbstverständnis, daher eine Solidargemeinschaft, die sich eher mit der Familie als mit Vereinen vergleichen lässt. Weder die Familie als solche noch die einzelnen Mitglieder sucht sich alle Familienmitglieder aus. Dennoch bestehen im Wesen des Menschen verwurzelte Pflichten, füreinander zu sorgen. Dass eine hochdifferenziert strukturierte Glaubensgemeinschaft wie die Katholische Kirche nicht nur von spiritueller Nahrung leben kann, sondern für die Verwirklichung ihrer Aufgaben in unserer Welt materielle Güter braucht, ist eine Selbstverständlichkeit, deren Anerkennung keinen positiven persönlichen Standpunkt zur Religion verlangt. Nicht die Frage, ob die Gläubigen ihre Kirche finanziell unterstützen sollen, ist daher kirchenrechtlich relevant, sondern die Frage, wie sie das tun können.

Arten der Kirchenfinanzierung im Kirchenrecht

Dass die Kirche den Anspruch erhebt, Vermögen zu erwerben, dieses zu verwalten und auch wieder zu veräußern, ist daher im CIC als ein Recht, das mit dem Wesen der Kirche selbst untrennbar verbunden ist und als Anspruch korporativer Freiheit gegenüber dem Staat reklamiert wird, normiert.[1]  Auf welche Weise die Kirche die Vermögenswerte erlangen kann, welche sie für die Verwirklichung ihrer eigenen Zwecke (die Durchführung des Gottesdienstes, die Sicherstellung des angemessenen Unterhalts des Klerus und anderer Kirchenbediensteter und die Ausübung der Werke des Apostolats und der Caritas) benötigt, ist nicht für die ganze Weltkirche allgemein normiert. Der Gesetzgeber hat auf eine universale Regelung aus mehreren Gründen verzichtet. So würde jede Aufzählung von Erwerbsarten die Gefahr mit sich bringen, nicht genannte als unerwünscht oder gar verboten zu betrachten. Zweitens ist die Frage der Finanzierung von Religionsgemeinschaften zumeist das Ergebnis einer langen geschichtlichen Entwickelung, die umso komplexer ist, je enger die Verbindung der Kultur- und Staatsgeschichte mit der Kirchengeschichte ist. Bewusste Abnabelungen des Staates von zuvor staatskirchlichen Positionen der Kirche prägten einzelne Kirchenfinanzierungssysteme genauso wie Enteignungen oder gewachsene partnerschaftliche Strukturen andere. Nicht zuletzt ist die Frage der Kirchenfinanzierung auch eine kulturelle Frage. So gibt es, weltweit betrachtet, da und dort noch Unterhaltsleistungen von Gemeindemitgliedern an den Klerus mit Naturalien. Auch mentalitätsmäßig lassen sich gravierende Unterschiede, wie weit Menschen Spenden und Mäzenatentum auch gegenüber Religionsgemeinschaften als selbstverständlich erachten, beobachten. Während in den USA öffentlich sichtbare Spenden Teil des gesellschaftlichen Anerkennungsspiels sind, ist eine Bevölkerung, die seit unvordenklicher Zeit daran gewöhnt ist, dass die Kirche sich entweder aus eigenem, bereits vorhandenem Vermögen oder durch Staatsleistungen oder auch aus einer Mischung von beidem finanziert, nicht ohne Weiteres bereit, die Finanzierung der Kirche durch freiwillige Spenden zu übernehmen. Vergleiche von konkreten Kirchenfinanzierungssystemen sind daher auch nur valide, wenn der entsprechende Kontext mitberücksichtigt wird.

Auch wenn der universale Gesetzgeber es also prinzipiell offenlässt, welche Quellen der Finanzierung die jeweils geeignetsten sind, muss im Blick auf die katholische Gesamtkirche dennoch eine gewisse Präferenz für spendenbasierte Systeme konstatiert werden. C. 1261 § 1 CIC spricht von „vermögenswerten Zuwendungen“ der Gläubigen. C. 1262 CIC überträgt der Bischofskonferenz die Zuständigkeit, eine konkrete Ordnung für „erbetene Unterstützungen“ zu beschließen.

Ein aus dem verfassungsrechtlich eingeräumten Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die über ein echtes Besteuerungsrecht ihrer Mitglieder verfügt, ist dem CIC fremd. Dies verwundert aber nicht, da eine echte „Kirchensteuer“ nur in der Bundesrepublik Deutschland und – dort aber auf gänzlich anderer rechtlicher Grundlage – in einigen Schweizer Kantonen besteht. Auch wenn die anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften auch in Österreich öffentlich-rechtlich verfasst sind, gewährt ihnen weder die Bundesverfassung noch sonstige Gesetze ein Besteuerungsrecht. Der Kirchenbeitrag ist vielmehr als Sonderform eines Vereinsbeitrags durch die eigenen Mitglieder konstruiert, welche besonderen staatlichen Regelungen unterworfen ist. Historisch wurde diese Form durch den (nationalsozialistischen) Staat bewusst auch gewählt, um die Menschen zum Kirchenaustritt zu bewegen.

Eine schematische Vorschreibung von Abgaben sieht c. 1263 CIC nur ganz ausnahmsweise in Form einer Besteuerung von kirchlichen (!) Rechtspersonen vor. Eine Steuer von anderen (natürlichen oder juristischen) Personen darf der Diözesanbischof nur im äußersten Notfall und nach Beratung mit den Kontrollgremien der diözesanen Vermögensverwaltung bestimmen. Diese universalrechtliche Regelung durchbricht derselbe Canon aber in seinem letzten Satz, indem dort „partikulare Gesetze und Gewohnheiten, die dem Bischof weitergehende Rechte einräumen“ bestehen bleiben dürfen. Diese von Kirchenrechtler:innen als „clausula teutonica (deutsche Klausel)“ bezeichnete Ausnahmebestimmung „legalisiert“ somit in erster Linie die deutsche Kirchensteuer aber auch den österreichischen Kirchenbeitrag.[2]

Der Kirchenbeitrag als gerechte Form der Finanzierung?

Auch wenn die Logik der Beitragsberechnung mehrfach zugunsten der Berücksichtigung individueller Lebenssituationen (besondere Belastungen, oftmals mangelhafte finanzielle Möglichkeiten während des Studiums…) durchbrochen ist, steht im Zentrum des heute geltenden Kirchenbeitragsrechts der Gedanke, dass weder die Höhe der Beiträge noch deren konkrete Verwendung vom Willen des einzelnen Kirchenmitglieds abhängen. Die Höhe des Beitrags steht vielmehr in einem direkten Verhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit. Diese ist freilich angesichts des ungleichen Vermögens der Kirchenmitglieder schwer objektiv feststellbar. Als Kennzahl dienen daher das steuerpflichtige Einkommen, von dem gewisse Abzüge vorgenommen werden. Da jedoch die Kirche aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Einsicht in die Steuerakten ihrer Gläubigen hat, ist sie auf Selbstauskünfte und Schätzungen angewiesen. Erstere tendieren mit hoher Wahrscheinlichkeit auch unter aktiven Kirchenmitgliedern, möglichst nach unten modelliert zu werden. Schätzungen wiederum können nur von Durchschnittswerten ausgehen, welche mitunter selbst nicht ohne Weiteres feststellbar sind. Es ist daher davon auszugehen, dass der tatsächlich vorgeschriebene Kirchenbeitrag um einiges niedriger als der theoretisch geschuldete ist.

Die einzige Möglichkeit, sich der Beitragspflicht zu entziehen, bietet der Austritt aus der Kirche nach staatlichem Recht. Dass es keine andere Möglichkeit gibt, den Beitrag zu verweigern, wird für all jene, die tatsächlich die Verbindung zur Kirche hinter sich lassen wollen, kein Problem sein. Schwierigkeiten treten auf, wenn jemand sich innerlich weiter als Katholik:in sieht und auch eine Verbundenheit zur Gemeinschaft der Gläubigen bewahren möchte. Die österreichischen Bischöfe sehen im Kirchenaustritt in jedem Fall eine so schwerwiegende Verletzung der Einheit mit der Kirche, und damit eine Verletzung der in der Taufe begründeten Mitverantwortung für die Kirche (c. 209 § 1 CIC), dass ein Empfang der Sakramente oder die Übernahme eines kirchlichen Amtes (Patenamt, Pfarrgemeinderat, etc.) nicht möglich ist. Dies ist in den meisten Fällen eine nachvollziehbare und auch logische Beurteilung, welche die freie Entscheidung des Kirchenaustritts in ihrer Tragweite für die Zugehörigkeit zur Kirche ernst nimmt. Wie aber soll mit jenen (wenigen) Personen umgegangen werden, die den Kirchenbeitrag bewusst nicht zahlen, weil sie mit ihrer Pfarre, mit ihrer Diözese, mit politischen Äußerungen dieser oder jener kirchlichen Stelle nicht einverstanden sind und zugleich einen Beitrag für Institutionen (andere Diözesen, den Apostolischen Stuhl, die Caritas, etc.) leisten? Sollte der Beitrag in etwa so hoch sein wie der geschuldete Kirchenbeitrag, dann liefe der Vorwurf, man entziehe sich der Verpflichtung das, was individuell zugemutet werden kann, zu leisten, in Leere.

Vor- und Nachteile einer Zweckwidmung des Kirchenbeitrags

In diesem Kontext, aber auch im Blick auf eine verstärkte Akzeptanz des Kirchenbeitragssystems überhaupt, besteht in einzelnen Diözesen seit vielen Jahren die Möglichkeit, einen Teil des individuell geleisteten Kirchenbeitrags für bestimmte Institutionen oder auch bestimmte Aufgabenfelder zweckzuwidmen. Diese Möglichkeit wurde nicht immer in auffallend offensiver Weise kommuniziert. Der Grund dafür dürfte sein, dass eine Zweckwidmung zumindest drei gravierende Nachteile mit sich bringt. Zum einen verliert der Diözesanbischof einen Teil jenes Entscheidungsspielraumes, den ihm das Recht für die persönlich verantwortete und in der Weihe begründete Leitung der Ortskirche überträgt. Der zweite Nachteil ist, dass wenig bekannte Institutionen kaum die Chance haben dürften, von den Gläubigen bedacht zu werden. Es besteht damit die Gefahr, dass weithin akzeptierte und bekannte Institutionen (man denke an die Caritas) stark überproportional bedacht werden, sodass andere, vielleicht auch sehr wichtige pastorale Aufgaben nicht mehr finanziert werden können. Unangemessen wäre es auch, wenn die Zweckwidmung zu einem werbemäßig unterstützten Konkurrenzkampf einzelner kirchlicher Institutionen gegeneinander führen würde. Soweit die Finanzierung der Unterhaltsleistungen für den Klerus und der Gehälter für die Mitarbeiter:innen nicht mehr gedeckt wären, würde das ganze System in Gefahr geraten. Die dritte Gefahr besteht in der Notwendigkeit, für die administrative Bewältigung der Zweckwidmungen, neues Personal einstellen zu müssen, was auf Kosten der nichtgewidmeten Teile geht und den Entscheidungsspielraum noch einmal verringert.

Die Einschränkung des bischöflichen Ermessens kann man auch positiv sehen. Die Möglichkeit der Zweckwidmung eröffnet nämlich die Möglichkeit echter Partizipation an der Leitung und steht damit im Kontext der derzeit in der Katholischen Kirche allgegenwärtigen Synodalität. Kaum ein Instrument dürfte effektiver Einfluss auf die Leitung haben als die Möglichkeit der Mitentscheidung über den Haushalt.

In die Abwägung der Vor- und Nachteile durch die österreichischen Diözesen ist in jüngster Zeit Bewegung gekommen. Zum einen besteht nunmehr in allen Diözesen die Möglichkeit der Zweckwidmung, zum anderen wird diese auch transparent kommuniziert. Damit wird wohl das doppelte Ziel verfolgt, die aktiven Gläubigen in ihrer Mitverantwortung für die Kirche zu ermächtigen und jene, die über einen Austritt aus der Kirche nachdenken, über die neue Mitbestimmungsmöglichkeit von der Sinnhaftigkeit ihres Beitrags zu überzeugen.

Für welche Institutionen der Kirchenbeitrag gewidmet werden kann, wurde in den einzelnen Diözesen unterschiedlich geregelt. Allen Diözesen gemeinsam ist die Vielfalt des Spektrums der Tätigkeitsfelder, denen sich die Begünstigten widmen. Diese reichen von unterschiedlichen Bildungsaufgaben über die Förderung von Familien, Linderung sozialer und materieller Not bis hin zu Umweltthemen. Bemerkenswert ist die in der Erzdiözese Wien bestehende Möglichkeit, die Priesterbruderschaft St. Petrus zu begünstigen. Diese ist ganz von der Spiritualität der vorkonziliaren lateinischen Liturgie geprägt und widmet sich der Seelsorge gegenüber stark traditionsverbundenen Gläubigen. Aus dieser Gruppe heraus wurde das Kirchenbeitragssystem in der Vergangenheit immer wieder als Grundlage für die Finanzierung von „zu wenig katholischen“ Anliegen infrage gestellt. Mit der Zweckwidmungsmöglichkeit ist damit klargestellt, dass sich auch diese Gläubigen ihrer Beitragspflicht nicht entziehen können, ohne die Gemeinschaft mit der Kirche zu verletzen.

Schlussbemerkung

Um die Vor- und Nachteile der Zweckwidmung möglichst auszugleichen, können bis zu 50 % des eigenen Beitrags gewidmet werden, was – absolut betrachtet – ein erheblicher Anteil ist. Die Stabilität des Finanzierungssystems wird davon abhängen, dass von der Möglichkeit nicht alle Beitragsleistenden tatsächlich Gebrauch machen. Im Gegensatz zum italienischen System der Steuerwidmung bezieht sich die Widmung ausschließlich auf den eigenen Beitrag und hat keine Auswirkungen auf die budgetäre Zuteilung der Beiträge von Gläubigen, die keine Zweckwidmung vorgenommen haben. Durch die Möglichkeit der Zweckwidmung erhalten sowohl Gläubige, die in einer Distanz zur eigenen Kirche stehen als auch Gläubige, die mit der Mittelverwendung durch die eigene Diözese unzufrieden sind, erhebliche Mitgestaltungsrechte. Die Zweckwidmung ist keine Empfehlung, sondern bindet die kirchliche Autorität. Der österreichische Kirchenbeitrag bleibt eine rein mitgliederbasierte Finanzierung von Religion und wirft daher keine Fragen der negativen Religionsfreiheit auf. Zugleich übernimmt das österreichische System mit der Zweckwidmung ein für Mandats- bzw. Kultursteuern kennzeichnendes Element. Es bleibt abzuwarten, wie die neue bzw. nunmehr auch allgemein kommunizierte Möglichkeit angenommen wird und ob durch sie sich das bisherige System des österreichischen Kirchenbeitrags verändern wird.


[1] C. 1254 CIC laute: „§ 1. Die katholische Kirche hat das angeborene Recht, unabhängig von der weltlichen Gewalt, Vermögen zur Verwirklichung der ihr eigenen Zwecke zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern.

[2] Zusätzlich garantierten auch die deutschen Konkordate und der österreichische Vermögensvertrag aus dem Jahr 1960 weite Teile des vermögensrechtlichen Status Quo in beiden Ländern.

Steuerwidmung für alle statt Kirchenbeitrag? Vor- und Nachteile einer „Mandatssteuer“ zur Kirchenfinanzierung

Von Andreas KowatschORCID logo

DOI: 10.25365/phaidra.513

Der österreichische Kirchenbeitrag

Vor 85 Jahren, am 1. Mai 1939, erließen die Nationalsozialisten das „Gesetz über die Erhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich“, kurz: Kirchenbeitragsgesetz. Die erklärte Absicht des Regimes war, die Gläubigen massenhaft zum Austritt aus der Katholischen Kirche (aber auch der Evangelischen und der Altkatholischen Kirche) zu bewegen, weil sie sich dadurch der Pflicht zur Beitragszahlung entziehen konnten. Mit dem Kirchenbeitragsgesetz stellte der nationalsozialistische Staat die Zahlungen an die Kirche aus den Religionsfonds ein. Diese im Wesentlichen auf Klosteraufhebungen durch Kaiser Joseph II. zurückgehenden Sondervermögen wurden vom Staat verwaltet, hatten aber ihre kirchliche Zweckwidmung behalten. Hitler selbst hatte in den Wortlaut des Kirchenbeitragsgesetzes eingegriffen und angeordnet, dass die Kirche zur Einbringung von offenen Beiträgen wie jeder beliebige Verein auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde. Gleichzeitig wurden die (innerkirchlichen) Kirchenbeitragsordnungen von einer staatlichen Genehmigung abhängig gemacht, womit die Rechtsstellung der Kirche de facto noch schlechter war als jene eines x-beliebigen Vereins. Zwar folgten mehrere zehntausend Katholiken dem Wunsch des Regimes, die gewünschte Schwächung der Kirche blieb jedoch aus. Obwohl die Österreicher mentalitätsmäßig nicht an private Leistungen für die Kirche gewöhnt waren, folgten diese dem Aufruf der Bischöfe zur Beitragszahlung in überwältigender Mehrheit. Mehr noch – durch die Zahlung des Kirchenbeitrags konnte man diskret gegen das Regime demonstrieren.

Der Wunsch, die Kirche in ihrer institutionellen Substanz zu schwächen, wurde durch weitere Maßnahmen des Regimes begleitet. So hatten die Nazis die „Ostmark“ zum konkordatsfreien Raum erklärt, mit der Folge, dass an der Frage der Weitergeltung des Konkordats nach 1945 Staats- und Völkerrechtler die Frage nach dem rechtlichen Schicksal der Republik Österreich zwischen 1938 und 1945 bearbeiteten. 1957 schließlich wurde die Weitergeltung offiziell bestätigt. Wenige Monate nach dem Inkrafttreten des Kirchenbeitragsgesetzes erfolgte die formelle Einverleibung der Religionsfondsvermögen – darunter etwa 66.000 ha Wald – in den Staat,[1] was materiell einer Enteignung von Kirchenvermögen entsprach.

Der Kirchenbeitrag nach 1945

Da die Nationalsozialisten das seit Josef II. vorherrschende System der Kirchenfinanzierung zerschlagen hatten, musste in der Zweiten Republik eine Lösung gefunden werden. In Art. 26 des Staatsvertrages 1955 verpflichtete sich Österreich zur Entschädigung von nationalsozialistischen Enteignungen „wegen der rassischen Abstammung oder der Religion des Eigentümers“. Im Vermögensvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und Österreich verzichtete die Katholische Kirche 1960 auf die Rückübertragung der meisten Religionsfondsvermögen (darunter ca. 90 % der forstwirtschaftlich genutzten Flächen) und erhält seitdem im Gegenzug jährliche Entschädigungszahlungen, deren Höhe sich an einem durchschnittlichen Gehalt von 1250 Bundesbediensteten orientiert. Seit dem Jahr 2020 werden diese Entschädigungszahlungen automatisch valorisiert, wenn infolge der Inflation eine Wertminderung von 20 Prozent dauerhaft eingetreten ist. Zuvor bildeten die Wertanpassungen den Gegenstand von jeweils neu zu bestreitenden Verhandlungen zwischen Staat und Kirche.

Das Kirchenbeitragsgesetz wurde trotz seiner historisch belegten politisch eindeutigen Zwecksetzung in den Rechtsbestand der Republik Österreich übergeleitet.[2] Der Vermögensvertrag 1960 bestätigte dessen Fortgeltung. Auch in der Zweiten Republik blieb die Kirche, die im staatlichen Recht als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfasst ist, auf die Klagemöglichkeit vor den Zivilgerichten beschränkt. Die Verwaltungsexekution von ausstehenden Kirchenbeiträgen ist daher nicht möglich.

Kirchenbeitrag als Finanzierung durch die eigenen Gläubigen

Die Erhebung des Kirchenbeitrags erfolgt durch die einzelnen Diözesen aufgrund der kircheneigenen Beitragsordnungen, welche vom Staat genehmigend zur Kenntnis genommen werden. Vereinfacht gesagt, sind nur jene Gläubige beitragspflichtig, die einkommensteuerpflichtiges Einkommen erzielen. Neben einem allgemeinen Absetzbetrag enthalten die Kirchenbeitragsregelungen eine Reihe von Ermäßigungs- und Härtefallregelungen. Anders als im System der deutschen Kirchensteuer verfügt die Kirche hierzulande über keine Daten, welche die genaue Beitragsberechnung von 1,1 % vom Einkommen (abzüglich eines allgemeinen Absetzbetrags) ermöglichen, sondern ist auf die freiwilligen Angaben der Kirchenmitglieder bzw. auf Schätzungen angewiesen. Das tatsächlich lukrierte Beitragsaufkommen dürfte daher erheblich geringer als die formellen Beitragssätze sein. Dennoch machen die Kirchenbeiträge 85 Jahre nach dem Inkrafttreten des Kirchenbeitragsgesetzes ungefähr drei Viertel der diözesanen Haushalte aus und sind somit mit Abstand die wichtigste Quelle der Kirchenfinanzierung.

Vor- und Nachteile

Aus der Sicht des religiös-weltanschaulich neutralen Staates haben die Kirchenbeiträge den erheblichen Vorteil, dass es sich um reine Mitgliederbeiträge handelt. Weder sind juristische Personen zur Zahlung verpflichtet, noch trifft die Beitragspflicht Angehörige anderer Religionsgemeinschaften bzw. konfessionslose Bürger. Dass die Kirchenbeiträge bis zum Höchstbetrag von 600 Euro pro Jahr als Sonderausgaben steuerlich geltend gemacht werden, durchbricht diesen Grundsatz teilweise. Bedenkt man jedoch, dass Spenden in Österreich bis zu einem Zehntel des Jahreseinkommens abzugsfähig sind, ist dieser Betrag jedoch nicht mehr als die Anerkennung des Staates für die Leistungen von Religionsgemeinschaften, die durch die gesetzliche Anerkennung zur öffentlichen Rechtssphäre zählen. Diese Anerkennung ist im Rahmen des staatlichen Auftrags zur Kulturförderung und des verfassungsrechtlich vorgesehenen Systems der Anerkennung von Religionsgesellschaften verfassungsrechtlich unbedenklich. Auch arbeiten Staat und Kirche im Bereich des Kirchenbeitrags nicht zusammen, was dem System einer institutionellen Trennung von Staat und Religion besser entspricht als etwa das deutsche Kirchensteuersystem. Freilich lässt sich die Bundesrepublik Deutschland die Eintreibung der Kirchensteuer durch die Finanzämter mit etlichen Millionen Euro jährlich teuer vergüten.

Kirchenrechtlich ist die Grundpflicht aller Gläubigen normiert, zu den materiellen Bedürfnissen der Kirche beizutragen (vgl. cc. 222 § 1 und 1260 CIC). Das österreichische Kirchenbeitragssystem ist weltweit betrachtet – vor allem aufgrund seiner historischen Herkunft – die Ausnahme. Kirchenrechtlich legitimiert ist es aber durch c. 1263 CIC, der partikulare Gesetze und Gewohnheiten zur Kirchenfinanzierung gewährleistet.

Aus der Sicht der Kirche hat der Kirchenbeitrag den Vorteil, trotz der wohl nicht immer bis ins Detail gehenden Bereitschaft der eigenen Gläubigen, das tatsächlich Gesollte auch wirklich zu leisten, im Großen und Ganzen ein gerechtes System zu sein. Die Koppelung an die einkommensteuerpflichtigen Einkommen zielt auf die tatsächliche Leistungsfähigkeit und gestaltet die Kirche somit analog zum Staat als Solidargemeinschaft. Die Koppelung an die Einkommen ermöglicht auch einen Gleichklang der kirchlichen Leistungsfähigkeit mit den konkreten sozioökonomischen Verhältnissen im Land. Neben diesen Vorteilen bringt der Kirchenbeitrag aber – aus der Sicht der Kirche betrachtet – Nachteile mit sich, deren Gewicht in den letzten Jahren so sehr zugenommen hat, dass vermehrt über die Zukunftsfähigkeit des Systems diskutiert wird. Der Nachteil besteht in der äußeren Verknüpfung von Kirchenzugehörigkeit und Beitragspflicht und wird verstärkt durch die kircheneigene Eintreibung. Dies führt dazu, dass junge Erwachsene anlässlich ihres 18. Geburtstages nicht selten den ersten Kontakt mit ihrer Religionsgemeinschaft nach der Firmung in Form der Aufforderung zur Offenlegung des Einkommens haben. Auch wenn es eine Reihe von gut gemeinten pastoralen Projekten gibt, die die dadurch entstehende Wirkung aufweichen wollen, ändert dies nichts am Grundbefund. Was für viele junge Erwachsene die Konsequenz ist, ist es angesichts einer lose gewordenen Kirchenbindung und angesichts vielfältiger kirchlicher Krisen auch für ältere Kirchenmitglieder: der Austritt aus der Kirche.

Wer aus der Kirche austritt, erklärt öffentlich, der Kirche in der Form, wie sie in Österreich verfasst ist, nicht mehr angehören zu wollen. Der Kirchenaustritt erfolgt vor der staatlichen Behörde und bringt (mit Beginn des Folgemonats) den Entfall der Kirchenbeitragspflicht mit sich. Innerkirchlich führt er zu einem formalen Bruch mit der eigenen Glaubensgemeinschaft, sofern nach einer Kontaktaufnahme durch den Ortspfarrer und dem Angebot zu einem Gespräch der Austritt nicht binnen dreier Monate widerrufen wird. Der Austritt kann aus Gründen der eigenen (geänderten) religiösen Überzeugung erfolgen oder auch ein Akt des Protests angesichts vielfältiger tatsächlicher oder vermeintlicher Skandale sein. In den meisten Fällen wird er die letzte Konsequenz einer unter Umständen schon lange brüchig gewordenen Bindung zum kirchlichen Glauben sein. Dass der Austritt allein aus finanziellen Gründen erfolgt, ist zwar nicht ausgeschlossen. Angesichts der Lösungsmöglichkeiten für Härtefälle in den Kirchenbeitragsordnungen bezieht sich die finanzielle Not aber tendenziell nicht auf das zum Leben Nötige, sondern auf die Frage, wie die eigenen Finanzen eingesetzt werden sollen. Auch der Verzicht auf Annehmlichkeiten zugunsten des Kirchenbeitrags ist freilich ein finanzieller Grund.

Eine „Mandatssteuer“ als Alternativmodell?

In Staaten, die weder den österreichischen Kirchenbeitrag noch eine Kirchensteuer kennen, fällt der finanzielle Anreiz zum Kirchenaustritt weg. Wer beispielsweise in Italien aus der Kirche austreten möchte, muss dies gegenüber dem eigenen Pfarrer (bzw. dem Ordinarius) erklären. Auf diese Idee werden Kirchenmitglieder nur dann kommen, wenn entweder eine neue Religionsgemeinschaft, der sie sich anschließen wollen, einen ausdrücklichen Austritt aus der Kirche verlangt, oder weil sie in Österreich, Deutschland oder der Schweiz die finanziellen Wohltaten des Kirchenaustritts beanspruchen wollen. Formal betrachtet, erlebt die Kirche in diesen Staaten daher einen viel geringeren Mitgliederschwund als in Österreich. Auch wenn dadurch wenig über die innere Kirchenbindung ausgesagt ist, führt dies dazu, dass auch in Österreich immer wieder über die Einführung einer sog. „Mandatssteuer“ nachgedacht wird, wobei dabei in den meisten Fällen auf das italienische Modell der „Otto per mille (8 Promille)“ zurückgegriffen wird. Vergleichbare Modelle der Finanzierung von Religionsgemeinschaften gibt es aber auch in anderen Staaten, etwa in Spanien, Ungarn oder Island.

Kern dieses Mandatssteuer-Systems (manchmal auch weniger aussagekräftig als „Kultursteuer“ bezeichnet) ist die direkte Finanzierung der Kirche bzw. sonstiger begünstigter Religionsgemeinschaften aus dem Staatshaushalt. Dabei übernimmt der Staat aber nicht die Verpflichtung zur Leistung eines im Vorhinein festgelegten Betrags. Die Höhe der Staatsleistungen ist vielmehr die Konsequenz einer Entscheidung der einkommensteuerpflichtigen Bürger. Je nach System haben diese die Möglichkeit, einen Teil ihrer eigenen Einkommensteuerlast für die Finanzierung einer bestimmten Religionsgemeinschaft zu widmen (so in Italien) oder zu bestimmen, dass ein (kleiner) Teil der staatlichen Gesamteinnahmen für die Verwendung der Finanzierung einer ausgewählten Religionsgemeinschaft verwendet wird (so beispielsweise in Spanien). Keine Widmung erfolgt hinsichtlich der Besteuerung von Gewinnen juristischer Personen.

In Italien widmen die Steuerpflichtigen acht Promille ihrer Einkommensteuerlast für eine von mehreren dafür vorgesehenen Religionsgesellschaften. Dabei kann die Widmung auch für eine Kirche erfolgen, der man gar nicht angehört. Um jedoch zu verhindern, dass nichtreligiöse Bürger eine persönliche Widmungsentscheidung für eine religiöse Gemeinschaft abgeben müssen, ist auch eine Widmung des entsprechenden Betrages für den Staatshaushalt vorgesehen. Theoretisch soll das dadurch erzielte Steueraufkommen für soziale oder humanitäre Zwecke[3] verwendet werden. Die italienische Praxis zeigt hier jedoch eine gewisse Flexibilität. Nicht alle Bürger machen von ihrem „Mandatsrecht“ Gebrauch. Der Clou des italienischen Systems ist, dass die nicht gewidmeten Mittel nicht einfach in den allgemeinen Staatshaushalt fließen, sondern in der Relation der erfolgten Widmungen an die begünstigten Gemeinschaften verteilt wird.

Vorteile der Mandatssteuer

Aus demokratiepolitischer Sicht hat das Mandatssteuersystem den großen Vorteil, die steuerpflichtigen Bürger in einem kleinen, aber nicht unerheblichen Umfang an der Entscheidung über die Verwendung der Staatsausgaben zu beteiligen. Ein effektives Mitbestimmungsrecht haben freilich nur jene Bürger, die auch tatsächlich Einkommensteuer abführen müssen. Aus der Sicht der Kirche bringt dieses System den Vorteil mit sich, dass der finanzielle Anreiz zum Kirchenaustritt wegfällt. Die Pflicht zur Mandatssteuer trifft alle Steuerpflichtigen unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit.

Aus diesem Grund ist dieses System auch mit der individuellen Religionsfreiheit besonders kompatibel. Die Steuerpflicht ist unabhängig von der eigenen Kirchenmitgliedschaft. Die Gläubigen haben auch die Möglichkeit, zugunsten einer Kirche zu votieren, der diese gar nicht angehören. Als Folge dieser Möglichkeit gelingt es beispielsweise der Evangelischen Kirche in Italien ca. zehnmal so hohe Staatsleistungen zu lukrieren, als es der Mitgliederzahl der Kirche entsprechen würde. Keinen Konflikt gibt es mit der individuellen (negativen) Religionsfreiheit, da jeder Bürger frei wählen kann, ob er eine Religionsgemeinschaft oder den Staat begünstigen möchte. Dass die nicht gewidmeten Beträge nach dem Verhältnis der gewidmeten verteilt werden, ist verfassungsrechtlich unbedenklich, solange auf die Wahlmöglichkeit explizit hingewiesen wird. Wer dieses Recht nicht wahrnimmt, ist sich der Konsequenz bewusst und nimmt diese freien Stückes in Kauf. Aus demokratiepolitischer Perspektive ist der dadurch entstehende sanfte Druck zur Widmung sogar wünschenswert, da die Nichtwidmung eine Verweigerung einer staatsbürgerlichen Partizipationsmöglichkeit gleichkommt. Die Folgen der Nichtwidmung entsprechen den Folgen einer nicht oder ungültig abgegeben Stimme bei der Parlamentswahl in der repräsentativen Demokratie. In Italien ist die Steuerwidmung dabei nicht auf die Finanzierung der Religionsgemeinschaften beschränkt. 5 Promille der persönlichen Einkommensteuer können für sozial-caritative Organisationen gewidmet werden. Sofern Institutionen der kirchlichen Caritas die entsprechende Widmung lukrieren können, erhöht sich der Anteil für die Kirche noch einmal. Auch das System der Parteienfinanzierung ist in Italien über die Möglichkeit der Widmung von 2 Promille der Einkommenssteuer normiert.

Ein weiterer Vorteil mag darin liegen, dass dieses System relativ stabile Einnahmen garantiert. Im Vergleich zum österreichischen Kirchenbeitrag und vor allem zu Systemen der Kirchensteuer sind diese jedoch erheblich geringer.

Nachteile der Mandatssteuer

Die genannten Vorteile haben jeweils eine Kehrseite, welche zumindest aus einer bestimmten Perspektive auch als Nachteil erscheinen kann.

Den Vorteilen auf der Seite der individuellen Religionsfreiheit steht die schwächere Berücksichtigung der korporativen Religionsfreiheit gegenüber. So sind etwa die Staatsleistungen in Spanien zweckgewidmet und können von der Kirche nicht für jeden beliebigen Zweck, der ihrem Selbstverständnis entspricht, verwendet werden. Es kann auch sein, dass die Zuwendung von Beiträgen von Nichtmitgliedern dem eigenen religiösen Selbstverständnis widerspricht. Das italienische System begegnet diesem Problem damit, dass die „Assemblee di Dio in Italia“ und die „Chiesa Apostolica in Italia“ nur den Steueranteil der ihnen durch die Widmungen der eigenen Gläubigen zugewiesen ist, erhalten. An der Verteilung der nicht gewidmeten Beträge partizipieren sie in Ausübung ihres Rechts auf korporative Religionsfreiheit nicht. Die entsprechenden Beträge fallen in den allgemeinen Staatshaushalt.

Mit der korporativen Religionsfreiheit in einer gewissen Spannung steht auch die Wahlmöglichkeit zugunsten einer anderen Religionsgemeinschaft. Aus kirchenrechtlicher Sicht wirft dies Fragen nach der Ernsthaftigkeit der Kirchenzugehörigkeit auf. Jedoch lässt sich aus der reinen Widmungsentscheidung nicht ohne Hinzutreten weiterer Faktoren auf die innere Haltung schließen. Kirchenrechtlich relevant wäre diese im äußeren Rechtsbereich überhaupt erst nach Durchführung eines Strafverfahrens, was nicht nur angesichts des mangelnden Zugriffs der Kirche auf die Steuerformulare aussichtslos ist. Übrig bleibt die Frage, wie die Kirchen ihre eigenen Mitglieder motivieren können, bei ihrer eigenen Religionsgemeinschaft die widmende Unterschrift zu leisten. Aus verfassungsrechtlicher Sicht überwiegt in diesem Konflikt zwischen korporativer und individueller Religionsfreiheit jedenfalls die Freiheit des Einzelnen, die auch gegen die eigene Kirche ausgeübt werden darf. Über innerkirchlichen Dissens welcher Art auch immer zu urteilen, ist nicht die Sache des weltanschaulich-religiös neutralen Staates.

Mit der Motivation der eigenen Mitglieder durch die Kirche ist ein weiterer Aspekt angesprochen. Gerade weil nicht von vornherein damit gerechnet werden kann, dass zwischen der Kirchenmitgliedschaft und der Steuerwidmung ein notwendiger Konnex besteht, betreiben die Kirchen einen nicht unerheblichen und auch kostspieligen Werbeaufwand. Entgegen einer nüchternen Darstellung, wofür die Kirchen die Finanzmittel benötigen, ist damit quasi unausweichlich die PR-mäßige Konzentration auf gesellschaftlich „gefällige“ Wirkungsbereiche gelenkt. Tatsächlich macht der Unterhalt der Kleriker und die Zahlungen für Löhne und Gehälter der Mitarbeitenden den weitaus größten Anteil kirchlicher Budgets aus. Dies ist angesichts der Bedeutung der Ressource Mensch für das Leben einer Religionsgemeinschaft unausweichlich, führt aber nicht zwangsläufig zu einem erhöhten Widmungsaufkommen. Die Frage, wie die Motivation durch Werbung geweckt werden kann, ist daher auch eine Frage, die mit der Wahrhaftigkeit der kirchlichen Sendung zusammenhängt. Selbst wenn man eine breite Bereitschaft in der Bevölkerung zur Finanzierung von Personalkosten unterstellt, führt das System der Mandatssteuer fast zwangsläufig zu einem Import politischer Logiken, die nicht immer mit dem Selbstverständnis der einzelnen Religionsgemeinschaften kompatibel sein müssen.

Zwei weitere Nachteile führten zumindest bislang dazu, dass in Österreich das System des Kirchenbeitrags wenigstens aus Sicht der Katholischen Kirche trotz der genannten Schwierigkeiten nur vereinzelt hinterfragt wird. Zum einen wirft die scheinbar so gleichmäßige Verpflichtung aller Bürger zu erheblichen Gleichheitsproblemen. Zum anderen handelt es sich um ein System der reinen Staatsfinanzierung.

Der erste Nachteil betrifft die Frage, welche Religionsgemeinschaften in den Genuss der Rechtswohltat kommen, mögliche Empfänger gewidmeter Steuergelder zu sein. In der italienischen Praxis schließt der Staat mit einzelnen Gemeinschaften Verträge, nachdem das System ursprünglich das vermögensrechtliche Verhältnis zwischen Italien und der Katholischen Kirche nach dem Abschluss des Konkordats 1984 neu geregelt hatte. Ähnlich wie bei den österreichischen Staatsleistungen standen auch bei der Einführung der „Otto per mille“ Entschädigungsfragen nach der Einstellung staatlicher Finanzierungsformen am Beginn der Finanzierung. Die Eingliederung in das staatliche Steuerrecht führte jedoch rasch und verfassungsrechtlich nicht überraschend zu Gleichheitsüberlegungen, die dazu geführt haben, dass der Kreis der Begünstigten sukzessive ausgeweitet wurde. Dennoch stellt sich auch heute die Frage, nach welchen Kriterien der Staat die Begünstigteneigenschaft verleiht, bzw., noch deutlicher, nach welchen Kriterien er den Antrag einzelner Religions- und auch Weltanschauungsgemeinschaften ablehnen darf.

Die Übertragung der italienischen Praxis auf Österreich ist mangels verfassungsrechtlicher Ermächtigung des Bundes zum Abschluss von dem Konkordat nachgebildeten Staat-Religionen-Verträgen nicht möglich. Dennoch ist der verfassungsrechtliche Einwand in Österreich relativ leicht zu entkräften. Möglicher Anknüpfungspunkt wäre hierzulande die gesetzliche Anerkennung als Kirche oder Religionsgesellschaft. Mit dieser erwirbt die bislang als Bekenntnisgemeinschaft im staatlichen Recht konstituierte Religionsgemeinschaft den Rechtsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Unterscheidung von anerkannten und sonstigen Religionsgemeinschaften ist in Österreich verfassungsrechtlich vorgegeben und vom VfGH in ständiger Rechtsprechung aufrechterhalten. Der Körperschaftsstatus wäre ein diskriminierungsfreies Kriterium, da in ihm implizit eine über die allgemeine Religionsausübungsfreiheit, die allen Religionsgemeinschaften gem. Art. 9 EMRK zukommt, hinausgehende Bedeutung der betreffenden Gemeinschaft für die gesellschaftliche und staatliche Öffentlichkeit zum Ausdruck kommt.

Der letzte in diesem Zusammenhang zu besprechende Nachteil ist wahrscheinlich der gewichtigste: Die Hoheit, die Mandatssteuer festzusetzen, einzutreiben und widmungsgemäß zu verwenden, liegt ausschließlich in der Hand des Staates. In der staatlichen Kompetenz liegt auch die Festsetzung des Steuersatzes, sodass geänderte politische Verhältnisse erhebliche Auswirkungen auf die Verlässlichkeit der Kirchenfinanzierung haben. Wird der der Widmungssteuersatz auch nur um ein Promille reduziert, ist u.U. die Stabilität des ganzen Systems gefährdet. In Italien finden daher regelmäßige und durchaus komplexe Verhandlungen mit dem Staat statt, in deren Rahmen die Religionsgemeinschaften ihren Bedarf begründen müssen. Der Staat gewinnt damit auch ein politisches Druckmittel, das diskret oder auch ganz offen gegen gesamtgesellschaftlich nicht immer plausible Positionen einzelner Religionsgemeinschaften oder gegen deren politisches Engagement eingesetzt werden kann. Damit kollidiert das System letztlich doch auch mit der korporativen Religionsfreiheit i. S. d. Art. 15 StGG („innere Angelegenheiten“), freilich nicht im grundrechtlichen Dreiecksverhältnis Institution-Individuen-Staat, sondern im direkten Verhältnis Religionsgemeinschaft-Staat.

Resümee

Letztlich ist die Frage der Finanzierung von Religionsgemeinschaften wie das Religionsrecht überhaupt mehr als andere Rechtsbereiche geschichtlich pfadabhängig. Teilweise Jahrhunderte alte Praktiken wirkten kultur- und mentalitätsprägend, sodass die simple Auswechslung von Systemen voraussichtlich nicht ohne erhebliche Kollateralschäden für die Religionsgemeinschaften vonstattengehen würde. Den Religionsgemeinschaften eine verlässliche finanzielle Planung zu entziehen, liegt angesichts der vielfältigen Beiträge zur Kohäsion einer individualisierten Gesellschaft aber nicht im Interesse des Staates. Als politisches Ziel darf eine solche Schwächung vorgetragen und verfolgt werden, das geltende Verfassungsrecht bietet allerdings keine taugliche Grundlage für die laizistische Privatisierung von Religion.

Angesichts des historischen Unrechts der Enteignung und auch im Blick auf die erheblichen Vorteile, die die Republik aus dem Verzicht der Katholischen Kirche auf die Rückübereignung zehntausender Hektar forst- und landwirtschaftlich genutzter Flächen bis heute zieht, sollten sich Diskussionen über die Abschaffung der Restitutionszahlungen von selbst verbieten. Nicht verpönt ist und bleibt die Frage, ob das System des Kirchenbeitrags durch eine Mandatssteuer abgelöst werden sollte. Da geringere Austrittszahlen keine Aussage über die Gläubigkeit bzw. Kirchenbindung der Mitglieder aussagt, sollten sich die betroffenen Kirchen aber wohl nicht allzu viel an evangelisierendem Schwung erwarten. Im Blick auf das Grundrecht auf Religionsfreiheit, die Neutralität des Staates und den allgemeinen Gleichheitssatz bleibt die rein mitgliederbasierte Finanzierung der Religion, welche der Kirchenbeitrag garantiert, aber das weitaus sensiblere System.


[1] Dritte Verordnung des Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über die Erhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich, GBI. f. d. L. Ö. Nr. 45/1940.

[2] Dies war nur aufgrund einer sehr engen Interpretation von § 1 Abs. 1 des Rechts-Überleitungsgesetzes 1945 möglich. Dieser für die Gründungsgeschichte der Zweiten Republik bedeutungsvollen Norm zufolge wurden alle nach dem 13. März 1938 erlassenen Gesetze und Verordnungen sowie alle einzelnen Bestimmungen in solchen Rechtsvorschriften aufgehoben, die mit dem Bestand eines freien und unabhängigen Staates Österreich oder mit den Grundsätzen einer echten Demokratie unvereinbar waren, die dem Rechtsempfinden des österreichischen Volkes widersprachen oder typisches Gedankengut des Nationalsozialismus enthielten.

[3] Im entsprechenden Steuerformular gibt es die Wahlmöglichkeit zwischen folgenden Zwecken: Bekämpfung des Hungers in der Welt; Katastrophenhilfe; Flüchtlingshilfe; Erhaltung von Schulgebäuden; Erhaltung von Kulturgütern.

Religiöse Konversion in Österreich als Asylgrund. Zum Urteil EuGH, 29. Februar 2024, C-222/22 (Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen gegen JF)

Von Andreas KowatschORCID logo

DOI: 10.25365/phaidra.462

1. Zum Gang des Verfahrens

Am 29. Februar 2024 beantwortete der EuGH durch ein Urteil in einem Vorabentscheidungsverfahren eine Frage, die im Rahmen eines Asylrechtsstreites in Österreich durch den VwGH als oberstes Verwaltungsgericht an den Gerichtshof herangetragen worden war. Konkret ging es um die Frage, wie § 3 Abs. 3 des österreichischen AsylG 2005 im Licht der unionsrechtlichen Vorgaben (Art. 5 Abs. 3 RL 2011/951) richtig zu interpretieren und zu vollziehen ist. Während diese Entscheidungen im konkreten Verfahren durch den VwGH noch ausstehen, war es Aufgabe des EuGH, über die korrekte Auslegung der unionsrechtlichen Bestimmung zu urteilen.

JF, ein iranischer Staatsbürger, hatte 2015 beim Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen (BFA), der für die Entscheidung über Asylanträge zuständigen österreichischen Behörde, einen Antrag auf „internationalen Schutz“ gestellt. Er sei im Iran als Fahrschullehrer vom iranischen Geheimdienst befragt und auch bereits als Student verfolgt worden, weil er einen islamischen Prediger kritisiert hätte. 2017 wurde dieser Antrag rechtskräftig abgewiesen und die Rückkehr in den Iran angeordnet. 2019 stellte JF einen „Folgeantrag“. Er sei zwischenzeitlich zum Christentum konvertiert und würde daher im Falle einer Rückkehr in den Iran wegen seiner Religion verfolgt werden. Das BFA wies auch diesen Antrag ab, stellte aber fest, dass die Konversion zum Christentum aufgrund einer inneren Überzeugung erfolgt sei. Da die Verfolgung aufgrund der Religion im Iran zu befürchten sei, wurde JF daher zwar nicht als Flüchtling anerkannt, ihm jedoch der Status eines „subsidiär Schutzberechtigten“ verliehen. Da dieser Status im Vergleich zur Rechtsstellung von Flüchtlingen weniger umfassende Rechte verbürgt, erhob JF Beschwerde vor dem BVwG. Dieses entschied 2020 zu seinen Gunsten. Das Urteil wurde jedoch durch das BFA mittels ordentlicher Amtsrevision vor dem VwGH angefochten. Dieser setzte das Verfahren aus und ersuchte den EuGH um die Durchführung des Vorlageverfahrens.

2. Der asylrechtliche Rahmen der Entscheidung

Das österreichische Asylrecht ist inhaltlich geprägt durch völkerrechtliche Verträge und Rechtsakte der Europäischen Union. Völkerrechtlich bildet nach wie vor das allgemein als „Genfer Flüchtlings-Konvention“ bekannte „Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ (GFK) aus dem Jahr 1951 samt der Zusatzprotokolle die Grundlage für die Gewährung „internationalen Schutzes“ vor Verfolgung im Herkunftsland. Als Flüchtling im Sinn von Art. 1 A2 GFK gilt, „wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.“

Die hier angesprochenen „Fluchtgründe“ sind ein Ausdruck dafür, dass in diesem Teilgebiet des Fremdenrechts mehr als in vielen anderen Rechtsgebieten unmittelbar jene Grundrechte, die für die menschliche Existenz von fundamentaler Wichtigkeit sind und in welche daher entweder gar nicht oder nur im Rahmen sehr enger rechtlicher Schranken staatlich eingegriffen werden darf, im Fokus stehen. Es liegt nahe, dass das Recht auf Leben und das (ausnahmslose) Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung besondere asylrechtliche Relevanz haben. Neben diesen fundamentalen Rechten sind aber auch das Menschenrecht auf Privat- und Familienleben gem. Art. 8 EMRK und auch das Recht auf religiöse Freiheit gem. Art. 9 EMRK von besonderer Bedeutung.

Richtlinien der EU, so Art. 288 AEUV, sind für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Die Wahl der Form und der Mittel für die Umsetzung bleibt jedoch den innerstaatlichen Stellen überlassen. Für die Frage der Zuerkennung internationalen Schutzes als anerkannter Flüchtling bzw., sollte dieses Begehren scheitern und dennoch die Gefahr der Verfolgung im Herkunftsland bestehen, für die Entscheidung über die Gewährung „subsidiären Schutzes“, zentral ist die sog. „Status-Richtlinie“2. Ihre Umsetzung ins österreichische Recht erfolgte hauptsächlich durch Novellierungen des AsylG 2005, wobei in der Richtlinie nicht alle Details, sondern lediglich Mindeststandards normiert sind.

Jeder Antrag auf internationalen Schutz muss individuell geprüft werden. Um die Gefahr einer Verfolgung einschätzen zu können, ist die individuelle Situation des Antragstellers zu eruieren. Die individuelle Situation kann aber nicht losgelöst von der objektiven politischen und gesellschaftlichen Situation im Heimatland beurteilt werden.

Wenn das Asylverfahren nicht missbraucht wird, um aus anderen (vor allem rein wirtschaftlichen) Gründen ein Bleiberecht in Österreich zu erlangen, haben Asylwerber bereits in ihrem Herkunftsland Unrecht, Verfolgung bzw. erniedrigende Behandlungen erfahren müssen. So ist Flucht wegen einer Verfolgung aus religiösen Gründen kein seltenes Ausnahmephänomen, sondern der bedrückende Alltag von Menschen in sehr unterschiedlichen Staaten. Verfolgung aufgrund der Religion trifft Anhänger aller Religionen. Weltweit betrachtet, überragt die Zahl der verfolgten Christen jedoch alle anderen Religionen um ein trauriges Vielfaches.3

Die (begründete) Furcht vor Verfolgung kann aber auch erst nach dem Verlassen des Heimatlandes entstehen. So kann sich während eines Auslandsstudienjahres die politische Situation zu Hause so verändern, dass eine Heimkehr nicht mehr ohne Gefahr möglich ist. In diesem Fall spricht man von einem „objektiven“ Nachfluchtgrund, der ohne ein spezielles Zutun des Antragstellers auf Asyl entstanden sein muss. Davon zu unterscheiden sind die für den weiteren Gedankengang wichtigen „subjektiven“ Nachfluchtgründe (vgl. zu beidem § 3 Abs. 2 AsylG 2005). Die Gefahr, im Herkunftsland verfolgt zu werden, hat hier ihre Ursache im Verhalten des Antragstellers. Unabhängig von der Frage des Motivs wird der Fluchtgrund in Österreich durch den Asylsuchenden selbst hergestellt. Subjektive Nachfluchtgründe können Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sein. Sie können aber auch ohne Kontinuität zu einer schon bestehenden Gesinnung neu entstehen.

Die GFK unterscheidet nicht zwischen Fluchtgründen im Herkunftsstaat und „sur place“ ausgelösten Gründen. Entscheidend ist nur die Frage, wie glaubhaft bzw. wahrscheinlich die Verfolgung im Fall der (u. U. erzwungenen) Rückkehr ist. Damit betont die GFK sehr stark das subjektive Schutzbedürfnis potenziell verfolgter Menschen. Der Staat ist daran gebunden, muss aber zugleich verhindern, dass das Asylrecht missbraucht wird, indem Fluchtgründe bewusst geschaffen werden, um in den Genuss der Rechte zu kommen, die nur anerkannte Flüchtlinge genießen. Dieser Schutz vor Missbrauch ist essenziell für die Verfolgten selbst, da das asylrechtliche System politisch von der Akzeptanz der Gesamtbevölkerung abhängt, die zu kippen droht, wenn politisch oder faktisch die rechtlich vorgesehene Unterscheidung von Flüchtlingen, subsidiär Schutzberechtigten und sonstigen Migranten verwischt wird.

§ 3 Abs. 2 AslyG 2005 normiert, dass die Verfolgung (im Herkunftsland) auch auf Aktivitäten des Fremden beruhen kann, „die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.“

Durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ ergibt sich bereits eine gewisse Einschränkung. Eine besondere Einschränkung enthält diese Norm aber für subjektive Nachfluchtgründe, die erst in einem „Folgeantrag“4 geltend gemacht werden. Ein Folgeantrag ist ein neuerlicher Asylantrag, der gestellt wird, nachdem bereits ein Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen worden ist. Das Vorbringen neuer Gründe ist in bestimmten Grenzen möglich, da über diese noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Es liegt hier aber auf der Hand, dass Folgeanträge besonders missbrauchsanfällig sind und eine Verzögerungstaktik für den Vollzug einer Ausweisungsentscheidung sein können. Ganz besonders gilt dies für den Fall, dass nach dem abgelehnten ersten Verfahren der Antragsteller selbst den Fluchtgrund schafft, auf den er sich dann im Folgeantrag beruft. § 3 Abs. 2 AsylG 2005 normiert daher: „Einem Fremden, der einen Folgeantrag … stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.“

Diese Bestimmung des AsylG erging in Umsetzung von Art. 5 Abs. 2 und 3 der Status-RL, deren Wortlaut für das gegenständliche Verfahren ausschlaggebend ist.5 Vergleicht man die Texte, so erkennt man, dass die Formulierung im österreichischen AsylG enger ist.

3. Konversion als Asylgrund?

Die Religionsfreiheit schützt nicht nur die Ausübung der Religion im Rahmen der verfassungsrechtlich zulässigen Grenzen, sondern auch die Freiheit, die eigene Religion zu wechseln. Das Recht auf Apostasie (Glaubensabfall) – ohne oder mit einer einhergehenden Zuwendung zu einer anderen Religion oder Weltanschauung – steht im Zentrum des staatsgerichteten Grundrechts auf Religionsfreiheit.

Ob die Hinwendung zu einer neuen Religion bzw. die damit oftmals verbundene Abwendung von der ursprünglichen Religion, eine taugliche Grundlage für die Zuerkennung internationalen Schutzes als Flüchtling ist, hängt wie bei allen anderen Asylgründen vom individuellen Fall ab. Im Normalfall muss die Konversion in Österreich mit dem inneren Entschluss verbunden sein, die neue Religion im Herkunftsland auch ausüben zu wollen. Die Entscheidung darüber wirft aber schwierige Fragen der Kompetenz des Staates auf. Wie weit dürfen, können oder müssen staatliche Behörden die persönliche Ernsthaftigkeit des Religionsbekenntnisses beurteilen? Auch erfolgen im Rahmen der Konversion zwar einige feststehende Schritte (z. B. der Empfang der Taufe), zugleich ist die Konversion religionspsychologisch aber schwer an einem bestimmten Punkt festzumachen. Eine staatliche Beurteilung dieser Frage bewegt sich an der Grenze der weltanschaulich-religiösen Neutralität des säkularen Staates.6 Schließlich können auch weniger ernsthafte „Konversionen“ und selbst bloße Scheinkonversionen Auslöser für Verfolgung sein, wenn etwa das Foto eines Taufscheins in den sozialen Medien verbreitet wurde.

4. Zum Urteil des EuGH

Der EuGH musste die Frage klären, ob Art. 5 Abs. 2 und 3 der Status-RL7 so zu verstehen ist, dass einem Folgeantrag wegen subjektiver Nachfluchtgründe nur stattgegeben werden darf, wenn die vom Antragsteller nach seiner Flucht ausgeübten Aktivitäten in diesem Mitgliedstaat zulässig sowie nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung sind.

Die Konversion zu einer neuen Religion ist in Österreich wie in allen anderen Mitgliedstaaten der EU zweifellos eine zulässige Handlung. Die Religionsfreiheit gilt als Menschenrecht für jedermann und unterliegt keinen Einschränkungen für Drittstaatsangehörige. Die Hinwendung zur neuen Religion kann die Fortsetzung eines Prozesses sein, der bereits im Heimatland begonnen hat. So kann jemand bereits zu Hause mit dem Christentum bzw. der Kirche in Kontakt gekommen sein, etwa in Form der Entwicklungshilfe im Rahmen christlicher Mission und Caritas. Erst in Österreich erfolgte dann aber eine Intensivierung des Kontakts und eine persönliche religiöse Neuorientierung. Das Konversionsgeschehen kann aber auch erst in Österreich ausgelöst worden sein, etwa, weil ein Fremder in einer kirchlichen Gemeinde soziale Kontakte gefunden hat. Eine Ungleichbehandlung der einen und der anderen Konversion wirft erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken im Blick auf die in Österreich in Art. 63 Abs. 2 StV St. Germain und Art. 9 EMRK jedermann garantierte Religionsfreiheit auf. Da zudem eine Umsetzung von Unionsrecht vorliegt, ist auch Art. 10 GRC zu beachten.

Auch wenn man den Blick auf die Religionsfreiheit außer Acht lässt, musste der EuGH prüfen, ob die entsprechende Norm in der Status-RL so ausgelegt werden muss, dass ein Staat einem Fremden „die Anerkennung als Flüchtling nur verweigern darf, wenn feststeht, dass dieser Antrag eindeutig auf einer Verfolgungsgefahr beruht, die der Antragsteller nach der bestandskräftigen Entscheidung über seinen früheren Antrag vorsätzlich durch unredliche Aktivitäten, Handlungen oder Verhaltensweisen allein deshalb herbeigeführt hat, um die für seine Anerkennung als Flüchtling erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen.“8

Art. 5 Abs. 3 der Status-RL, an dem § 3 Abs. 3 AsylG zu messen ist, sieht vor, dass die dort genannten Einschränkungen von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden können. Es handelt sich demnach nicht um eine Verpflichtung (EuGH, Nr. 26). Die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft soll auch nicht automatisch in jedem Fall, sondern nur „in der Regel“ erfolgen (EuGH, ebd.). Soweit der Nachfluchtgrund „nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung“ ist, ist ein Missbrauch prima facie weniger wahrscheinlich. Eine generelle Tatbestandsvoraussetzung ist diese Kontinuität jedoch nicht, da Abs. 2 nicht nur von einer Möglichkeit der Umsetzung spricht, sondern diese Anknüpfung durch die Wendung „insbesondere“ relativiert.

Die Status-RL steht im Kontext des internationalen Asylrechts, dessen zentrale Normierung die GFK darstellt. Alle Mitgliedstaaten haben die GFK ratifiziert. Daher kann die RL auch nur im Licht der GFK ausgelegt werden (EuGH, Nr. 27). Der EuGH weist darauf hin, dass Art. 5 Abs. 3 Status-RL keinen Automatismus legitimiert. Die staatliche Pflicht, jeden Fall individuell zu prüfen bleibt unberührt (EuGH, Nr. 34). Auch wird keine rechtliche Vermutung aufgestellt, „wonach jeder Folgeantrag, der auf Umständen beruht, die der Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslands selbst geschaffen hat, a priori auf eine Missbrauchsabsicht und die Absicht zurückzuführen ist, das Verfahren für die Zuerkennung internationalen Schutzes zu instrumentalisieren“ (EuGH, Nr. 36).

Im Ergebnis kommt der EuGH zum Urteil, dass Art. 5 Abs. 3 der Status-RL einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund eines Folgeantrags, der auf eine Verfolgungsgefahr gestützt wird, die auf Umständen beruht, die der Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslands selbst geschaffen hat, von der Voraussetzung abhängig macht, dass diese Umstände Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung des Antragstellers sind.

Sollten die staatlichen Organe nach einem individuellen Verfahren feststellen, dass die Umstände, die die Verfolgungsgefahr begründen, gesetzt wurden, um das Asylverfahren zu missbrauchen, dann ermöglicht die Status-RL die Verweigerung der Flüchtlingseigenschaft auch dann, wenn im Heimatland tatsächlich die Gefahr der Verfolgung besteht. Schutzlos ist der Fremde indes dennoch nicht, da aufgrund der Wortfolge „unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention“ eine Zurückweisung ins Herkunftsland dennoch verboten sein kann. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der EuGH den unionsrechtlichen vom völkerrechtlichen Flüchtlingsstatus unterscheidet, sodass ein Fremder Flüchtling im Sinn der GFK sein kann, ohne dass er immer auch zugleich Flüchtling im Sinn des Unionsrechts und seiner nationalen Umsetzungen sein müsste (EuGH, Nr. 40f.).

Durch dieses Urteil ist die Rechtslage für konvertierte Flüchtlinge entscheidend verbessert, da Konversionen, die erst in Österreich ausgelöst und existentiell vollzogen wurden, nicht mehr unter dem Generalverdacht der missbräuchlichen Erschleichung der Flüchtlingseigenschaft durch einen Folgeantrag stehen

Für das gegenständliche Verfahren ausschlaggebend war die Feststellung, dass die Konversion des Iraners JF auf einer inneren Überzeugung beruht, welche durch das BFA auch festgestellt wurde. Damit freilich ist für zukünftige Verfahren die Frage verbunden, ob die Feststellung der Ernsthaftigkeit durch die staatliche Behörde nicht als technischer Fehler im Verfahren erscheinen kann, bei dessen Vermeidung eine Ablehnung der Flüchtlingseigenschaft auch vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils bestandsfest bleibt. Damit ist aber letztlich nur ein weiteres Mal die Frage aufgerissen, nach welchen Kriterien Organe des weltanschaulich-religiös neutralen Staates die Ernsthaftigkeit eines religiösen Bekenntnisses beurteilen sollen.

Anmerkungen

1 Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung). Verbreitet sind auch die Kurzbezeichnungen „Anerkennungs-RL“ bzw. „Qualifikations-RL“.

2 Siehe vorige FN.

3 Vgl. u. a. die Länderberichte zu Christenverfolgungen und den „Weltverfolgungsindex“, URL: https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex.

4 Vgl. Art. 2 lit. q RL 2013/32/EU bzw. § 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005.

5 Abs. 2: „Die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, kann auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen des Herkunftslandes beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind.“
Abs. 3: „Unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention können die Mitgliedstaaten festlegen, dass ein Antragsteller, der einen Folgeantrag stellt, in der Regel nicht als Flüchtling anerkannt wird, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslandes selbst geschaffen hat.“

6 Die prinzipielle Kompetenz des Staates, asylrechtliche Fragen zu entscheiden, kann nicht mit dem Hinweis, es handle sich um eine „innere Angelegenheit“ der Kirchen und Religionsgesellschaften i. S. v. Art. 15 StGG infrage gestellt werden. Für die Beurteilung der Konversion durch staatliche Organe ist jedoch die Aussage von mit dem Fall vertrauten offiziellen Vertretern der jeweiligen Religionsgesellschaft von besonderer Bedeutung. Vgl. dazu meinen ausführlichen Beitrag: „Gerichtliche Überprüfung von Konversion als religionsrechtliche Herausforderung für den säkularen Staat“, in: Österreichisches Archiv für Recht und Religion 69 (2022), 1–48.

7 Siehe FN 5.

8 So Generalanwalt de la Tour im Schlussantrag vom 15. Juni 2023 (Nr. 4).

Meinungsfreiheit und Koranverbrennungen: Audiokommentare von Andreas Kowatsch

Meinungsfreiheit

In seinem ersten Audiokommentar untersucht Andreas Kowatsch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit im Kontext der Demokratie. Die Gewährleistung dieses Rechts, ebenso wie anderer Grundrechte, ist nicht absolut. Insbesondere im Hinblick auf Verhetzung und Hassrede werden die Grenzen dieser Freiheit näher beleuchtet.

„Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gehört wohl zu den Kostbarkeiten einer freiheitlich-demokratischen Verfassungsordnung.“

—Andreas Kowatsch

Koranverbrennungen

In seinem zweiten Audiokommentar analysiert Andreas Kowatsch die jüngsten Vorfälle von Koranverbrennungen und die daraufhin erfolgten Reaktionen in Medien, Politik und der allgemeinen Öffentlichkeit. Dabei stellt er die hypothetische Frage, ob ähnliche Verbrennungen der Bibel vergleichbare Reaktionen hervorgerufen hätten.


Titelbild: Daniel Tibi

Homophobe Äußerungen, ein Bischof und die Grenzen der Meinungsfreiheit. Kurzkommentar zu EGMR 31.08.2023 – 47833/20, Amvrosios-Athanasios Lenis ./. Griechenland

Von Andreas KowatschORCID logo

DOI: 10.25365/phaidra.435

1. Was ist geschehen?

Amvrosios Lenis ist als Metropolit von Kalavryta und Egialia im Norden der Halbinsel Peloponnes einer der höchsten Repräsentanten der Griechisch-Orthodoxen Kirche in Griechenland. Im Dezember 2015 verfasste er anlässlich einer Parlamentsdebatte um die Einführung einer rechtlichen Regelung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften einen Beitrag auf seinem persönlichen Blog mit der Überschrift „Der Bodensatz der Gesellschaft hat seine Häupter erhoben. Seien wir ehrlich: Spuckt auf sie![1]. Homosexualität sei eine Abweichung von den Gesetzen der Natur, ein soziales Verbrechen und eine Sünde. Homosexuelle und jene, die sie unterstützen, seien keine normalen Leute, sondern der Abschaum der Gesellschaft, Menschen mit einer geistigen und spirituellen Störung, auf die man spucken solle. Die Tiraden wurden von mehreren Medien online weiterverbreitet. In einer anschließenden Klarstellung versuchte der Bischof eher halbherzig, seine Aussagen in den Kontext bloßer politischer Kritik an einzelnen Abgeordneten zu stellen. Nach der innerstaatlichen Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe rief der Metropolit den EGMR an und brachte vor, von Griechenland im Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) verletzt worden zu sein.

2. Die Zurückweisung der Klage durch den EGMR

Bereits 1976 hatte der Gerichtshof in der Rechtssache „Handyside[2] die zentrale Rolle der Meinungsfreiheit für die Demokratie und die Entwicklung eines jeden Menschen betont. Pluralismus, Toleranz und Aufgeschlossenheit verlangen auch die Freiheit für Äußerungen, die den Staat oder einen Teil der Bevölkerung beleidigen, schockieren oder stören. Ausnahmen müssen daher streng ausgelegt und die Notwendigkeit von Einschränkungen muss überzeugend begründet werden.

An diese Rechtsprechung knüpft der EGMR im vorliegenden Fall an. Gleich im Anschluss an grundsätzliche Aussagen zu Art. 10 EMRK bringt der Gerichtshof Art. 17 EMRK ins Spiel. Dieser Artikel verbietet den Missbrauch der in der EMRK und ihren Zusatzprotokollen normierten Menschenrechte. Die Berufung auf ein Menschenrecht soll nicht dazu führen, dass dadurch die Grundwerte der EMRK infrage gestellt werden.[3] Als Bestimmung, die Missbräuche verhindern soll, ist Art. 17 EMRK nur in begründeten Ausnahmefällen einschlägig.

Im gesellschaftlichen Diskurs ist der Begriff „Hassrede“ weit verbreitet. Eine weithin akzeptierte rechtliche Definition gibt es dennoch weder im österreichischen noch im internationalen Recht. Allerdings ist nicht zuletzt auf völkerrechtlicher Ebene eine deutliche Tendenz festzustellen, dass neben erzieherischen und integrationsfördernden Maßnahmen zumindest gegen schwere Formen der Hassrede eine strafrechtliche Verfolgung durch die Staaten notwendig ist. Hassrede knüpft an der Zugehörigkeit einer Person zu einer Gruppe an oder wendet sich direkt gegen eine besondere Personengruppe, die sich durch bestimmte Merkmale wie ethnische Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung oder Geschlecht abgrenzen lässt. Hassrede trägt stets etwas Gewaltvolles in sich, sei es, dass direkt zur Gewalt angestachelt wird, sei es, dass einzelnen Personengruppen das Menschsein oder die volle Zugehörigkeit zur Gesellschaft abgesprochen wird. In Österreich dient (neben dem VerbotsG 1947) vor allem § 283 StGB (Verhetzung) dazu, öffentlich vorgetragene Hassreden strafrechtlich verfolgen zu können. Daneben sind Beleidigungen als sog. Privatanklagedelikt durch § 115 StGB für strafbar erklärt. Der Tatbestand der Herabwürdigung religiöser Lehren (§ 188 StGB) ist im religiös-weltanschaulich neutralen Staat nicht unumstritten, verbietet in seinem Kern aber ebenfalls bestimmte hasserfüllte Meinungsäußerungen.

Ob es sich bei einer starken und aggressiven Kritik um eine Hassrede handelt, hängt nicht nur von den verwendeten Worten, sondern vom gesamten Kommunikationszusammenhang ab. So floss im Fall Lenis gegen Griechenland in die Entscheidung des EGMR nicht nur die inhaltliche Qualifikation der Äußerungen als Hassrede ein, sondern auch die besondere Rolle des Klägers innerhalb der griechischen Gesellschaft. Ein Metropolit habe die Macht, nicht nur seine eigene Gemeinde, sondern die orthodoxe Mehrheit der griechischen Bevölkerung zu beeinflussen.[4] Auch führt eine Verbreitung im Internet zu einer von vornherein nicht begrenzbaren Zahl von Adressaten, selbst wenn der eigentliche Blog nicht von vielen Usern wahrgenommen wird. Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Ausrichtung wiegen ebenso schwer wie Diskriminierungen aufgrund von „Rasse, Herkunft oder Hautfarbe“.[5]

Der EGMR unterscheidet in seiner Judikatur zwei Formen von Hassrede, für die die Anwendung von Art. 17 EMRK infrage kommt.[6] Die erste Kategorie bilden Hassreden, die zugleich zu konkreter Gewalt anstacheln. Hat der Kläger versucht, sich auf die Meinungsfreiheit zu berufen, um eine Tätigkeit auszuüben oder Handlungen vorzunehmen (d. h. eine Hassrede zu veröffentlichen), die auf die Zerstörung der in der EMRK verankerten Rechte und Freiheiten abzielen, dann wird die Klage aufgrund der Sache selbst – ratione materiae – zurückgewiesen (Art. 35 Abs. 3 lit. a EMRK). Mit diesem Unzulässigkeitsgrund ist – etwas unpräzise ausgedrückt – die Aussage verknüpft, dass das Klagebegehren von vornherein nicht in den Anwendungsbereich der EMRK fällt.

In die zweite Kategorie fallen alle anderen Meinungsäußerungen, welche als Hassrede einzustufen sind. Auch wer eine solche Hassrede tätigt, kann sich im Ergebnis nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen. Allerdings erfolgt die Prüfung, ob der Gerichtshof überhaupt in die Sachentscheidung eintritt oder die Klage zurückweist, im Rahmen des Art. 10 Abs. 2 EMRK. Ergibt sich unmittelbar, dass ein Eingriff in die Meinungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft im Blick auf die Ziele des Abs. 2 notwendig und verhältnismäßig war, erfolgt eine Zurückweisung aufgrund der „offensichtlichen Unbegründetheit“ der Klage (Art. 35 Abs. 3 [a] und 4 EMRK).

Die Äußerungen des Bischofs wurden vom EGMR der ersten Kategorie zugezählt. Der Metropolit hatte versucht, die Meinungsfreiheit für Zwecke zu verwenden, die den Werten der Konvention zuwiderlaufen.[7] Die Klage wurde folgerichtig ratione materiae zurückgewiesen, womit die rechtliche Feststellung verbunden ist, dass die homophoben Äußerungen von Art. 10 EMRK nicht geschützt sind.

3. Kurzkommentar

Art. 17 EMRK enthält eine besondere Schutzbestimmung, die den Missbrauch von Grundrechten verhindern soll. Die einzelnen Rechte und die EMRK als ganze dürfen nicht so ausgelegt werden, dass eine Handlung geschützt ist, die darauf abzielt, die in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten abzuschaffen oder sie stärker einzuschränken, als es in der Konvention vorgesehen ist. Welche Rechtsfolgen aus dieser Bestimmung folgen, lässt sich allerdings weder nach ihrem Wortlaut noch ihrer systematischen Stellung im Kontext der EMRK genau bestimmen. Rechtsdogmatisch sind zwei unterschiedliche Lösungen möglich, die beide auch vom EGMR angewendet werden. Eine klare Linie der Judikatur fehlt bislang.

Der Missbrauch eines Grundrechts wird am effektivsten eingeschränkt, wenn von vornherein klargestellt wird, dass eine bestimmte Handlung vom betreffenden Grundrecht gar nicht geschützt wird. In juristischer Sprache bedeutet dies dann, dass diese Handlung nicht in den grundrechtlichen Schutzbereich fällt.

Der Missbrauch eines Grundrechts kann aber auch verhindert werden, wenn nicht die Handlung als solche aus dem Schutzbereich fällt, sondern wenn im Einzelfall Eingriffe in das Grundrecht gerechtfertigt sind. In einem ersten Schritt der rechtlichen Bewertung ist die Äußerung dann prinzipiell grundrechtlich geschützt. Auch der Hassredner darf sich hier legitimerweise auf die Meinungsfreiheit berufen. Eine staatliche Reaktion auf die Handlung, etwa in Gestalt einer strafgerichtlichen Verurteilung, stellt daher einen Eingriff ins Grundrecht dar. In einem notwendigen zweiten Schritt ist dann sogleich die Frage zu klären, ob der Eingriff gerechtfertigt war. Gerechtfertigt ist ein Eingriff in die Meinungsfreiheit dann, wenn drei Kriterien erfüllt sind.

Erstens muss der Eingriff aufgrund einer gesetzlichen Grundlage erfolgt sein. Dies korrespondiert in Österreich mit Art. 18 B-VG, der die Ausübung der staatlichen Verwaltung nur auf einer hinreichend klaren (bestimmten) gesetzlichen Grundlage erlaubt. Aus dem Gleichheitssatz der Verfassung (Art. 7 B-VG) folgt nach der Rechtsprechung des VfGH auch ein Verbot staatlicher Willkür.

Die zweite Voraussetzung für die Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs ist dessen Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft. Die Notwendigkeit ergibt sich immer erst aus der Verknüpfung mit einem bestimmten legitimen Ziel. Art. 10 Abs. 2 EMRK zählt eine ganze Reihe solcher Ziele auf (nationale oder öffentliche Sicherheit, territoriale Unversehrtheit, Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, Schutz der Gesundheit und der Moral, Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer). Ebenso legitim sind, bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen, Eingriffe mit dem Ziel, die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu sichern.

Das dritte Kriterium ist mit der Notwendigkeit verknüpft und gibt ihr ein inneres Maß. Der Eingriff muss in seiner Gesamtheit, d. h. im Blick auf das gewählte Mittel und die Dringlichkeit des Zieles, sowie unter Berücksichtigung aller beteiligten rechtlich geschützten Interessen, verhältnismäßig[8] sein.

Die drei Kriterien bauen aufeinander auf, sodass sich eine Prüfung erübrigt, wenn keine gesetzliche Grundlage vorhanden ist. Fragen der Verhältnismäßigkeit stellen sich nicht, wenn ein Eingriff nicht notwendig ist, weil das Ziel ohne Weiteres auch ohne Beeinträchtigung von durch die EMRK geschützten Rechten erreicht werden kann.

In dieser zweiten Variante vervollständigt das Verbot des Grundrechtsmissbrauchs das Schema der Prüfung der Rechtfertigung. Art. 17 EMRK gibt der Prüfung des zweiten (Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft mit Blick auf ein legitimes Ziel) und dritten (Verhältnismäßigkeit) Kriteriums eine bestimmte Richtung. Liegt der Verdacht auf eine missbräuchliche Ausübung eines Konventionsrechts vor, erübrigt sich die Rechtfertigungsprüfung nicht. Soweit eine Handlung auf die Abschaffung von Grundrechten zielt oder die Berufung auf das Grundrecht diametral den Werten entgegensteht, die durch die Grundrechte eigentlich geschützt werden sollen, ist eine Einschränkung im Einzelfall aber besonders leicht als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ zu begründen. Auch die Verhältnismäßigkeit lässt sich einfacher argumentieren, wenn Art. 17 EMRK erfüllt ist.

Welche Lösung ist nun aber die sachgemäßere? Ein Ausschluss einer missbräuchlichen Handlung aus dem Schutzbereich des betreffenden Grundrechts hat den (scheinbaren?) Vorteil, rasch zu eindeutigen Lösungen zu gelangen. In der Tat ist gegenüber der demokratischen Gesellschaft erklärungsbedürftig, warum totalitäre Äußerungen, Leugnung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, maßlose Verspottung religiöser Gefühle mit dem Ziel, Gläubige der Lächerlichkeit preiszugeben oder vorteilsgeschwängerte homophobe Hassrede menschenrechtlich geschützt sein sollten. Der Ausschluss aus dem Schutzbereich ist ein scharfes Schwert in der Hand einer wehrhaften Demokratie, die allen Umtrieben, die direkt gegen sie oder ihre Grundwerte (Toleranz, Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus) gerichtet sind, so von vornherein den rechtlichen Schutz vorenthält. Eine solche Lösung entspricht auf den ersten Blick durchaus auch der Toleranz, die um ihrer selbst willen gegenüber extremen Formen der Intoleranz nicht tolerant sein darf, wenn sie nicht ihre eigenen Grundlagen infrage stellen möchte.

Allerdings bleibt das scharfe Schwert auch in der Hand einer wehrhaften Demokratie das, was es bei nüchterner Betrachtung ist, nämlich eine Waffe. Der Ausschluss bestimmter Handlungen aus dem Anwendungsbereich der Menschenrechte erleichtert nämlich auch eine extensive oder gar willkürliche Berufung auf Art. 17 EMRK bei der innerstaatlichen Normierung einzelner Maßnahmen. Politische Kräfte, welche die Demokratien „illiberalisieren“ wollen, könnten (zumindest innerstaatlich) versuchen, allen möglichen politisch nicht gewollten Meinungen den menschenrechtlichen Schutz zu entziehen. Art. 17 EMRK trägt daher auch das Potential in sich, in das Gegenteil dessen verkehrt zu werden, was die Norm eigentlich erreichen will. Erst im Zusammenhang mit den jeweiligen Grundrechtsschranken ist eine missbräuchliche Anwendung des Missbrauchsverbots verhindert. Der Ausschluss aus dem Schutzbereich eines Menschenrechts führt zum Ausfall der Rechtfertigungsprüfung eines Eingriffs. Insgesamt kann das ein hoher Preis für das verständliche Anliegen, Aufrufe zur Gewalt gegenüber schutzbedürftigen Personengruppen oder extremistische Attacken auf die demokratische Grundordnung möglichst effektiv zu bekämpfen, sein.

Im vorliegenden Fall wäre die Klage jedenfalls zurückgewiesen worden. Der Ausspruch, dass diese angesichts der getätigten hasserfüllten Äußerungen offensichtlich unbegründet ist, hätte ebenfalls keinen Zweifel daran gelassen, dass homophobe Hassrede etwas anderes ist als die werbende Verkündigung für die eigene Religion und ihre Morallehre. Auch wenn die Religionsfreiheit im Fall Lenis gegen Griechenland gar nicht zur Debatte stand, zeigt dieser Fall, dass auch die Berufung auf religiöse Gründe Hassrede nicht legitimiert. Damit begrenzt diese Entscheidung aber nicht die Religionsfreiheit an sich, sondern erleichtert die Abgrenzung von geschützter Religionsausübung und extremistischem Missbrauch von Religion oder Weltanschauung – welcher Provenienz auch immer.

Anmerkungen

[1]   Die Zitate sind eigene Übersetzungen der englischsprachigen Entscheidung des EGMR, 31.08.2023, Amvrosios-Athanasios Lenis ./. Griechenland, no. 47833/20 (dec.), 5. Da es sich um die Übersetzung von bereits Übersetztem handelt, sind sprachliche Ungenauigkeiten nicht auszuschließen.

[2]   EGMR, 07.12.1976, Handyside ./.Vereinigtes Königreich, no. 5493/72.

[3]   Art. 17 EMRK lautet: „Keine Bestimmung dieser Konvention darf dahin ausgelegt werden, dass sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person das Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, die auf die Abschaffung der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten oder auf weitergehende Beschränkungen dieser Rechte und Freiheiten, als in der Konvention vorgesehen, hinzielt.“

[4]   Gem. Art. 3 der Verfassung Griechenlands nimmt die Griechisch-Orthodoxe Kirche als „vorherrschende Religion“ die Rolle einer Staatskirche ein. Versuche in jüngerer Vergangenheit, diesen Status abzuschaffen, waren nicht erfolgreich.

[5]   EMGR, 31.08.2023, Amvrosios-Athanasios Lenis ./.Griechenland, no. 47833/20 (dec.), 53 mit Verweis auf EGMR, 09.02.2012, Vejdeland and Others ./. Sweden, no. 1813/07, 55.

[6]   EGMR, 12.05.2020, Lilliendahl ./. Island (dec.), no. 29297/18, 33.

[7]   EMGR, 31.08.2023, Amvrosios-Athanasios Lenis ./.Griechenland, no. 47833/20 (dec.), 56f.

[8]   Art. 10 Abs. 2 EMKR verwendet den Ausdruck „unentbehrlich“.

Das österreichische Religionsrecht vor Gericht. Anmerkungen zum Urteil des EuGH in der Rechtssache C‑372/21 vom 2. Februar 2023

Von Andreas Kowatsch.

DOI: 10.25365/phaidra.395

1. Einführung

Besonderheiten des Europarechts

Mit der Mitgliedschaft in der EU ist die Verpflichtung der Staaten verbunden, alle Maßnahmen zu unterlassen, durch die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährdet werden könnte (vgl. Art. 4 Abs. 3 EU-V). Bereits seit den frühen 1960er-Jahren hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zwei Wirkungen des Gemeinschaftsrechts (jetzt: Unionsrechts) herausgearbeitet, die die Wirksamkeit dieser „supranationalen“ Rechtsordnung gewährleisten sollen. Die „unmittelbaren Anwendbarkeit“ des Unionsrechts bedeutet, dass unter bestimmten Voraussetzungen (etwa im Fall einer Verordnung oder einer nicht ausreichend oder fristgerecht ins nationale Recht umgesetzten Richtlinie) das Unionsrecht unmittelbar für die Bürger:innen Rechte begründet. Im klassischen Völkerrecht haben im Normalfall nur die Staaten gegeneinander Rechtsansprüche. Die zweite Wirkung ist der „Anwendungsvorrang“, den die Rechtsakte der Union, die deren Organe im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlassen haben, gegenüber dem gesamten nationalen Recht genießen. Auch nationales Verfassungsrecht darf im Konfliktfall mit gegenteiligem Unionsrecht nicht angewendet werden. Für die Wirksamkeit des Beitritts Österreichs im Jahr 1996 war vor allem deshalb auch zwingend eine Volksabstimmung durchzuführen, da der Vorrang des Europarechts, das (immer noch) eine geringere demokratische Legitimation als das nationale Recht hat, zu einer sogenannten „Gesamtänderung“ des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes (vgl. Art. 44 Abs. 3 B-VG) geführt hat. In einigen Staaten vertreten Lehre und Rechtsprechung die Ansicht, dass der Anwendungsvorrang dann nicht gilt, wenn die EU völlig außerhalb ihrer Kompetenzen gehandelt haben sollte („ultra vires“) oder EU-Recht die „nationale Verfassungsidentität“ in erheblicher Weise gefährden würde (vgl. Art. 4 Abs. 2 EU-V).

Ein „EU-Religionsrecht“?

Mit der Frage der Verfassungsidentität hängt auch das System der rechtlichen Beziehungen zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften zusammen. Die EU verfügt über keine Kompetenz, ein eigenes Religionsverfassungsrecht zu normieren. Allerdings betreffen mittlerweile sehr viele Bereiche, in denen die Union kompetent ist, Rechtsnormen zu erlassen, indirekt die Rechtsstellung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in den Mitgliedstaaten. Das arbeitsrechtliche Antidiskriminierungsrecht würde das grundrechtlich gesicherte Selbstbestimmungsrecht (vgl. Art. 9 EMRK, Art. 10 der Charta der Grundrecht der EU-GRC) völlig aushöhlen, wenn die Religionsgemeinschaften bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter:innen nicht nach der Religionszugehörigkeit differenzieren dürften. Sehr eng gefasste Ausnahmebestimmungen verhindern, dass dies geschieht, sichern aber auch einen möglichst weitgehenden Diskriminierungsschutz. Ein anderes Beispiel ist das Datenschutzrecht, das in den letzten Jahren immer dichter geregelt worden ist. Ohne bestimmte Ausnahmen zugunsten der Religionsgemeinschaften würden bestimmte nationale Systeme der Kirchenfinanzierung (z. B. die im deutschen Grundgesetz garantierte Kirchensteuer) zusammenbrechen. Auch hier sind die Ausnahmen aber sehr eng gefasst. Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich durch die vielfältigen Auswirkungen von Normen, die an sich mit den Religionen nichts zu tun haben, eine Art „EU-Religionsrecht“ entwickelt hat.

Um das Bewusstsein für diese Entwicklung zu schärfen, haben Religionsvertreter anlässlich der Unterzeichnung des Vertrags von Amsterdam 1997 erreichen können, dass diesem eine Erklärung über den Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften in den Mitgliedstaaten angefügt wurde. Diese politische Erklärung wurde dann anlässlich der großen Reform der EU durch den Vertrag von Lissabon 2007 (in Kraft getreten 2009) in den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) als dessen Artikel 17 aufgenommen und ist damit Bestandteil des sogenannten „Primärrechts“. An dieser höchsten Rechtsschicht müssen sich alle anderen Normen der EU messen lassen. In diesem Artikel bekennt sich die Union zu einem institutionalisierten ständigen Dialog mit den Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften. Für die Frage der Abgrenzung von staatlichen und europäischen Kompetenzen wichtig sind die Absätze 1 und 2. Absatz 1 lautet: „Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht.“[1]

Da sowohl von einer „Achtung des Status“ die Rede ist, als auch die Verpflichtung, diesen „nicht zu beeinträchtigen“, festgehalten wird, sichert Art. 17 AEUV die nationalen religionsrechtlichen Systeme primärrechtlich ab. Nicht jede Auswirkung auf staatliche Normen, die die Religionen betreffen, ist dadurch aber verboten. Eine solche Lesart würde den Zielen des Europarechts diametral entgegenstehen. Verboten sind aber Rechtsakte, die das Staat-Kirche-Verhältnis in einem Staat erheblich verschieben würden. Dazu fehlt der EU die Kompetenz. Die Frage, ob ein Gemeinwesen auf einer ausgrenzend-laizistischen Verhältnisbestimmung zu den Religionen aufbaut oder ob wie in Österreich ein verfassungsrechtliches Konzept einer kooperativen Hereinnahme vor allem der anerkannten Religionsgesellschaften in die staatliche Öffentlichkeit vorherrscht, ist Teil der nationalen Verfassungsidentität und ausschließlich von den Mitgliedstaaten zu bestimmen. Sogar die vorherrschende Stellung einer Staatskirche (wie in Griechenland, Malta oder Dänemark) ist mit den Grundprinzipien der EU vereinbar.

2. Das Vorabentscheidungsverfahren C-372/21

Was war geschehen?

Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten ist in Deutschland der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden. Anders als in Österreich beruht dieser Status nicht auf einer gesetzlichen Anerkennung, die an strenge Kriterien geknüpft ist. Ausreichend ist, dass eine Religionsgemeinschaft durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten kann (so Art. 137 Abs. 5 der Weimarer Reichsverfassung von 1919; durch Art. 140 GG wurden die „Kirchenartikel“ der WRV Bestandteile des GG). Das Bundesverfassungsgericht verlangt Rechtstreue als weiteres, ungeschriebenes Kriterium.

In Österreich genießen die „gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften“ (KuR) ebenfalls öffentlich-rechtlichen Status, wobei im Einzelfall die damit verbundenen Rechte umstritten sind. Um den Status einer KuR zu erlangen, normiert das Anerkennungsrecht (im AnerkG von 1874 und in § 11 BekGG) strenge Voraussetzungen. So muss eine positive Grundeinstellung gegenüber dem Staat und der Gesellschaft vorhanden sein. Die Gemeinschaft muss bereits eine längere Zeit in Österreich bestehen, über eine Mindestanzahl von Gläubigen (2 Promille der österreichischen Bevölkerung) verfügen und muss sich eine Verfassung geben, die dem Staat gegenüber verbindlich die vertretungsbefugten Personen erkennen lässt und die Abgrenzung von anderen KuR erlaubt. In Österreich ist die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten seit 1998 eine staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft, nicht aber eine KuR.

Die deutschen Adventisten haben gegen die Bildungsdirektion für Vorarlberg geklagt, weil diese den Antrag auf Subventionierung einer als kombinierten Grund- und Mittelschule[2] geführten Bildungseinrichtung, die von dieser Religionsgemeinschaft als „konfessionelle Schule“ anerkannt und von ihr unterstützt wird, abgewiesen hatte. Die Schule wird von einem österreichischen Verein betrieben.

Gem. § 17 Abs. 1 PrivatschulG hat der Staat den KuR „für die mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten konfessionellen Privatschulen“ Subventionen zum Personalaufwand zu gewähren. Abs. 2 bestimmt, dass unter einer konfessionellen Privatschule eine von einer KuR unmittelbar oder durch eine ihrer Einrichtungen erhaltenen Schule zu verstehen ist. Wenn eine Schule von Vereinen, Stiftungen und Fonds erhalten werden, kann die zuständige religionsgesellschaftliche Oberbehörde diese Schule als konfessionelle Privatschule anerkennen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes können demnach nur die anerkannten KuR Subventionen für den Personalaufwand ihrer konfessionellen Privatschulen erhalten.

Die Siebenten-Tags-Adventisten sahen darin eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit als einer der Grundfreiheiten des Unionsrechts (vgl. Art. 56 AUEV) und erhoben Klage vor dem österreichischen Bundesverwaltungsgericht. Dieses wies die Klage ab, da das Unionsrecht Österreich nicht verpflichte, eine zuvor in einem anderen Mitgliedstaat anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft anzuerkennen. Auch eine solche Religionsgemeinschaft müsse daher nach dem österreichischen Recht als KuR anerkannt sein, um sich auf § 17 PrivatschulG berufen zu können.[3] Dagegen erhoben die Adventisten Revision an den VwGH. Dieser unterbrach sein Verfahren und stellte an den EuGH ein Ersuchen um Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV.[4] Das Vorabentscheidungsverfahren ist eines der wichtigsten Instrumente, um das EU-Recht mit den nationalen Rechtsordnungen zu koordinieren. Um die Einheitlichkeit des Europarechts zu sichern, entscheidet allein der EuGH über strittige Auslegungen der Verträge. Letztinstanzliche nationale Gerichte sind verpflichtet, den EuGH um Vorabentscheidung anzurufen, wenn die Klärung Frage für das jeweilige Verfahren erforderlich ist. Unterinstanzliche Gerichte sind dazu berechtigt.

Der VwGH erläuterte in seinem Ersuchen, warum ausschließlich die KuR für konfessionelle Privatschulen Subventionierungen des Personals erhalten können: KuR seien Körperschaften des öffentlichen Rechts, die über besondere Rechte verfügten und Aufgaben, u. a. im Bereich der Bildung, erfüllten, wodurch sie am staatlichen öffentlichen Leben teilnähmen.[5] Die Union müsse aufgrund Art. 17 AUEV hinsichtlich der Beziehungen zwischen einem Mitgliedstaat und den Religionsgemeinschaften neutral bleiben. Konfessionelle Privatschulen der KuR, die in Österreich hinreichend vertreten sind, ergänzen das öffentliche Schulwesen. Den Eltern soll die Wahl einer Erziehung, die ihrer religiösen Auffassung entspricht, erleichtert werden.[6]

Die Lösung der Frage hing nicht nur davon ab, ob das Unionsrecht überhaupt anwendbar ist, wenn es sich um eine Frage der grundlegenden religionsrechtlichen Normen (wie dem österreichischen Anerkennungsrecht) handelt. Die Tätigkeit der privaten Bildungseinrichtung musste auch eine wirtschaftlich relevante Erbringung von Dienstleistungen darstellen.[7] Würden die Subventionen gewährt werden, erfolgte die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln, sodass dann keine wirtschaftliche Tätigkeit mehr vorläge.

Die Entscheidung des EuGH

Nachdem der Generalanwalt seine Stellungnahme abgegeben hatte,[8] erging am 2. Februar 2023 das Urteil. Die dritte Kammer des EuGH führt aus, dass Art. 17 Abs. 1 AEUV die EU in der Frage, wie die Mitgliedstaaten ihre Beziehungen zu den Kirchen und religiösen Vereinigungen oder Gemeinschaften gestalten, neutral bleiben müsse. Dadurch würden aber religiöse Tätigkeiten nicht grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des Unionsrechts herausgenommen. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Tätigkeit in der Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt auf einem bestimmten Markt bestehe, wie es bei privat finanzierten Bildungseinrichtungen regelmäßig der Fall ist.[9]

Die Schule, für die die Adventisten Subventionen beantragt hat, wird nicht durch öffentliche Mittel finanziert. Sie übt daher wirtschaftliche Tätigkeiten aus. Für die Anwendbarkeit des Unionsrechts sei es unerheblich, so der EuGH, dass eine zukünftige Subventionierung dazu führen würde, dass keine wirtschaftliche Tätigkeit mehr vorläge. Da die Bildungseinrichtung nicht direkt von den deutschen Adventisten, sondern von einem österreichischen Verein betrieben wird, handle es sich jedoch nicht um eine Frage der Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 AEUV, sondern betrifft mit der in Art. 49 AUEV garantierten Niederlassungsfreiheit eine andere europäische Grundfreiheit.[10] Zudem gelte der Grundsatz des Verbots der Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Dieser verbiete nicht nur offensichtliche Diskriminierungen, sondern auch alle verdeckten Formen der Diskriminierung.[11]

Wendet man diese grundsätzlichen Gedanken auf den Sachverhalt an, dann steht fest, dass der Antrag auf Subventionierung einer konfessionellen Privatschule nur den in Österreich bestehenden und nach dem österreichischen Recht gesetzlich anerkannten KuR offensteht, wodurch die Niederlassungsfreiheit eingeschränkt wird. Zudem erschweren die Voraussetzungen für die gesetzliche Anerkennung, dass bislang nicht in Österreich wirkende Religionsgemeinschaften überhaupt anerkannt werden könnten. Jedenfalls fällt dies in Österreich bereits ansässigen Gemeinschaften ungleich leichter: „Diese Voraussetzungen sind also geeignet, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Kirchen und Religionsgesellschaften zu benachteiligen, die in Österreich ansässige private Bildungseinrichtungen als konfessionelle Schulen anerkennen und unterstützen.“[12]

Das grundsätzliche Verbot, die Niederlassungsfreiheit einzuschränken, wird allerdings von einigen Ausnahmen durchbrochen. So gelten die entsprechenden Bestimmungen nicht für Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind (vgl. Art. 51 AEUV). So können Richter:innen sich beispielsweise nicht unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit in einem anderen Mitgliedstaat auf das Richteramt bewerben. Staatliche Sonderregelungen für Ausländer sind nicht absolut verboten. Sie müssen allerdings aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sein (vgl. Art. 52 AEUV). Dies ist auch dann der Fall, wenn ein zwingender Grund des Allgemeininteresses eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt, solange die unterscheidenden Maßnahmen verhältnismäßig sind. Diese müssen geeignet sein, „die Erreichung der verfolgten Zielsetzung in kohärenter und systematischer Weise zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen darf, was hierzu erforderlich ist.“[13]

Daher hatte der Gerichtshof zu prüfen, ob im konkreten Fall die unterschiedliche Behandlung von nach dem österreichischen Recht anerkannten KuR und anderen Religionsgemeinschaften gerechtfertigt ist. Innerstaatlich ist es ständige Rechtsprechung des VfGH, dass gegen unterschiedliche Kategorien der rechtlichen Anerkennung von Religionsgemeinschaften keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, da die österreichische Verfassung in Art. 15 StGG diese Unterscheidung enthalte.[14]

Die Subventionierung von anerkannten KuR im Bildungsbereich (ebenso wie im Gesundheitsbereich) hängt damit zusammen, dass diese zum Wohlergehen von Menschen beitragen. Mit dem öffentlich-rechtlichen Status sind auch Pflichten verbunden, zu denen nach herrschender Auffassung auch die Erteilung des Religionsunterrichts zählt.[15] Den Eltern es tatsächlich zu ermöglichen, eine Erziehung ihrer Kinder zu wählen, die ihren religiösen Überzeugungen entspricht, kann ein legitimes Ziel sein, das der nationale Gesetzgeber verfolgt. Maßnahmen zur Sicherstellung eines hohen Ausbildungsstandards können, so der EuGH unter Verweis auf seine eigene Judikatur, einen „zwingenden Grund des Allgemeininteresses“ bilden.[16] Ob dies im konkreten Fall erfüllt ist, muss der VwGH entscheiden, da nicht der EuGH, sondern die nationalen Gerichte für die Interpretation und die Anwendung des nationalen Rechts zuständig sind. Da diese Beurteilung aber im Licht der unionsrechtlichen Vorgaben erfolgen muss, sieht sich der EuGH ermächtigt, den nationalen Gerichten bestimmte Hinweise zu geben.

In diesem Sinn hebt der EuGH folgende Merkmale des österreichischen Religionsrechts hervor:

  1. Die Anerkennung als KuR setzt eine gewisse Größe voraus, die es erlaubt, dass Tätigkeiten entfaltet werden, die sich nicht allein auf die eigenen Mitglieder beschränken.
  2. Wenn der Staat Schulen subventioniert, muss sichergestellt sein, dass diese „einen bedeutenden Teil der Bevölkerung ansprechen, der dieses Bildungsangebot wählen kann, das das von den öffentlichen Schulen angebotene ergänzt.“[17]

Die Beschränkung des § 17 PrivatschulG scheint dem EuGH daher „nicht unangemessen“ zu sein, um es den Eltern zu ermöglichen, die ihrer religiösen Auffassung entsprechende Erziehung ihrer Kinder im Rahmen eines qualitativ hochwertigen interkonfessionellen Unterrichts zu wählen.[18]

Auswirkungen auf das österreichische Anerkennungsrecht?

Für das österreichische Religionsrecht am interessantesten sind die abschließenden Überlegungen des EuGH. Da Art. 17 Abs. 1 AEUV die EU verpflichtet, den Status der Religionsgemeinschaften in den Mitgliedstaaten zu achten und nicht zu beeinträchtigen, und da in Art. 17 AEUV die Neutralität der Union gegenüber den religionsverfassungsrechtlichen Grundentscheidungen der Mitgliedstaaten ausgedrückt ist, kann die Niederlassungsfreiheit nicht dazu führen, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, den Status einer Religionsgemeinschaft anzuerkennen, den diese nach dem Recht anderer Mitgliedstaaten genießen.

Art. 11 BekGG enthält alternative Voraussetzungen im Blick auf die verlangte Dauer der Ansässigkeit einer Religionsgemeinschaft in Österreich, um als KuR anerkannt zu werden. Diese Voraussetzungen, die in der österreichischen Lehre im Einzelnen durchaus nicht unumstritten sind, gehen nicht über das zur Erreichung des legitimen Ziels, nämlich es den Eltern zu ermöglichen, die ihrer religiösen Auffassung entsprechende Erziehung ihrer Kinder zu wählen, Erforderliche hinaus.[19]

Art. 17 Abs. 1 AUEV bewirkt zwar nicht, dass in der konkreten Situation, die dem Verfahren vor dem VwGH zugrunde liegt, das Unionsrecht nicht anwendbar wäre. Die Verpflichtung der Union, den nationalen Rechtsstatus der Religionsgemeinschaften zu achten und diesen nicht zu beeinträchtigen, zieht dem Handeln der Unionsorgane im Rahmen ihrer Zuständigkeiten keine prinzipielle Grenze. Art. 17 Abs. 1 AEUV kann aber die Grundlage für Ausnahmebestimmungen von ansonsten verpflichtenden Vorschriften sein. Berührt ein unionsrechtlich zu beurteilender Sachverhalt den Status der Religionsgemeinschaften in einem Mitgliedsstaat, sind die entsprechenden Normen des Unionsrechts auch im Licht des Art. 17 AUEVU zu interpretieren. Dadurch ist trotz des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Unionsrechts auch ein gewisser Spielraum eröffnet, wie dieses mit dem jeweiligen nationalen Religionsrecht koordiniert werden kann, ohne den Anwendungsvorrang zu hinterfragen. Aus der Sicht der Religionsrechtswissenschaft zu begrüßen ist, dass der EuGH in diesem Urteil mehr als bislang anerkennt, dass Art. 17 AEUV im Gegensatz zur „Amsterdamer Kirchenerklärung“ nunmehr ein vollgültiger Bestandteil des Primärrecht ist.


Anmerkungen

[1]  Abs. 2 wendet dieselbe Bestimmung auf nichtreligiöse Weltanschauungsgemeinschaften an. Für diese sieht das österreichische Recht bislang keine besondere Rechtsform vor.

[2]  So in Nr. 12 des Schlussantrags des Generalanwalts.

[3]  Nr. 9. Die nachfolgend zitierten Nummern beziehen sich auf das EuGH-Urteil.

[4]  Die Frage lautete im Detail: „1. Fällt eine Situation, in der eine in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union anerkannte und ansässige Religionsgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat um Subventionierung einer von ihr als konfessionell anerkannten, von einem nach dem Recht dieses anderen Mitgliedstaats eingetragenen Verein in diesem anderen Mitgliedstaat betriebenen Privatschule ansucht, unter Berücksichtigung von Art. 17 AEUV in den Anwendungsbereich des Unionsrechts, insbesondere von Art. 56 AEUV? Für den Fall der Bejahung der ersten Frage: 2. Ist Art. 56 AEUV dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche als eine Voraussetzung für die Subventionierung von konfessionellen Privatschulen die Anerkennung des Antragstellers als Kirche oder Religionsgesellschaft nach nationalem Recht vorsieht?“

[5]  Nr. 11.

[6]  Nr. 16.

[7]  Dass Privatschulen auch wirtschaftlich relevante Dienstleistungen erbringen, hatte der EuGH bereits in einem anderen Verfahren (C‑622/16 P bis C‑624/16 P, Rn. 105) festgestellt.

[8]  Diese ist veröffentlicht auf: https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=A9ADCEEA2282A6B226C7C8EECA3673A1?text=&docid=262447&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=5059329

[9]  Nr. 18–20. Demgegenüber ist Unterricht an einer öffentlichen Bildungseinrichtung, die zumindest überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, keine wirtschaftliche Tätigkeit (Nr. 21).

[10] Nr. 26. Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind prinzipiell verboten. Nicht erst die Unterbindung, sondern jede Maßnahme, die eine geplante Niederlassung erschwert, fällt unter das Verbot. Die Niederlassungsfreiheit gilt auch für Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften, sofern ein Unternehmen in einem EU-Staat seinen Sitz hat.

[11] Nr. 29.

[12] Nr. 31.

[13] Nr. 33.

[14] Vgl. schon VfSlg 9185/1981.

[15] Der EuGH verweist hier (Nr. 35) auf die Erläuterungen zur Änderung des BekGG. Vgl. ErlBRV 1256/XXIV. GP, 4.

[16] Nr. 36 mit Verweis auf Urteile C‑153/02, Rn. 46, und C‑386/04, Rn. 45.

[17] Nr. 40.

[18] Nr. 41.

[19] Nr. 42f. Befremdlich ist allerdings das Argument, dass der österreichische Gesetzgeber deswegen nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des mit der nationalen Regelung verfolgten Ziels erforderlich ist, weil der Nachweis, 2 Promille der Bevölkerung als Mitglieder zu umfassen, nicht nur durch eine offizielle Volkszählung, sondern auch in anderer geeigneter Form erbracht werden kann.

Islam und Alevitentum in Österreich

Ein religionsrechtlicher Überblick zur Interviewserie von rechtundreligion.at mit den Spitzenvertretern jener Religionsgemeinschaften, die nach dem österreichischen Recht dem Islam und/oder dem Alevitentum zugeordnet werden.

Die Annexion von Bosnien und Herzegowina durch Österreich im Jahr 1908 löste Bemühungen aus, eine gesetzliche Anerkennung der bosnischen Muslime zu finden und so eine materielle Gleichstellung mit den Angehörigen der anderen zum damaligen Zeitpunkt anerkannten Religionsgesellschaften herzustellen. 1912 wurde das Islamgesetz 1912 erlassen, das erst 103 Jahre später durch das Islamgesetz 2015 ersetzt wurde. Der Wortlaut des IslamG 1912 hatte die Anerkennung aufgrund der historischen Verbindung mit Bosnien-Herzegowina auf die Anhänger der hanafitischen Rechtsschule beschränkt. Im Zuge der Einwanderung tausender Muslime nach Österreich in den 1960er-Jahren verstärkten sich Bemühungen einer institutionellen Anerkennung des Islam. Erst 1979 wurde die erste Kultusgemeine aufgrund des IslamG 1912 errichtet und die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) durch die „genehmigende Kenntnisnahme“ ihrer Verfassung durch das staatliche Kultusamt – eine bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Besonderheit des österreichischen Religionsrechts – als Religionsgesellschaft anerkannt. Da das IslamG 1912 aber nach wie vor nur für die Anhänger der hanafitischen Rechtsschule galt, waren – neben internen Fragen und wohl auch aufgrund einer mittlerweile vielfältigen nationalen Herkunft der Muslime in Österreich – Konflikte vorprogrammiert.

In einem richtungsweisenden Erkenntnis hob der VfGH im Jahr 1987 (VfGH, 10.12.1987, G146/87, G147/87, VfSlg. 11574) die Wortfolge „nach hanafitischem Ritus“ als verfassungswidrig auf, sodass die bis dahin einzig bestehende Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich – durchaus in Übereinstimmung mit ihrem eigenen Selbstverständnis – die institutionelle Vertretung aller in Österreich lebenden Muslime übernahm. Für den Staat brachte das Vorhandensein eines einzigen Ansprechpartners durchaus auch pragmatische Vorteile mit sich. Solange Anspruch und Wirklichkeit nicht auseinanderfallen, ist dies auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht zu beeinspruchen. Sobald jedoch innerhalb einer religiösen Tradition einzelne Gruppierungen ihrem eigenen Selbstverständnis nach den Anspruch auf eine religiös-konfessionelle Eigenständigkeit innerhalb ihrer religiösen Großüberlieferung beanspruchen, obliegt es nicht dem religiös-weltanschaulich neutralen Staat zu entscheiden, ob es innerhalb einer Religion bloß eine oder mehrere „Konfessionen“ geben darf. Wie das Christentum ist auch der Islam in sich polyphon und vielgestaltig. Innerhalb der Großüberlieferungen der Sunniten und der Schiiten haben sich unterschiedliche Rechtsschulen entwickelt. Dazu kommen Phänomene am Rande der islamischen Tradition, die religionswissenschaftlich nur in Teilaspekten dem Islam zugeordnet werden können.

Die durch das Erkenntnis des VfGH 1987 resultierende Rechtslage bedingte Alleinvertretung durch die IGGÖ konnte nicht verhindern, dass neben nach außen getragenen internen Konflikten und unter dem Mantel der Religionszugehörigkeit nicht immer bewältigten sozio-ethnischen Spannungen die Diskussionen über die Möglichkeit einer rechtlichen Selbstständigkeit weiterer religiöser Gruppierungen innerhalb des Islam sukzessive lauter wurden.

(Islamisch-) Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich

Bemühungen des Kulturvereins der Aleviten in Wien auf staatliche. Eintragung nach dem Bekenntnisgemeinschaftengesetz (BekGG) im Jahr 2009 scheiterten mit dem Hinweis, dass das IslamG 1912 keine zusätzlichen islamischen Glaubensgemeinschaften zulasse. 2010 erklärte jedoch der VfGH im „Alevitenerkenntnis“ (VfGH 01.12.2010, B1214/09 VfSlg. 19240), dass diese Rechtsansicht verfassungswidrig sei. Nicht nur enthalte das IslamG kein Verbot der Anerkennung von mehr als bloß einer sich auf den Islam berufenen Glaubensgemeinschaft, eine solche Ansicht widerspreche zudem dem Recht auf freie Religionsausübung gem. Art. 9 EMRK.

Damit war die Grundlage gelegt, dass 2010 die Islamisch Alevitische Glaubensgemeinschaft als religiöse Bekenntnisgemeinschaft registriert werden konnte. Eine weitere Voraussetzung war die Übermittlung von Statuten und eine Darstellung der Lehre, um sicherzustellen, dass es sich um eine von der schon bestehenden Religionsgemeinschaft unterscheidbare Gruppierung handelt. Dies ist eine Konsequenz aus dem sog. „Ausschließlichkeitsrecht“, das den anerkannten Religionsgesellschaften verbürgt, gegenüber dem Staat und im staatlichen Recht die alleinige institutionelle Vertretung der Angehörigen eines bestimmten Religionsbekenntnisses zu sein. Auch wenn dieses institutionelle Recht in einer gewissen Spannung zur individuellen Religionsfreiheit steht, kommt in ihm der kooperative Charakter des österreichischen Religionsrechts zum Ausdruck.

2013 erreichte die Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft die Anerkennung als Religionsgesellschaft i.S.d. Art 15 StGG mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten (u.a. Erteilung von Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen).

Der verschlungene Weg zur Eintragung der Frei-Alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (FAGÖ)

§ 4 BekGG normiert eine Reihe von Voraussetzungen für die Statuten, um die staatliche Eintragung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft zu erlangen. Um die erwähnte Unterscheidbarkeit von bereits bestehenden Gemeinschaften zu gewährleisten, werden dort bestimmte Anforderungen an den Namen der Religionsgemeinschaft gestellt (Abs. 1 Z. 1.) Darüber hinaus muss die eigene Religionslehre dargestellt werden (Z. 2), um die staatliche Behörde, die selbst über keine Kompetenzen verfügt, religiöse Debatten zu entscheiden, beurteilen kann, ob es ich um eine von bereits bestehenden Religionsgemeinschaften unterscheidbare Gruppierung handelt. Mit dieser Genehmigungsvoraussetzung versetzt das BekGG den religiös-weltanschaulich neutralen Staat freilich trotz allem in die Rolle, religiöse Lehren inhaltlich bewerten zu müssen.

Um die Eintragung als Bekenntnisgemeinschaft zu erlangen, mussten unterschiedliche alevitische Gruppierungen Einigkeit über die alevitische Lehre erzielen. Dabei kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der Föderation der Aleviten-Gemeinden in Österreich und dem Kulturverein der Aleviten in Wien. Diese betrafen vor allem die Frage, ob das Alevitentum eine – in aus dem christlichen Kontext stammender Terminologie ausgedrückt – „Konfession“ des Islam oder eine vom Islam unabhängige Religion sei.

Die Föderation der Aleviten-Gemeinden in Österreich machte sich für die Eintragung als eine vom Islam unabhängige Religionsgemeinschaft stark, während der Kulturverein der Aleviten in Wien sich dem Islam zugehörig verstand. Für Außenstehende kompliziert wurde die Angelegenheit dadurch, dass die Föderation eigentlich den Dachverband bildete, dem der Wiener Kulturverein angehörte.

Die Frage der Nähe und Distanz zum Islam kann eigentlich nur durch die Gläubigen selbst, nicht aber durch staatliche Hoheitsgewalt beantwortet werden. Durch die Anerkennung der Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft und ihrer späteren Anerkennung als Religionsgesellschaft wurden staatlicherseits aber Fakten geschaffen, mit denen die Anhänger der „nicht-islamischen“ Aleviten nicht leben konnten.

2015 trat das neue Islamgesetz in Kraft, welches das IslamG 1912 ersetzte. Das IslamG 2015 ist dadurch gekennzeichnet, dass es zugleich ein spezielles Anerkennungsgesetz für islamische Religionsgesellschaften bildet und die beiden bereits bestehenden Glaubensgemeinschaften (IGGÖ, Islamisch-Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich) in einem besonderen Teil spezialgesetzlich anerkennt und religionsrechtliche Regelungen für diese trifft. Die Anerkennung weiterer Religionsgesellschaften, die nach dem eigenen Selbstverständnis islamisch sind, richtet sich daher in Zukunft nach dem IslamG, nicht nach dem AnerkennungsG 1874 (mit der zusätzlichen ins BekGG verirrten Norm des § 11 BekGG).

Islamische-Schiitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (Schia)

Dies betrifft vor allem die 2013 staatlich eingetragene Islamische-Schiitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (Schia), die nach eigenem Selbstverständnis zweifellos „islamisch“ ist und sich dennoch von der mehrheitlich sunnitisch geprägten IGGÖ nicht vertreten lassen wollte. Dass es auch innerhalb der IGGÖ schiitische Gruppen gibt, zeigt, wie komplex die islamische Vielfalt sich rechtlich darstellt. Mit der Eintragung der Schia jedenfalls erfolgte die zweite religionsrechtliche Anerkennung einer islamischen Glaubensgemeinschaft in der Logik des Alevitenerkentnisses des VfGH.

Nach der „neuerlichen“ Anerkennung überarbeiteten beide Islamischen Religionsgesellschaften ihre Verfassung. Die Islamisch-Alevitisch Glaubensgemeinschaft änderte ihren Namen, indem der Zusatz „Islamisch“ gestrichen wurde und nunmehr lautet: „Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich – ALEVI“. Auch wenn dadurch nach außen ein zusätzlicher Grad der Komplexität erreicht wurde, erfolgte keine Beeinspruchung seitens des Kultusamtes.

Ein erster Antrag der Föderation der Aleviten-Gemeinden in Österreich auf Eintragung als eine (nicht-islamische) alevitische Bekenntnisgemeinschaft war kurz nach mit dem Antrag des Kulturvereins gestellt worden. Zeitgleich mit der Eintragung der Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft wurde der Antrag der Föderation abgewiesen, da dieser sich inhaltlich nicht vom stattgegebenen Antrag des Kulturvereins unterschieden habe. Eine Beschwerde an den VwGH wurde eingestellt. Auch nach der Anerkennung der ALEVI als Religionsgesellschaft scheiterte die Föderation mit ihrem Begehren, als Bekenntnisgemeinschaft eingetragen zu werden, da die Statuten nicht ausreichend die Unterschiede der Lehre im Vergleich zur Lehre der ALEVI zum Ausdruck brächten (vgl. die beiden Entscheidungen VwGH, 05.11.2014, 2012/10/0005 und BVwG, 11.03.2016, W213 2113447-1). Die Föderation versuchte die Namensänderung der ALEVI zu beeinspruchen, was zu komplexen Fragen um die Parteistellung im Verwaltungsverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sowie über die Zuständigkeit des BVwG führte (vgl. ausführlich dazu: Stefan Hammer, Die Aleviten im österreichischen Religionsrecht – ein Kampf um Anerkennung. Der schwere Abschied vom Ausschließlichkeitsgrundsatz, in: öarr 2018, 1).

Noch im Jahr 2019 wies der VwGH in einem erneut angestrengten Verfahren die Revision der Föderation gegen eine Entscheidung des VwG Wien zurück (VwGH, 28.05.2019, Ra 2019/10/0049). Im selben Jahr ging die Föderation den Weg nach Strasbourg und brachte eine Beschwerde beim EGMR ein. 2020 stellte die Föderation einen neuerlichen Antrag auf Eintragung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft. Nach einer weiteren Modifizierung sollte die Eintragung als „Freie-Alevitische Bekenntnisgemeinschaft in Österreich“ erfolgen. Bevor der EGMR über Beschwerde urteilen konnte, gab das Kultusamt im März 2022 (GZ 2021-0.338.029, rechtskräftig mit 15.04.2022) den Anträgen schlussendlich statt, sodass die Frei-Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (FAGÖ) als bislang letzte Bekenntnisgemeinschaft staatlich anerkannt wurde.

Alt-Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (AAGÖ)

Das Alevitentum kennt, anders als etwa Judentum, Christentum und Islam, keinen unvordenklichen schriftlichen „Kanon“ und ist mehr als viele andere religiöse Bewegungen durch eine vielfältige und anhaltende mündliche Überlieferung geprägt. Unterschiedliche „Alevitentümer“ sind daher auch mit der Vielfalt unterschiedlicher mündlicher Erzähltraditionen verbunden. Ethnische und politische Faktoren spielen ebenso eine Rolle. Die politischen Verhältnisse in der Türkei, dem Stammland der meisten Aleviten bzw. ihrer Vorfahren und im Einwanderungsland spielen ebenfalls eine Rolle für die Herausbildung unterschiedlicher Gruppierungen. Die Entwicklung unterschiedlicher Identitäten scheint in den Einwanderungsländern verstärkt stattzufinden (so Friedmann Eißler „Was wäre in der Türkei aus uns geworden?“ Wie sich die Gemeinschaft der Aleviten in der europäischen Diaspora neu erfindet, in: HK 10/2020, 30-33),

Die „Alt-Aleviten“ grenzen sich bewusst vom Islam ab und sehen islamische Elemente in der eigenen Religion sehr kritisch. Eine gesetzliche Anerkennung würde sich daher nicht im Rahmen des IslamG 2015 bewegen. Die meisten Mitglieder sind kurdischer Abstammung. Da die Verbindung zur ALEVI eine ganz andere ist, als sie es zumindest ursprünglich bei den Frei-Aleviten war, war der Weg zur staatlichen Eintragung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft für die Alt-Aleviten wesentlich weniger steinig. Die Alt-Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (AAGÖ) erlangte am 23. August 2013 die Rechtspersönlichkeit.

Thema: Kategoriale Seelsorge

Nach coronabedingten Verschiebungen konnte das Seggauer Gespräch zu Staat und Kirche am 21. und 22. April 2022 auf Schloss Seggau in der Steiermark mittlerweile schon zum achten Mal stattfinden. Das Team des Instituts für Kirchenrecht und Religionsrecht hat das Thema der Tagung als Einladung verstanden, auf rechtundreligion.at ebenfalls zu einigen wichtigen Fragen zur „kategorialen Seelsorge“ aus religions- und kirchenrechtlicher Sicht Beiträge zu leisten und so in den Dialog zu treten. Diese thematische Andockung erfolgte in Absprache mit den Veranstaltern des Seggauer Gesprächs, denen wir dankbar sind, dass wir rechtundreligion.at im Rahmen der Tagung auch kurz vorstellen konnten. Zeitgleich mit dem Seggauer Gespräch erfolgte die Freischaltung unserer Beiträge über die (kategoriale) Seelsorge im Allgemeinen, die Krankenhaus- und die Militärseelsorge. Besonders freuen wir uns, dass Militärseelsorger aus vier verschiedenen Religionsgemeinschaften bereit waren, in Form von kurzen Videos ins Gespräch mit uns zu treten. In Vertretung des österreichischen Militärbischofs konnte Dr. Harald Tripp als Kanzler des Militärordinariates zudem selbst einen Vortrag auf Schloss Seggau halten. Aus seiner Feder stammt auch der hier veröffentlichte Tagungsbericht.

Unsere Beiträge zum Thema „Kategoriale Seelsorge“:


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