Scharia in der österreichischen Schiedsgerichtsbarkeit

Von Koloman Roiger-Simek.1

DOI: 10.25365/phaidra.729

Das Verfahren

Mitten im sommerbedingten Nachrichtenloch entdeckten österreichische Tageszeitungen[i] eine bereits vor dem Sommer veröffentlichte Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, die Berichte wurden rasch auch von anderen österreichischen Medien aufgegriffen. Obwohl dieses Urteil aus rechtlicher Sicht weitgehend unbeachtlich ist, traf es einen gesellschaftlichen Nerv, den österreichische Medien gerne unverhältnismäßig viel besprechen: Die Ausbreitung des Islams in Österreich.

Zwei Parteien, A und Dr. C, hatten einen Vertrag geschlossen, der eine Schiedsvereinbarung umfasste. Diese stellte Folgendes fest: „Das Schiedsgericht entscheidet anhand der islamischen Rechtsvorschriften (Ahlus-Sunnah wal-Jamaah) nach Billigkeit in der Sache nach bestem Wissen und Gewissen“.[ii] Nachdem es zwischen A und Dr. C tatsächlich zu einer Streitigkeit aus dem Vertrag kam, endete das Schiedsverfahren mit einer Entscheidung, dass Dr. C € 1.182.816,10 binnen 14 Tagen an den Kläger, A, zu zahlen habe. A stellte aufgrund der Schiedsentscheidung einen Exekutionsantrag, um einen Teil des geschuldeten Betrags zu erhalten. Dieser wurde am 29. und 30. November 2024 vom Wiener Bezirksgerichtes Fünfhaus bewilligt. Gegen diese Entscheidungen erhob Dr. C Rekurs. Der Rekurswerber brachte vor, dass der Schiedsspruch durch die Anwendung der Scharia gegen die ordre public verstöße und daher nicht vollstreckbar sei. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat den Rekurs abgelehnt.

Schiedsgerichte und Rechtswahl

In der österreichischen Rechtsordnung können Vertragsparteien Schiedsvereinbarungen treffen und Schiedsgerichte, d.h. unabhängige Gremien anstatt von staatlichen Gerichten, verbindlich über ihre Ansprüche entscheiden lassen. Wie aus den Debatten um CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement, dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Canada) und TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership, dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und der USA) hat ein Großteil der österreichischen Bevölkerung ein negatives Bild von und ablehnende Haltung zu Schiedsgerichten. Die beiden internationalen Abkommen hätten es Unternehmen ermöglicht Staaten vor Schiedsgerichten zu klagen. Dabei wurde dieser Zugang zu Schiedsgerichten als Ausdruck einer zwei-Klassen Justiz wahrgenommen, die vor allem ausländische Unternehmen begünstige. Obwohl die Schiedsgerichtbarkeit in Österreich rechtlich unproblematisch ist, hat sie wohl zur medialen Aufmerksamkeit im vorliegenden Fall beigetragen.

Die Parteien eines privatrechtlichen Vertrags können grundsätzlich eine Rechtswahl treffen und somit vereinbaren, dass auf Streitigkeiten aus einem Vertrag das Recht eines anderen Staates angewandt wird, zB deutsches oder kalifornisches Recht. Gemäß § 603 Abs. 1 ZPO gilt dies auch für Schiedsvereinbarungen. Dabei darf der daraus resultierende Schiedsspruch jedoch nicht die „Grundwertung der österreichischen Rechtsordnung (ordre public)“ widersprechen (§ 611 Abs. 2 Z. 8 ZPO). Dies würde zutreffen, wenn das Gesamtergebnis der Entscheidung des Schiedsgerichts eine „unerträgliche Verletzung tragender Grundwertungen“[iii] wäre. Einzelne rechtliche Fehlentscheidungen reichen dafür nicht aus. Ebenso unbeachtlich ist es, wenn einzelne Normen oder Konzepte des anzuwendenden Rechtssystems nicht im österreichischen Rechtssystem existieren.

Eine Anwendung von islamischem Recht gegen den Willen der Vertragsparteien würde zweifelslos gegen die Grundwertung der österreichischen Rechtsordnung verstoßen.[iv] Im vorliegenden Fall scheinen die Bedenken des Rekurswerbers jedoch erst von dem zweitinstanzlichen Gericht aufzutauchen und nicht bereits in zeitlicher Nähe zum Vertragsabschluss.

Religionsinterne Rechtsysteme und Grundrechtschutz

Scharia ist ein komplexer und weit gefasster Rechtsbegriff, der nicht kodifizierte, historisch entwickelte religiöse und gesellschaftliche Normen umfasst, die auf den Koran und den Lehren des Propheten Muhammad beruhen.[v] Dementsprechend umfasst dieses Rechtssystem eine Fülle an unterschiedlichen Lehren und Interpretationen. In der erwähnten Schiedsentscheidung wird nicht auf die Scharia allgemein, sondern auf die islamischen Rechtsvorschriften der Ahlus-Sunnah wal-Jamaah verwiesen, wodurch eine gewisse Konkretisierung stattgefunden hat. Ob diese Präzisierung hinreichend bestimmt ist, ist jedoch fraglich. Auch das Landesgericht hat scheinbar „Ahlus-Sunnah wal-Jamaah“ nicht problemlos zuordnen können. Die Quellen, auf die das Gericht verweist, beruhen auf Einträge in Wikipedia oder Blogeinträge auf der Plattform Tumblr, einem sozialen Medium, auf dem Benützer öffentliche Einträge verfassen können. Vor allem bei Letzterem kann die Richtigkeit der Informationen nicht überprüft werden. Für den vorliegenden Fall sind solche Schwierigkeiten jedoch nicht von Bedeutung, da die Parteien in der Schiedsklausel zusätzlich dem Schiedsgericht die Möglichkeit der Entscheidung „nach Billigkeit“ zusprachen. Das Landesgericht für Zivilsachen hat sich in seiner Entscheidung vor allem auf diese Vereinbarung gestützt sowie auf der Tatsache, dass ein Verstoß gegen die ordre public nur im Ergebnis geprüft wird. Da im vorliegenden Fall das Schiedsverfahren unter Beteiligung beider Parteien erfolgte und der „Schiedsspruch nachvollziehbare und begründete Feststellungen“ enthielt, gab es keine Indikationen, dass die Entscheidung gegen die Grundwertung der österreichischen Rechtordnung verstieß.[vi]

Soweit das Recht einer Kirche oder Religionsgesellschaft ihre inneren Angelegenheiten betrifft, sind diese durch Art. 15 StGG vor staatlichen Überprüfungen verfassungsrechtlich geschützt. Privatrechtliche Themen, die vom Recht dieser gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften geregelt werden, sind aber nicht der staatlichen Kontrolle entzogen und unterliegen dem grundrechtlichen Schutz der österreichischen Gerichte. In Gerichtsverfahren spielt der Schutz der Verfahrensrechte der Parteien, d.h. jenen Prinzipien in einer Streitigkeit, die die Fairness zwischen den Parteien wahren sollen, eine zentrale Rolle. Dies ändert sich nicht, wenn das anzuwendende Rechtssystem jenes einer Kirche oder Religionsgesellschaft ist. Selbst dann ist das Schiedsverfahren in einer Weise durchzuführen, die nicht den „Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) widerspricht“.[vii] Dabei sind die „tragenden Grundwertungen des österreichischen Prozessrechts“ von der ordre public mitumfasst.[viii] Darin kommt den Prozessrechten der Parteien eine zentrale Rolle zu. Auch der EGMR hat bestätigt, dass staatliche Gerichte prüfen müssen, ob die Verfahrensrechte der Parteien gewahrt wurden, bevor sie die Exekution von Entscheidungen von kirchlichen Gerichten bewilligen.[ix] Dies gilt wohl ebenso für Schiedssprüche, die entsprechende Normen anwenden. Im vorliegenden Fall war dies jedoch unproblematisch.

Anmerkungen

Der mediale Aufruhr im Sommer 2025 ähnelt jenem von 2011, in dem zwei Fälle der Anwendung der Sharia iVm internationalem Familienrecht zu Schlagzeilen führten. Die damaligen Rechtsfragen betrafen das Kollisionsrecht, während jene von 2025 in der Privatautonomie des Zivilrechts verankert war. Seit 2011 ist die Anwendung von Rechtsnormen im Familienrecht, die auf Scharia beruhen, aufgrund von europarechtlichen Bestimmungen zur Ausnahme geworden.[x] Eine Änderung der ZPO, um die Anwendung der Scharia auf zivilrechtliche Verträge einzuschränken, wäre ein ungerechtfertigter und rein politisch motivierter Eingriff in die Privatautonomie, die geeignet wäre den Ruf Österreichs als Wirtschaftsstandort zu beeinträchtigen. Ein Verbot von Schiedsvereinbarungen, die die Anwendung der Scharia beschließen, und die Nichtigkeit solcher Bestimmungen würde Rechtsmissbrauch durch die unterlegene Partei begünstigen. Trotz der wachsenden Zahl von Muslime in Österreich bleibt die Anzahl an Fällen, in denen österreichische Gerichte mit der Scharia in Berührung kommen, sehr gering. Darüber hinaus sollte auch davon Abstand genommen werden, das Zivilrecht bzw. das Prozessrecht zum politischen Spielball in einer integrations- oder migrationspolitischen Debatte zu machen.


[i] Scheinbar als erstes wurde folgender Artikel veröffentlicht: Philipp Aichinger, Schiedsspruch nach Scharia in Österreich gültig Die Presse 18.08.2025.

[ii] Zitiert nach LG für ZRS Wien 02.05.2025, 47R65/25v.

[iii] OGH 18OCg3/15p, JBl 2016, 462.

[iv] Siehe dazu etwa EGMR 19.12.2018, 20452/14, Molla Sali / Griechenland, Rz 156f.

[v] Mouez Khalfaoui, Islamisches Recht, Scharia und Ethik. Eine europäische Perspektive (Nomos 2022) 23-26; Mathias Rohe, Das islamische Recht. Geschichte und Gegenwart (3. akt. und erw. Aufl. C.H. Beck 2011) 6-17.

[vi] LG für ZRS Wien 47R65/25v

[vii] § 611 Abs. 2 Z 5 ZPO.

[viii] Rechberger/Melis in Rechberger, ZPO4 § 611 Rz 8.

[ix] EGMR 20.07.2001, 30882/96, Pellegrini / Italien, Rz 44-48.

[x] Willibald Posch, Die Anwendung islamischen Rechts in Österreich heute – und morgen? ZfRV 2012/9, 76f.

  1. Diese Forschung wurde gänzlich oder teilweise durch den Wissenschaftsfonds FWF finanziert 10.55776/PAT1667223. ↩︎

Norwegen – Das Land mit dem weltweit großzügigsten Finanzierungsmodell für Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften

Von Iris Robinigg.

Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 82.832 USD (76.557,48 €)1 pro Kopf zählte Norwegen nicht nur im Jahr 2024, sondern auch in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu den vermögendsten Ländern der Erde. Neben dem seit den 1970er Jahren andauernden und auf Basis von Erdöl, Gas und Fonds basierendem Reichtum ist auch die liberale und glaubens- und weltanschauungsoffene Religionsgesetzgebung Grund für das Anwachsen der äußerst üppigen Anzahl von über 700 Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften, die eine äußerst großzügige Finanzierung genießen.2

Historische Grundlage der Finanzierung

Die Entwicklung des heutigen Finanzierungsmodells der Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften steht in enger Verbindung mit der historischen Entwicklung der evangelisch-lutherischen Kirche (Den norske kirke „DNK“), die seit 1537 die religiöse Identität des Landes prägt. Auch heute noch ist sie die Majoritätskirche des Landes, welcher etwa 62 % der norwegischen Bevölkerung angehören. Das Ende des als „veraltet“ angesehenen Modells der evangelisch-lutherischen Staatskirche (20123) hatte naturgemäß eine Weiterentwicklung des bereits etablierten Finanzierungsmodells für Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften zur Folge. Das ursprüngliche und erste Finanzierungsmodell wurde durch die Einführung des Dissentergesetzes von 1845 ermöglicht und erfolgte in Form einer individuellen Steuererleichterung. Personen außerhalb der Staatskirche (Dissenter) konnten die Möglichkeit ergreifen, sich von der evangelisch-lutherischen Kirchensteuer befreien zu lassen. 1969 ermöglichte der norwegische Staat mit der Einführung des Gesetzes über die Glaubensgemeinschaften zuerst den eingetragenen Glaubensgemeinschaften und ab 1984 auch den eingetragenen Weltanschauungsgemeinschaften eine jährliche finanzielle Unterstützung zu beantragen, die an die Anzahl der Mitglieder gebunden war.

In Rahmen des Prozesses der Trennung von Staat und evangelisch-lutherischer Kirche (2012) stellte sich erneut die Frage der Gestaltung und eines zeitgemäßen Finanzierungsmodells, das sowohl die DNK als auch die anderen Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften in ein ebenbürtiges Modell einbinden konnte. Dieser Prozess mündete in einer grundlegenden Frage: Fortsetzung und Novellierung der Finanzierung für alle oder Beendigung der Finanzierung der DNK und der anderen Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften. Die Zustimmung zur Beibehaltung einer Finanzierung von sowohl der DNK und den anderen Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften führte zu einem Finanzierungsmodell, in welchem die jährliche Grundfinanzierung der DNK als Richtwert für die Finanzierung der anderen Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften dient. Als Richtwert dient somit der jährlich neu zwischen der norwegischen Regierung und der DNK ausgehandelte Betrag, den die DNK zur Aufrechterhaltung ihrer kirchlichen Basisstrukturen benötigt und der anschließend in selbst Höhe den Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften – gerechnet an der Anzahl der Mitglieder – zu Gute kommen soll. Auf diese Weise soll die gleichberechtigte Finanzierung der DNK und der Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften gewährleistet werden, aber auch das in der Gesellschaft mehrheitlich positiv wahrgenommene Wirken der DNK in einer wertschätzenden Kontinuität bewahrt werden. Zugleich werden jedoch auch die anderen Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften als gleichwertige Partner im Verhältnis zwischen Staat und Religionen aufgewertet, indem der Staat gem. § 2 der Verfassung auf Basis der „evangelisch-lutherischen Wurzeln und der humanistischen Werte“ agiert.4 Im Jahr 2024 bedeutete diese großzügige Geste für die registrierten Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften die Möglichkeit der Ausbezahlung von ca. 120 € (ca. 114 NOK) finanzieller Unterstützung pro Mitglied. Zusammengerechnet konnten im Jahr 2024 somit 708 Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften für ihre insgesamt 713.208 Mitglieder eine Gesamtsumme von 1.066.959.168 NOK – umgerechnet 92.665.442,20 € empfangen. Neben der DNK gehörten die Katholische Kirche mit ca. 166.000 Mitgliedern, der Human-Ethische Verband mit 132.000 Mitgliedern und die Evangelisch-Lutherische Freikirche mit 19.000 Mitgliedern zu den zahlenmäßig größten Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften in Norwegen.5

Finanzierung der Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften

Die Grundlagen der Finanzierung der Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften sind in der norwegischen Verfassung von 1814 (Grl.), dem Gesetz und der Vorschrift über die Registrierung und finanzielle Unterstützung der Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften von 2020 verankert. Gemäß § 16 Grl. ist der norwegische Staat zur Unterstützung der Norwegischen Kirche und der anderen Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften verpflichtet. Im Gegenzug müssen die staatlich registrierten Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften vor dem Erhalt der finanziellen Unterstützung die vom Staat geforderten Bedingungen zur Registrierung erfüllen, damit sie um eine jährliche finanzielle Unterstützung ansuchen können. Der Gesetzgeber verpflichtet die Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften zu der rein zweckgebundenen Verwendung der ausbezahlten Summen. Der rein zweckgebundene Gebrauch der Finanzmittel ist im jährlich einzureichenden Rechnungsbericht hinreichend zu dokumentieren. Bei einem Verstoß der Registrierungs- oder Finanzierungsbedingungen kann der Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft die finanzielle Unterstützung entzogen und eine Rückzahlung der Summe gefordert werden.6

Neben der zuvor genannten jährlichen finanziellen Unterstützung können die Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften zusätzlich noch um staatliche und wiederum rein zweckgebundene Zuschüsse für den Erhalt religiöser (möglicherweise denkmalgeschützter) Gebäude und den Ausbau von Kinder- oder Jugendorganisationen, den Studentenverbänden, und zusätzlicher Aus- und Fortbildung je nach Zuordnung beim Ministerium für Familie und Bildung, dem Ministerium für Kultur, den Kommunen und anderen Einrichtungen beantragen. Zusätzlich ermöglicht der norwegische Staat den Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften eine indirekte Finanzierung in Form von Steuer- und Gebührenbefreiungen wie der Kompensation der Mehrwertsteuerabgabe für freiwillige Organisationen oder der Subventionen für Spenden, Schenkungen und Lotterien. Eine weitere mögliche Einnahmequelle stellt die Möglichkeit der Erhebung von jährlichen Mitgliederbeiträgen durch die Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften dar.7 Diese Möglichkeit wählen vor allem kleinere Gemeinschaften, wie z. B. die Mosaische Glaubensgemeinschaft in Oslo.8 Auch wenn die religiöse Bildung an öffentlichen Schulen in Form des breitflächig ausgestalteten Unterrichts im Fach „Christentum, Religion, Weltanschauung und Ethik“ geschieht, können private Kindergärten und Schulen, die auf Basis einer bestimmten Lehre einer Religionsgemeinschaft agieren und sich größtenteils durch die Erhebung von Schulgeld finanzieren, zusätzlich noch finanzielle Unterstützung beim Ministerium für Familie und Kinder beantragen.9

Die Sondierung neuer und zukunftsfähiger Finanzierungsmodelle (2024–2025)

Vor allem Kritiker betrachten das aktuelle Finanzierungsmodell als veraltet und nicht mehr tragfähig und sprechen sich für die Etablierung eines zukunftsträchtigen Modells aus. Deswegen beauftragte die norwegische Regierung im Dezember 2024 ein Expertenkomitee mit der Ausarbeitung von möglichen zukünftigen Finanzierungsmodelle für die Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften und die Norwegische Kirche, die im August 2025 zu präsentieren sind. Sofern sich der Staat für die Weiterfinanzierung aller Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften ausspricht, ist damit zu rechnen, dass diese wieder an die Anzahl der Mitglieder gebunden werden wird. Diese war in den vergangenen Jahrzehnten beträchtlichen Umbrüchen unterworfen. Während die ehemalige evangelisch-lutherische Majoritätskirche DNK in den Jahren 2019 bis 2023 bis zu 210.000 Mitglieder verlor, konnten sich andere Glaubens– und Weltanschauungsgemeinschaften im selben Zeitraum über eine steigende Zahl von etwa 60.000 Mitgliedern sowie dem damit einhergehenden ökonomischen Zuwachs von 210. Mill. NOK (10 Mill. €) erfreuen. Eine beachtenswerte Entwicklung, da immer noch acht von zehn Norwegern einer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaft angehören. Zwar betrachtet auch der von der Regierung beauftragte Expertenausschuss die Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften als wichtige Werteinstanz der Gesellschaft, doch da diese von der finanziellen Wohltätigkeit des Staates nutznießen, gälte es, die Grundwerte der norwegischen Gesellschaft, wie sie in § 2 Grl. verankert sind, mit jener der Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften abzuwägen und dementsprechende Bedingungen für die Finanzierung an diese stellen.10 Eine solche denkbare Bedingung könnte die Etablierung einer Mindestquote von Frauen in Leitungspositionen sein, die bereits 2003 für börsennotierte Unternehmen verpflichtend festgelegt wurde.11 In der Praxis ist für die meisten Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften und abgesehen von der DNK eine solche Quote schwer zu erreichen. Neben der Fixierung einer Mindestquote wäre auch die Anhebung der Mindestanzahl der Mitglieder oder aber ein breitflächiger Um- und Abbau des bisherigen Finanzierungsmodells denkbar. Dieser könnte mitunter die Einstellung der Beihilfen und die Einführung einer „Glaubens- und Weltanschauungssteuer“ mit sich bringen.12

Weiterführende Literatur

Folkestad, Breistein Ingunn, Statlig tilskudd til tros- og livssynssamfunn – et historisk riss, in: Kirke & Kultur 121/4 (2016), 325-334.

Folkestad, Breistein Ingunn, Ingen sunn ordning at staten fullfinansierer tros- og livsynssamfunn, in: https://www.vl.no/meninger/kommentar/2025/03/03/ingen-sunn-ordning-at-staten-fullfinansierer-tros-og-livsynssamfunn/?cx_testId=11&cx_testVariant=cx_1&cx_artPos=0&cx_experienceId=EX5NBVDF55VB&cx_experienceActionId=showRecommendationsT5A1UT59L6DD57#cxrecs_s [letzter Zugriff: 18.3.2025].

Robinigg, Iris, Das Verhältnis von Staat und Religionen. Unter besonderer Beachtung der Katholischen Kirche in Norwegen, Berlin 2025.

  1. Währungsrechner, USD in EUR (Kursdatum: 31.03.2025), in: https://www.finanzen.net/waehrungsrechner/us-dollar_euro?amount=1&date=2025-04-01&interbankrate=0 [letzter Zugriff: 1.4.2025]. ↩︎
  2. Vgl. Ventura, Luca, Richest Countries in the World 2024, in: https://gfmag.com/data/richest-countries-in-the-world/ [letzter Zugriff: 28.3.2025]. ↩︎
  3. Eine Änderung des § 2 der Verfassung von 1814 (Mai 2012) beendete das enge Band zwischen Staat und Kirche. Die evangelisch-lutherische Religion wurde nicht mehr als offizielle Staatsreligion des Landes betrachtet. Im Rahmen des Trennungsprozesses wurden auch Änderungen am Kirchengesetz v. 1996 vorgenommen, welche der DNK eine eigene, vom Staat getrennte Rechtspersönlichkeit verliehen (2017). Das Kirchengesetz v. 1996 wurde durch das Gesetz über die Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften v. 2020 ersetzt. ↩︎
  4. Vgl. Kongeriket Noregs grunnlov (17. Mai 1814), idF. 21. Mai. 2024 (Grl.). ↩︎
  5. Vgl. Statsforfalter, Utbetalte statstilskudd til tros- og livssynssamfunn, in: https://truoglivssyn.statsforvalteren.no/public/tilskudd [letzter Zugriff: 28.3.2025]. ↩︎
  6. Vgl. § 5 u. § 7 Lov 24. april 2020 nr. 31 om tros- og livssynssamfunn, idF. 25.6.2024 nr. 58; § 7 Forskrift 18. desember nr. 2825 om registrering av og tilskudd til tros- og livssynssamfunn, idF. 8.1.2024 nr. 52. ↩︎
  7. Vgl. § 3 Abs. 1 b. Forskrift 23. oktober 2018 nr. 1600 om merverdiavgiftskompensasjon for frivillige organisasjoner, idF. 23.3.2021 nr. 960; Skatteetaten, Gaver til frivillige organisasjoner, in: https://www.skatteetaten.no/satser/gaver-til-frivillige-organisasjoner/ [letzter Zugriff: 28.3.2025]. ↩︎
  8. Vgl. DMT, Bli Medlem, in: https://www.dmt.oslo.no/bli-medlem/ [abgerufen 28.3.2025]. ↩︎
  9. Vgl. § 6-1 u. 6-2 Lov 7. juli 2003 nr. 84 om private skolar med rett til statstilskot, idF. 14.6.2024 nr.36. ↩︎
  10. Vgl. Folkestad, Breistein Ingunn, Ingen sunn ordning at staten fullfinansierer tros- og livsynssamfunn, in: https://www.vl.no/meninger/kommentar/2025/03/03/ingen-sunn-ordning-at-staten-fullfinansierer-tros-og-livsynssamfunn/?cx_testId=11&cx_testVariant=cx_1&cx_artPos=0&cx_experienceId=EX5NBVDF55VB&cx_experienceActionId=showRecommendationsT5A1UT59L6DD57#cxrecs_s [letzter Zugriff: 18.3.2025]; Den Norske Kirke, Store forventningar til nytt utval, in: https://www.kirken.no/nb-NO/om-kirken/aktuelt/store-forventningar-til-nytt-utval/ [letzter Zugriff: 24.3.2025].   ↩︎
  11. Vgl. Stranden, Anne Lise, Lønner det seg å kvotere inn kvinner i styrer?, in: https://www.forskning.no/finans-okonomi/lonner-det-seg-a-kvotere-inn-kvinner-i-styrer/1999042 [letzter Zugriff: 24.3.2025]. ↩︎
  12. Vgl. Hoel, Anders Per/ Lindvag, W. H. Andreas, Erna klar for å rydde i livssynsstøtten – sender varsko mot dødshjelp, in: https://www.vl.no/nyheter/2025/03/20/erna-klar-for-a-rydde-i-livssynsstotten-sender-varsko-mot-dodshjelp/ [letzter Zugriff:  24.3.2025]. ↩︎

Wir bedanken und bei Dr. Iris Robinigg für diesen Beitrag zu unserer Serie über die Finanzierung von Kirchen und Religionsgemeinschaften in Europa. Iris Robinigg arbeitet als Universitätsassistentin am Institut für Praktische Theologie (Fachbereich Kirchenrecht) der Katholisch-Theologischen Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.

Synodalität, was nun?

Im nachfolgenden Beitrag gibt der Autor einen persönlichen Einblick in die Beobachtungen, die er bei der Teilnahme als Journalist an der Synode zur Synodalität in Rom machen konnte. Wir stellen den Artikel gerne auf Recht und Religion zur Verfügung.

Georg Schimmerl

Als Medienreferent meines Bischofs hatte ich die Gelegenheit, die beiden Sessionen der XVI. Bischofssynode 2023 und 2024 in Rom aus nächster Nähe zu begleiten. Wie habe ich sie erlebt? Welches waren die großen Themen? Und: was bleibt von dieser Synode?

Es ist sehr still geworden um sie. Mehr als drei Jahre lang schien sich in der Kirche alles um einen Begriff zu drehen, dessen genaue Bedeutung sich nicht ohne Weiteres erschloss: die „Synodalität“. Doch nur drei Monate nach dem feierlichen Schlussgottesdienst in St. Peter ist genau das eingetreten, wovor Papst Franziskus eindringlich gewarnt hatte: Alles scheint vorerst zu sitzen[1] und zu warten.

Fragt man Kolleg:innen, die die Synode ebenfalls kommentiert und mitdiskutiert haben, herrscht oft eine verlegene Stille. Aus der Sicht eines Medienbeobachters, der beide Sessionen in Rom mitverfolgt hat, ist das erstaunlich und verständlich zugleich.

Erwartungen, Aufbruch, Hoffnungen

Erstaunlich, weil das Engagement, mit dem im Vorfeld der beiden Sessionen im Herbst 2023 und 2024 gearbeitet wurde, enorm war. Die Aufbruchsstimmung durch die Teilnahme von Nichtbischöfen, vor allem auch von Frauen mit Stimmrecht, hatte – je nach persönlichem Standpunkt – große Hoffnungen oder starke Befürchtungen geweckt. Die Freiheit der Rede, die zumindest innerhalb der Aula herrschte, war spürbar. Nichts verdeutlichte sie besser als die runden Tische, die auf eine Anregung der asiatischen Kontinentalsynode zurückgingen.

Und dann war da noch die viel besprochene neue Methodik des „Gesprächs im Geist“ – eine anspruchsvolle Herangehensweise, die von allen gelobt wurde, besonders von jenen, die bisher nur Synoden erlebt hatten, die aus stundenlangen, vorab vom Staatssekretariat überarbeiteten bischöflichen Interventionen bestanden. Der spirituelle Grundton, den der frühere Generalmagister der Dominikaner, Timothy Radcliffe, und die Äbtissin des Mailänder Benediktinerinnenklosters Viboldone, Ignazia Maria Angelini, vorgaben, war und bleibt inspirierend – weit über die Synode hinaus. Radcliffs geistliche Impulse vom Oktober 2023 sind mittlerweile im Verlag Herder erschienen.[2]

Dem „Zauber von Rom“, also der Bereicherung, die durch das Zusammentreffen der weltweiten Kirche an einem Ort entsteht, können sich nur Einheimische und „alte Hasen“ entziehen – und selbst sie nur bis zu einem gewissen Grad. Das gilt immer bei solchen Ereignissen, und dieses Mal erst recht. Ein gewisser Pathos schwingt dabei natürlich auch immer mit: das Gefühl, „Zeuge eines historischen Moments“ zu sein.

Erste Ermüdung, erste Ernüchterung

Die Teilnahme von Vertretern anderer christlicher Kirchen und die ökumenischen Sideevents am Rande der Synode weckten Hoffnungen auf neuen Schwung im Dialog unter den christlichen Kirchen. Und doch – und damit beginnt mein Verständnis für die scheinbare postsynodale Erschöpfung – zeigten sich im Rückblick schon nach der Session 2023 erste Ermüdungserscheinungen. Der Zwischenbericht wurde in den meisten Ortskirchen nur noch von kleinen Gruppen beachtet – nicht nur aus Zeitmangel. Spätestens mit der Entscheidung des Papstes, zehn Themen ausgewählten Arbeitsgruppen anzuvertrauen und nicht weiter im Plenum zu behandeln, schwand die nicht selten auch so formulierte, ja manchmal vehement vertretene Hoffnung, dass aus dem Beratungsgremium „Bischofssynode“ ein Entscheidungsorgan – eine „Weltsynode“ – werden könnte.

Für Öffentlichkeitsarbeiter war die Synode von Anfang an eine Herausforderung: Was sollte man mit ausführlichen täglichen Pressebriefings anfangen, die nur signalisierten, an welchem Punkt des allgemein zugänglichen Instrumentum Laboris sich das Plenum gerade befand? Wie konnte man an Synodenteilnehmer:innen herankommen, die der Papst auf Stillschweigen eingeschworen hatte? Gerade für Journalist:innen, die unter permanentem Zeitdruck stehen, war das eine schwierige Situation – die im Oktober 2023 sogar zu einem gemeinsamen Protest der dauerhaft beim Vatikan akkreditierten Medienvertreter führte. Doch bemerkenswerterweise verhallte dieser Protest ausgerechnet am Höhepunkt der Synodalität ungehört, als sei gerade diese Schnittstelle zwischen Synode und Außenwelt irrelevant. Aus meiner persönlichen Sicht bleibt diese vom Papst entgegen dem dringenden Rat seiner engsten Berater getroffene Entscheidung zugunsten einer strikten „riservatezza“ ein schwerwiegender Fehler.

Die zweite Session: Spannung um die Frauenordination

Die zweite Session im Herbst 2024 begann zunächst mit gemischten Gefühlen. Die Stimmung der Synodenteilnehmer war auf den ersten Blick gelöst. Die Freude, vertraute Gesichter wiederzusehen, war spürbar, die Bereitschaft, mit „denen aus der Sala Stampa“ ins Gespräch zu kommen, war deutlich höher. Die Synode begann nach der Liturgie am Petersplatz mit einer Präsentation der zehn vom Papst eingesetzten Arbeitsgruppen. Die Präsentation bestand in Schnelldurchgängen mittels kurzer Videos und mündlichen Berichten.

Am meisten Erwartungen erweckte die fünfte Arbeitsgruppe zum Thema „theologische und kirchenrechtliche Fragen im Zusammenhang mit bestimmten Formen des Dienstes“. Präsentiert wurde die bisherige Arbeit von Kardinal Victor Manuel Fernández, Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, der das Thema jedoch außergewöhnlich schnell und für die Mehrzahl der Beteiligten unverständlich referierte. Ausgerechnet die heikle Frage nach dem Diakonat der Frau handelte er mit dem Nebensatz ab, dass „wir die öffentliche Position des Papstes kennen, der das Thema nicht für ausgereift hält“. Dies führte zu einem Aufruhr in der Synodenaula. Man einigte sich auf ein gesondertes Treffen mit Fernández – zu dem er jedoch – taktisch unklug – nicht persönlich erschien.

Die Folgen sind schnell erzählt: Am Tag darauf sah sich der Papst persönlich genötigt, in aller Frühe zunächst die Teilnehmerinnen der Synode im vatikanischen Gästehaus Santa Marta zu empfangen und im Anschluss daran alle Teilnehmer ohne Bischofsweihe. Über den Inhalt dieser Treffen wissen wir nichts, zumal auskunftsbereite Synodalen im persönlichen Gespräch gestanden, sie hätten den auf Spanisch gehaltenen Ausführungen des Papstes kaum folgen können. Dass das Thema virulent und voraussichtlich auf absehbare Zeit ungelöst bleibt, lässt sich aber aus den Abstimmungsergebnissen von Punkt 60 des Schlussdokuments der Synode schließen.

Was bleibt?

Zunächst einmal gab es eine wenig gewürdigte Akzentverschiebung. Die von Papst Franziskus und vom Synodenrat gebrauchte Formel „cum Petro et sub Petro“, die im Zusammenhang mit der Synode zumindest paradox erschien, findet sich im Schlussdokuments nicht mehr. In Punkt 3 lesen wir stattdessen: „Seit der Heilige Vater uns 2021 auf diese Synode mitgenommen hat…“[3] Dass das eine Korrektur darstellt, illustriert auch die anfangs fast durchgängige unverstandene inclusive Verwendung des Plurals „approviamo“ bei der überraschenden, sofortigen Approbation des Schlussdokuments durch Papst Franziskus. Dieser hat in einem gesonderten Schreiben im Nachhinein festgestellt, dass er sich damit in die Reihe aller Synodenteilnehmer:innen gestellt hat. Zitat: „Auch ich habe es angenommen und mit meiner Unterschrift seine Veröffentlichung angeordnet, indem ich mich dem „Wir“ der Versammlung anschließe, die sich durch das Abschlussdokument an das heilige, treue Volk Gottes wendet.“[4] Wenn man dazu das im Juni vom Papst freigegebene Dokument „The Bishop of Rome“[5] liest und sich die Mühe macht, seine indirekten und direkten Zitate im Schlussdokuments aufzuspüren, erscheinen dieser Akt und die Art der Formulierung als vorsichtige, aber deutliche Veränderung in der Ausübung des „munus petrinum“.

Mittelbar damit im Zusammenhang steht eine weitere, wenig kommentierte Errungenschaft dieser Synode: der nach dem Konzil beinahe obliviszierte zentrale Begriff des sensus fidei fidelium wurde für die Kirche fruchtbar gemacht. Dieses Anliegen zieht sich wie eine Grundmelodie durch das Lehramt von Franziskus seit Evangelii Gaudium. Nach den wenig erfolgreichen Versuchen im Vorfeld der Familien- und der Jugendsynode ist der Glaubenssinn des Volkes Gottes in der Kirchengeschichte wohl nie so systematisch befragt worden wie im synodalen Prozess von 2021–2024. Es bleibt weiter eine Herausforderung, das Verständnis und die Bedeutung des sensus fidei zu schärfen und ihm die kanonische Form zu geben, die ihm zusteht. Hier ist die Synode schließlich zu vage geblieben.

Erfreulich ist die ausdrückliche Wertschätzung für die Kirchen eigenen Rechts, die stärker als je zuvor in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt sind. Die meisten ihrer dringenden Anliegen werden nach wie vor in einer der zehn Arbeitsgruppen behandelt. Ihre starke Präsenz bezeugte nicht nur die Pluralität des Katholizismus, sie brachten auch das Zeugnis von Kirchen in prekären Kriegs- und Unterdrückungssituationen mitten in die Aula.

Erfreulich ist der ökumenische Aufschwung. Erstmals waren Vertreter anderer christlicher Kirchen nicht nur Beobachter, sondern saßen, wenn auch ohne Stimmrecht, mit allen Synodenteilnehmern an den Gesprächstischen.

Erstaunlich ist die verhaltene Resonanz auf das eindeutige Votum, Entscheidungsprozesse stärker in die Ortskirchen und Regionen zu verlagern. Die Voraussetzungen dafür gab es schon bisher. Jetzt sind die Bischofskonferenzen national, regional und kontinental gefordert, diese gewünschte Schwerpunktverlagerung zu nutzen. Es scheint aber nach wie vor die Mentalität vorzuherrschen, auf weitere Vorgaben aus Rom zu warten.

Schließlich die neuerliche Aufwertung der Ortskirche um ihren Bischof aus der und in der die Gesamtkirche besteht. Zu schnell wurde dieser Punkt mit Verweis auf die zumindest in Mitteleuropa weitgehend etablierten Räte und Gremien abgehakt. In Wahrheit betrifft Synodalität alle Grundvollzüge der Ortskirche, nicht zuletzt die Entscheidungsfindung bei der Auswahl des Bischofs. In der Erzdiözese Wien erlebt man gerade, wie viel Bedarf in diesem zentralen Punkt nach wie vor besteht.

Wenig erstaunlich ist die verhaltene Reaktion auf die formulierte Rechenschaftspflicht aller Amtsträger. Sie mag unbequem sein, aber mit ihr steht und fällt die Glaubwürdigkeit der Kirche nicht nur „ad intra“.

Am Ende nur Nabelschau?

Häufig wurde diskutiert, ob sich die Kirche in diesem synodalen Prozess nicht zu sehr mit sich selbst beschäftigt hat. Der aktuelle „Synodenblues“ scheint dieser Kritik Recht zu geben. Doch wie soll die Kirche den Anforderungen ihrer Zeit und Umwelt gerecht werden, wenn sie sich nicht immer wieder auch Rechenschaft darüber gibt, ob ihre innere Struktur und Kommunikation noch tauglich sind, ihren Auftrag zu erfüllen?


[1] „Doch angesichts der Fragen der Frauen und Männer von heute, der Herausforderungen unserer Zeit, der Dringlichkeit der Evangelisierung und der vielen Wunden, die die Menschheit plagen, können wir nicht sitzen bleiben, Schwestern und Brüder, wir dürfen nicht einfach sitzen bleiben.“- Papst Franziskus am 27. Oktober 2024, URL: https://www.vatican.va/content/francesco/de/homilies/2024/documents/20241027-omelia-conclusione-sinodo.html 

[2] Radcliffe Timothy et al., Freiheit und Verantwortung Plädoyer für eine synodale und demokratische Kirche, (Gebundene Ausgabe), Freiburg 2024

[3] Deutsche Bischofskonferenz: Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung Schlussdokument, 5  URL: https://www.dbk.de/themen/bischofssynoden/bischofssynode-synodale-kirche-2021-2024

[4] Ebd. 3

[5] Dicastery for Promoting Christian Unity, “The Bishop of Rome. Primacy and synodality in the ecumenical dialogues and in the responses to the Encyclical Ut unum sint” URL: https://www.christianunity.va/content/unitacristiani/en/documenti/altri-testi/the-bishop-of-rome.html 

Aufnahme Geschiedener in ein Religioseninstitut

Von Yasmin Kainer.

Ordensleben und Ehe – zwei Lebensformen, die sich grundsätzlich gegenseitig ausschließen. Mit der Entscheidung, in ein Kloster einzutreten, wählt man ein eheloses Leben. In diesem Sinne regelt c. 643 § 1 CIC, dass eine bestehende Ehe ein Zulassungshindernis zum Noviziat darstellt. In der Praxis kommt es jedoch gar nicht so selten vor, dass Menschen, die staatlich geschieden sind, kirchlich aber noch als verheiratet gelten, den Wunsch äußern, Mitglied eines Religioseninstituts zu werden und in diesem auch Gelübde ablegen möchten. Der folgende Artikel präsentiert zwei Wege, die beschritten werden können, um einer geschiedenen Person die Aufnahme zu ermöglichen.

Ehenichtigkeitsverfahren

Der einfachere und verbreitetere Weg ist der Versuch, die Ehe kirchlich auflösen zu lassen oder die Nichtigkeit der Ehe kirchlich feststellen zu lassen, wofür es folgende Formen von kirchlichen Eheverfahren gibt:

  • Feststellung der Nichtigkeit der Ehe auf dem Verwaltungsweg bei rein standesamtlicher Eheschließung: Wurde die Ehe nur standesamtlich geschlossen ohne kirchliche Trauung, ist die Ehe aus kirchlicher Sicht nie gültig zustandegekommen. In diesem Fall kann die Nichtigkeit der Ehe vom bischöflichen Ordinariat in einem Verwaltungsverfahren festgestellt werden.
  • Nichtigkeitserklärung im Dokumentenverfahren bei Formmangel oder nicht dispensiertem trennenden Ehehindernis: Hat bei der Eheschließung ein Geistlicher assistiert, der keine Trauvollmacht hatte, liegt ein Formfehler vor. Bestand ein Ehehindernis, von dem keine Dispens erteilt wurde (z. B. nahe Verwandtschaft), wurde die Ehe ungültig geschlossen. In beiden Fällen kann die Ehe in einem Dokumentenverfahren für nichtig erklärt werden.
  • Verfahren zur Auflösung einer nicht vollzogenen Ehe (Inkonsummationsverfahren): Unauflöslich ist eine gültige und vollzogene Ehe. Wurde eine Ehe zwar gültig geschlossen, aber nie vollzogen, kann über ein beim päpstlichen Gerichtshof, der Römischen Rota, eingerichtetes Büro beim Papst die Auflösung der Ehe beantragt werden.
  • Privilegium Paulinum: Das Privilegium Paulinum ermöglicht bei bestimmten nichtsakramentalen Ehen die Trennung vom Ehegatten und die erneute Heirat. Bei einem Eintritt ins Noviziat kann es allerdings nicht angewendet werden.
  • Verfahren zur Auflösung einer nichtsakramentalen Ehe nach dem Privilegium Petrinum: Für eine nichtsakramentale Ehe (Ehe mit einer nicht getauften Person) kann beim Papst um die Auflösung der Ehe angesucht werden. Wichtige Voraussetzung ist, dass derjenige, der die Auflösung beantragt, nicht die Schuld am Scheitern der Ehe trägt.
  • Gerichtliches Ehenichtigkeitsverfahren: Kommt keine der oben aufgeführten Möglichkeiten in Betracht, bleibt noch die Möglichkeit eines gerichtlichen Ehenichtigkeitsverfahrens vor dem Diözesangericht, wo es Beratungsstellen gibt, die Auskunft darüber erteilen, ob und aus welchem Grund ein Ehenichtigkeitsverfahren möglich ist.

Im Fall eines negativen Ausgangs des Verfahrens, kann man versuchen, die Dispens vom Hindernis der bestehenden Ehe zu beantragen.

Die Möglichkeit der Dispens

Die Möglichkeit, eine Dispens vom Zulassungshindernis der bestehenden Ehe zu beantragen, ist in der Praxis wenig bekannt, wodurch eventuell ein Weg nicht genutzt wird, um einem Geschiedenen den Eintritt in ein Religioseninstitut zu ermöglichen. Beantragt wird die Dispens von dem höheren Oberen des Religioseninstituts, der für die Aufnahme in das Noviziat zuständig ist, beim Dikasterium für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens. Für eine Antragsstellung werden folgende Dokumente benötigt:

  • ein vom Kandidaten geschriebener Antrag um Dispens mit ausreichender Begründung
  • sein Lebenslauf
  • ein Bericht, der Informationen darüber enthält, weshalb die Ehe gescheitert ist und welcher der beiden Ehepartner daran schuld ist
  • ein Bericht, der Auskunft über die während der Ehe geborenen Kinder sowie über die eventuell noch bestehenden Verpflichtungen unterschiedlicher Art ihnen gegenüber gibt
  • eine Bescheinigung des Ortsbischofs oder des Kanzlers der Kurie, die zum Ausdruck bringt, dass der andere Ehepartner dem Eintritt zustimmt und alle die Ehe betreffenden Rechte für immer aufgibt
  • ein Dokument, dass die unwiderrufliche, einvernehmliche und rechtmäßige Trennung der Partner notariell bescheinigt, sowie den gegenseitigen Verzicht auf jegliche ehelichen Ansprüche
  • weitere Dokumente, die die kirchliche wie auch die standesamtliche Eheschließung sowie die Trennung beziehungsweise Scheidung bezeugen
  • eine Empfehlung über die Reife, die Freiheit und die Motivation des Eintrittswilligen, verfasst vom Ortsbischof oder einem Priester, der die Person gut kennt
  • ein Brief des Institutsoberen, der Aufschluss über die Konsultationen den Kandidaten betreffend innerhalb des Religioseninstituts gibt und dessen Aufnahme positiv beurteilt

Möglicherweise verlangt das Dikasterium außerdem ein Verfahren zur Trennung von Ehegatten bei bleibendem Eheband vor dem Diözesanbischof (cc. 1151–1155 und 1692–1696 CIC). Maßgeblich für die Gewährung der Dispens ist, dass keine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem anderen Ehegatten und den Kindern bestehen, was bedeutet, dass die Kinder volljährig sein und ihre Ausbildung abgeschlossen haben müssen.

Die Verantwortung des Institutsoberen

Gemäß c. 641 CIC ist es die Aufgabe des Institutsoberen darüber zu entscheiden, ob eine Person zum Noviziat zugelassen werden kann. In diesem Sinne obliegt es ihm zu prüfen, ob ein Kandidat geeignet ist und welche Motive ihn dazu bewegen, den Eintritt in das Institut zu beantragen.

In unserem konkreten Beispiel des Aufnahmewunsches einer verheirateten und geschiedenen Person in die Gemeinschaft, scheint es notwendig, dass sich der zuständige Obere über gewisse Punkte informiert. Zunächst sollte er versuchen, Auskunft darüber zu erhalten, wie die Ehe gelebt wurde und was schließlich zur Trennung geführt hatte. In diesem Zusammenhang ist die Tatsache von Bedeutung, welchem der beiden Ehepartner die Schuld an der Scheidung zukommt. Im Falle einer bereits vorhandenen Nichtigkeitserklärung der Ehe sollte er der Frage nachgehen, was der Grund oder die Gründe waren, dass die Eheschließung für nichtig erklärt wurde. Besondere Vorsicht sollte geboten sein, wenn psychische Gründe dahinter liegen, da das Ordensleben eine gewisse geistige Gesundheit wie auch eine gefestigte Persönlichkeit verlangt.

Es besteht die Möglichkeit für den Oberen psychologische Hilfsmittel in Anspruch zu nehmen, um eine Vorstellung über die Eignung einer Person aus diesem Blickwinkel heraus zu bekommen. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass die tatsächliche Berufung eines Menschen dadurch letztlich wohl nicht festgestellt werden kann.

Wenn der Weg der Anfrage um Dispens beschritten wird, sollte der Obere diesen Punkten ebenfalls mit großer Sorgfalt nachgehen, bevor er den Antrag mit den notwendigen bereits genannten Dokumenten an das Dikasterium in Rom weiterleitet.

Auch wenn all diese Dinge vor der Zulassung berücksichtigt werden müssen, darf man nicht vergessen, dass die Aufnahme nur der erste Schritt ist. Die Zeit des Noviziats dient in weiterer Folge dazu, die Berufung des Kandidaten zu vertiefen und das Leben des Instituts von innen her kennenzulernen, um daraus zu schließen, ob der gemeinsame Weg weiter gegangen werden kann (vgl. c. 646 CIC).

Eine Alternative

Tatsche ist, dass beide vorgestellten Verfahren negativ ausgehen können, was zur Konsequenz hat, dass der Kandidat nicht wie gewünscht ins Noviziat zugelassen werden kann mit dem Ziel in Folge Profess abzulegen. In diesem Fall könnte noch ein anderer Weg beschritten werden, um der Person ein Leben in einem Religioseninstitut zu ermöglichen. Man kann darum bitten, als Regular- oder Klaustraloblate aufgenommen zu werden, insofern das Eigenrecht des Instituts diese Alternative bietet. Konkret bedeutet dies, dass zwar keine Gelübde abgelegt werden können, auf der anderen Seite erlaubt es aber das Leben der Gemeinschaft zu teilen.

Weiterführende Literatur

Yasmin Kainer / Daniel Tibi: „Die Aufnahme Geschiedener in das Noviziat. Kirchenrechtliche Grenzen und Möglichkeiten“, in: Erbe und Auftrag 100 (2024), S. 311–321, DOI: 10.15496/publikation-109760.


Titelbild: Pixabay / Beccalee

Rechtliche Konsequenzen aus der illegalen Abwesenheit von Ordensleuten im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zu einem kanonischen Lebensverband

"Rotes Männchen" (Foto: Daniel Tibi)

Von Stefan Würges.

In den letzten Jahren stellten Ordensobere und das römische Dikasterium für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens fest, dass Angehörige von Ordensinstituten sowie Gesellschaften apostolischen Lebens spurlos verschwinden, obwohl sie durch das kanonische Recht verpflichtet sind, ein gewisses Maß gemeinschaftlicher Verpflichtungen zu übernehmen. Diese Verpflichtung resultiert aus dem spezifischen rechtlichen Charakter dieser Institute und Gesellschaften und wird durch eigenrechtliche Konkretisierungen (Konstitutionen) näherhin gefasst.

Das gemeinsame Leben als Prinzip des geweihten Lebens

Die Pflicht zur gemeinschaftlichen Lebensform wird vom Gesetzgeber durch die Anwesenheitspflicht in einem mit bischöflicher Zustimmung errichteten Ordenshaus (domus religiosa) ausdrücklich gefordert. So verlangt der kirchliche Gesetzgeber, dass Ordensleute in einer eigenen Niederlassung wohnen müssen und diese nur mit Erlaubnis des jeweiligen Oberen verlassen dürfen. Wenn auch allgemeine Erlaubnisse für tägliche Aufgaben außerhalb der Niederlassung erteilt werden können, so muss doch für eine längere Abwesenheit ein höherer Oberer zustimmen. Als höherer Oberer sind Provinziale und Generalobere zu verstehen. Wenn die Mitglieder seines Rates mehrheitlich zustimmen, kann er Ordensleuten die Erlaubnis erteilen, sich maximal ein Jahr lang außerhalb einer Niederlassung aufhalten zu dürfen. Ausnahmsweise, und zwar im Fall von Krankheit, zu Studienaufenthalten und zur Ausübung des ordensspezifischen Apostolats, kann ein Mitglied die Erlaubnis erhalten, sich länger als ein Jahr außerhalb eines ordenseigenen Hauses aufhalten zu können. So kann es sich beispielsweise um ein Mitglied handeln, das für die Dauer seines Studiums einem Studienhaus zugeordnet ist, aber mehrere Jahre außerhalb einer domus religiosa lebt.

Der Gesetzgeber des Codex Iuris Canonici von 1983 (CIC) äußerte sich auch über die unerlaubte Abwesenheit von einer Ordensniederlassung. Wenn sich also ein Mitglied der Vollmacht des Oberen entziehen möchte, soll diesem sorgsam nachgegangen und geholfen werden, zurückzukehren und ein Leben gemäß dem universalen Recht sowie den Konstitutionen zu führen (vgl. c. 665 § 2 CIC). Es ist demnach anzustreben, dass das Mitglied wieder in das Ordenshaus zurückkehrt und in seiner Berufung ausharrt. Dem Gesetzgeber geht es darum, die Berufung des einzelnen zu schützen, denn wenn sich ein Mitglied außerhalb einer Niederlassung aufhält, scheint es in einer gewissen Gefahr zu leben, diese Berufung zu verlieren. Diese Vermutung lässt sich durch die Erfahrung der Kirche im Umgang mit dem Ordensleben bestätigen. Denn das Ordenshaus bietet einen geistlichen Rahmen und somit die Voraussetzung, der ordenseigenen Berufung und dem jeweiligen Charisma zu folgen, während das Leben „in der Welt“ dazu in einem gewissen Kontrast steht. Zu diesem, das geistliche Leben fördernden und erhaltenden Rahmen zählt auch das Gemeinschaftsleben. Die Erfahrung des gemeinsamen Lebens von gleichgesinnten Menschen lehrt, dass das gemeinsame Leben Einheit schafft und in Zeiten von Unsicherheit und persönlichen Krisen trägt und hilft, diese Phasen im Sinn der Berufung zum Ordensleben zu meistern. Soweit wurde hier die Regelung dargelegt, die sich aus den allgemeinen Rechten und Pflichten von Ordensleuten ergibt.

Folgen der unerlaubten Abwesenheit

Der Gesetzgeber führt an anderer Stelle, und zwar unter dem Titel „Entlassung von Mitgliedern“, seine Ausführungen über die Entlassung von Ordensleuten aus dem kanonischen Lebensverband fort. Hierbei werden zwei Kategorien von Tatbeständen unterschieden, die zur Vornahme einer Entlassung führen. Die beiden Kategorien sind die Entlassung von Rechts wegen und die Entlassung durch ein kanonisches Verfahren. Die Entlassung von Rechts wegen erfolgt, wenn ein bestimmter Tatbestand eintritt. Das Ordensmitglied wird dann als Folge der Tat durch die von selbst eintretende Entlassung aus dem Verband ausgeschlossen. Der Entlassung von Rechts wegen (ipso facto) werden zwei Tatbestände zugeordnet. So gilt der Ordensmann oder die Ordensfrau als ohne Weiteres entlassen, wenn er oder sie offenkundig vom katholischen Glauben abgefallen ist oder versucht hat, eine Ehe zu schließen. Neben diesen Formen, die zur Ipso-facto-Entlassung führen, kennt der Codex auch die Entlassung durch ein kanonisches Entlassungsverfahren. An dieser Stelle soll allerdings das kanonische Verfahren nicht weiter expliziert werden, weil der durch das Motu Proprio Communis vita vom 19. März 2019 neu hinzugekommene Tatbestand in die Kategorie der Entlassung von Rechts wegen eingeordnet wurde.

Ein neuer Tatbestand zur Entlassung bei unerlaubter Abwesenheit

Zu den zwei genannten Tatbeständen, die zur von Rechts wegen eintretenden Entlassung führen, nämlich wenn ein Mitglied den katholischen Glauben notorisch leugnet und wenn ein Mitglied versucht, eine Ehe zu schließen, kommt durch das Motu Proprio Communis vita ein dritter Tatbestand hinzu. Dieser dritte Tatbestand wird beschrieben als Abwesenheit eines Ordensmitglieds für zwölf ununterbrochene Monate. Wie der Gesetzgeber Abwesenheit hier versteht, erklärt er mit den Worten der Abwesenheit „in Ansehung der Unauffindbarkeit“ des Mitglieds, und zwar im Sinn des c. 665 § 2 CIC. Hier werden also gewisse Bedingungen beschrieben, die erfüllt sein müssen, damit der Tatbestand von c. 694 § 1, 3° CIC vorliegt. Erst dann tritt die Entlassung ein.

Zunächst verweist der Gesetzgeber auf die Konditionen, die in c. 665 § 2 CIC expliziert werden. Damit wird deutlich, dass es sich um den Begriff der Abwesenheit handelt, den der Gesetzgeber des Codex Iuris Canonici vor der Publikation des Motu Proprio bereits festgelegt hatte. In diesem Canon ist nicht nur die Rede von Abwesenheit, sondern von unrechtmäßiger Abwesenheit, und zwar mit der Absicht, „sich der Vollmacht der Oberen zu entziehen“. Der Fall wäre also denkbar, dass ein Ordensmitglied im Rahmen der Unerlaubtheit zwar abwesend ist, sich aber nicht der Vollmacht der Oberen entziehen will. Es könnte sich um ein Mitglied handeln, dem eine längere Abwesenheit nicht gewährt wurde, das aber zur Vollendung seines Studiums über die ihm gewährte Zeit hinaus abwesend bleibt. Die Intention dabei wäre also nicht durch Ungehorsam begründet, sondern damit, dass ein persönliches Interesse, das grundsätzlich im Einklang mit der Anordnung des durch den Oberen gegebenen Auftrags steht, aber in der konkreten Ausführung eine breitere Interpretation erfährt. Vermutlich würde man sich durch ausreichende Kommunikation und Erklärung auf eine Lösung einigen können, aber an diesem Beispiel zeigt sich der Grenzbereich für den die Bedingung einer Abwesenheit gemäß c. 665 § 2 CIC nicht erfüllt wäre. In manchen Fällen kann es also einer gewissen Beweisführung bedürfen, um diesen Canon anwenden zu können.

Kehrt man zurück zur Anwendung des neuen Canons, in dem der Tatbestand der Abwesenheit in spezifischer Weise geregelt wurde, so wäre die erste Bedingung zur Erfüllung des Tatbestandes, die Intention zu haben, sich der Vollmacht des Oberen zu entziehen. Ebenso fordert c. 665 § 2 CIC, dass das Mitglied unrechtmäßig abwesend ist. Wendet man diese Bedingung wiederum auf die neue Rechtslage an, muss für den Fall der Anwendung des neuen c. 694 § 1, 3° CIC der Tatbestand erfüllt sein, dass das Mitglied eindeutig unerlaubt abwesend ist. Dies kann also als die zweite Bedingung festgehalten werden. Anzumerken bleibt, dass diese Konditionen auf dem Hintergrund des gemeinschaftlichen Lebens verstanden werden, dessentwegen die Abwesenheit als ein Straftatbestand überhaupt angesehen werden kann.

Vorgehensweise bei Unauffindbarkeit des Abwesenden

Im Fall des neuen c. 694 § 1, 3° CIC, der durch das Motu Proprio Communis vita an den CIC hinzugefügt wurde, fordert der Gesetzgeber eine bestimmte Qualität der Abwesenheit zur Erfüllung des Tatbestandes, nämlich neben der unerlaubten Abwesenheit über einen ununterbrochenen Zeitraum von zwölf Monaten und der Feststellung, dass sich der Abwesende der Autorität des Oberen entziehen will, dass selbiger unauffindbar abwesend ist. Das Charakteristikum der „Unauffindbarkeit“ (irreperibilitas) des Abwesenden wirft allerdings gewisse Rechtszweifel auf, die zur Beseitigung der Rechtsunsicherheit beantwortet werden müssen. Diese Problemstellung erkannten auch die Verantwortlichen im Dikasterium für die Institute des geweihten Lebens und die Gemeinschaften des apostolischen Lebens, die mit dem Rundschreiben „Litterae circulares de Litteris Apostolicis Motu Proprio datis ‚Communis vita‘“ vom 8. September 2019 darauf reagierten. In diesem Schreiben wird verdeutlicht, wie das Motu Proprio anzuwenden ist. Vor allem tritt das Problem der Unerreichbarkeit auf, das zugleich eine Bedingung ist, die erfüllt sein muss, um die neue Regelung der Ipso-facto-Entlassung anwenden zu können. Befindet sich nämlich ein Mitglied außerhalb eines Ordenshauses, soll es zunächst durch die üblichen Kommunikationsmittel aufgesucht werden. Sodann wird man versuchen, zunächst auf zwischenmenschlicher Ebene, das Mitglied zur Rückkehr zu bewegen. Bereits hier zeigt sich die Schwierigkeit, die bei einer Abwesenheit eintritt, bei der der Abwesende unauffindbar ist. Im nächsten Schritt würde eine Ermahnung an denjenigen erfolgen, der entlassen werden soll. Auch hier liegt die Problematik auf der Hand, nämlich die Rechtsunsicherheit, ob die entsprechende Person diese Mahnung erhalten hat. Schließlich muss dem Entlassenen das Entlassungsdekret übersendet werden, mit dem ihm seine Entlassung schriftlich mitgeteilt wird.

Der rechtlich unsichere Punkt ist also die Unauffindbarkeit. Denn die Feststellung der Unauffindbarkeit muss auf dem Weg der Negation erfolgen. Die Beurteilung, ob es sich um Abwesenheit in der Weise von Unauffindbarkeit handelt, muss der zuständige Obere unabhängig von den Gründen und eventuellen vorausgehenden Regelungen (erlaubte Abwesenheit, Flucht, Exklaustration) vornehmen. Die bereits im CIC verankerte Regelung, dass ein Mitglied, das über ein halbes Jahr abwesend ist, um sich der Autorität des Oberen zu entziehen (vgl. c. 696 CIC), entlassen werden kann, wurde durch die neue Regelung nicht aufgehoben, sondern bleibt weiterhin eine Möglichkeit, ein Mitglied wegen unerlaubter Abwesenheit entlassen zu können. Mit dem Motu Proprio Communis vita will der Gesetzgeber das Entlassungsverfahren aber vereinfachen, indem kein Verfahren geführt werden muss, sondern nur der objektiv feststellbare Tatbestand auf eine dem Recht genügende Weise konstatiert wird. Sobald ein Ordensangehöriger unerlaubt und unauffindbar abwesend ist, kann die neue Regelung angewendet werden. Im genannten Schreiben der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens legten die Autoren fest, dass, wenn die gewöhnlichen Kontaktmöglichkeiten wie Telefonnummer, E-Mail-Adresse, eine fiktive Adresse usw. ausgeschöpft wurden, die Person noch nicht ohne Weiteres als „unauffindbar“ gilt. Alles Versuche über diese Kanäle, Kontakt aufnehmen zu können, müssen also unternommen werden, so dass schließlich eine aktive Verweigerung des Betreffenden vermutet werden muss. Erst wenn ein Ordensmitglied nach allen Versuchen, es ausfindig zu machen, nicht gefunden werden kann, weil es sich offensichtlich versteckt hält und keinerlei Kontaktmöglichkeit zulässt sowie kein Lebenszeichen von sich gibt, kann das Kriterium der Unauffindbarkeit als erfüllt angesehen werden. Dann muss das Ergebnis aller erfolgloser Bemühungen, die Person zu finden, in einer sogenannten „Unauffindbarkeitserklärung“ dokumentiert werden.

Von dem Moment an, wann diese Erklärung datiert wurde, sollte das Mitglied auch von allen Ämtern suspendiert werden. Wenn auch das Auffinden des abwesenden Mitglieds weiterhin intendiert werden muss, kann mit der Suspension eine gewisse Rechtssicherheit erreicht werden. Von diesem Tag an beginnt die Frist von zwölf Monaten abzulaufen. Bleibt dieser Zustand während dieser Zeit ununterbrochen erhalten, gilt der Tatbestand als erfüllt und die Ipso-facto-Entlassung tritt ein.

Für das Rechtsverständnis bleibt anzumerken, dass, auch wenn die Entlassung mit der Vollendung der Straftat bereits vollzogen wird, zur Wahrung der Rechtssicherheit die Pflicht zur Dokumentation des Falls bestehen bleibt. Daher muss der höhere Obere mit seinem Rat unverzüglich den Tatbestand feststellen, so dass auch der Straftatbestand auch im äußeren Rechtsbereich konfirmiert wird. Dies soll auf der Grundlage von Beweisen geschehen, die gesammelt werden müssen. Damit ist der Formalität der Feststellung einer Tatstrafe, woraus die Ipso-facto-Entlassung folgt, normalerweise genüge getan. Im Fall der Entlassung wegen unerlaubter Abwesenheit bei gleichzeitiger Unauffindbarkeit reicht das allerdings nicht aus. Der Gesetzgeber fordert in diesem Fall nicht nur, dass eine Erklärung (declaratio) verfasst wird, sondern dass diese auch vom Heiligen Stuhl bestätigt werden muss (vgl. c. 694 § 3 CIC). Handelt es sich aber um eine Ordensgemeinschaft, die durch die bischöfliche Autorität errichtet wurde, so kommt es dem Bischof zu, die Entlassungserklärung zu bestätigen. Die Entscheidung über die Bestätigung der Entlassung per Dekret wird also nicht dem höheren Oberen überlassen, denn dieser hat sowieso seinen Rat zu konsultieren (cum suo consilio). Diese Entlassungserklärung muss freilich als eine Konfirmation der Entlassung verstanden werden, die bereits zum Zeitpunkt rechtlich geltend war, wann alle Bedingungen erfüllt waren. In diesem Sinn wäre hier auch der Begriff „Feststellungsdekret“ zutreffend, weil damit festgestellt wird, dass die Entlassung ipso facto erfolgte. Wird die Entlassung bestätigt, gilt das Mitglied als von Rechts wegen entlassen. Es wird aus dem Institut bzw. der Gesellschaft apostolischen Lebens ausgeschlossen und verliert alle Rechte und Pflichten, die mit der Mitgliedschaft zusammenhängen.

Fazit

Insgesamt entlastet das neue Gesetz die kirchlichen Oberen, indem es Grenzen aufweist, die durch die neue Regelung feststehen und eingehalten werden müssen. Somit sind Zweifel im Hinblick auf die korrekte Beurteilung der Situation weitgehend ausgeräumt. Das Motu Proprio Communis vita bietet daher einen Beitrag zur Rechtssicherheit kirchlicher Rechtshandlungen.

Weiterführende Literatur

Stefan Würges: Das Motu Proprio Communis vita. Hintergrund und Bedeutung im Licht der Würde von Ordengelübden (Young Academics Rechtswissenschaft 9). Baden-Baden: Tectum 2024. ISBN 978-3-8288-5142-9


Titelbild: Daniel Tibi

Themenschwerpunkt Bischofssynode

Von Andreas KowatschORCID logo

Vom 4.–29. Oktober findet in Rom die „XVI. Ordentliche Generalversammlung“ der Bischofssynode statt. Damit erreicht der 2021 von Papst Franziskus für die katholische Weltkirche initiierte „Synodale Prozess“ seinen vorläufigen Höhepunkt. Seinen Abschluss findet er erst im nächsten Jahr, wenn eine weitere Synodenversammlung getagt haben wird. Rechtundreligion.at widmet den Schwerpunkt zum Beginn des Wintersemesters 2023/24 diesem Ereignis.

Viel wurde innerhalb der Katholischen Kirche, der Theologie und auch der Kirchenrechtswissenschaft in den letzten Jahren über „Synodalität“ diskutiert, geschrieben und auch gestritten. Auch das Institut für Kirchenrecht und Religionsrecht hat diese Frage zu einem kanonistischen Schwerpunkt gemacht. Dass es dennoch bislang keine scharf konturierte Definition von Synodalität gibt, ist Stärke und Schwäche zugleich. Der Untertitel der Synode gibt jedoch wesentliche Eckpunkte an, die mit diesem spezifisch kirchlichen Strukturprinzip verbunden sind: „Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“.

Die jetzige Synode steht in der Kontinuität der bisherigen Bischofssynoden, die seit 1967 neben dem Kardinalskollegium das wichtigste Beratungsgremium für den Papst bilden. Zugleich ist die jetzige Synode aber auch etwas Neues. Rechtlich betrachtet, ist sie kein Ort bindender Beschlüsse wie ein Parlament (vgl. c. 343 CIC). Die Entscheidung über einzelne Fragen liegt beim Papst. Die Synode soll aber eine Form sein, gemeinsam Entscheidungen vorzubereiten und zu finden. „Synode“ heißt „gemeinsamer Weg“. Die Teilnehmer sollen aufeinander zugehen. Unterschiedliche Positionen sollen nicht in Kampfabstimmungen enden, sondern idealerweise soll der Raum für gemeinsame neue Lösungen entstehen. Nur darum ist verständlich, dass die einzelnen Sitzungen nicht live übertragen werden.

Faktisch vertreten die Synodalen, vor allem wenn es sich um Diözesanbischöfe oder sogar Vorsitzende von Bischofskonferenzen handelt, wichtige Teile des Kirchenvolkes. Gerade darum ist die jetzige Synode auch etwas Neues. Die Bischöfe vertreten die Gläubigen nicht mehr nur, weil sie als Nachfolger der Apostel einzelne Diözesen leiten. Der Generalversammlung wurde vielmehr umfangreiche Phasen der Beteiligung auf diözesaner, nationaler und schließlich kontinentaler Ebene vorausgeschaltet. Erst nachdem das Volk Gottes die Möglichkeit hatte, sich aktiv zu äußern, sollte die Synode stattfinden. Dass dies in manchen Regionen besser als in anderen gelungen ist, ändert wenig an der Neuheit dieses Formats.

Eine weitere wichtige Neuheit betrifft die „Synodenväter“, denen nunmehr auch „Synodenmütter“ zur Seite gestellt wurden. Zwar sind über zwei Drittel der stimmberechtigten Teilnehmer Bischöfe, was in einer Bischofssynode kaum verwundert. Der bischöfliche Charakter des Gremiums hat den Papst aber nicht daran gehindert, einige Priester und vor allem über 80 Laienchristinnen und -christen zu nominieren. Zum ersten Mal in der Geschichte nehmen daher auch Frauen stimmberechtigt an der Synode teil.

Die Struktur der Katholischen Kirche ist von zwei Grundelementen geprägt. Auf der einen Seite steht das „gemeinsame Priestertum“ der Getauften. Jede(r) Getaufte hat Anteil an der Sendung der Kirche und Verantwortung für diese. Zugleich ist die Katholische Kirche durch das Weihesakrament, vor allem durch die Bischofsweihe, die ihren Empfänger in die Nachfolge der Apostel stellt, hierarchisch strukturiert. Synodalität umfasst beide Elemente. In der Geschichte wurde das hierarchische Element sehr stark akzentuiert und überbetont. Nicht nur Gläubige in den westlichen Demokratien sehen sich nicht mehr als gehorsames Kirchenvolk, das durch die Hirten geleitet wird. Synodalität ist daher etwas, was im Katholizismus zwar grundgelegt ist, zugleich aber neu erlernt werden muss. Die Notwendigkeit, sich im gemeinsamen Hören auf den Heiligen Geist auf Neues einzulassen, verlangt Lernbereitschaft von allen in der Kirche, von den Gläubigen, von den Bischöfen und nicht zuletzt auch vom Papst. Aus diesem Grund ist das Thema der Synode die Synodalität selbst.

Die einzelnen Ortskirchen haben teilweise sehr ähnliche, aber auch durchaus unterschiedliche, manchmal auch gegenläufige Vorstellungen zu drängenden Fragen der Gegenwart. Ob die Synode zu messbaren Reformen für die Kirche führen wird, bleibt daher abzuwarten. Vor allem darf man nicht vergessen, dass die jetzige Versammlung erst die erste von zweien ist. Wie ein Fußballspiel ausgehen wird, lässt sich auch nicht gleich nach dem Halbzeitpfiff mit Sicherheit voraussagen. Wenn die Synode, um im Bild zu bleiben, ein Jahr lang pausiert, dann liegt der Ball wieder in den Ortskirchen. Dass dort dann Fragen der Geschlechtergerechtigkeit, der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, der effektiven Mitbestimmung der Gläubigen, die Kontrolle kirchlicher Machtausübung und nicht zuletzt die kompromisslose Aufarbeitung aller Formen körperlicher und spiritueller Gewalt im Vordergrund stehen werden, lässt sich mit Sicherheit vorhersagen. Vielleicht hat die Synode dann aber beigetragen, eine neue Kultur der Mitverantwortung zu finden.


Kirchenrechtliche Änderungen durch Papst Franziskus

„Vom Visionär zum gescheiterten Reformer“ – so titelte die Augsburger Allgemeine am 8. März 2023, um die Entwicklung des bisher zehnjährigen Pontifikats von Papst Franziskus zusammenzufassen. Ob dies ein angemessenes oder unzutreffendes Fazit ist, mag kontrovers diskutiert werden. Fakt ist, dass Papst Franziskus von Beginn seiner Amtszeit auf dem Stuhl Petri an nicht untätig war, sondern in vielen und unterschiedlichen Bereichen des kirchlichen Lebens Änderungen und Reformen angestoßen und umgesetzt hat – dies auch im Bereich des Kirchenrechts.

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Laien in kirchlichen Leitungsämtern. Eine Skizze der kirchenrechtlichen Neuerungen durch Papst Franziskus

Die Möglichkeiten, die Papst Franziskus eröffnet hat, Laien kirchliche Leitungsgewalt zu übertragen, sind beachtlich. Bei Ehenichtigkeitsverfahren können zwei der drei Richter eines Richterkollegiums Laien sein. Ämter an der Römischen Kurie, das Amt des Präfekten eines Dikasteriums nicht ausgenommen, können mit Laien besetzt werden. In klerikalen Religioseninstituten können mit Genehmigung des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens auch Laien Oberenämter bekleiden. Dabei ist Papst Franziskus den Weg der Praxis gegangen, d. h. er hat die kirchenrechtlichen Bestimmungen angepasst, ohne die Änderungen jedoch theologisch zu untermauern. Ausübung von Leitungsgewalt in der Kirche ist etwas qualitativ anderes als Ausübung von Leitungsgewalt im Staat. Was noch aussteht, ist eine tiefergehende theologische Reflexion der Thematik, um die Möglichkeit der Übertragung von kirchlicher Leitungsgewalt an Laien auf ein sicheres Fundament zu stellen und möglicherweise noch auszuweiten.

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Franziskus: „Creating a Culture of Safeguarding: Our biggest Future Challenge“

Ab 2010 erschüttern eine hohe Zahl an Berichten über sexuelle und geistliche Missbräuche in der Katholischen Kirche den deutschsprachigen Raum. Besonders (sexualisierte) Gewalt gegen Kindern und schutzbedürftigen Erwachsenen in kirchlichen Erziehungs- und Bildungsanstalten entrüsten Katholik:innen. Vereinfacht wird dabei mit dem allgemeinen Überbegriff vom „Missbrauch“ gesprochen. Das Statistik liebende Magazin KATAPULT veröffentlichte eine Gegenüberstellung, dass 2022 während der „525.600“ Minuten des Kalenderjahres „522.821“ deutsche Katholik:innen vor dem Rechtsstaat ihren Kirchenaustritt bekundet haben. Vielfach wird Vertrauensverlust aufgrund dieser Vorkommnisse als Austrittsmotiv angeführt.

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Das Gesetz alleine rettet nicht oder Barmherzigkeit im Dienst des Rechts. Visionen und Gedanken über das Recht bei Papst Franziskus als Bausteine zu einer Rechtstheorie

In den letzten Jahren wurde im Bereich des kanonischen Rechts immer wieder die Frage nach dem Rechtscharakter diskutiert, gerade auch auf das Wesen der Kirchenrechtswissenschaft. Dabei wurde immer wieder festgestellt, dass Rechtstheorie zwar an sich theologieunabhängig sei, letztlich aber dem Wesen der Kirche als Heilsgemeinschaft entsprochen oder angepasst werden müsste. Dabei müsse eine Präzisierung der Begriffe erfolgen, die Wesen, Aufgabe und Stellenwert des Rechts näher durchdringt, damit der Blick frei werden kann für die Schwächen eines Systems und die Möglichkeiten einer Weiterentwicklung. In den zehn Jahren seit seiner Wahl ist Papst Franziskus ein aktiver Gesetzgeber gewesen. Neben seinen weithin bekannten Reformen gab es viele andere bedeutende, aber versteckte Gesetzesänderungen. Bei der Durchführung dieser Änderungen hat Papst Franziskus meist alleine gehandelt. Die Abteilungen des Vatikans, die normalerweise neue Gesetze überwachen und mit bestehenden Gesetzen in Einklang bringen, wurden an den Rand gedrängt. Welche sind der Rechtsbegriff und die Grundlagen der Gesetzgebung bei Papst Franziskus? Wie lässt sich ein Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft im Rechtsbegriff bei Papst Franziskus ausmachen? Die Ausführungen in diesem Beitrag wollen daher Bausteine sein im Blick auf eine mögliche Rechtstheorie, die zu einem fruchtbaren Austausch zwischen Kirche und Welt beitragen kann und dabei hilft, eine Sensibilität zu entwickeln, welche Elemente des profanen Rechts mit dem Recht der Kirche kompatibel sind und welche nicht.

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Titelbild: crysmyri / Pixabay

Kirchenrechtliche Änderungen durch Papst Franziskus

Von Andrea MichlORCID logo

DOI: 10.25365/phaidra.432

„Vom Visionär zum gescheiterten Reformer“ – so titelte die Augsburger Allgemeine am 8. März 2023, um die Entwicklung des bisher zehnjährigen Pontifikats von Papst Franziskus zusammenzufassen. Ob dies ein angemessenes oder unzutreffendes Fazit ist, mag kontrovers diskutiert werden. Fakt ist, dass Papst Franziskus von Beginn seiner Amtszeit auf dem Stuhl Petri an nicht untätig war, sondern in vielen und unterschiedlichen Bereichen des kirchlichen Lebens Änderungen und Reformen angestoßen und umgesetzt hat – dies auch im Bereich des Kirchenrechts.

Die Rechtsgeschichte zeigt, dass sich das Kirchenrecht in größeren oder kleineren Reformen weiterentwickelte, dass dies in unterschiedlichen Zeitabständen geschah und dass es oftmals auch sehr auf den jeweiligen Papst sowie die Dauer seines Pontifikats ankam. Jeder amtierende Papst ist gemäß c. 331 CIC/1983 das „Haupt des Bischofskollegiums, Stellvertreter Christi und Hirte der Gesamtkirche; deshalb verfügt er kraft seines Amtes in der Kirche über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann“. Aufgrund der Fülle der Vollmachten seines Amtes ist der Papst auch oberster kirchlicher Gesetzgeber. Diese Vollmacht geht einher mit der Übernahme des Petrusamtes und bedarf keiner besonderen akademischen Qualifikation, auch wenn es unter den Päpsten durchaus einige Kanonisten gab. Die beiden letzten waren Paul VI. und Pius XII. Papst Franziskus ist kein Kanonist von der Ausbildung her, doch war er u. a. als Weihbischof und Diözesanbischof von Buenos Aires (1998-2013) und als Vorsitzender der argentinischen Bischofskonferenz (2005–2011) beinahe zwangsläufig mit dem Kirchenrecht und der kirchlichen Gesetzgebung befasst und es ist festzustellen, dass er das Kirchenrecht nicht nur anwendet, sondern es ändert, reformiert, modifiziert und fortentwickelt. Dies hat er durch eine Vielzahl von größeren und kleineren Änderungen getan, von denen einige der wichtigsten nachfolgend kurz genannt und skizziert werden. Zu den bisher größten oder umfangreichsten Reformen sind die Reform der Römischen Kurie, die Reform des Eheprozessrechts und die Reform des kirchlichen Strafrechts zu zählen.

Mit der Apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium vom 19. März 2022 führte Papst Franziskus eine Kurienreform durch. (Foto: Steen Jepsen / Pixabay)

Kurienreform

Trotz der allgemeinen These der „Curia Romana semper reformanda“, was so viel heißt wie „Die Römische Kurie ist immer zu reformieren“ oder auch etwas freier „Die Römische Kurie ändert sich immer“, gab es in der Kirchengeschichte – ungeachtet von im Laufe der Zeit vorgenommenen kleineren Änderungen – nur vier große Reformen der Römischen Kurie, des Verwaltungsapparates des Papstes: 1588 von Sixtus V., 1908 durch Pius X., 1967 durch Paul VI. und 1988 durch Johannes Paul II. Die fünfte Reform erfolgte durch Franziskus, der er sich von Beginn seines Pontifikats an widmete und deren konkrete Planung er bereits einen Monat nach seiner Wahl begann. Schon sein dafür eingesetzter Beraterstab von acht und später neun Kardinälen, der inoffiziell als K8- bzw. K9-Rat bekannt wurde, war ein rechtliches Novum. Die Reform setzte er mit mehreren partiellen Änderungen um und schloss sie mit der Apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium am 19. März 2022 ab, welche die geltenden Regelungen zu allen kurialen Dikasterien enthält.

Im Zuge seiner Kurienreform errichtete er einige Dikasterien bzw. Behörden neu, wie beispielsweise den Rat und das Sekretariat für die Wirtschaft, denen Papst Franziskus die Aufsicht, die Verwaltung und die Koordination der wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls übertrug; andere schon bestehende Behörden ordnete er neu und vereinigte mehrere zu einem einzigen Dikasterium, wie beispielsweise das Dikasterium für Laien, Familie und Leben. Wieder anderen gab er auch nur eine neue Bezeichnung, was auch bei vergangenen Kurienreformen vorkam. Neben strukturell-organisatorischen Neuerungen schließt die Reform die Übernahme von kurialen Leitungsämtern ausschließlich durch Kleriker aus, wodurch mehr Laien einbezogen werden könnten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen müssen die Leiter der Dikasterien keine Kardinäle mehr sein. Die beiden einzigen Kardinäle, die in Praedicate Evangelium erwähnt werden, sind der Präfekt des höchsten kirchlichen Gerichts der Apostolischen Signatur und der Koordinator des Rates für Wirtschaft. Der Papst hat auch festgelegt, dass die Ernennung von Klerikern und Ordensleuten an der Kurie für fünf Jahre erfolgt und um einen zweiten Fünfjahreszeitraum verlängert werden kann, wobei die Mobilität und der Austausch zwischen Rom und den Ortskirchen verbessert werden sollen.

Eine tiefgreifende Reform des Eheprozessrechts geht auf Papst Franziskus zurück. (Foto: Valen Pix / Pixabay)

Reform des Eheprozessrechts

Eine weitere größere Änderung nahm Papst Franziskus direkt am kirchlichen Gesetzbuch vor, und zwar im Bereich des Prozessrechts. In der kirchenrechtlichen Praxis machen Ehenichtigkeitsverfahren, in denen geprüft wird, ob eine Ehe gültig geschlossen wurde oder nicht, den Großteil aus und folgen genau vorgegebenen Verfahrensabläufen. Am 15. August 2015 änderte Papst Franziskus die Normen des Eheprozessrechts per Gesetz, nämlich durch das Motu Proprio Mitis Iudex Dominus Iesus für die lateinische Kirche und ebenso am selben Tag die korrespondierenden Normen des CCEO, dem Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, durch das Motu Proprio Mitis et Misericors Iesus. Die Änderungen betrafen 21 Canones im CIC/1983 (cc. 1671–1691) und 21 Canones im CCEO (cc. 1357–1377). Die Reaktionen unter den Kanonisten auf das päpstliche Gesetz reichten im Jahr 2015 von Überraschung und Verwunderung, über Bestürzung bis hin zum Entsetzen. Man fürchtete um einen deutlichen Rückgang von Ehenichtigkeitsverfahren und in Folge davon auch um die Existenz mancher Offizialate. Diese Sorge teilte auch das Gericht der Rota Romana, deren Gesamtzahl an Fällen allerdings trotz der neuen Gesetze keinen signifikanten Rückgang verzeichnen kann. Die wichtigsten inhaltlichen Änderungen bestehen in der Abschaffung der bisherigen verpflichtenden zweiten Instanz bei Ehenichtigkeitsverfahren und in der Einführung des sogenannten kürzeren Prozesses. Bei diesem handelt es sich um ein Kurzverfahren vor dem Bischof, das nicht am diözesanen oder interdiözesanen Gericht geführt wird, an dem Kirchenrechtler im Auftrag des Bischofs arbeiten und erkennen, sondern bei dem der Bischof selbst als Richter agiert und urteilt.

Bereits Papst Benedikt XVI. hat eine Reform des kirchlichen Strafrechts initiiert, die Papst Franziskus abgeschlossen und in Kraft gesetzt hat. (Foto: VBlock / Pixabay)

Reform des Strafrechts

Eine weitere und noch größere Änderung erfolgte im Jahr 2021 mit der Reform des kirchlichen Strafrechts, welche die aktuell umfangreichste kirchenrechtliche Neuerung im derzeitigen Pontifikat und seit dem Inkrafttreten des CIC/1983 darstellt. Auch wenn Papst Franziskus das Strafrecht mit der Apostolischen Konstitution Pascite Gregem Dei am 23. Mai 2021 approbierte und zum 8. Dezember 2021 in Kraft setzte, war sein Vorgänger Benedikt XVI. der Initiator für die Gesamt-Revision des kirchlichen Strafrechts, der im Jahr 2007 den Auftrag zur Überarbeitung erteilte.

Vor allem drei Motive waren es, die die Reform des Strafrechts erforderlich machten: Zum einen sollte es den Anforderungen der heutigen kirchlichen Gemeinschaft entsprechend angepasst werden, zum anderen sollten, um eine zu weite teilkirchliche Varietät in der Strafrechtspraxis zu vermeiden und einem zu großen Ermessenspielraum zu wehren, die Strafen sowohl konkreter determiniert als auch fortan bei mehreren Straftatbeständen als verpflichtend verhängt werden und nicht länger fakultativ bleiben. Zudem sollte es im Gesamten leichter in der Anwendung werden. Zu diesem Zweck führte der Gesetzgeber einige neue Straftatbestände ein und begrenzte den vormaligen oft weiten Ermessensspielraum der für die Strafverhängung zuständigen Autorität, indem fakultative Strafandrohungen reduziert und sowohl durch obligatorische als auch durch konkret benannte Strafen ersetzt wurden. Franziskus änderte nicht nur das Strafrecht im CIC/1983, sondern auch das im CCEO durch das Motu Proprio Vocare peccatores vom 20. März 2023. Die Reform betraf allerdings nicht alle Normen, sondern nur 23 Canones. Die Änderung auch des orientalischen Strafrechts intendiert eine größere Übereinstimmung mit dem Strafrecht der lateinischen Kirche.

Neben den drei großen Neuerungen im Bereich der Kurienreform, des Eheprozessrechts und des Strafrechts nahm Franziskus noch eine Vielzahl weiterer kirchenrechtlicher Änderungen vor. (Foto: jessica45 / Pixabay)

Weitere kirchenrechtliche Neuerungen

Neben den drei großen Neuerungen im Bereich der Kurienreform, des Eheprozessrechts und des Strafrechts nahm Franziskus bereits eine Vielzahl weiterer kirchenrechtlicher Änderungen vor, von denen noch einige der aktuellsten genannt werden:

Die neueste kirchenrechtliche Änderung stammt vom 8. August 2023, mit der Franziskus die sogenannten Personalprälaturen mit öffentlichen klerikalen Vereinen päpstlichen Rechts mit Inkardinationsbefugnis gleichstellte (vgl. c. 295 CIC/1983 n. F.). Da das Opus Dei derzeit die einzige Personalprälatur der katholischen Kirche ist, ist es allein von den Regelungen betroffen.

Die meisten Neuerungen und Reformen betreffen das Gesetzbuch der lateinischen Kirche, manchmal aber auch das der orientalischen Kirchen. So erneuerte Franziskus mit dem Motu Proprio Iam pridem vom 23. April 2023 vier Canones des CCEO (cc. 66, 102, 149 und 183), mit denen verschiedene Normen in Bezug auf Bischöfe geändert werden, die das 80. Lebensjahr vollendet haben. Dies betrifft u. a. das Wahlrecht.

Im Bereich des Ordensrechts änderte Franziskus bereits mehrmals Vorschriften. Zuletzt am 2. April 2023 mit dem Motu Proprio Expedit et iura, das die Entlassung von Ordensmitgliedern aus ihrem Kloster neu regelte. Am 1. November 2020 modifizierte er mit dem Motu Proprio Authenticum charismatis c. 579 des CIC/1983, wonach zur Errichtung eines Institutes des Geweihten Lebens in einer Diözese, nicht mehr nur eine bloße Beratung, sondern eine zuvor erteilte schriftliche Genehmigung des Apostolischen Stuhls vorliegen muss.

Im Kontext des Bekanntwerdens und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Behandlung und der Ahndung der Straftaten des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen erforderte dies auch von der Kirche Ergänzungen oder Präzisierungen der bisherigen kodikarischen und außerkodikarischen Regelungen. Am 7. Mai 2019 erließ Franziskus daher Normen darüber, was im Falle von Meldungen eben genannter Delikte zu tun sei. Eine aktualisierte Fassung dieser Normen über das Meldeverfahren folgte am 25. März 2023 mit gleichlautendem Titel in Form des Motu Proprio Vos estis lux mundi.

Eine Änderung von Papst Franziskus betraf die Neustrukturierung der Kongregation für die Glaubenslehre, welche er per Gesetz am 11. Februar 2022 in eine Disziplinarabteilung und eine Lehrabteilung gliederte und deren jeweiligen Zuständigkeitsbereiche klar umgrenzte. Entsprechend der beiden Abteilungen erfuhr auch die personelle Struktur eine entsprechende Anpassung (vgl. Motu Proprio Fidem servare).

Nur einen Canon des kirchlichen Gesetzbuches der lateinischen Kirche, c. 230, änderte Franziskus am 15. Januar 2021, womit er verfügte, dass künftig auch Frauen in der Liturgie die Dienste des Lektors und Akolythen übernehmen können (vgl. Motu Proprio Spiritus Domini). Zuvor war das nur Männern erlaubt. Ein weiterer Dienst, der von Laien – nach Erwerb biblischer, theologischer und pastoraler Kenntnisse – übernommen und ausgeübt werden kann, ist der Dienst des Katechten, den Franziskus nur wenige Wochen später am 10. Mai 2021 errichtete (vgl. Motu Proprio Antiquum ministerium, Nr. 8).

Zusammenfassung und Ausblick

Nach diesem Überblick zu einigen der wichtigsten und aktuellsten kirchenrechtlichen Neuerungen, die nicht abschließend sind, ist zu resümieren, dass Papst Franziskus im Bereich des Kirchenrechts sehr aktiv ist und viele Änderungen vornahm. Auch sein Vorgänger Benedikt XVI. erließ rechtliche Normen zu unterschiedlichen Materien, allerdings überwiegend außerkodikarisch und bei weitem nicht in dem großen Umfang. Zum Vergleich: Am CIC/1983 selbst änderte er während seines achtjährigen Pontifikats nur fünf Canones (cc. 1008, 1009, 1086 § 1, 1117, 1124). Franziskus änderte dagegen in seinem bisher zehnjährigen Pontifikat mehr als 150 Canones im CIC/1983 und im CCEO. Die Vermutung liegt daher nahe, dass weitere Änderungen in der kommenden Zeit folgen werden.

Weiterführende Literatur

Stephan Haering, „Änderungen des Kirchenrechts unter Papst Franziskus“, in: Klerusblatt 99 (2019), Nr. 2, S. 28–35.

Christoph Ohly, „Das Motu Proprio Vos estis lux mundi. Perspektiven und Anmerkungen“, in: DPM 27/28 (2020/21), S. 231–248, DOI: 10.22602/IQ.9783745870312.

Bruno Pighin, Il nuovo sistema penale della Chiesa, Venedig 2021.

Ulrich Rhode, „Wie Papst Franziskus die Kurie reformiert. Der Kardinalsrat und die schrittweise Umsetzung“, in: AfkKR 185/1 (2016), S. 42–61, DOI: 10.30965/2589045X-1850105.

Johannes Schidelko, Kurienreform. Hintergründe, Zuständigkeiten, Veränderungen. Alles, was man wissen muss, Paderborn 2022.

Nikolaus Schöch, „Synopse der Veränderungen gegenüber dem bisher geltenden Eheprozessrecht“, in: DPM 23 (2016), S. 325–361.


Dr. Andrea Michl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kirchenrecht, insbesondere für Ehe-, Prozess- und Strafrecht sowie Staatskirchenrecht am Klaus-Mörsdorf-Studium für Kanonistik der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie studierte Katholische Theologie in Regensburg und Rom. Nach dem Diplom folgte das Studium des kanonischen Rechts am Klaus-Mörsdorf-Studium für Kanonistik mit den Abschlüssen des Lizentiats (Lic. iur. can.) und des Doktorats (Dr. iur. can.) im kanonischen Recht.


Titelbild: crysmyri / Pixabay

Konspirative Geheimbünde oder geistliche Gemeinschaften? – Zur Geschichte, Gestalt und Recht von Ritterorden

Geistliche Ritterorden erscheinen heute so manchem als überholte Institutionen, als Relikte eines fernen Zeitalters und bilden bloß einen Appendix der ungleich viel intensiver wahrgenommenen Forschung zur Kreuzzugsgeschichte. Für viele Menschen scheinen diese Gemeinschaften als abgeschlossene Zirkel konspirative Geheimbünde zu sein, weniger werden die geistliche und karitative Seite dieser Ordensgemeinschaften wahrgenommen.
Zwar haben die geistlichen Ritterorden im Zuge der neuzeitlichen Entwicklungen an Einfluss verloren, doch leben insbesondere Malteser, Grabesritter und Deutscher Orden (seit 1923 ohne Ritterbrüder) in ihren verschiedenen Zweigen fort und wirken heute vor allem karitativ in Hospitälern, Schulen, Altenheimen und ähnlichen Institutionen. Die Beschäftigung mit diesen Institutionen bleibt damit auch für die Kirchenrechtswissenschaft ein lohnendes Thema, weshalb Recht und Religion sich in dieser Ausgabe ausführlich mit dieser Thematik beschäftigt.

Das Institut für Kirchenrecht und Religionsrecht freut sich, dass namhafte Experten für diese Ausgabe gewonnen werden konnten. Die Darstellungen erfolgten teilweise aus der Binnenperspektive des jeweiligen Ritterordens.


Geistliche Ritterorden – Päpstliche Orden – Ehrenzeichen. Eine notwendige Differenzierung

In der Vergangenheit wurden viele Militär- und andere Ritterorden in Verbindung mit dem Heiligen Stuhl gegründet. Die meisten von ihnen starben aus, wurden unterdrückt oder verschmolzen mit zeitgenössischen Ritterorden. Einige von ihnen überlebten unter dem Schutz des Heiligen Stuhls. Hier gilt es zunächst einmal genau zu differenzieren, was sind päpstliche Orden und Ehrenzeichen, was sind geistliche Ritterorden unter dem Schutz des Heiligen Stuhls. Der einleitende Beitrag von Harald Tripp geht dieser Frage nach.

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Kirchliche Rechtssymbolik und ihre Bedeutung. Ritterschlag und Aufnahme in den Orden der Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem am Beispiel von Franz und Bartholomäus Khevenhüller

Wie wird man in einen päpstlichen Orden aufgenommen? Welche Symbole und Formeln begleiten die Aufnahme, welche legitimieren Personen, Teil einer geistlichen Gemeinschaft zu sein? Harald Tripp analysiert im Blick auf den Orden der Ritter und Damen vom Heiligen Grab zu Jerusalem die Rechtssymbolik der Aufnahme in einen Orden durch Ritterschlag und spannt dabei den Bogen zur Aufnahme in der Gegenwart.

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Aktuelle Rechtsentwicklungen des Malteserordens

In der letzten Zeit hörte man immer wieder von Veränderungen im Souveränen Ritter- und Hospitalorden vom Hl. Johannes zu Jerusalem (Malteserorden). Florian Schwetz, Jurist im Amt der Tiroler Landesregierung, zeigt in seinen Beitrag die historische und verfassungsmäßige Entwicklung des Ordens aus den Rechtsquellen auf und führt uns auch in die äußerst interessanten aktuellen Vorgänge und Rechtsentwicklungen der neuen Verfassung des Ordens ein.

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Ritterorden vom Hl. Grab zu Jerusalem

Der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem, auch Orden vom Heiligen Grab oder Ritter vom Heiligen Grab genannt, ist ein katholischer Ritterorden, der unter dem Schutz des Heiligen Stuhls steht. Der Papst ist der Souverän des Ordens. Geschichte, Strukturen und karitative Tätigkeiten werden im Beitrag von Karl Lengheimer, 2008 bis 2016 Statthalter für Österreich des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, erläutert.

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Templer und Päpste. Aufstieg und Untergang des Templerordens

Privatdozent Daniele Mattiangeli aus dem Fachbereich Völkerrecht, Europarecht und Grundlagen des Rechts von der Paris-Lodron-Universität in Salzburg bietet einen sehr lesenswerten Blick auf die Lebensspanne der berühmten Tempelritter, die als kriegerische Mönche das erste disziplinierte, regulierte und uniformierte stehende Heer seit der Antike in ganz Europa und im Heiligen Land waren. Die Erörterung des Schicksals des Ordens nach dem Scheitern der Kreuzzüge umfasst eine ausführliche Untersuchung anhand neuer historischer Quellen, die der Autor im Blick auf die Aufhebung des Ordens sowie zum Verfahren gegen die Templer neu einordnet.

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Titelbild: Blick vom Aventin auf die Villa del Priorato di Malta, einer der beiden Hauptsitze des Malteserordens in Rom. (Foto: Daniel Tibi)

Tagung zum Thema „Neutraler Staat? Interdisziplinäre Perspektiven auf die Autonomie von Religion, Kunst und Wissenschaft“ – Ein Tagungsbericht

19.-20. Juni 2023 – Universität Wien

Von 19. bis 20. Juni fand im bereits hochsommerlich heißen Wien die vom Forschungscluster „Transformationen des Rechts in Religion und Gesellschaft“ des Forschungszentrums RaT veranstaltete Konferenz „Neutraler Staat? Interdisziplinäre Perspektiven auf die Autonomie von Religion, Kunst und Wissenschaft“ statt. Ziel der unter der Leitung von Prof. Stefan Hammer (Institut für Rechtsphilosophie) und Prof. Andreas Kowatsch (Institut für Kirchen- und Religionsrecht) organisierten Veranstaltung war es, Expert:innen aus den drei Bereichen miteinander ins Gespräch zu bringen und einen Einblick in aktuelle Debatten und Probleme zu bieten. Was alle miteinander verbindet, ist ihr Autonomieanspruch und das daraus resultierende, spannungsreiche Verhältnis zum Staat (ein besonders virulentes Beispiel hierfür bilden die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie der letzten Jahre).

Marcello Neri (Instituto Superiore di Scienze
dell’Educazione Modena) mit seinem Vortrag zum Thema „Theologische Anmerkungen zum Verhältnis von Recht und Religion“
(Foto: Daniel Tibi)

Durch diese Konstellation wird ein breiter Raum an Fragen eröffnet, dem sich die Beiträge zur Konferenz aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu nähern versuchten: Während sich manche Beiträge den Autonomieansprüchen und den sich daraus ergebenden alten und neuen Herausforderungen aus der Innenperspektive der jeweiligen Sphären widmeten (so etwa Jakob Deibl zur Kunst, Marie-Luisa Frick zum Bereich Wissenschaft und Marcello Neri aus der Sicht der katholischen Theologie), machten sich andere auf die Suche nach Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen den unterschiedlichen Bereichen (so Reinhold Esterbauer aus theologisch-philosophischer, Stefan Hammer aus verfassungstheoretischer und Astrid Mattes aus politikwissenschaftlicher Perspektive und anhand von aktuellen Beispielen der österreichischen Debatte).

Vortrag von Marie-Luisa Frick (Universität Innsbruck) zum Thema „Ohne ideologisches Endziel, aber kein reiner Selbstzweck: Zur „Autonomie“ der Wissenschaften im „neutralen“ Staat“

(Foto: Daniel Tibi)

Einen weiteren Schwerpunkt der Konferenz bildete die juristische Sicht auf den titelgebenden Begriff der staatlichen Neutralität (so Markus Müller im Modus der kritischen Befragung, während Andreas Kowatschs Beitrag sich mit der rechtlichen Situation in Österreich sowie mit den vielen juristischen Facetten des Neutralitätsbegriffs befasste). Zum Abschluss diskutierten Vertreter:innen aus den unterschiedlichen Bereichen die aktuellen Herausforderungen und Probleme aus der Sicht der Alltagspraxis (Cornelia Offergeld aus dem Bereich der Kunst, Imet Mehmedi aus der Sicht der Frei-Alevitischen Glaubensgemeinschaft und Dieter Beck von der Evangelischen Kirche in Österreich; moderiert wurde die Diskussion von Katharina Limacher).

Vortrag von Markus Müller (Universität Bern) zum Thema „Staatliche Neutralität als Mittel der Autonomiegewährung? – Kritische Gedanken am Beispiel der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staats“

(Foto: Daniel Tibi)

Aus den vielen kenntnisreichen Beiträgen und der angeregt geführten Diskussion gingen vor allem zwei Punkte als entscheidend hervor: Erstens ist unter den aktuellen rechtlichen und sozialen Bedingungen Skepsis bezüglich der Möglichkeiten religiös-weltanschaulicher Neutralität des Staates angebracht. Zweitens ist eine Krise des Autonomieanspruchs der verschiedenen Bereiche, insbesondere jedoch der Wissenschaft, zu konstatieren: Die Selbstbestimmung gerät unter den zunehmenden ökonomisch-politischen Abhängigkeiten zusehends unter Druck. Dies führt vor Augen, wie wichtig es ist, die Begriffe der Autonomie und Neutralität stets von Neuem kritisch zu befragen.

Die Beiträge der Konferenz werden in einem Band der RaT-Printreihe erscheinen. Das Programm der Konferenz findet sich hier.

Titelbild: Vortrag von Prof. Andreas Kowatsch (Foto: Daniel Tibi)

Auf der Suche nach religiös-weltanschaulicher Neutralität

Von Sophia Witz.*

Die Tagung „Neutraler Staat? Interdisziplinäre Perspektiven auf die Autonomie von Religion, Kunst und Wissenschaft“ (19.–20.06.2023) behandelte das komplexe Wechselspiel dieser drei Bereiche sowohl zueinander als auch im Verhältnis zum Staat. Die interdisziplinäre Tagung beleuchtete diesen herausfordernden Themenkomplex sowohl aus theologischer als auch aus rechtswissenschaftlicher Perspektive. Hinzukamen philosophische und politikwissenschaftliche Betrachtungen sowie ein Blick in die Praxis.

Alle acht Vortragenden brachten inspirierende Perspektiven und Zugänge ein. An dieser Stelle sollen vorrangig der rechtswissenschaftliche Beitrag von Markus Müller (Universität Bern) zum Thema „Staatliche Neutralität als Mittel der Autonomiegewährung? – Kritische Gedanken am Beispiel der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staats“ sowie der (rechts-)philosophische Beitrag von Marie-Luisa Frick (Universität Innsbruck) zum Thema „Ohne ideologisches Endziel, aber kein reiner Selbstzweck: Zur ‚Autonomie‘ der Wissenschaften im ‚neutralen‘ Staat“ reflektiert werden.1

Markus Müller (Universität Bern) hielt einen Vortrag zum Thema „Staatliche Neutralität als Mittel der Autonomiegewährung? – Kritische Gedanken am Beispiel der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staats“.

Müller bricht in seinem Eröffnungsvortrag gekonnt mit dem Konzept der staatlichen weltanschaulich-religiösen Neutralität und seiner langen (auch rechtswissenschaftlichen) Tradition, insbesondere in der Schweiz.2 Seine Argumentationslinie basiert auf der Annahme, dass das Konzept der Neutralität hohe Erwartungen wecke, die es aufgrund religiöser Vorprägungen der handelnden Akteure nicht erfüllen könne.3 Dabei stützt er sich unter anderem auf Erkenntnisse aus der Psychologie und verneint sowohl Sphären-4 wie auch Rollentrennung.5 Er betrachtet den Staat als Produkt seiner Repräsentant:innen, die oft auch von ihrem Unbewussten gesteuert werden.6 Anders sieht dies bspw Charim, die von Repräsentant:innen der Allgemeinheit bzw des Staates verlangt, ihre private Person von ihrer öffentlichen Person zu unterscheiden, und dadurch die Neutralität des Staates zu gewährleisten.7

Müller hebt auch die große Bandbreite an unterschiedlichen Neutralitätskonzepten (zB Begründungsneutralität,8 teleologisch-reflektierte Neutralität9) hervor, die aus seiner Sicht mit dem strikten Alltagsverständnis von Neutralität nicht in Einklang zu bringen seien.10 Dieser Befund ist zweifelsohne nicht von der Hand zu weisen. Sein Lösungsvorschlag, das (auch rechtsdogmatisch) gut verankerte Konzept der Neutralität durch jenes des ebenso unbestimmten Toleranzbegriffs11 zu ersetzen, erscheint allerdings nicht weniger problematisch. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Toleranzbegriff eine negative Vorprägung aufweist (auch wenn Müller unter seinem Toleranzbegriff nicht bloß das gnädige Dulden durch die Mehrheit verstanden wissen will, wodurch er sich selbst ebenfalls vom Alltagsverständnis dieses Begriffs entfernt).

Marie-Luisa Frick (Universität Innsbruck) hielt einen Vortrag zum Thema „Ohne ideologisches Endziel, aber kein reiner Selbstzweck: Zur ‚Autonomie‘ der Wissenschaften im ‚neutralen‘ Staat“.

Frick untersucht demgegenüber, welchen Grenzen die Wissenschaft unterliegt und identifiziert eine wachsende Gefährdung der wissenschaftlichen Autonomie. Dabei geht sie von der Prämisse aus, kein Staat könne ethisch-weltanschaulich neutral sein, da bereits der Auftrag der Befriedung und Ordnung, wie auch die Grundrechte nicht neutral seien. Frick plädiert daher für ein teleologisch-reflektiertes Verständnis des Gebots zu weltanschaulicher staatlicher Neutralität.12

Die Grenzen der Wissenschaft entspringen laut Frick entweder dem Entstehungs-, dem Begründungs- oder dem Verwendungszusammenhang. Zu ersterem zählt sie die Finanzierung und Förderung der Wissenschaft,13 die arbeitsrechtliche Stellung der Wissenschafter:innen (beachte auch: Wissenschaftsprekariat), Anreize bzw Verpflichtungen, in Publikationsorganen zu veröffentlichen,14 sowie die Leistungs- und Zielvereinbarungen15 der Universitäten, die bereits durch ihre (nicht neutralen) Schwerpunktsetzungen der Wissenschaft Grenzen setzen würden.

Aus grundrechtlicher Perspektive können Zielvorgaben mit der in Art 17 StGG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit der Universitätsangehörigen konfligieren, wenn sie zB festlegen, welche Forschungsmethoden einzusetzen sind.16 Ähnliche Probleme wie Frick sieht auch Pöschl, die vor der Gefahr von Autonomieverlusten durch die verstärkte Drittmittelabhängigkeit warnt (Ausrichtung der Forschung an Vergabekriterien).17 Eisenberger analysiert in diesem Zusammenhang Ethikklauseln bzw ethisch motivierte Förderungsverbote in Forschungsrahmenprogrammen wie Horizont 2020 und weist ua auf eine erhöhte Begründungspflicht des Gesetzgebers hin, wenn dieser einzelne Forschungsgebiete begünstigt oder benachteiligt.18

Im Rahmen des Begründungszusammenhangs sieht Frick Forschungsethik bzw die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis als Grenzen.19 Vorlagepflichten an Ethikkommissionen bspw werden aus rechtswissenschaftlicher Perspektive von Kopetzki als „spezifische“ Eingriffe qualifiziert, die einer Erforderlichkeitsprüfung zu unterziehen sind.20 Anreize, an der Third Mission der Universität mitzuwirken sowie Rückmeldungen und Druck aus der Gesellschaft (zB im Laufe der Pandemie) ordnet Frick schließlich dem Verwendungszusammenhang zu.

Die beiden hier besprochenen Vorträge sowie die Tagung insgesamt kann als sehr gelungen und bereichernd bezeichnet werden, der Publikation der Tagungsbeiträge wird mit großem Interesse entgegengeblickt.

Anmerkungen

* Sophia Witz, LL.M. ist Universitätsassistentin am Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht der Universität Wien.

1 Siehe für einen allgemeinen Tagungsüberblick Institut für Kirchenrecht und Religionsrecht, Tagung zum Thema „Neutraler Staat? Interdisziplinäre Perspektiven auf die Autonomie von Religion, Kunst und Wissenschaft“ – Ein Tagungsbericht, 26.06.2023 rechtundreligion.at, https://rechtundreligion.at/2023/06/26/tagung-zum-thema-neutraler-staat-interdisziplinare-perspektiven-auf-die-autonomie-von-religion-kunst-und-wissenschaft-ein-tagungsbericht/, abgerufen am 12.07.2023.

2 Siehe zur Bejahung der religiösen und ethischen Neutralität des Staates als Grundsatz in der Schweiz zB Engi, Die religiöse und ethische Neutralität des Staates (2017); zur Verankerung religiös-weltanschaulicher Neutralität in der österreichischen Rechtsordnung siehe zB Wagrandl, Die weltanschauliche Neutralität des Staates, JRP 2016, 309; Werni, Vom Nutzen und Nachteil verfassungsrechtlicher „Prinzipien“ für das Religionsrecht, ZÖR 2021, 995; für einen Überblick zur deutschen rechtswissenschaftlichen Diskussion siehe Czermak/Hilgendorf, Religions- und Weltanschauungsrecht2 (2018) § 10 Insbesondere: das Neutralitätsgebot.

3 Siehe dazu Müller, Religion im Rechtsstaat (2017) 29, 84 ff, 140.

4 Vertreten wird die Sphärentheorie unter anderem von Dreier, Staat ohne Gott: Religion in der säkularen Moderne (2018) 12 f, 165 f; siehe auch Spohn, Den säkularen Staat neu denken (2016) 27 ff, 133 kritisch zur Trennung der Sphären in nicht westlich-christlich geprägten Staaten.

5 Zur Rollentrennung siehe zB Schlink, Vergewisserungen (2005) 103 f; Engi, Neutralität 293.

6 Siehe Müller, Religion 48, 85.

7 Siehe Charim, Ich und die Anderen (2018) 75 ff.

8 Vertreten zB von Huster, Die ethische Neutralität des Staates2 (2017) 98 ff, 633 ff; kritisch zur Begründungsneutralität ua Frick, Ethische Neutralität des Staates, in Frick/Mbongo/Schallhart (Hrsg) PluralismusKonflikte (2010) 171 (177 ff).

9 Vertreten von Frick in Frick/Mbongo/Schallhart 182 ff.

10 Siehe Müller, Religiöse Neutralität des Staates?, ZBl 2022, 575 (580 ff).

11 So auch Huster, Neutralität2 222 ff; siehe zur deutschen Rechtslage zB Czermak/Hilgendorf, Religions- und Weltanschauungsrecht2 Rz 161 ff.

12 Siehe Frick in Frick/Mbongo/Schallhart 182 ff; zur politischen Struktur multikultureller Gesellschaften und deren Auswirkung auf die Neutralität des Staates siehe zB Parekh, Rethinking Multiculturalism (2000) 196 ff.

13 Siehe für einen Überblick der Finanzierer von Forschung Pöschl, Private Rechtsetzung – Begriff und verfassungsrechtlicher Rahmen, in WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der Rechtsetzung (2018) 195 (200 ff).

14 Siehe aus rechtswissenschaftlicher Perspektive VwSlg 18449 A/2012, in welcher der VwGH keine Verpflichtung eines Universitätsprofessors zur Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten erkennt.

15 Siehe § 20 Abs 5 UG 2002 der normiert, dass bei Abschluss der Zielvereinbarungen auf die Freiheit der Wissenschaft und einen entsprechenden Freiraum der einzelnen Wissenschafter:innen in der Forschung sowie in der Lehre Bedacht zu nehmen ist.

16 Siehe zu den oben angeführten Aspekten grundlegend aus rechtswissenschaftlicher Perspektive Pöschl, Von der Forschungsethik zum Forschungsrecht: Wie viel Regulierung verträgt die Forschungsfreiheit?, in Körtner/Kopetzki/Druml (Hrsg), Ethik und Recht in der Humanforschung (2010) 90; Kopetzki, Muss Forschung „ethisch vertretbar“ sein?, in FS Mayer (2011) 253; Pöschl, Wissenschaftliche Integrität, in GS Walter (2013) 609; Eisenberger, Innovation im Recht (2016) 184 ff, 217 ff, 268 ff; Pöschl, Normative Grenzen der Wissenschaftsfreiheit, in Neck/Schmidinger/Spiel (Hrsg), Grenzen in den Wissenschaften (2017) 159; Pöschl in WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht 195.

Siehe auch Kröll in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), B-VG Art 17 Abs 1 StGG Rz 33, 169 (13. Lfg 2014); Hammer in Korinek/Holoubek (Hrsg), B-VG Art 17 Abs 1 StGG Rz 19, 25, 56, 66 (12. Lfg 2016); Gamper in Kahl/Khakzadeh/Schmid (Hrsg), B-VG (2021) Art 17 StGG Rz 13; Unger, Eingriff durch Vereinbarung? Zum Spannungsverhältnis von staatlicher Steuerung durch Leistungsvereinbarungen und universitärer Autonomie, JRP 2022, 380 (389).

17 Siehe Pöschl in GS Walter 640 f.

18 Siehe Eisenberger, Innovation 168, 185 ff, 191, 244 ff.

19 Siehe dazu bereits Pöschl in Körtner/Kopetzki/Druml 90 ff, 99 ff; Kopetzki in FS Mayer 263 ff; Eisenberger, Innovation 217 ff, 235.

20 Siehe Kopetzki in FS Mayer 265.


Fotos: Daniel Tibi