Synodalität, was nun?

Im nachfolgenden Beitrag gibt der Autor einen persönlichen Einblick in die Beobachtungen, die er bei der Teilnahme als Journalist an der Synode zur Synodalität in Rom machen konnte. Wir stellen den Artikel gerne auf Recht und Religion zur Verfügung.

Georg Schimmerl

Als Medienreferent meines Bischofs hatte ich die Gelegenheit, die beiden Sessionen der XVI. Bischofssynode 2023 und 2024 in Rom aus nächster Nähe zu begleiten. Wie habe ich sie erlebt? Welches waren die großen Themen? Und: was bleibt von dieser Synode?

Es ist sehr still geworden um sie. Mehr als drei Jahre lang schien sich in der Kirche alles um einen Begriff zu drehen, dessen genaue Bedeutung sich nicht ohne Weiteres erschloss: die „Synodalität“. Doch nur drei Monate nach dem feierlichen Schlussgottesdienst in St. Peter ist genau das eingetreten, wovor Papst Franziskus eindringlich gewarnt hatte: Alles scheint vorerst zu sitzen[1] und zu warten.

Fragt man Kolleg:innen, die die Synode ebenfalls kommentiert und mitdiskutiert haben, herrscht oft eine verlegene Stille. Aus der Sicht eines Medienbeobachters, der beide Sessionen in Rom mitverfolgt hat, ist das erstaunlich und verständlich zugleich.

Erwartungen, Aufbruch, Hoffnungen

Erstaunlich, weil das Engagement, mit dem im Vorfeld der beiden Sessionen im Herbst 2023 und 2024 gearbeitet wurde, enorm war. Die Aufbruchsstimmung durch die Teilnahme von Nichtbischöfen, vor allem auch von Frauen mit Stimmrecht, hatte – je nach persönlichem Standpunkt – große Hoffnungen oder starke Befürchtungen geweckt. Die Freiheit der Rede, die zumindest innerhalb der Aula herrschte, war spürbar. Nichts verdeutlichte sie besser als die runden Tische, die auf eine Anregung der asiatischen Kontinentalsynode zurückgingen.

Und dann war da noch die viel besprochene neue Methodik des „Gesprächs im Geist“ – eine anspruchsvolle Herangehensweise, die von allen gelobt wurde, besonders von jenen, die bisher nur Synoden erlebt hatten, die aus stundenlangen, vorab vom Staatssekretariat überarbeiteten bischöflichen Interventionen bestanden. Der spirituelle Grundton, den der frühere Generalmagister der Dominikaner, Timothy Radcliffe, und die Äbtissin des Mailänder Benediktinerinnenklosters Viboldone, Ignazia Maria Angelini, vorgaben, war und bleibt inspirierend – weit über die Synode hinaus. Radcliffs geistliche Impulse vom Oktober 2023 sind mittlerweile im Verlag Herder erschienen.[2]

Dem „Zauber von Rom“, also der Bereicherung, die durch das Zusammentreffen der weltweiten Kirche an einem Ort entsteht, können sich nur Einheimische und „alte Hasen“ entziehen – und selbst sie nur bis zu einem gewissen Grad. Das gilt immer bei solchen Ereignissen, und dieses Mal erst recht. Ein gewisser Pathos schwingt dabei natürlich auch immer mit: das Gefühl, „Zeuge eines historischen Moments“ zu sein.

Erste Ermüdung, erste Ernüchterung

Die Teilnahme von Vertretern anderer christlicher Kirchen und die ökumenischen Sideevents am Rande der Synode weckten Hoffnungen auf neuen Schwung im Dialog unter den christlichen Kirchen. Und doch – und damit beginnt mein Verständnis für die scheinbare postsynodale Erschöpfung – zeigten sich im Rückblick schon nach der Session 2023 erste Ermüdungserscheinungen. Der Zwischenbericht wurde in den meisten Ortskirchen nur noch von kleinen Gruppen beachtet – nicht nur aus Zeitmangel. Spätestens mit der Entscheidung des Papstes, zehn Themen ausgewählten Arbeitsgruppen anzuvertrauen und nicht weiter im Plenum zu behandeln, schwand die nicht selten auch so formulierte, ja manchmal vehement vertretene Hoffnung, dass aus dem Beratungsgremium „Bischofssynode“ ein Entscheidungsorgan – eine „Weltsynode“ – werden könnte.

Für Öffentlichkeitsarbeiter war die Synode von Anfang an eine Herausforderung: Was sollte man mit ausführlichen täglichen Pressebriefings anfangen, die nur signalisierten, an welchem Punkt des allgemein zugänglichen Instrumentum Laboris sich das Plenum gerade befand? Wie konnte man an Synodenteilnehmer:innen herankommen, die der Papst auf Stillschweigen eingeschworen hatte? Gerade für Journalist:innen, die unter permanentem Zeitdruck stehen, war das eine schwierige Situation – die im Oktober 2023 sogar zu einem gemeinsamen Protest der dauerhaft beim Vatikan akkreditierten Medienvertreter führte. Doch bemerkenswerterweise verhallte dieser Protest ausgerechnet am Höhepunkt der Synodalität ungehört, als sei gerade diese Schnittstelle zwischen Synode und Außenwelt irrelevant. Aus meiner persönlichen Sicht bleibt diese vom Papst entgegen dem dringenden Rat seiner engsten Berater getroffene Entscheidung zugunsten einer strikten „riservatezza“ ein schwerwiegender Fehler.

Die zweite Session: Spannung um die Frauenordination

Die zweite Session im Herbst 2024 begann zunächst mit gemischten Gefühlen. Die Stimmung der Synodenteilnehmer war auf den ersten Blick gelöst. Die Freude, vertraute Gesichter wiederzusehen, war spürbar, die Bereitschaft, mit „denen aus der Sala Stampa“ ins Gespräch zu kommen, war deutlich höher. Die Synode begann nach der Liturgie am Petersplatz mit einer Präsentation der zehn vom Papst eingesetzten Arbeitsgruppen. Die Präsentation bestand in Schnelldurchgängen mittels kurzer Videos und mündlichen Berichten.

Am meisten Erwartungen erweckte die fünfte Arbeitsgruppe zum Thema „theologische und kirchenrechtliche Fragen im Zusammenhang mit bestimmten Formen des Dienstes“. Präsentiert wurde die bisherige Arbeit von Kardinal Victor Manuel Fernández, Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, der das Thema jedoch außergewöhnlich schnell und für die Mehrzahl der Beteiligten unverständlich referierte. Ausgerechnet die heikle Frage nach dem Diakonat der Frau handelte er mit dem Nebensatz ab, dass „wir die öffentliche Position des Papstes kennen, der das Thema nicht für ausgereift hält“. Dies führte zu einem Aufruhr in der Synodenaula. Man einigte sich auf ein gesondertes Treffen mit Fernández – zu dem er jedoch – taktisch unklug – nicht persönlich erschien.

Die Folgen sind schnell erzählt: Am Tag darauf sah sich der Papst persönlich genötigt, in aller Frühe zunächst die Teilnehmerinnen der Synode im vatikanischen Gästehaus Santa Marta zu empfangen und im Anschluss daran alle Teilnehmer ohne Bischofsweihe. Über den Inhalt dieser Treffen wissen wir nichts, zumal auskunftsbereite Synodalen im persönlichen Gespräch gestanden, sie hätten den auf Spanisch gehaltenen Ausführungen des Papstes kaum folgen können. Dass das Thema virulent und voraussichtlich auf absehbare Zeit ungelöst bleibt, lässt sich aber aus den Abstimmungsergebnissen von Punkt 60 des Schlussdokuments der Synode schließen.

Was bleibt?

Zunächst einmal gab es eine wenig gewürdigte Akzentverschiebung. Die von Papst Franziskus und vom Synodenrat gebrauchte Formel „cum Petro et sub Petro“, die im Zusammenhang mit der Synode zumindest paradox erschien, findet sich im Schlussdokuments nicht mehr. In Punkt 3 lesen wir stattdessen: „Seit der Heilige Vater uns 2021 auf diese Synode mitgenommen hat…“[3] Dass das eine Korrektur darstellt, illustriert auch die anfangs fast durchgängige unverstandene inclusive Verwendung des Plurals „approviamo“ bei der überraschenden, sofortigen Approbation des Schlussdokuments durch Papst Franziskus. Dieser hat in einem gesonderten Schreiben im Nachhinein festgestellt, dass er sich damit in die Reihe aller Synodenteilnehmer:innen gestellt hat. Zitat: „Auch ich habe es angenommen und mit meiner Unterschrift seine Veröffentlichung angeordnet, indem ich mich dem „Wir“ der Versammlung anschließe, die sich durch das Abschlussdokument an das heilige, treue Volk Gottes wendet.“[4] Wenn man dazu das im Juni vom Papst freigegebene Dokument „The Bishop of Rome“[5] liest und sich die Mühe macht, seine indirekten und direkten Zitate im Schlussdokuments aufzuspüren, erscheinen dieser Akt und die Art der Formulierung als vorsichtige, aber deutliche Veränderung in der Ausübung des „munus petrinum“.

Mittelbar damit im Zusammenhang steht eine weitere, wenig kommentierte Errungenschaft dieser Synode: der nach dem Konzil beinahe obliviszierte zentrale Begriff des sensus fidei fidelium wurde für die Kirche fruchtbar gemacht. Dieses Anliegen zieht sich wie eine Grundmelodie durch das Lehramt von Franziskus seit Evangelii Gaudium. Nach den wenig erfolgreichen Versuchen im Vorfeld der Familien- und der Jugendsynode ist der Glaubenssinn des Volkes Gottes in der Kirchengeschichte wohl nie so systematisch befragt worden wie im synodalen Prozess von 2021–2024. Es bleibt weiter eine Herausforderung, das Verständnis und die Bedeutung des sensus fidei zu schärfen und ihm die kanonische Form zu geben, die ihm zusteht. Hier ist die Synode schließlich zu vage geblieben.

Erfreulich ist die ausdrückliche Wertschätzung für die Kirchen eigenen Rechts, die stärker als je zuvor in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt sind. Die meisten ihrer dringenden Anliegen werden nach wie vor in einer der zehn Arbeitsgruppen behandelt. Ihre starke Präsenz bezeugte nicht nur die Pluralität des Katholizismus, sie brachten auch das Zeugnis von Kirchen in prekären Kriegs- und Unterdrückungssituationen mitten in die Aula.

Erfreulich ist der ökumenische Aufschwung. Erstmals waren Vertreter anderer christlicher Kirchen nicht nur Beobachter, sondern saßen, wenn auch ohne Stimmrecht, mit allen Synodenteilnehmern an den Gesprächstischen.

Erstaunlich ist die verhaltene Resonanz auf das eindeutige Votum, Entscheidungsprozesse stärker in die Ortskirchen und Regionen zu verlagern. Die Voraussetzungen dafür gab es schon bisher. Jetzt sind die Bischofskonferenzen national, regional und kontinental gefordert, diese gewünschte Schwerpunktverlagerung zu nutzen. Es scheint aber nach wie vor die Mentalität vorzuherrschen, auf weitere Vorgaben aus Rom zu warten.

Schließlich die neuerliche Aufwertung der Ortskirche um ihren Bischof aus der und in der die Gesamtkirche besteht. Zu schnell wurde dieser Punkt mit Verweis auf die zumindest in Mitteleuropa weitgehend etablierten Räte und Gremien abgehakt. In Wahrheit betrifft Synodalität alle Grundvollzüge der Ortskirche, nicht zuletzt die Entscheidungsfindung bei der Auswahl des Bischofs. In der Erzdiözese Wien erlebt man gerade, wie viel Bedarf in diesem zentralen Punkt nach wie vor besteht.

Wenig erstaunlich ist die verhaltene Reaktion auf die formulierte Rechenschaftspflicht aller Amtsträger. Sie mag unbequem sein, aber mit ihr steht und fällt die Glaubwürdigkeit der Kirche nicht nur „ad intra“.

Am Ende nur Nabelschau?

Häufig wurde diskutiert, ob sich die Kirche in diesem synodalen Prozess nicht zu sehr mit sich selbst beschäftigt hat. Der aktuelle „Synodenblues“ scheint dieser Kritik Recht zu geben. Doch wie soll die Kirche den Anforderungen ihrer Zeit und Umwelt gerecht werden, wenn sie sich nicht immer wieder auch Rechenschaft darüber gibt, ob ihre innere Struktur und Kommunikation noch tauglich sind, ihren Auftrag zu erfüllen?


[1] „Doch angesichts der Fragen der Frauen und Männer von heute, der Herausforderungen unserer Zeit, der Dringlichkeit der Evangelisierung und der vielen Wunden, die die Menschheit plagen, können wir nicht sitzen bleiben, Schwestern und Brüder, wir dürfen nicht einfach sitzen bleiben.“- Papst Franziskus am 27. Oktober 2024, URL: https://www.vatican.va/content/francesco/de/homilies/2024/documents/20241027-omelia-conclusione-sinodo.html 

[2] Radcliffe Timothy et al., Freiheit und Verantwortung Plädoyer für eine synodale und demokratische Kirche, (Gebundene Ausgabe), Freiburg 2024

[3] Deutsche Bischofskonferenz: Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung Schlussdokument, 5  URL: https://www.dbk.de/themen/bischofssynoden/bischofssynode-synodale-kirche-2021-2024

[4] Ebd. 3

[5] Dicastery for Promoting Christian Unity, “The Bishop of Rome. Primacy and synodality in the ecumenical dialogues and in the responses to the Encyclical Ut unum sint” URL: https://www.christianunity.va/content/unitacristiani/en/documenti/altri-testi/the-bishop-of-rome.html 

Themenschwerpunkt Bischofssynode

Von Andreas KowatschORCID logo

Vom 4.–29. Oktober findet in Rom die „XVI. Ordentliche Generalversammlung“ der Bischofssynode statt. Damit erreicht der 2021 von Papst Franziskus für die katholische Weltkirche initiierte „Synodale Prozess“ seinen vorläufigen Höhepunkt. Seinen Abschluss findet er erst im nächsten Jahr, wenn eine weitere Synodenversammlung getagt haben wird. Rechtundreligion.at widmet den Schwerpunkt zum Beginn des Wintersemesters 2023/24 diesem Ereignis.

Viel wurde innerhalb der Katholischen Kirche, der Theologie und auch der Kirchenrechtswissenschaft in den letzten Jahren über „Synodalität“ diskutiert, geschrieben und auch gestritten. Auch das Institut für Kirchenrecht und Religionsrecht hat diese Frage zu einem kanonistischen Schwerpunkt gemacht. Dass es dennoch bislang keine scharf konturierte Definition von Synodalität gibt, ist Stärke und Schwäche zugleich. Der Untertitel der Synode gibt jedoch wesentliche Eckpunkte an, die mit diesem spezifisch kirchlichen Strukturprinzip verbunden sind: „Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“.

Die jetzige Synode steht in der Kontinuität der bisherigen Bischofssynoden, die seit 1967 neben dem Kardinalskollegium das wichtigste Beratungsgremium für den Papst bilden. Zugleich ist die jetzige Synode aber auch etwas Neues. Rechtlich betrachtet, ist sie kein Ort bindender Beschlüsse wie ein Parlament (vgl. c. 343 CIC). Die Entscheidung über einzelne Fragen liegt beim Papst. Die Synode soll aber eine Form sein, gemeinsam Entscheidungen vorzubereiten und zu finden. „Synode“ heißt „gemeinsamer Weg“. Die Teilnehmer sollen aufeinander zugehen. Unterschiedliche Positionen sollen nicht in Kampfabstimmungen enden, sondern idealerweise soll der Raum für gemeinsame neue Lösungen entstehen. Nur darum ist verständlich, dass die einzelnen Sitzungen nicht live übertragen werden.

Faktisch vertreten die Synodalen, vor allem wenn es sich um Diözesanbischöfe oder sogar Vorsitzende von Bischofskonferenzen handelt, wichtige Teile des Kirchenvolkes. Gerade darum ist die jetzige Synode auch etwas Neues. Die Bischöfe vertreten die Gläubigen nicht mehr nur, weil sie als Nachfolger der Apostel einzelne Diözesen leiten. Der Generalversammlung wurde vielmehr umfangreiche Phasen der Beteiligung auf diözesaner, nationaler und schließlich kontinentaler Ebene vorausgeschaltet. Erst nachdem das Volk Gottes die Möglichkeit hatte, sich aktiv zu äußern, sollte die Synode stattfinden. Dass dies in manchen Regionen besser als in anderen gelungen ist, ändert wenig an der Neuheit dieses Formats.

Eine weitere wichtige Neuheit betrifft die „Synodenväter“, denen nunmehr auch „Synodenmütter“ zur Seite gestellt wurden. Zwar sind über zwei Drittel der stimmberechtigten Teilnehmer Bischöfe, was in einer Bischofssynode kaum verwundert. Der bischöfliche Charakter des Gremiums hat den Papst aber nicht daran gehindert, einige Priester und vor allem über 80 Laienchristinnen und -christen zu nominieren. Zum ersten Mal in der Geschichte nehmen daher auch Frauen stimmberechtigt an der Synode teil.

Die Struktur der Katholischen Kirche ist von zwei Grundelementen geprägt. Auf der einen Seite steht das „gemeinsame Priestertum“ der Getauften. Jede(r) Getaufte hat Anteil an der Sendung der Kirche und Verantwortung für diese. Zugleich ist die Katholische Kirche durch das Weihesakrament, vor allem durch die Bischofsweihe, die ihren Empfänger in die Nachfolge der Apostel stellt, hierarchisch strukturiert. Synodalität umfasst beide Elemente. In der Geschichte wurde das hierarchische Element sehr stark akzentuiert und überbetont. Nicht nur Gläubige in den westlichen Demokratien sehen sich nicht mehr als gehorsames Kirchenvolk, das durch die Hirten geleitet wird. Synodalität ist daher etwas, was im Katholizismus zwar grundgelegt ist, zugleich aber neu erlernt werden muss. Die Notwendigkeit, sich im gemeinsamen Hören auf den Heiligen Geist auf Neues einzulassen, verlangt Lernbereitschaft von allen in der Kirche, von den Gläubigen, von den Bischöfen und nicht zuletzt auch vom Papst. Aus diesem Grund ist das Thema der Synode die Synodalität selbst.

Die einzelnen Ortskirchen haben teilweise sehr ähnliche, aber auch durchaus unterschiedliche, manchmal auch gegenläufige Vorstellungen zu drängenden Fragen der Gegenwart. Ob die Synode zu messbaren Reformen für die Kirche führen wird, bleibt daher abzuwarten. Vor allem darf man nicht vergessen, dass die jetzige Versammlung erst die erste von zweien ist. Wie ein Fußballspiel ausgehen wird, lässt sich auch nicht gleich nach dem Halbzeitpfiff mit Sicherheit voraussagen. Wenn die Synode, um im Bild zu bleiben, ein Jahr lang pausiert, dann liegt der Ball wieder in den Ortskirchen. Dass dort dann Fragen der Geschlechtergerechtigkeit, der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, der effektiven Mitbestimmung der Gläubigen, die Kontrolle kirchlicher Machtausübung und nicht zuletzt die kompromisslose Aufarbeitung aller Formen körperlicher und spiritueller Gewalt im Vordergrund stehen werden, lässt sich mit Sicherheit vorhersagen. Vielleicht hat die Synode dann aber beigetragen, eine neue Kultur der Mitverantwortung zu finden.


Kirchenrechtliche Änderungen durch Papst Franziskus

„Vom Visionär zum gescheiterten Reformer“ – so titelte die Augsburger Allgemeine am 8. März 2023, um die Entwicklung des bisher zehnjährigen Pontifikats von Papst Franziskus zusammenzufassen. Ob dies ein angemessenes oder unzutreffendes Fazit ist, mag kontrovers diskutiert werden. Fakt ist, dass Papst Franziskus von Beginn seiner Amtszeit auf dem Stuhl Petri an nicht untätig war, sondern in vielen und unterschiedlichen Bereichen des kirchlichen Lebens Änderungen und Reformen angestoßen und umgesetzt hat – dies auch im Bereich des Kirchenrechts.

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Laien in kirchlichen Leitungsämtern. Eine Skizze der kirchenrechtlichen Neuerungen durch Papst Franziskus

Die Möglichkeiten, die Papst Franziskus eröffnet hat, Laien kirchliche Leitungsgewalt zu übertragen, sind beachtlich. Bei Ehenichtigkeitsverfahren können zwei der drei Richter eines Richterkollegiums Laien sein. Ämter an der Römischen Kurie, das Amt des Präfekten eines Dikasteriums nicht ausgenommen, können mit Laien besetzt werden. In klerikalen Religioseninstituten können mit Genehmigung des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens auch Laien Oberenämter bekleiden. Dabei ist Papst Franziskus den Weg der Praxis gegangen, d. h. er hat die kirchenrechtlichen Bestimmungen angepasst, ohne die Änderungen jedoch theologisch zu untermauern. Ausübung von Leitungsgewalt in der Kirche ist etwas qualitativ anderes als Ausübung von Leitungsgewalt im Staat. Was noch aussteht, ist eine tiefergehende theologische Reflexion der Thematik, um die Möglichkeit der Übertragung von kirchlicher Leitungsgewalt an Laien auf ein sicheres Fundament zu stellen und möglicherweise noch auszuweiten.

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Franziskus: „Creating a Culture of Safeguarding: Our biggest Future Challenge“

Ab 2010 erschüttern eine hohe Zahl an Berichten über sexuelle und geistliche Missbräuche in der Katholischen Kirche den deutschsprachigen Raum. Besonders (sexualisierte) Gewalt gegen Kindern und schutzbedürftigen Erwachsenen in kirchlichen Erziehungs- und Bildungsanstalten entrüsten Katholik:innen. Vereinfacht wird dabei mit dem allgemeinen Überbegriff vom „Missbrauch“ gesprochen. Das Statistik liebende Magazin KATAPULT veröffentlichte eine Gegenüberstellung, dass 2022 während der „525.600“ Minuten des Kalenderjahres „522.821“ deutsche Katholik:innen vor dem Rechtsstaat ihren Kirchenaustritt bekundet haben. Vielfach wird Vertrauensverlust aufgrund dieser Vorkommnisse als Austrittsmotiv angeführt.

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Das Gesetz alleine rettet nicht oder Barmherzigkeit im Dienst des Rechts. Visionen und Gedanken über das Recht bei Papst Franziskus als Bausteine zu einer Rechtstheorie

In den letzten Jahren wurde im Bereich des kanonischen Rechts immer wieder die Frage nach dem Rechtscharakter diskutiert, gerade auch auf das Wesen der Kirchenrechtswissenschaft. Dabei wurde immer wieder festgestellt, dass Rechtstheorie zwar an sich theologieunabhängig sei, letztlich aber dem Wesen der Kirche als Heilsgemeinschaft entsprochen oder angepasst werden müsste. Dabei müsse eine Präzisierung der Begriffe erfolgen, die Wesen, Aufgabe und Stellenwert des Rechts näher durchdringt, damit der Blick frei werden kann für die Schwächen eines Systems und die Möglichkeiten einer Weiterentwicklung. In den zehn Jahren seit seiner Wahl ist Papst Franziskus ein aktiver Gesetzgeber gewesen. Neben seinen weithin bekannten Reformen gab es viele andere bedeutende, aber versteckte Gesetzesänderungen. Bei der Durchführung dieser Änderungen hat Papst Franziskus meist alleine gehandelt. Die Abteilungen des Vatikans, die normalerweise neue Gesetze überwachen und mit bestehenden Gesetzen in Einklang bringen, wurden an den Rand gedrängt. Welche sind der Rechtsbegriff und die Grundlagen der Gesetzgebung bei Papst Franziskus? Wie lässt sich ein Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft im Rechtsbegriff bei Papst Franziskus ausmachen? Die Ausführungen in diesem Beitrag wollen daher Bausteine sein im Blick auf eine mögliche Rechtstheorie, die zu einem fruchtbaren Austausch zwischen Kirche und Welt beitragen kann und dabei hilft, eine Sensibilität zu entwickeln, welche Elemente des profanen Rechts mit dem Recht der Kirche kompatibel sind und welche nicht.

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Titelbild: crysmyri / Pixabay