Überlegungen zum abgelehnten Entschließungsantrag vom 15. Juli 2021 im österreichischen Bundesrat, den Karfreitag als gesetzlichen Feiertag für alle einzuführen.

In einem vieldiskutierten Urteil hat der EuGH 2019 (Urteil vom 22. Jänner 2019, Rs C-193/17, ECLI:EU:C:2019:43) entschieden, dass die bisherige Regelung des österreichischen Feiertagsrechts und des entsprechenden Generalkollektivvertrages aus dem Jahr 1957, derzufolge für die Angehörigen der Evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche der Karfreitag als gesetzlicher Feiertag gegolten hat, gegen das Europarecht verstößt.
Ohne weiteres wäre die Ausweitung des Karfreitags als Feiertag für alle Arbeitnehmer:innen möglich gewesen. Trotz einer breiten gesellschaftlichen Koalition aus einigen anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften, Oppositionspolitiker:innen und der Gewerkschaft konnte die einzige Lösung, welche die Gläubigen der reformatorischen Tradition nicht vor den Kopf gestoßen hätte, politisch nicht durchgesetzt werden.
In völliger Missachtung der geschichtlichen Verantwortung der Republik den Evangelischen gegenüber setzten sich wirtschaftliche Überlegungen durch. Die nunmehr eingeführte Möglichkeit, dass jeder Arbeitnehmer einen Urlaubstag als „persönlichen Feiertag“ widmen kann (vgl. § 7a ArbeitsruheG), an dem Urlaub unabhängig von betrieblichen Interessen genommen werden kann, hat das Problem in die Betriebe verlagert.
Der evangelische Bischof Chalupka sieht im Verhältnis zum Staat einen „Kulturbruch“ geschehen. Der am 15.07.2021 durch den Bundesrat abgelehnte Entschließungsantrag, eingebracht von der SPÖ-Bundesrätin Schumann, ändert daran nichts. Selbst ein angenommener Entschließungsantrag hätte keine rechtliche Verpflichtung zur Folge gehabt, den Karfreitag als Feiertag für alle einzuführen.
Aus religionsrechtlicher Sicht ist anzumerken, dass unter den in § 7 Abs. 2 ArbeitsruheG aufgezählten Feiertagen einige zusätzlich durch das Konkordat zwischen Österreich und dem Heiligen Stuhl rechtlich abgesichert sind. Neben der völkerrechtlichen Verbindlichkeit gilt das Konkordat innerstaatlich als einfaches Bundesgesetz. Der Karfreitag wird im Konkordat nicht erwähnt. Ostern als das höchste Fest der Christen ist konkordatär durch die Erklärung aller Sonntage zu Feiertagen indirekt abgesichert. Der Sonntag ist durch die allgemeine, vielfach aber durchbrochene Wochenendruhe als Ruhetag geschützt.
Keine christlich geprägten Feiertage sind der 1. Mai (Tag der Arbeit) und der Nationalfeiertag (26. Oktober). Die „zweiten“ Feiertage (Stephanitag, Ostermontag, Pfingstmontag) sind innerlich zwar mit den drei höchsten christlichen Festen verbunden, religiös aber keineswegs auch nur annähernd so bedeutsam wie der Karfreitag. Das Konkordat kennt diese drei Feiertage nicht.
Lange war der Karfreitag im gegenreformatorisch geprägten Österreich so etwas wie der evangelische Identitätsmarker. Allerdings hat die Katholische Kirche im 20. Jahrhundert die ökumenische und für alle Christ:innen unüberbietbare Bedeutung des Karfreitags wiederentdeckt. Die Reform der katholischen Osterfeierlichkeiten nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil sieht in den „Heiligen Drei Tagen“, die am Abend des Gründonnerstags beginnen und am Ostersonntag enden, eine organische Einheit. Auch die katholischen Christ:innen feiern daher am Karfreitag einen Teil des höchsten Festes des Christentums. Am Ostermontag ist zwar nicht – wie es ein Karnevalslied vom Aschermittwoch singt – „alles vorbei“, sondern die 50-tägige Osterzeit hat begonnen. Gegenüber dem Karfreitag ist die religiöse Bedeutung des Ostermontags jedoch geradezu verschwindend.
Da keinerlei rechtliche, aber auch keine theologischen oder lehramtlichen Argumente dagegensprechen, wäre daher die einfachste Lösung, den Ostermontag zum Arbeitstag und den Karfreitag zum Feiertag für alle zu bestimmen.
DOI: 10.25365/phaidra.280