Dass bei einer Tagung der informelle Austausch am Rande wie „das gemeinsame Frühstück – oder auch das Feierabendbier – aufschlussreicher als manche Konferenzbeiträge“ (11) sein kann, ist allgemein bekannt. Die Grundlage für das vorliegende Buch ist bei einem solchen gemeinsamen Frühstück der beiden Autoren bei einer Konferenz entstanden. Es widmet sich der Frage: Ist Kirchenrecht eine juristische oder eine theologische Disziplin? Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten, denn die Kanonistik lässt sich sowohl der Rechtswissenschaft als auch der Theologie zuordnen. Eine Klärung des eigenen wissenschaftstheoretischen Standpunkts ist jedoch für jeden Kanonisten wichtig, da er Auswirkungen auf die Methodik und auf die Auswahl der Dialogwissenschaften hat. Adrian Loretan, Professor für Kirchenrecht und Staatskirchenrecht an der Universität Luzern, und Judith Hahn, Professorin für Kirchenrecht an der Universität Bonn, legen in dem vorliegenden Buch ihre verschiedenen Standpunkte dar und treten darüber in einen Dialog miteinander. Das ist wörtlich gemeint, denn jeder der beiden Teile des Buches beginnt vor den wissenschaftstheoretischen Grundlagenbeiträgen mit einem Dialog in Form eines Interviews der beiden Autoren über ihren jeweiligen Standpunkt. Dieses passend gewählte Stilmittel lockert die Lektüre des Buches nicht nur auf, sondern verleiht ihm den Charakter eines wirklichen Austausches der beiden Autoren über ihre jeweiligen Positionen.
Im ersten Teil des Buches erläutert Adrian Loretan, warum er von der „kanonistischen Rechtswissenschaft“ (13) spricht. Diskurspartner ist für ihn in erster Linie die staatliche Rechtswissenschaft. Einen maßgeblichen Beitrag für die Rechtswissenschaft leistet die Kanonistik seiner Meinung nach durch ihren naturrechtlichen Ansatz, der insbesondere die Unhintergehbarkeit von Grund- und Menschenrechten zur Folge hat. Die Kanonistik ihrerseits kann aber „auch von den westlichen Rechtsstaaten lernen“ (42), denn „Rechtskultur, die von der kanonistischen Rechtswissenschaft in die Rechtsstaaten des Westens ausstrahlte, hat leider noch nicht bewirkt, dass innerhalb der Kirche einklagbare Grundrechte anerkannt werden“ (42). Loretan sieht desweiteren einen „Mehrwert der kanonisitschen Rechtswissenschaft für die Theologie und die Kirche“ (38). Eine eigenständige kanonisitsche Rechtswissenschaft fördert die Freiheit der Kirche, die ihrerseits in der Verantwortung ist, ihren naturrechtlichen Ansatz auch innerkirchlich umzusetzen: „Was nach außen mit voller Überzeugung als Stand der menschenrechtlichen Gerechtigkeitsdiskussion gepredigt wird, muss nach innen umgesetzt werden“ (39). Insofern besteht auch ein Bezug zur Theologie, innerhalb derer für Loretan die theologische Ethik wichtigster Gesprächspartner ist.
Im zweiten Teil des Buches legt Judith Hahn dar, dass „die Kanonistik, in der ich sozialisiert wurde, eine in einem theologischen Umfeld entwickelte Disziplin ist“ (79), möchte dabei aber „überhaupt nicht behaupten, dass mein Verständnis Kanonistik als Theologie irgendeinen Richtigkeitswert hätte“ (79). Es gebe „viele Gründe, die Kanonistik als Rechtswissenschaft zu sehen und daraus entsprechende wissenschaftstheoretische Schlüsse zu ziehen“ (79). Sie lehnt allerdings die Auffassung ab, Kirchenrecht sei Theologie, was eine „‚Spiritualisierung‘ von Recht“ (81) zur Folge hätte und bedeuten würde, kirchliches „Recht in seiner Rechtlichkeit nicht ernst zu nehmen“ (81). Hahn sieht Kanonistik als „Disziplin, die die Rechtsordnung einer Gruppe untersucht, die sich im Licht des Glaubens als eine Gemeinschaft versteht, die göttlichem Willen entspringt und diesen Willen zu verwirklichen sucht – auch mithilfe von Recht“ (109–110). In diesem Sinne lässt sich Kanonistik – genauso wie alle Fächer der praktischen Theologie – als „applied ecclesiology“ (110) verstehen. Das macht Kanonistik aber nicht primär zur Anwendungswissenschaft, vielmehr „befasst sie sich mit der Frage, wie sich ekklesiologische Vorstellungen mithilfe des Rechts konkretisieren, sodass die Kirche als theologische Größe begriffen werden kann, die mithilfe menschlicher Ordnungsvorstellungen Realität gewinnt“ (111). Das macht Kanonistik allerdings nicht zur „Wissenschaftsdienstleisterin der Kirche“ (113), auch wenn sie in der Praxis nicht selten rechtliche Perspektiven zur Kirchenentwicklung beisteuert. Die Bedeutung der Kanonistik liegt vielmehr „in ihrer systemimmanenten Leistung“ (113), Kirchenrecht aus einer Innenperspektive wissenschaftlich-kritisch zu erforschen und im Hinblick auf den Nutzen für die Gemeinschaft weiterzuentwickeln. Dies ermöglicht es, „vertiefte, nämlich auf die Innenwahrnehmung und die eigene Erfahrung gestützte Erkenntnisse über Überzeugungsgemeinschaften und ihre Normordnungen zu gewinnen“ sowie „Wechselwirkungen von Recht und sozialer Wirklichkeit zu untersuchen, die denen, die nicht selbst Anteil an der sozialen Realität einer Gemeinschaft haben, üblicherweise verborgen“ bleiben (136). Methodisch greift die Kanonistik, so führt Hahn weiter aus, auf die Rechtswissenschaft zurück. Die Methoden sind dabei vielfältig, denn sie „widmen sich der Rechtsgeschichte, Rechtsbegründung, Rechtsphilosophie, Rechtsdogmatik, Rechtsvergleichung, Rechtslinguistik und Rechtssoziologie“ (118). „Dieser Methodenplural verdeutlicht”, so Hahn, „dass die Kanonistik in sich ein interdisziplinäres Unterfangen ist, das nicht nur Theologie und Rechtswissenschaften verbindet, sondern hierüber hinaus – wie jede moderne Geisteswissenschaft – diverse interdisziplinäre Brückenschläge vornehmen muss, um erkenntnisträchtig zu sein“ (119).
Am Schluss des Buches steht nicht der Versuch, beide Standpunkte zu harmonisieren oder eine Synthese herauszuarbeiten. Vielmehr bietet das Buch zwei mögliche Ansätze, Kanonistik wissenschaftstheoretisch zu verorten und ihre Bedeutung für die Gegenwart herauszuarbeiten. Andere Kanonisten könnten weitere mögliche Blickwinkel auf ihr Fach beisteuern. Gerade darin liegt die Stärke des vorliegenden Buches. Es versucht nicht, allgemeingültige Antworten zu liefern, sondern bietet zwei fundierte Sichtweisen auf die Kanonistik. Dies lädt andere Kanonisten wie auch Studenten des Kirchenrechts ein, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur eigenen Position herauszuarbeiten und dadurch ihre eigene Verortung ihres Faches zu schärfen.
„Lernt aber auch, das Kirchenrecht in seiner inneren Notwendigkeit und in seinen praktischen Anwendungsformen zu verstehen und – ich wage es zu sagen – zu lieben: Eine Gesellschaft ohne Recht wäre eine rechtlose Gesellschaft. Recht ist die Bedingung der Liebe“, schreibt Papst Benedikt XVI. in einem Brief an die Seminaristen vom 18. Oktober 2010. Kirchenrecht lässt sich in der universitären Fächerstruktur unterschiedlich zuordnen. Es gibt Hochschulen mit einer eigenen kanonistischen Fakultät. Kirchenrecht lässt sich als Rechtswissenschaft aber auch der juristischen Fakultät zuordnen, wie es insbesondere an italienischen staatlichen Universitäten der Fall ist. Im deutschsprachigen Raum ist das Fach Kirchenrecht in aller Regel an der theologischen Fakultät angesiedelt, und in der Tat ist Kirchenrecht ein wesentlicher Bestandteil des Theologiestudiums (vgl. c. 252 § 3 CIC) und des theologischen Fächerkanons. Ein Theologiestudent begegnet dem Kirchenrecht allerdings mit „erfahrungsgemäß besonderen sachlichen Schwierigkeiten, wenn er kanonistisch denken und arbeiten soll. Die Welt des Rechts, auch des Kirchenrechts, besitzt ihre Eigenart, die sie mit keinem anderen Gegenstand der Theologie teilt.“1 Diese Eigenheit muss von Dozenten des Kirchenrechts berücksichtigt werden und erfordert entsprechendes didaktisches Geschick. Die Bedeutung, Kirchenrecht im Rahmen des Theologiestudiums zu unterrichten, wird in den einschlägigen kirchlichen Dokumenten stets angeführt.
Der Codex Iuris Canonici behandelt die katholischen Universitäten und anderen Hochschuleinrichtungen in den cc. 807–814 CIC und die kirchlichen Universitäten und Fakultäten in den cc. 815–821 CIC. Die geltende Ordnung des Apostolischen Stuhls über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten ist die Apostolische Konstitution Veritatis Gaudium Papst Franziskus‘ vom 8. Dezember 2017 sowie die Ordinationes (Ausführungsbestimmungen) der Kongregation für das Katholische Bildungswesen dazu desselben Datums. Kirchenrecht soll nach der Apostolischen Konstitution „im Lichte des Gesetzes des Evangeliums“ behandelt werden, wobei Studenten sowohl für „Forschung und Lehrtätigkeit ausgebildet“ wie auch auf die „Übernahme besonderer kirchlicher Aufgaben vorbereitet“ werden sollen (Art. 77 VG). Wie alle theologischen Disziplinen soll auch Kirchenrecht so gelehrt werden, dass „die Einheit der ganzen theologischen Lehre klar hervortritt und alle Disziplinen auf eine intensive Kenntnis des Geheimnisses Christi ausgerichtet“ sind (Art. 70 § 2 VG). Hinzu kommen die einschlägigen Bestimmungen des Österreichischen Konkordats. Darin ist festgelegt, dass die wissenschaftliche Ausbildung der Priesteramtskandidaten „an den vom Staate erhaltenen katholisch-theologischen Fakultäten oder an den von den zuständigen kirchlichen Stellen errichteten theologischen Lehranstalten“ erfolgt, und für die innere Einrichtung sowie den Lehrbetrieb von katholisch-theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten werden die kirchlichen Bestimmungen anerkannt (Art. V § 1 Ö.K). Die Geltung der einschlägigen Bestimmungen des Konkordats ist in § 38 Abs. 1 Universitätsgesetz ausdrücklich bestätigt. Um das kirchliche mit dem staatlichen Recht in Einklang zu bringen, erlässt der Apostolische Stuhl ein sog. Akkommodationsdekret. Das für Österreich geltende Akkommodationsdekret stammt aus dem Jahr 1983 und wird zurzeit überarbeitet.
Nähere Bestimmungen für Deutschland das Kirchenrechtsstudium innerhalb des Theologiestudiums betreffend, enthält die Rahmenordnung für die Priesterbildung der Deutschen Bischofskonferenz vom 12. März 2003. Danach ist Studienziel für das Fach Kirchenrecht die „Einführung in die rechtlichen Normen, die Verfassung und Leben der Kirche bestimmen“ (Nr. 121). Die angehenden Priester sollen ein „theologisch fundiertes und rechtlich orientiertes Verständnis der Kirche erhalten“, damit sie ihren priesterlichen Dienst „in Wahrung der Rechtsordnung und in Kenntnis der rechtlichen Möglichkeiten zu vollziehen“ (ebd.), was dem Fach Kirchenrecht innerhalb des Theologiestudiums eine praktische Ausrichtung gibt. Rechtsgeschichtliche Zusammenhänge sollen lediglich aufgezeigt werden, und auf verfahrensrechtliche Normen und das Disziplinar- und Strafrecht soll lediglich hingewiesen werden, wobei diese Bereiche in dem praktisch orientierten Studium in aller Regel nicht in eigenen Vorlesungen vorgetragen werden und daher nur am Rande oder im Rahmen spezieller Seminare in das Studium einfließen. Die Rahmenordnung für die Ausbildung der Priester der Österreichischen Bischofskonferenz vom 15. März 2007 ist kürzer als die der Deutschen Bischofskonferenz und geht nicht explizit auf die einzelnen Fächer und damit auch nicht auf das Kirchenrecht ein. Hinsichtlich der wissenschaftlichen Ausbildung legt die Rahmenordnung fest, dass sich die Priesteramtskandidaten ein „gediegenes und umfassendes Grundwissen in den theologischen Disziplinen“ aneignen und dies in der wissenschaftlichen Reflexion auch für ihren „pastoralen Dienst fruchtbar“ machen sollen (Kap. 3.1.1), was auf eine praktische Ausrichtung des Studiums des Kirchenrechts hinweist.
Für den Bereich der Deutschen Bischofskonferenz legt die Rahmenordnung für die Priesterbildung Kirchenrecht als Pflichtfach im Theologiestudium im Umfang von 10 Semesterwochenstunden (SWS) fest (vgl. Nr. 132). Die Kirchlichen Anforderungen an die Modularisierung des Studiums der Katholischen Theologie (Theologisches Vollstudium) im Rahmen des Bologna-Prozesses der Deutschen Bischofskonferenz vom 21. Juni 2016 verweisen auf die Rahmenordnung für die Priesterbildung und bestimmen für das theologische Vollstudium (Magister Theologiae, Kirchliches Examen) Kirchenrecht im Umfang von 10 SWS als Pflichtfach. Die Kirchliche Rahmenordnung für das Studium der Katholischen Fachtheologie in Österreich der Österreichischen Bischofskonferenz, die zum 1. September 2008 in Kraft getreten ist, sieht als Studienziel des Fachs Kirchenrecht „die Kenntnis der Grundlagen und wesentlichen Inhalte der Rechtsordnung der katholischen Kirche unter Berücksichtigung ihres theologischen Ortes und ihrer ekklesiologischen Funktion“ vor, die die Studenten befähigen soll, „die kirchenrechtliche Relevanz konkreter Sachverhalte zu erkennen und verantwortet und selbstständig mit diesen umzugehen“ (§ 2). Die Rahmenordnung regelt den Anteil der einzelnen Fächer nicht mehr in SWS, sondern in Credit-Points (CP), die sich an ECTS-Punkten orientieren (vgl. § 1 Nr. 5). Für das Fach Kirchenrecht sind insgesamt 11 CP vorgesehen (vgl. § 2), wobei die Fakultäten um maximal zehn Prozent von der Rahmenordnung abweichen dürfen, pro Fach jedoch maximal um 2 CP (vgl. § 1 Nr. 5). Eine Umrechnung von CP bzw. ECTS-Punkten in SWS ist nicht ohne Weiteres möglich, da CP bzw. ECTS-Punkte den durchschnittlichen Arbeitsaufwand für eine Lehrveranstaltung zugrunde legen und SWS die durchschnittliche Unterrichszeit für eine Lehrveranstaltung pro Woche und Semester. Die Verteilung der CP auf Lehrveranstaltungen und deren SWS fällt in die Zuständigkeit der Fakultäten, was diesen einen gewissen Gestaltungsspielraum zugesteht. Die Universität Wien beispielsweise legt den Umfang des Fachs Kirchenrecht im theologischen Vollstudium (Diplomstudium Katholische Fachtheologie) auf insgesamt 12 ECTS in 8 SWS fest. Das neue Curriculum der Universität Graz (gültig ab Oktober 2023) sieht im theologischen Vollstudium (Diplomstudium Katholische Fachtheologie) für das Fach Kirchenrecht insgesamt 11 ECTS in lediglich 6 SWS (im Curriculum „Kontaktstunden“ genannt) vor.
Eine besondere Bedeutung kommt dem Studium des Kirchenrechts aufgrund der jüngsten Reform des Eheprozessrechts durch Papst Franziskus durch das Apostolische Schreiben Mitis Iudex Dominus Iesus vom 15. August 2015 zu. Ziel der Reform war die Verbesserung der „Geschwindigkeit der Prozesse und nicht minder eine gerechte Einfachheit, damit nicht wegen der verspäteten Urteilsfindung das Herz der Gläubigen, welche die Klärung des eigenen Standes erwarten, lange von den Dunkeln des Zweifels bedrückt werden“. Eheprozesse zu beschleunigen und leichter zugänglich zu machen, erfordert auch gut ausgebildetes Gerichtspersonal. Um vor diesem Hintergrund zu Studien des kanonischen Rechts zu ermutigen und hierfür Orientierungshilfen zu geben, hat die Kongregation für das Katholische Bildungswesen die Instruktion Die Studien des Kirchenrechts im Lichte der Reform des Eheprozesses vom 29. April 2018 erlassen. Die Ausbildung des kirchlichen Gerichtspersonals erfolgt in der Regel im Rahmen eines kanonistischen Aufbaustudiums, das an das Theologiestudium anschließt, weshalb sich die Instruktion größtenteils diesem Aufbaustudium widmet. Aber auch die Bedeutung des Fachs Kirchenrecht im Rahmen des Theologiestudiums wird betont. Geschiedene, die sich um eine kirchliche Klärung ihres Personenstands bemühen, wenden sich erfahrungsgemäß zuerst an einen Seelsorger, der im Theologiestudium zumindest die Grundlagen des kirchlichen Ehe- und Eheprozessrechtes erlernt haben sollte, um den Anfragen der Gläubigen angemessen begegnen zu können. Dieser wichtige pastorale Dienst kann von Seelsorgern aber nur geleistet werden, wenn Kirchenrecht im Allgemeinen und Eherecht im Besonderen im Rahmen ihres Theologiestudiums angemessen behandelt wurde. Um diesen angemessenen Platz sicherzustellen, legt die Instruktion fest: „Im ersten Studienabschnitt einer Theologischen Fakultät muss es wenigstens einen festangestellten Dozenten für Lehre und Forschung des kanonischen Rechts geben“ (Art. 7).
Seit Erlass des für Österreich geltenden Akkommodationsdekrets im Jahr 1983 hat sich mit dem Inkrafttreten der Apostolischen Konstitution Veritatis Gaudium nicht nur das kirchliche Hochschulrecht geändert. Auch die Verhältnisse im Theologiestudium sind heute andere als vor vierzig Jahren. In jener Zeit gab es nur ein theologisches Vollstudium und ein Lehramtsstudium der Theologie. Durch den Bologna-Prozess sind weitere Studiengänge hinzugekommen. Außerdem fanden sich vor vierzig Jahren unter den Dozenten und Studenten der Theologie mehr Priester bzw. Priesteramtskandidaten als heute, sodass die Normen das Theologiestudium betreffend mehr auf die Priesterausbildung ausgerichtet waren als es der heutigen Realität entspricht. Ein neues Akkommodationsdekret für Österreich wird zurzeit erarbeitet, um den veränderten Verhältnissen gerecht zu werden. Aber auch die Curricula der katholisch-theologischen Fakultäten sollten den dem Kirchenrecht im Fächerkanon der Theologie und im Leben der Kirchen angemessenen Platz widerspiegeln, denn „Kirchenrecht und der Auftrag, das Evangelium zu verbreiten, sind keine zwei getrennten Wirklichkeiten. Stattdessen ist es entscheidend, die Gemeinsamkeit zu entdecken, die sie innerhalb der einzigen Mission der Kirche verbindet“, wie Papst Franziskus zu Recht anmerkt.
Anmerkungen
1 Georg May / Anna Egler: Einführung in die kirchenrechtliche Methode, Regensburg 1986, 11.
„Für die katholische Kirche ist es wichtig, dass Entscheidungen so an das Recht gebunden sind, dass allgemeine, als legitim anerkannte Regeln der Fairness, Transparenz und Kontrolle umfassend gesichert werden, sodass Willkür wirksam ausgeschlossen wird. […] Das wird ermöglicht durch eine wirksame Verbesserung der Möglichkeit für die Gläubigen, bei einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit bzw. beim Apostolischen Stuhl ihre Rechte geltend zu machen“1 Die Einführung einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit und damit die Verbesserung des kirchlichen Rechtsschutzes in Verwaltungsangelegenheiten ist eine zentrale Forderung des Synodalen Wegs in Deutschland. Eine Forderung, die nicht neu ist. Eigentlich waren bei der Reform Codex Iuris Canonici, des kirchlichen Gesetzbuches, Anfang der 1980er Jahre bereits kirchliche Verwaltungsgerichte vorgesehen, und die Würzburger Synode (1971–1975) hatte in Erwartung der Einführung solcher Gerichte bereits eine vollständige kirchliche Verwaltungsgerichtsordnung für die deutschen Bistümer erarbeitet. Allerdings kam es anders als erhofft, denn in der letzten Bearbeitungsphase der Reform des kirchlichen Gesetzbuches wurden die kirchlichen Verwaltungsgerichte wieder aus dem Gesetzestext entfernt. Dieser Artikel verschafft einen kurzen Überblick über die Hintergründe, die bestehenden Möglichkeiten des kirchlichen Rechtsschutzes in Verwaltungsangelegenheiten sowie über Möglichkeiten für die weitere Entwicklung.
Einzelverwaltungsakte
Wenn von Rechtsschutz in kirchlichen Verwaltungsangelegenheiten die Rede ist, geht es um die Möglichkeiten, die das Kirchenrecht bietet, um gegen einen Verwaltungsakt für Einzelfälle der kirchlichen Autorität vorzugehen. Dies kann ein Dekret sein, mit dem eine Kirche geschlossen wird, oder mit dem Pfarreien zusammengelegt werden, oder mit dem ein Pfarrer versetzt oder aus dem Amt entlassen wird, oder mit dem einem angehenden Religionslehrer die missio canonica verweigert wird, oder vieles Ähnliche mehr. Grundsätzlich sind zwei Möglichkeiten eines Rekurses gegen solche Dekrete denkbar: das Vorgehen auf dem Verwaltungsweg, das nach geltendem Recht mir den hierarchischen Rekurs gegeben ist, und das Vorgehen auf dem Gerichtsweg, das nach geltendem allerdings Recht nicht vorgesehen ist.
Ein Einzelverwaltungsakt kann ein Dekret sein, mit dem eine Kirche geschlossen wird, oder mit dem Pfarreien zusammengelegt werden, oder mit dem ein Pfarrer versetzt oder aus dem Amt entlassen wird, oder mit dem einem angehenden Religionslehrer die missio canonica verweigert wird, oder vieles Ähnliche mehr. (Foto: Daniel Tibi)
Rechtsschutz auf dem Verwaltungsweg: Der hierarchische Rekurs
Vorgehen auf dem Verwaltungsweg, hierarchischer Rekurs genannt, bedeutet kurz gesagt, dass der kirchliche Obere des Verfassers des Dekrets angegangen wird mit der Bitte, das Dekret zu überprüfen und aufzuheben oder abzuändern. Der kirchliche Obere eines Diözesanbischofs ist unmittelbar der Papst, sodass sich ein Rekurs auf dem Verwaltungsweg gegen ein Dekret des Bischofs an das zuständige Dikasterium des Apostolischen Stuhls richtet, das im Auftrag des Papstes über einen solchen Rekurs entscheidet. Das geltende Kirchenrecht schreibt in den cc. 1732–1739 CIC eine Verfahrensordnung für solche Rekurse vor. Zunächst ist innerhalb einer bestimmten Frist eine Bitte um Aufhebung oder Abänderung des Dekrets an dessen Verfasser zurichten. Bleibt dieser Versuch erfolglos, ist wiederum innerhalb einer bestimmten Frist ein Rekurs an den hierarchischen Oberen möglich. Der Vorteil dieser Vorgehensweise auf dem Verwaltungsweg ist die niederschwellige Zugänglichkeit und die schnelle und effiziente Erledigung solcher Rekurse. Es besteht kein Zwang, sich eines kirchlichen Anwalts zu bedienen und es werden keine Verwaltungsgebühren erhoben. Rekurse an den Apostolischen Stuhl müssen nicht zwangsläufig in Italienisch oder gar Latein verfasst sein. Jede verbreitete moderne Sprache wird dort akzeptiert. Ein Rekursverfahren beim Apostolischen Stuhl lässt sich also problemlos auf Deutsch führen. Der Nachteil ist allerdings, dass der Rekurrent in dem Über- und Unterordnungsverhältnis der kirchlichen Hierarchie verbleibt. Er ist Bittsteller vor einer übergeordneten Autorität, die zwar an Recht und Gesetz gebunden ist, aber nicht vollständig neutral ist, denn sie repräsentiert die kirchliche Verwaltung und hat auch immer deren Interessen mit im Sinn.
Der hierarchische Rekurs bietet Rechtsschutz auf dem Verwaltungsweg. (Foto: Daniel Tibi)
Kirchliche Verwaltungsgerichte
Anders sähe es bei kirchlichen Verwaltungsgerichten aus. Wäre eine Klage gegen ein Dekret des Bischofs vor einem kirchlichen Verwaltungsgericht möglich, wären Kläger und Bischof (oder eine andere kirchliche Autorität) gleichberechtigte Parteien vor einem neutralen Richterkollegium, das an Recht und Gesetz gebunden ist und weder die eine noch die andere Seite repräsentiert. Dadurch wäre der Kläger nicht mehr untergeordneter Bittsteller, sondern gleichberechtigter Prozessbeteiligter. Üblicherweise dauern Gerichtsverfahren allerdings länger als ein Rekurs auf dem Verwaltungsweg. Außerdem ist davon auszugehen, dass sie teurer wären, denn vermutlich würden Gerichtsgebühren anfallen und eventuell Kosten für einen kirchlichen Anwalt. Verwaltungsgerichte auf teilkirchlicher Ebene waren bei der Reform des kirchlichen Gesetzbuchs in allen Entwurfsstadien vorgesehen. Als Papst Johannes Paul II. zusammen mit einem kleinen Beraterstab den letzten Entwurf vor dem Inkraftsetzen durchgearbeitet hat, wurden die Normen Verwaltungsgerichte auf teilkirchlicher Ebene betreffend auf seine Veranlassung hin wieder aus dem kirchlichen Gesetzbuch gestrichen. Die Gründe dafür sind nicht genau bekannt. Vermutlich dürften zwei Gründe wesentlich gewesen sein: Zum einen ist der kirchliche Obere eines Bischofs unmittelbar der Papst, sodass nur der Papst über die Rechtmäßigkeit eines Dekrets eines Bischofs urteilen darf. Zum anderen wäre der Rechtsschutz durch Verwaltungsgerichte in verschiedenen Regionen der Weltkirche unterschiedlich. Im deutschsprachigen Raum wäre die Einrichtung von kirchlichen Verwaltungsgerichten kein Problem. Durch Kirchensteuer und Kirchenbeitrag sind die deutschsprachigen Bistümer in der Lage, Verwaltungsgerichte zu finanzieren. Außerdem ließe sich im deutschsprachigen Raum genug qualifiziertes Personal für die Besetzung von kirchlichen Verwaltungsgerichten finden. Anders sähe es in anderen Teilen der Weltkirche aus, wo die finanzielle und personelle Ausstattung von Verwaltungsgerichten die Bischöfe vor große Herausforderungen stellen würde. Beide Argumente überzeugen aber nicht wirklich. Wäre ein Verwaltungsgericht auf teilkirchlicher Ebene vom Papst durch Normen im allgemeinen Recht oder ein Spezialmandat der päpstlichen Justizaufsichtsbehörde der Apostolischen Signatur legitimiert, könnten die Richter im Auftrag des Papstes auch über Dekrete von Bischöfen urteilen. Ein unterschiedliches Rechtsschutzniveau in verschiedenen Teilen der Weltkirche ließe sich hinnehmen. Bei Ehenichtigkeitsverfahren gibt es schließlich auch eine unterschiedlich leichte oder schwierigere Zugänglichkeit in verschiedenen Regionen, was kein Argument für die Abschaffung solcher Verfahren ist.
Kirchliche Verwaltungsgerichte auf teilkirchlicher Ebene sieht das allgemeine Kirchenrecht nicht vor. (Foto: Daniel Tibi)
Die Apostolische Signatur als Verwaltungsgericht
Ein kirchliches Verwaltungsgericht gibt es allerdings doch: die Apostolische Signatur. Seit 1967 ist sie neben ihren anderen Funktionen auch päpstliches Verwaltungsgericht, das über Klagen gegen Dekrete eines Dikasteriums des Apostolischen Stuhls bei behaupteten Rechtsverletzungen urteilt. Hat ein Dikasterium des Apostolischen Stuhls in letzter Instanz über einen hierarchischen Rekurs gegen ein Dekret entschieden, besteht die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung Klage bei der Apostolischen Signatur einzulegen.
Ausblick
Wie sehen nun die Möglichkeiten aus, eine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit auf teilkirchlicher Ebene zu etablieren? Fest steht, dass dazu auf jeden Fall die Erlaubnis der Apostolischen Signatur als päpstlicher Justizaufsichtsbehörde erforderlich ist. Im Jahr 1993 hat der Bischof des Erzbistums Milwaukee (Wisconsin, USA) ein Gericht eingerichtet, bei dem Klagen gegen Verwaltungsakte einer dem Bischof unterstellten Autorität eingelegt werden konnten. Klagen gegen Dekrete des Bischofs waren nicht möglich. Rechtlich handelt es sich dabei aber nicht um ein eigentliches Verwaltungsgericht, sondern um eine gerichtliche Bearbeitung von hierarchischen Rekursen, über die Richter im Auftrag des Bischofs urteilten. In Deutschland gibt es mit Erlaubnis der Apostolischen Signatur kirchliche Datenschutzgerichte erster und zweiter Instanz, die rechtlich zwar Verwaltungsgerichte sind, aber nur für den Spezialbereich des kirchlichen Datenschutzrechts zuständig sind. Ein Versuch, kirchliche Verwaltungsgerichte auf teilkirchlicher Ebene zu errichten, die auch über Dekrete von Bischöfen urteilen, steht noch aus. Dem Vernehmen nach haben die deutschen Bischöfe vor Kurzem einen solchen Vorstoß gewagt. Die Kirchenrechtler Ludwig Schick, emeritierter Erzbischof von Bamberg, und Dominicus M. Meier OSB, Weihbischof in Paderborn, sowie der staatliche Jurist Klaus Rennert, ehemals Präsidenten des deutschen Bundesverwaltungsgerichts, sollen einen Entwurf für eine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland erarbeitet haben, der zurzeit der Apostolischen Signatur vorliegen soll. Darin sollen für Deutschland vier kirchliche Verwaltungsgerichte erster Instanz (jeweils eines in Freiburg, Köln, München und Paderborn) vorgesehen sein, die mit kirchlichen und staatlichen Juristen besetzt werden sollen. Ein kirchliches Verwaltungsgericht zweiter Instanz soll nach dem Entwurf in Bonn eingerichtet werden und mit einem Bischof als Gerichtspräsidenten besetzt werden. Vor diesem Gericht wären nach dem Entwurf auch Klagen gegen Dekrete eines Bischofs möglich. Dritte Instanz wäre die Apostolische Signatur. Sollten die deutschen Bischöfe mit ihrem Vorhaben erfolgreich sein, könnten sie eine Vorreiterrolle für die Verbesserung des kirchlichen Rechtsschutzes in Verwaltungsangelegenheiten einnehmen.
Anmerkungen
1 Büro des Synodalen Wegs (Hrsg.): Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag. Grundtext (Der Synodale Weg 3), Bonn 2022, URL: kurzelinks.de/SW2022GrundtextMachtUndGewaltenteilung, Nr. 72 (S. 39–40).
Eigentlich ist es eine Sensation, in der Öffentlichkeit aber kaum rezipiert: Am 18. Mai 2022 hat Papst Franziskus die Möglichkeit geschaffen, dass Laien Obere in klerikalen Religioseninstituten werden können. Ein Merkmal klerikaler Institute ist nach c. 588 § 2 CIC, dass sie unter der Leitung von Klerikern stehen. Laien war damit bisher das Amt eines Oberen in diesen Instituten verwehrt. Zwar gab es auch vorher schon in begründeten Ausnahmefällen mit päpstlicher Genehmigung Laien im Amt eines Oberen in klerikalen Instituten. Das Neue ist, dass nunmehr keine Dispens durch den Papst selbst erforderlich ist. Soll ein Laie Lokaloberer, d. h. Oberer einer unselbstständigen Niederlassung werden, kann der zuständige höhere Obere des Instituts mit Zustimmung seines Rates diesen Religiosen selbst in das Amt einsetzen. Soll ein Laie höherer Oberer, d. h. Oberer einer rechtlich selbstständigen Niederlassung, einer Provinz oder eines ganzen Instituts werden, kann das Dikasterium für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens von der Bestimmung des c. 588 § 2 CIC dispensieren, dass der Obere Kleriker sein muss. In der Praxis sind solche Dispensen bereits erteilt worden. So wurde beispielsweise im Juli 2022, also wenige Wochen nach Erlass des Reskripts, ein Laienmitglied der Kongregation vom Heiligen Kreuz zum Generaloberen des Instituts gewählt. Die erforderliche Genehmigung für die Übernahme des Amtes hat das Dikasterium für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens erteilt. Die Forderung, dass auch Laien in klerikalen Instituten Obere werden können, kam bereits vor etwa sechs Jahrzehnten auf, insbesondere von benediktinischen Instituten und aus der franziskanischen Ordensfamilie, die von ihrem Ursprung her Laienbewegungen waren und erst im Laufe ihrer Geschichte klerikalisiert wurden. Mit seinem Reskript hat Papst Franziskus einen wichtigen Schritt zur Gleichstellung der Laien- und Klerikermitglieder in klerikalen Religioseninstituten getan. Ein letzter Schritt fehlt allerdings noch: Laien im Amt eines höheren Oberen sind, im Gegensatz zu Klerikern, keine Ordinarien, so hat es das Dikasterium für die Gesetzestexte in einem Schreiben vom 10. August 2022 klargestellt. Ordinarien kommen gegenüber den Mitgliedern eines Instituts bestimmte Vollmachten zu, wie beispielsweise die Beauftragung zum Lektor und Akolyth, die Erteilung bestimmter Dispensen sowie bestimmte Zuständigkeiten im Bereich des Vermögens- und Strafrechts. Im Falle eines Laien im Oberenamt ist die Funktion des Ordinarius einem Klerikermitglied des Instituts den Bestimmungen des Eigenrechts entsprechend zu übertragen, beispielsweise dem Stellvertreter. Dieses Beispiel aus dem Ordensrecht ist nur ein Bereich, in dem Papst Franziskus die Ausübung von kirchlicher Leitungsgewalt durch Laien in einem gewissen Umfang ermöglicht hat.
Durch diverse Rechtsänderungen hat Papst Franziskus die Ausübung kirchlicher Leitungsgewalt durch Laien in verschiedenen Bereichen ermöglicht.
Ausübung kirchlicher Leitungsgewalt durch Laien
Was ist die grundsätzliche Problematik hinter der Ausübung von Leitungsgewalt durch Laien? Ein Blick in die Kirchengeschichte zeigt, dass in der Vergangenheit auch Laien kirchliche Leitungsgewalt ausgeübt haben. Äbtissinnen beispielsweise konnten auch ohne Weihegewalt zu besitzen Leitungsgewalt ausüben. Ein weniger rühmliches Beispiel aus der Kirchengeschichte sind weltliche Fürsten im Amt eines Bischofs, die dieses Amt bekleideten, ohne eine sakramentale Weihe empfangen zu haben, und so in ihrer Diözese Leitungsgewalt ausübten ohne Weihegewalt zu haben, die sie durch Weihbischöfe ausüben ließen. Nach dem Codex Iuris Canonici von 1917 konnten nur Kleriker kirchliche Leitungsgewalt erhalten: „Soli clerici possunt potestatem sive ordinis sive iurisdictionis ecclesiasticae […] obtinere“ (c. 118 CIC/1917), wobei im Vorgängercodex der Klerikerbegriff weiter gefasst war als im geltenden allgemeinen Kirchenrecht. Nach c. 108 CIC/1917 führte bereits der Empfang der Tonsur zur Zugehörigkeit zum Klerikerstand. Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde die Frage thematisiert, ob und in welchem Umfang Laien kirchliche Leitungsgewalt ausüben können. Die Ansichten zu dieser Frage lassen sich in zwei Modelle einteilen: Das erste Modell gründet in der Lehre von der sacra potestas, die das Zweite Vatikanische Konzil grundsätzlich übernommen (vgl. insb. Lumen gentium 18), jedoch theologisch nicht vollständig ausgearbeitet hat. Diese Lehre geht von der Einheit der Weihegewalt und der Leitungsgewalt aus: „In Lumen Gentium wird der gesamte Dienst der geweihten Amtsträger unter sakramentalen Vorzeichen gesehen und die scharfe Differenzierung zwischen der potestas ordinis und der potestas iurisdictionis wird hinfällig. […] Die veränderte theologische Gewichtung in Lumen Gentium lässt somit zu, von einer heiligen Vollmacht zu sprechen“ (Bihl 2018, S. 290). Weihegewalt wird mit der sakramentalen Weihe übertragen und beinhaltet insbesondere geistliche Vollmachten wie die Sakramentenspendung. Leitungsgewalt wird mit der Einsetzung in ein Amt übertragen und beinhaltet kirchliche gesetzgebende, ausführende und/oder richterliche Gewalt. Aufgrund des geistlichen Wesens der Kirche, so das erste Modell, bedeutet Übertragung kirchlicher Leitungsgewalt nicht einfach die Übertragung von Leitungsgewalt durch die Gemeinschaft an eine qualifizierte Person, wie es im Staat der Fall ist. Vielmehr ist kirchliche Leitungsgewalt Ausübung der Gewalt, die Christus der Kirche übertragen hat. Wer Leitungsgewalt ausübt, handelt im Namen Christi und der Kirche – und das können nur geweihte Personen. Das zweite Modell sieht Weihegewalt und Leitungsgewalt als grundsätzlich getrennt an und insbesondere beim Papst und bei den Bischöfen in einer Person vereint. Papst und Bischöfe können Leitungsgewalt für Ämter, die nicht zwangsläufig Weihegewalt erfordern, an eine persönlich und fachlich qualifizierte Person ihrer Wahl übertragen, die nicht zwangsläufig geweiht sein muss. Nach diesem Modell stünden Laien Leitungsämter im kirchlichen Verwaltungs- und Gerichtsbereich offen.
Das geltende allgemeine Kirchenrecht spiegelt das erste Modell wider. Als Grundsatz legt c. 129 § 1 CIC fest: „Zur Übernahme von Leitungsgewalt, die es aufgrund göttlicher Einsetzung in der Kirche gibt und die auch Jurisdiktionsgewalt genannt wird, sind nach Maßgabe der Rechtsvorschriften diejenigen befähigt, die die heilige Weihe empfangen haben.“ Danach sind nur Diakone, Priester und Bischöfe (vgl. c. 1009 § 1 CIC) für die Leitungsgewalt in der Kirche befähigt, und nach c. 274 § 1 CIC können allein Kleriker Ämter erhalten, zu deren Ausübung Weihegewalt oder kirchliche Leitungsgewalt erforderlich ist. Darin zeigt sich eine gewisse Inkonsistenz im geltenden Kirchenrecht. Dass allein Kleriker kirchliche Leitungsgewalt ausüben können, liegt in der Verfassung der Kirche begründet. Ausübung kirchlicher Leitungsgewalt ist die Ausübung von Leitungsgewalt im Namen Christi und der Kirche, die Christus den Aposteln übertragen hat. In der Person Christi des Hauptes handeln nach c. 1009 § 3 CIC aber nur Bischöfe und Priester, nicht jedoch Diakone. Die ungeklärte Frage ist: Warum kann ein Diakon, der Kleriker ist, aber nicht in der Person Christi des Hauptes handelt, kirchliche Leitungsgewalt ausüben, während Laien, die ebenfalls nicht in der Person Christi des Hauptes handeln, diese nicht ausüben können? Laien können, so legt es c. 129 § 2 CIC fest, bei der Ausübung kirchlicher Leitungsgewalt nach Maßgabe des Rechtes mitwirken. Was diese Mitwirkungsmöglichkeit genau bedeutet, „bleibt im Dunkeln. Geht es um ideelle Unterstützung, um Zu- und Assistenzarbeiten bei klerikaler Gewaltausübung oder um selbständige und eigenverantwortete Mitarbeit an kirchlichen Zielen?“ (Hahn 2020, S. 266). Da die sacra-potestas-Lehre weiterer theologischer Reflexion bedarf, ist verständlich, dass eine darauf aufbauende rechtliche Norm unscharf bleibt. Jedenfalls sind geeignete Laien rechtlich befähigt, „von den geistlichen Hirten für jene kirchlichen Ämter und Aufgaben herangezogen zu werden, die sie gemäß den Rechtsvorschriften wahrzunehmen vermögen“ (c. 228 § 1 CIC). Eine genauere Bestimmung, um welche Ämter es sich dabei handelt, findet sich im geltenden allgemeinen Kirchenrecht nicht, was dem Partikularrecht Möglichkeiten eröffnet, solche Ämter zu schaffen. Grundlage ist stets eine Beauftragung eines Laien durch Papst oder Bischof, sei es im Einzelfall oder sei es durch allgemeines oder partikulares Kirchenrecht. „Da Laien immer im Rahmen einer kirchlichen Sendung (missio canonica) aufgrund der Beauftragung durch die zuständige kirchliche Autorität (Papst oder Bischof) an der kirchlichen Leitungsvollmacht teilhaben, wird man die Position einnehmen können, dass die Verbindung zur Sacra potestas-Lehre durch eben diese kirchenamtliche Beauftragung immer gewahrt bleibt“ (Pulte 2022, S. 2–3). Nach dieser Sichtweise ist der eigentliche Inhaber der Leitungsgewalt der Papst oder der Bischof, der einen Laien bevollmächtigt, diese Gewalt in seinem Namen auszuüben. Theologisch zu überdenken bleibt, ob ein Laie in einem solchen Fall auch Anteil an der Leitungsgewalt erhält.
Das geltende Kirchenrecht sieht verschiedene Bereiche vor, in denen Laien kirchliche Leitungsgewalt ausüben können.
Laien als kirchliche Richter
Konsequent setzt der Codex Iuris Canonici von 1983 die sacra-potestas-Lehre nicht um. Bereits seit Inkrafttreten dieses kirchlichen Gesetzbuches können Laien in bestimmten Fällen als kirchliche Richter tätig werden. Nach c. 1421 § 2 CIC kann mit Erlaubnis der Bischofskonferenz in einem Dreierkollegium eines kirchlichen Gerichts einer der drei Richter ein fachkundiger Laie sein. Die Österreichische Bischofskonferenz hat diese Erlaubnis mit ihrem Dekret über Laienrichter (in: Abl. ÖBK 1/1984, S. 7) erteilt, die Deutsche Bischofskonferenz mit ihrer Partikularnorm Nr. 20 vom 05.10.1995. Ein Laie im Richteramt übt kirchliche Leitungsgewalt aus. Zur Rechtfertigung dieser Regelung wird angeführt, dass der Laienrichter die Kleriker nicht überstimmen kann. Das ist richtig, doch kann umgekehrt betrachtet das Votum des Laien den Ausschlag gegen, wenn die beiden Kleriker verschiedener Meinung sind.
„Ausübung kirchlicher Leitungsgewalt ist die Ausübung von Leitungsgewalt im Namen Christi und der Kirche, die Christus den Aposteln übertragen hat.“
Rechtsänderungen durch Papst Franziskus
Papst Franziskus hat im Jahr 2015 durch das Apostolische Schreiben Mitis Iudex speziell für kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren, die den mit Abstand größten Teil der kirchlichen Gerichtsverfahren ausmachen, aus praktischer Notwendigkeit die Möglichkeit geschaffen, dass sogar zwei der drei Richter Laien sein dürfen. Lediglich der vorsitzende Richter muss Kleriker sein. So kann bei der gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit einer Ehe das Votum eines Laien nicht nur den Ausschlag geben, die zwei Laienrichter können den Kleriker nunmehr sogar überstimmen.
Eine weitere Möglichkeit, Laien kirchliche Leitungsämter zu übertragen, hat Papst Franziskus in der Apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium über die Römische Kurie vom 19. März 2022 geschaffen. In den Grundsätzen und Kriterien für den Dienst an der Römischen Kurie wird darin festgehalten: „Jede kuriale Einrichtung erfüllt ihren eigenen Auftrag kraft der Vollmacht, die sie vom Papst erhalten hat, in dessen Namen sie mit stellvertretender Gewalt in der Ausübung des primazialen Amtes handelt“ (Nr. II,5 PE). Ämter mit Leitungsgewalt an der Römischen Kurie sind die Präfekten (Leiter) der Einrichtungen sowie die Sekretäre und Untersekretäre. Die Offiziale bereiten Entscheidungen vor, ihnen kommt aber selbst keine Leitungsgewalt zu. Da die Leitungsgewalt, die die Mitarbeiter der Römischen Kurie ausüben, vom Papst übertragene stellvertretende Leitungsgewalt ist, können auch Laien diese Leitungsgewalt ausüben – und damit sogar, wenn im Einzelfall wie für die Apostolische Signatur (vgl. Art. 195 § 1 PE) und den Wirtschaftsrat (vgl. Art. 206 § 2 PE) nichts anderes bestimmt ist, das Amt eines Präfekten bekleiden: „Aus diesem Grund kann jeder Gläubige einem Dikasterium oder einem Organ abhängig von deren besonderer Zuständigkeit, Leitungsgewalt und Aufgabe vorstehen“ (Nr. II,5 PE). Die Apostolische Konstitution Pastor Bonus über die Römische Kurie aus dem Jahr 1988, die bis zum Inkrafttreten von Predicate Evangelium in Geltung war, hatte hingegen bestimmt, „daß alles, was die Ausübung von Leitungsvollmacht erfordert, denjenigen vorbehalten ist, welche die heilige Weihe empfangen haben“ (Art. 7 PB). Predicate Evangelium eröffnet Laien somit den Zugang zu Leitungsämtern, der ihnen bisher verwehrt war. Ob Päpste künftig Laien in Leitungsfunktionen einsetzen werden, bleibt abzuwarten.
Papst Franziskus hat Leitungsämter an Einrichtungen der römischen Kurie für Laien geöffnet.
Laien in Leitungsämtern auf diözesaner Ebene
Die Regelungen in Predicate Evangelium können Vorbild sein für die Organisation der bischöflichen Kurie. Der Generalvikar als Leiter der bischöflichen Verwaltung und der Offizial als Vorsteher des bischöflichen Gerichts müssen nach den Bestimmungen des allgemeinen Kirchenrechts Priester sein (vgl. c. 478 § 1 und c. 1420 § 4 CIC). Im Rahmen, den das allgemeine Recht vorgibt, steht es den Bischöfen frei, ihre bischöfliche Kurie nach eigenem Ermessen zu organisieren. So können sie Leitungsämter schaffen, die auch mit Laien besetzt werden können, die Leitungsgewalt im Auftrag des Bischofs ausüben. In Deutschland haben beispielsweise das Erzbistum München-Freising und das Bistum Eichstätt in je unterschiedlicher Ausgestaltung das Amt eines Amtschefs geschaffen, der zusammen mit dem Generalvikar die bischöfliche Verwaltung leitet. In beiden Bistümern sind die Ämter des Amtschefs seit 2020 mit Laien besetzt. Weitere deutsche Bistümer haben in teilweise unterschiedlicher Ausgestaltung ähnliche Ämter geschaffen. In Österreich hat bisher keine Diözese einen solchen Weg beschritten.
Die Erzdiözese München-Freising hat das Amt eines Amtschefs geschaffen, der zusammen mit dem Generalvikar die bischöfliche Verwaltung leitet. Das Amt des Amtschefs ist dort seit 2020 mit einem Laien besetzt.
Ausblick
Die Möglichkeiten, die Papst Franziskus eröffnet hat, Laien kirchliche Leitungsgewalt zu übertragen, sind beachtlich. Bei Ehenichtigkeitsverfahren können zwei der drei Richter eines Richterkollegiums Laien sein. Leitungsämter an der Römischen Kurie, das Amt des Präfekten eines Dikasteriums grundsätzlich nicht ausgenommen, können mit Laien besetzt werden. In klerikalen Religioseninstituten können mit Genehmigung des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens auch Laien Oberenämter bekleiden. Dabei ist Papst Franziskus den Weg der Praxis gegangen, d. h. er hat die kirchenrechtlichen Bestimmungen angepasst, ohne die Änderungen jedoch theologisch zu untermauern. Ausübung von Leitungsgewalt in der Kirche ist etwas qualitativ anderes als Ausübung von Leitungsgewalt im Staat. Was noch aussteht, ist eine tiefergehende theologische Reflexion der Thematik, um die Möglichkeit der Übertragung von kirchlicher Leitungsgewalt an Laien auf ein sicheres Fundament zu stellen und möglicherweise noch auszuweiten.
Literatur
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John P. Beal: „The Exercise of the Power of Governance by Lay People. State of the Question“, in: The Jurist 55 (1995), S. 1–92.
Benjamin Bihl: „Weihe und Jurisdiktion. Wiederauflage eines klassischen theologi-schen Problems unter neuen Vorzeichen“, in: Münchener Theologische Zeitschrift 69 (2018), S. 288–304.
Judith Hahn: „Potestas incerta. Das Ambi-guitätsproblem des Laienleitungsrechts“, in: Wer entscheidet, wer was entscheidet? Zum Re-formbedarf kirchlicher Führungspraxis, hrsg. v. Benedikt Jürgens / Matthias Sellmann (Quaestiones disputatae 312), Freiburg i. Br. / Basel / Wien, 2020, S. 259–273, DOI: 10.15496/publikation-81233.
Maximilian Mattner: „Amtschefs und Verwal-tungsdirektoren. Vergleich neuerer Diözesan-gesetze zur Kurienorganisation in Hinblick auf Compliance und Gewaltenteilung“, in: Zeit-schrift für Kanonisches Recht 2 (2023), DOI: 10.17879/zkr-2023-5193.
Rosel Oehmen-Vieregge: „Sacra potestas. Ein Schlüsselbegriff des Zweiten Vatikanischen Konzils?“, in: Theologische Quartalschrift 197 (2017), S. 337–358, DOI: 10.14623/thq.2017.4. 337-358.
Matthias Pulte: „Leitungsämter für Laien. Das Ende der Potestas-Doktrin des 2. Vatikani-schen Konzils?“, in: NomoKanon (25.10.2022), DOI: 10.5282/nomokanon/220.
Myriam Wijlens: „Die Partizipation von Laien an der Leitungsgewalt. Neue kirchenrechtliche Möglichkeiten erfordern eine theologische Reflexion“, in: Theologie der Gegenwart 65 (2022), S. 162–176.
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Dass die dritte Auflage Neues zu bieten hat, ist bereits auf den ersten Blick zu erkennen: Sie ist deutlich dicker als die zweite Auflage. Von 224 Seiten in der zweiten Auflage ist das Werk auf 436 Seiten in der dritten Auflage gewachsen. Auch bei den Autoren gibt es eine Veränderung. Während Helmuth Pree wie schon in den beiden vorherigen Auflagen auch in der dritten Auflage Mitautor ist, konnte der im Jahr 2014 verstorbene Bruno Primetshofer an der dritten Auflage nicht mehr mitarbeiten. An seine Stelle hätte P. Stephan Haering OSB treten sollen, der jedoch im Jahr 2020 völlig überraschend verstorben ist. Mitautor der dritten Auflage ist nunmehr P. Noach Heckel OSB, der sowohl promovierter staatlicher wie auch promovierter kirchlicher Jurist ist und damit als Mitautor für ein Werk zu einem Thema, das an der Schnittstelle zwischen diesen beiden Rechtssphären steht, bestens geeignet ist. Inhaltlich baut das Werk, das sich wie schon die zweite Auflage als Handreichung für Rechtspraktiker versteht, auf Bewährtem auf, das aktualisiert wurde, ergänzt aber auch Neues.
Das erste Kapitel widmet sich den Grundfragen kirchlichen Vermögensrecht und geht auf die Arten von Vermögen kirchlicher Träger, die Quellen kirchlichen Vermögensrechts, die Rechtsträger kirchlichen Vermögens sowie die Grundbegriffe und Grundsätze kirchlicher Vermögensverwaltung ein.
Das zweite Kapitel thematisiert die Gebarung mit kirchlichem Vermögen. Behandelt werden in diesem umfangreichen Kapitel das Haushalts- und Rechnungswesen, der Vermögensverwalter, die hierarchische Aufsicht, Rechtsgeschäfte über das Kirchenvermögen, Haftungsfragen sowie die Ausgründungen in staatlicher Rechtsform.
Die meisten Neuerungen bietet das dritte Kapitel, das sich mit Spezialproblemen beschäftigt. Wie auch in der vorherigen Auflage wendet sich dieses Kapitel als erstes den vermögensrechtlichen Implikationen bei Inkorporationen zu, wobei speziell für Österreich relevante Ausführungen zur Pfarrkirche einer inkorporierten Pfarrei sowie zur Beendigung des Inkorporationsverhältnisses ergänzt wurden. Die folgenden beiden Abschnitte des dritten Kapitels thematisieren, wie auch in der zweiten Auflage, die vermögensrechtlichen Aspekte des Patronatsrechts sowie die vermögensrechtlichen Aspekte der Vereinigung von Pfarreien. Der vierte Abschnitt geht auf die Rechtsnachfolge nach Ordensinstituten und Klöstern ein. Dieser Abschnitt wurde im Vergleich zur vorherigen Auflage ergänzt, insbesondere durch Ausführungen zu Sonderregelungen für kontemplative Frauenklöster, die sich durch die Apostolische Konstitution Vultum Dei quaerere und die Instruktion Cor Orans ergeben haben. Es folgt ein Abschnitt zur Zusammenlegung von Ordensprovinzen und ein Abschnitt zur Insolvenz kirchlicher Rechtsträger. Diese beiden Themen wurden auch schon in der vorherigen Auflage behandelt und für die dritte Auflage aktualisiert. Neu ist der letzte Abschnitt des dritten Kapitels, der sich ausführlich mit den durch die Apostolische Konstitution Pascite gregem Dei erneuerten Strafbestimmungen mit vermögensrechtlichem Bezug befasst.
Da gerade im Bereich des kirchlichen Vermögensrechts vielfach Personen tätig sind, die keine Theologen sind, ist das neu eingefügte Glossar eine wichtige Hilfe für die Praxis zur Klärung zentraler Begriffe aus dem Bereich der kirchlichen Vermögensverwaltung.
Das ausführliche Literaturverzeichnis wurde um die einschlägigen Publikationen der letzten zehn Jahre, die seit der vorherigen Auflage vergangen sind, ergänzt.
Neu eingefügt wurde ein Anhang, in dem Allgemeindekrete der Österreichischen Bischofskonferenz zu Fragen des kirchlichen Vermögensrechts abgedruckt sind. Bei Drucklegung des Werkes waren die diesbezüglichen Normen der Deutschen Bischofskonferenz noch in Überarbeitung, sodass diese nicht mit abgedruckt wurden.
Verwalter kirchlichen Vermögens sind gehalten, „ihr Amt mit der Sorgfalt eines guten Hausvaters zu erfüllen“ (c. 1284 § 1 CIC) und müssen dazu die Vorschriften sowohl des kanonischen als auch des weltlichen Rechts genau beachten (vgl. c. 1284 § 2 Nr. 3 CIC). Zur Erfüllung dieser anspruchsvollen Aufgabe haben sich bereits die vorherigen beiden Auflagen des vorliegenden Werks als wertvolle Hilfe für die Praxis erwiesen. Auch die neu erschienene dritte Auflage verspricht, diesem Anspruch weiterhin gerecht zu werden. Dazu wurden nicht nur die rechtlichen Neuerungen seit der vorherigen Auflage aktualisiert, sondern das Werk wurde auch wesentlich erweitert, insbesondere hinsichtlich des Ordensvermögensrechts sowie des kirchlichen Strafrechts.
Rezension zu: Andrea Michl, Die Sühnestrafen des kanonischen Rechts. (Dissertationen Kanonistische Reihe 32.) St. Ottilien: EOS 2021. ISBN 978-3-8306-8095-6
Punire per salvare – strafen, um zu retten. So beginnt die Autorin Andrea Michl ihr Buch über die Sühnestrafen des kanonischen Rechts, die neben den Besserungs- oder Beugestrafen zu den Strafmitteln der katholischen Kirche gehören, und deren Zweck die Wiedergutmachung, die Umkehr des Delinquenten und die Wiederherstellung der Gerechtigkeit ist. Das Buch ist in seinem Grundbestand die kanonistische Lizentiatsarbeit der Autorin, die sie 2015 am Klaus-Mörsdorf-Studium für Kanonistik der Ludwig-Maximilians-Universität München eingereicht hat. Da zu jener Zeit die 2007 eingeleitete Revision des Buches VI des CIC noch im Gange war, hat die Autorin mit der Veröffentlichung bis zum Abschluss der Reform gewartet, um die Ergebnisse der Reform mit aufnehmen zu können. So legt die Autorin bereits wenige Monate nach der Abschluss der Reform und rechtzeitig vor Inkrafttreten des neuen kirchlichen Strafrechts ein aktuelles und lesenswertes Werk über die kirchlichen Sühnestrafen vor. Ein Überblick über den Verlauf der Reform des kirchlichen Strafrechts rundet das Buch ab.
Das erste Kapitel richtet den Blick auf die Sühnestrafen im Codex Iuris Canonici von 1917, die dort als poenae vindicativae bezeichnet wurden und deren Zweck als Wiedergutmachung in Form einer sühnenden Strafe verstanden wurde. Die Autorin ordnet die Sühnestrafen im CIC/1917 zunächst in die Systematik des kirchlichen Gesetzesbuches ein, geht danach auf Begriffsbestimmung und Intention ein, erläutert Rechtsmittel, thematisiert Strafaufschub und Aufhören einer Sühnestrafe und geht zum Schluss des Kapitels auf die Sühnestrafen im Einzelnen ein. Da die strafrechtlichen Normen im CIC/1917 umfangreich und komplex waren, nimmt das erste Kapitel, obwohl ein historischer Rückblick, einen breiten Raum ein.
Das zweite Kapitel ist den Sühnestrafen im Codex Iuris Canonici von 1983 gewidmet und thematisiert das zum 7. Dezember 2021 geltende Strafrecht der lateinischen Kirche. Dieses Kapitel fällt kürzer aus, da nur Aspekte behandelt werden, die sich im Vergleich zum CIC/1917 verändert haben. So arbeitet die Autorin im ersten Schritt die Modifikationen und Unterschiede zum CIC/1917 heraus und behandelt anschließend die Sühnestrafen im Einzelnen.
Im dritten Kapitel thematisiert die Autorin die Sühnestrafen im Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, dem Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen. Der CCEO kennt keine Sühnestrafen, wie es sie im Strafrecht der lateinischen Kirche gibt, doch legt die Autorin dar, welche den Sühnestrafen ähnliche Strafen das Gesetzbuch verzeichnet.
Das vierte Kapitel ist der jüngsten, im Jahr 2007 von Papst Benedikt XVI. angestoßenen und mit der Apostolischen Konstitution Pascite Gregem Dei Papst Franziskus’ vom 23. Mai 2021 abgeschlossenen Reform des kirchlichen Strafrechts gewidmet. Die Autorin legt Anlass und Verlauf der Strafrechtsreform dar und geht anschließend auf die Sühnestrafen nach dem neuen, ab dem 8. Dezember 2021 gültigen kirchlichen Strafrecht ein.
Insgesamt legt die Autorin in ihrem Buch ein aktuelles und komplexes Thema wissenschaftlich fundiert und in einer gut verständlichen Weise dar. Sie gibt nicht nur einen umfangreichen historischen Überblick, sondern trägt zum Verständnis von Zweck und Anwendung der kirchlichen Sühnestrafen bei. So eignet sich das Buch als wissenschaftliches Grundlagenwerk zum Thema wie auch als praktischer Leitfaden zur Anwendung kirchlicher Sühnestrafen.