Themenschwerpunkt Bischofssynode

Von Andreas KowatschORCID logo

Vom 4.–29. Oktober findet in Rom die „XVI. Ordentliche Generalversammlung“ der Bischofssynode statt. Damit erreicht der 2021 von Papst Franziskus für die katholische Weltkirche initiierte „Synodale Prozess“ seinen vorläufigen Höhepunkt. Seinen Abschluss findet er erst im nächsten Jahr, wenn eine weitere Synodenversammlung getagt haben wird. Rechtundreligion.at widmet den Schwerpunkt zum Beginn des Wintersemesters 2023/24 diesem Ereignis.

Viel wurde innerhalb der Katholischen Kirche, der Theologie und auch der Kirchenrechtswissenschaft in den letzten Jahren über „Synodalität“ diskutiert, geschrieben und auch gestritten. Auch das Institut für Kirchenrecht und Religionsrecht hat diese Frage zu einem kanonistischen Schwerpunkt gemacht. Dass es dennoch bislang keine scharf konturierte Definition von Synodalität gibt, ist Stärke und Schwäche zugleich. Der Untertitel der Synode gibt jedoch wesentliche Eckpunkte an, die mit diesem spezifisch kirchlichen Strukturprinzip verbunden sind: „Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“.

Die jetzige Synode steht in der Kontinuität der bisherigen Bischofssynoden, die seit 1967 neben dem Kardinalskollegium das wichtigste Beratungsgremium für den Papst bilden. Zugleich ist die jetzige Synode aber auch etwas Neues. Rechtlich betrachtet, ist sie kein Ort bindender Beschlüsse wie ein Parlament (vgl. c. 343 CIC). Die Entscheidung über einzelne Fragen liegt beim Papst. Die Synode soll aber eine Form sein, gemeinsam Entscheidungen vorzubereiten und zu finden. „Synode“ heißt „gemeinsamer Weg“. Die Teilnehmer sollen aufeinander zugehen. Unterschiedliche Positionen sollen nicht in Kampfabstimmungen enden, sondern idealerweise soll der Raum für gemeinsame neue Lösungen entstehen. Nur darum ist verständlich, dass die einzelnen Sitzungen nicht live übertragen werden.

Faktisch vertreten die Synodalen, vor allem wenn es sich um Diözesanbischöfe oder sogar Vorsitzende von Bischofskonferenzen handelt, wichtige Teile des Kirchenvolkes. Gerade darum ist die jetzige Synode auch etwas Neues. Die Bischöfe vertreten die Gläubigen nicht mehr nur, weil sie als Nachfolger der Apostel einzelne Diözesen leiten. Der Generalversammlung wurde vielmehr umfangreiche Phasen der Beteiligung auf diözesaner, nationaler und schließlich kontinentaler Ebene vorausgeschaltet. Erst nachdem das Volk Gottes die Möglichkeit hatte, sich aktiv zu äußern, sollte die Synode stattfinden. Dass dies in manchen Regionen besser als in anderen gelungen ist, ändert wenig an der Neuheit dieses Formats.

Eine weitere wichtige Neuheit betrifft die „Synodenväter“, denen nunmehr auch „Synodenmütter“ zur Seite gestellt wurden. Zwar sind über zwei Drittel der stimmberechtigten Teilnehmer Bischöfe, was in einer Bischofssynode kaum verwundert. Der bischöfliche Charakter des Gremiums hat den Papst aber nicht daran gehindert, einige Priester und vor allem über 80 Laienchristinnen und -christen zu nominieren. Zum ersten Mal in der Geschichte nehmen daher auch Frauen stimmberechtigt an der Synode teil.

Die Struktur der Katholischen Kirche ist von zwei Grundelementen geprägt. Auf der einen Seite steht das „gemeinsame Priestertum“ der Getauften. Jede(r) Getaufte hat Anteil an der Sendung der Kirche und Verantwortung für diese. Zugleich ist die Katholische Kirche durch das Weihesakrament, vor allem durch die Bischofsweihe, die ihren Empfänger in die Nachfolge der Apostel stellt, hierarchisch strukturiert. Synodalität umfasst beide Elemente. In der Geschichte wurde das hierarchische Element sehr stark akzentuiert und überbetont. Nicht nur Gläubige in den westlichen Demokratien sehen sich nicht mehr als gehorsames Kirchenvolk, das durch die Hirten geleitet wird. Synodalität ist daher etwas, was im Katholizismus zwar grundgelegt ist, zugleich aber neu erlernt werden muss. Die Notwendigkeit, sich im gemeinsamen Hören auf den Heiligen Geist auf Neues einzulassen, verlangt Lernbereitschaft von allen in der Kirche, von den Gläubigen, von den Bischöfen und nicht zuletzt auch vom Papst. Aus diesem Grund ist das Thema der Synode die Synodalität selbst.

Die einzelnen Ortskirchen haben teilweise sehr ähnliche, aber auch durchaus unterschiedliche, manchmal auch gegenläufige Vorstellungen zu drängenden Fragen der Gegenwart. Ob die Synode zu messbaren Reformen für die Kirche führen wird, bleibt daher abzuwarten. Vor allem darf man nicht vergessen, dass die jetzige Versammlung erst die erste von zweien ist. Wie ein Fußballspiel ausgehen wird, lässt sich auch nicht gleich nach dem Halbzeitpfiff mit Sicherheit voraussagen. Wenn die Synode, um im Bild zu bleiben, ein Jahr lang pausiert, dann liegt der Ball wieder in den Ortskirchen. Dass dort dann Fragen der Geschlechtergerechtigkeit, der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, der effektiven Mitbestimmung der Gläubigen, die Kontrolle kirchlicher Machtausübung und nicht zuletzt die kompromisslose Aufarbeitung aller Formen körperlicher und spiritueller Gewalt im Vordergrund stehen werden, lässt sich mit Sicherheit vorhersagen. Vielleicht hat die Synode dann aber beigetragen, eine neue Kultur der Mitverantwortung zu finden.


Kirchenrechtliche Änderungen durch Papst Franziskus

„Vom Visionär zum gescheiterten Reformer“ – so titelte die Augsburger Allgemeine am 8. März 2023, um die Entwicklung des bisher zehnjährigen Pontifikats von Papst Franziskus zusammenzufassen. Ob dies ein angemessenes oder unzutreffendes Fazit ist, mag kontrovers diskutiert werden. Fakt ist, dass Papst Franziskus von Beginn seiner Amtszeit auf dem Stuhl Petri an nicht untätig war, sondern in vielen und unterschiedlichen Bereichen des kirchlichen Lebens Änderungen und Reformen angestoßen und umgesetzt hat – dies auch im Bereich des Kirchenrechts.

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Laien in kirchlichen Leitungsämtern. Eine Skizze der kirchenrechtlichen Neuerungen durch Papst Franziskus

Die Möglichkeiten, die Papst Franziskus eröffnet hat, Laien kirchliche Leitungsgewalt zu übertragen, sind beachtlich. Bei Ehenichtigkeitsverfahren können zwei der drei Richter eines Richterkollegiums Laien sein. Ämter an der Römischen Kurie, das Amt des Präfekten eines Dikasteriums nicht ausgenommen, können mit Laien besetzt werden. In klerikalen Religioseninstituten können mit Genehmigung des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens auch Laien Oberenämter bekleiden. Dabei ist Papst Franziskus den Weg der Praxis gegangen, d. h. er hat die kirchenrechtlichen Bestimmungen angepasst, ohne die Änderungen jedoch theologisch zu untermauern. Ausübung von Leitungsgewalt in der Kirche ist etwas qualitativ anderes als Ausübung von Leitungsgewalt im Staat. Was noch aussteht, ist eine tiefergehende theologische Reflexion der Thematik, um die Möglichkeit der Übertragung von kirchlicher Leitungsgewalt an Laien auf ein sicheres Fundament zu stellen und möglicherweise noch auszuweiten.

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Franziskus: „Creating a Culture of Safeguarding: Our biggest Future Challenge“

Ab 2010 erschüttern eine hohe Zahl an Berichten über sexuelle und geistliche Missbräuche in der Katholischen Kirche den deutschsprachigen Raum. Besonders (sexualisierte) Gewalt gegen Kindern und schutzbedürftigen Erwachsenen in kirchlichen Erziehungs- und Bildungsanstalten entrüsten Katholik:innen. Vereinfacht wird dabei mit dem allgemeinen Überbegriff vom „Missbrauch“ gesprochen. Das Statistik liebende Magazin KATAPULT veröffentlichte eine Gegenüberstellung, dass 2022 während der „525.600“ Minuten des Kalenderjahres „522.821“ deutsche Katholik:innen vor dem Rechtsstaat ihren Kirchenaustritt bekundet haben. Vielfach wird Vertrauensverlust aufgrund dieser Vorkommnisse als Austrittsmotiv angeführt.

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Das Gesetz alleine rettet nicht oder Barmherzigkeit im Dienst des Rechts. Visionen und Gedanken über das Recht bei Papst Franziskus als Bausteine zu einer Rechtstheorie

In den letzten Jahren wurde im Bereich des kanonischen Rechts immer wieder die Frage nach dem Rechtscharakter diskutiert, gerade auch auf das Wesen der Kirchenrechtswissenschaft. Dabei wurde immer wieder festgestellt, dass Rechtstheorie zwar an sich theologieunabhängig sei, letztlich aber dem Wesen der Kirche als Heilsgemeinschaft entsprochen oder angepasst werden müsste. Dabei müsse eine Präzisierung der Begriffe erfolgen, die Wesen, Aufgabe und Stellenwert des Rechts näher durchdringt, damit der Blick frei werden kann für die Schwächen eines Systems und die Möglichkeiten einer Weiterentwicklung. In den zehn Jahren seit seiner Wahl ist Papst Franziskus ein aktiver Gesetzgeber gewesen. Neben seinen weithin bekannten Reformen gab es viele andere bedeutende, aber versteckte Gesetzesänderungen. Bei der Durchführung dieser Änderungen hat Papst Franziskus meist alleine gehandelt. Die Abteilungen des Vatikans, die normalerweise neue Gesetze überwachen und mit bestehenden Gesetzen in Einklang bringen, wurden an den Rand gedrängt. Welche sind der Rechtsbegriff und die Grundlagen der Gesetzgebung bei Papst Franziskus? Wie lässt sich ein Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft im Rechtsbegriff bei Papst Franziskus ausmachen? Die Ausführungen in diesem Beitrag wollen daher Bausteine sein im Blick auf eine mögliche Rechtstheorie, die zu einem fruchtbaren Austausch zwischen Kirche und Welt beitragen kann und dabei hilft, eine Sensibilität zu entwickeln, welche Elemente des profanen Rechts mit dem Recht der Kirche kompatibel sind und welche nicht.

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Titelbild: crysmyri / Pixabay