Tagung zum Thema „Neutraler Staat? Interdisziplinäre Perspektiven auf die Autonomie von Religion, Kunst und Wissenschaft“ – Ein Tagungsbericht

19.-20. Juni 2023 – Universität Wien

Von 19. bis 20. Juni fand im bereits hochsommerlich heißen Wien die vom Forschungscluster „Transformationen des Rechts in Religion und Gesellschaft“ des Forschungszentrums RaT veranstaltete Konferenz „Neutraler Staat? Interdisziplinäre Perspektiven auf die Autonomie von Religion, Kunst und Wissenschaft“ statt. Ziel der unter der Leitung von Prof. Stefan Hammer (Institut für Rechtsphilosophie) und Prof. Andreas Kowatsch (Institut für Kirchen- und Religionsrecht) organisierten Veranstaltung war es, Expert:innen aus den drei Bereichen miteinander ins Gespräch zu bringen und einen Einblick in aktuelle Debatten und Probleme zu bieten. Was alle miteinander verbindet, ist ihr Autonomieanspruch und das daraus resultierende, spannungsreiche Verhältnis zum Staat (ein besonders virulentes Beispiel hierfür bilden die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie der letzten Jahre).

Marcello Neri (Instituto Superiore di Scienze
dell’Educazione Modena) mit seinem Vortrag zum Thema „Theologische Anmerkungen zum Verhältnis von Recht und Religion“
(Foto: Daniel Tibi)

Durch diese Konstellation wird ein breiter Raum an Fragen eröffnet, dem sich die Beiträge zur Konferenz aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu nähern versuchten: Während sich manche Beiträge den Autonomieansprüchen und den sich daraus ergebenden alten und neuen Herausforderungen aus der Innenperspektive der jeweiligen Sphären widmeten (so etwa Jakob Deibl zur Kunst, Marie-Luisa Frick zum Bereich Wissenschaft und Marcello Neri aus der Sicht der katholischen Theologie), machten sich andere auf die Suche nach Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen den unterschiedlichen Bereichen (so Reinhold Esterbauer aus theologisch-philosophischer, Stefan Hammer aus verfassungstheoretischer und Astrid Mattes aus politikwissenschaftlicher Perspektive und anhand von aktuellen Beispielen der österreichischen Debatte).

Vortrag von Marie-Luisa Frick (Universität Innsbruck) zum Thema „Ohne ideologisches Endziel, aber kein reiner Selbstzweck: Zur „Autonomie“ der Wissenschaften im „neutralen“ Staat“

(Foto: Daniel Tibi)

Einen weiteren Schwerpunkt der Konferenz bildete die juristische Sicht auf den titelgebenden Begriff der staatlichen Neutralität (so Markus Müller im Modus der kritischen Befragung, während Andreas Kowatschs Beitrag sich mit der rechtlichen Situation in Österreich sowie mit den vielen juristischen Facetten des Neutralitätsbegriffs befasste). Zum Abschluss diskutierten Vertreter:innen aus den unterschiedlichen Bereichen die aktuellen Herausforderungen und Probleme aus der Sicht der Alltagspraxis (Cornelia Offergeld aus dem Bereich der Kunst, Imet Mehmedi aus der Sicht der Frei-Alevitischen Glaubensgemeinschaft und Dieter Beck von der Evangelischen Kirche in Österreich; moderiert wurde die Diskussion von Katharina Limacher).

Vortrag von Markus Müller (Universität Bern) zum Thema „Staatliche Neutralität als Mittel der Autonomiegewährung? – Kritische Gedanken am Beispiel der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staats“

(Foto: Daniel Tibi)

Aus den vielen kenntnisreichen Beiträgen und der angeregt geführten Diskussion gingen vor allem zwei Punkte als entscheidend hervor: Erstens ist unter den aktuellen rechtlichen und sozialen Bedingungen Skepsis bezüglich der Möglichkeiten religiös-weltanschaulicher Neutralität des Staates angebracht. Zweitens ist eine Krise des Autonomieanspruchs der verschiedenen Bereiche, insbesondere jedoch der Wissenschaft, zu konstatieren: Die Selbstbestimmung gerät unter den zunehmenden ökonomisch-politischen Abhängigkeiten zusehends unter Druck. Dies führt vor Augen, wie wichtig es ist, die Begriffe der Autonomie und Neutralität stets von Neuem kritisch zu befragen.

Die Beiträge der Konferenz werden in einem Band der RaT-Printreihe erscheinen. Das Programm der Konferenz findet sich hier.

Titelbild: Vortrag von Prof. Andreas Kowatsch (Foto: Daniel Tibi)