Steuerwidmung für alle statt Kirchenbeitrag? Vor- und Nachteile einer „Mandatssteuer“ zur Kirchenfinanzierung

Von Andreas KowatschORCID logo

DOI: 10.25365/phaidra.513

Der österreichische Kirchenbeitrag

Vor 85 Jahren, am 1. Mai 1939, erließen die Nationalsozialisten das „Gesetz über die Erhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich“, kurz: Kirchenbeitragsgesetz. Die erklärte Absicht des Regimes war, die Gläubigen massenhaft zum Austritt aus der Katholischen Kirche (aber auch der Evangelischen und der Altkatholischen Kirche) zu bewegen, weil sie sich dadurch der Pflicht zur Beitragszahlung entziehen konnten. Mit dem Kirchenbeitragsgesetz stellte der nationalsozialistische Staat die Zahlungen an die Kirche aus den Religionsfonds ein. Diese im Wesentlichen auf Klosteraufhebungen durch Kaiser Joseph II. zurückgehenden Sondervermögen wurden vom Staat verwaltet, hatten aber ihre kirchliche Zweckwidmung behalten. Hitler selbst hatte in den Wortlaut des Kirchenbeitragsgesetzes eingegriffen und angeordnet, dass die Kirche zur Einbringung von offenen Beiträgen wie jeder beliebige Verein auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde. Gleichzeitig wurden die (innerkirchlichen) Kirchenbeitragsordnungen von einer staatlichen Genehmigung abhängig gemacht, womit die Rechtsstellung der Kirche de facto noch schlechter war als jene eines x-beliebigen Vereins. Zwar folgten mehrere zehntausend Katholiken dem Wunsch des Regimes, die gewünschte Schwächung der Kirche blieb jedoch aus. Obwohl die Österreicher mentalitätsmäßig nicht an private Leistungen für die Kirche gewöhnt waren, folgten diese dem Aufruf der Bischöfe zur Beitragszahlung in überwältigender Mehrheit. Mehr noch – durch die Zahlung des Kirchenbeitrags konnte man diskret gegen das Regime demonstrieren.

Der Wunsch, die Kirche in ihrer institutionellen Substanz zu schwächen, wurde durch weitere Maßnahmen des Regimes begleitet. So hatten die Nazis die „Ostmark“ zum konkordatsfreien Raum erklärt, mit der Folge, dass an der Frage der Weitergeltung des Konkordats nach 1945 Staats- und Völkerrechtler die Frage nach dem rechtlichen Schicksal der Republik Österreich zwischen 1938 und 1945 bearbeiteten. 1957 schließlich wurde die Weitergeltung offiziell bestätigt. Wenige Monate nach dem Inkrafttreten des Kirchenbeitragsgesetzes erfolgte die formelle Einverleibung der Religionsfondsvermögen – darunter etwa 66.000 ha Wald – in den Staat,[1] was materiell einer Enteignung von Kirchenvermögen entsprach.

Der Kirchenbeitrag nach 1945

Da die Nationalsozialisten das seit Josef II. vorherrschende System der Kirchenfinanzierung zerschlagen hatten, musste in der Zweiten Republik eine Lösung gefunden werden. In Art. 26 des Staatsvertrages 1955 verpflichtete sich Österreich zur Entschädigung von nationalsozialistischen Enteignungen „wegen der rassischen Abstammung oder der Religion des Eigentümers“. Im Vermögensvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und Österreich verzichtete die Katholische Kirche 1960 auf die Rückübertragung der meisten Religionsfondsvermögen (darunter ca. 90 % der forstwirtschaftlich genutzten Flächen) und erhält seitdem im Gegenzug jährliche Entschädigungszahlungen, deren Höhe sich an einem durchschnittlichen Gehalt von 1250 Bundesbediensteten orientiert. Seit dem Jahr 2020 werden diese Entschädigungszahlungen automatisch valorisiert, wenn infolge der Inflation eine Wertminderung von 20 Prozent dauerhaft eingetreten ist. Zuvor bildeten die Wertanpassungen den Gegenstand von jeweils neu zu bestreitenden Verhandlungen zwischen Staat und Kirche.

Das Kirchenbeitragsgesetz wurde trotz seiner historisch belegten politisch eindeutigen Zwecksetzung in den Rechtsbestand der Republik Österreich übergeleitet.[2] Der Vermögensvertrag 1960 bestätigte dessen Fortgeltung. Auch in der Zweiten Republik blieb die Kirche, die im staatlichen Recht als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfasst ist, auf die Klagemöglichkeit vor den Zivilgerichten beschränkt. Die Verwaltungsexekution von ausstehenden Kirchenbeiträgen ist daher nicht möglich.

Kirchenbeitrag als Finanzierung durch die eigenen Gläubigen

Die Erhebung des Kirchenbeitrags erfolgt durch die einzelnen Diözesen aufgrund der kircheneigenen Beitragsordnungen, welche vom Staat genehmigend zur Kenntnis genommen werden. Vereinfacht gesagt, sind nur jene Gläubige beitragspflichtig, die einkommensteuerpflichtiges Einkommen erzielen. Neben einem allgemeinen Absetzbetrag enthalten die Kirchenbeitragsregelungen eine Reihe von Ermäßigungs- und Härtefallregelungen. Anders als im System der deutschen Kirchensteuer verfügt die Kirche hierzulande über keine Daten, welche die genaue Beitragsberechnung von 1,1 % vom Einkommen (abzüglich eines allgemeinen Absetzbetrags) ermöglichen, sondern ist auf die freiwilligen Angaben der Kirchenmitglieder bzw. auf Schätzungen angewiesen. Das tatsächlich lukrierte Beitragsaufkommen dürfte daher erheblich geringer als die formellen Beitragssätze sein. Dennoch machen die Kirchenbeiträge 85 Jahre nach dem Inkrafttreten des Kirchenbeitragsgesetzes ungefähr drei Viertel der diözesanen Haushalte aus und sind somit mit Abstand die wichtigste Quelle der Kirchenfinanzierung.

Vor- und Nachteile

Aus der Sicht des religiös-weltanschaulich neutralen Staates haben die Kirchenbeiträge den erheblichen Vorteil, dass es sich um reine Mitgliederbeiträge handelt. Weder sind juristische Personen zur Zahlung verpflichtet, noch trifft die Beitragspflicht Angehörige anderer Religionsgemeinschaften bzw. konfessionslose Bürger. Dass die Kirchenbeiträge bis zum Höchstbetrag von 600 Euro pro Jahr als Sonderausgaben steuerlich geltend gemacht werden, durchbricht diesen Grundsatz teilweise. Bedenkt man jedoch, dass Spenden in Österreich bis zu einem Zehntel des Jahreseinkommens abzugsfähig sind, ist dieser Betrag jedoch nicht mehr als die Anerkennung des Staates für die Leistungen von Religionsgemeinschaften, die durch die gesetzliche Anerkennung zur öffentlichen Rechtssphäre zählen. Diese Anerkennung ist im Rahmen des staatlichen Auftrags zur Kulturförderung und des verfassungsrechtlich vorgesehenen Systems der Anerkennung von Religionsgesellschaften verfassungsrechtlich unbedenklich. Auch arbeiten Staat und Kirche im Bereich des Kirchenbeitrags nicht zusammen, was dem System einer institutionellen Trennung von Staat und Religion besser entspricht als etwa das deutsche Kirchensteuersystem. Freilich lässt sich die Bundesrepublik Deutschland die Eintreibung der Kirchensteuer durch die Finanzämter mit etlichen Millionen Euro jährlich teuer vergüten.

Kirchenrechtlich ist die Grundpflicht aller Gläubigen normiert, zu den materiellen Bedürfnissen der Kirche beizutragen (vgl. cc. 222 § 1 und 1260 CIC). Das österreichische Kirchenbeitragssystem ist weltweit betrachtet – vor allem aufgrund seiner historischen Herkunft – die Ausnahme. Kirchenrechtlich legitimiert ist es aber durch c. 1263 CIC, der partikulare Gesetze und Gewohnheiten zur Kirchenfinanzierung gewährleistet.

Aus der Sicht der Kirche hat der Kirchenbeitrag den Vorteil, trotz der wohl nicht immer bis ins Detail gehenden Bereitschaft der eigenen Gläubigen, das tatsächlich Gesollte auch wirklich zu leisten, im Großen und Ganzen ein gerechtes System zu sein. Die Koppelung an die einkommensteuerpflichtigen Einkommen zielt auf die tatsächliche Leistungsfähigkeit und gestaltet die Kirche somit analog zum Staat als Solidargemeinschaft. Die Koppelung an die Einkommen ermöglicht auch einen Gleichklang der kirchlichen Leistungsfähigkeit mit den konkreten sozioökonomischen Verhältnissen im Land. Neben diesen Vorteilen bringt der Kirchenbeitrag aber – aus der Sicht der Kirche betrachtet – Nachteile mit sich, deren Gewicht in den letzten Jahren so sehr zugenommen hat, dass vermehrt über die Zukunftsfähigkeit des Systems diskutiert wird. Der Nachteil besteht in der äußeren Verknüpfung von Kirchenzugehörigkeit und Beitragspflicht und wird verstärkt durch die kircheneigene Eintreibung. Dies führt dazu, dass junge Erwachsene anlässlich ihres 18. Geburtstages nicht selten den ersten Kontakt mit ihrer Religionsgemeinschaft nach der Firmung in Form der Aufforderung zur Offenlegung des Einkommens haben. Auch wenn es eine Reihe von gut gemeinten pastoralen Projekten gibt, die die dadurch entstehende Wirkung aufweichen wollen, ändert dies nichts am Grundbefund. Was für viele junge Erwachsene die Konsequenz ist, ist es angesichts einer lose gewordenen Kirchenbindung und angesichts vielfältiger kirchlicher Krisen auch für ältere Kirchenmitglieder: der Austritt aus der Kirche.

Wer aus der Kirche austritt, erklärt öffentlich, der Kirche in der Form, wie sie in Österreich verfasst ist, nicht mehr angehören zu wollen. Der Kirchenaustritt erfolgt vor der staatlichen Behörde und bringt (mit Beginn des Folgemonats) den Entfall der Kirchenbeitragspflicht mit sich. Innerkirchlich führt er zu einem formalen Bruch mit der eigenen Glaubensgemeinschaft, sofern nach einer Kontaktaufnahme durch den Ortspfarrer und dem Angebot zu einem Gespräch der Austritt nicht binnen dreier Monate widerrufen wird. Der Austritt kann aus Gründen der eigenen (geänderten) religiösen Überzeugung erfolgen oder auch ein Akt des Protests angesichts vielfältiger tatsächlicher oder vermeintlicher Skandale sein. In den meisten Fällen wird er die letzte Konsequenz einer unter Umständen schon lange brüchig gewordenen Bindung zum kirchlichen Glauben sein. Dass der Austritt allein aus finanziellen Gründen erfolgt, ist zwar nicht ausgeschlossen. Angesichts der Lösungsmöglichkeiten für Härtefälle in den Kirchenbeitragsordnungen bezieht sich die finanzielle Not aber tendenziell nicht auf das zum Leben Nötige, sondern auf die Frage, wie die eigenen Finanzen eingesetzt werden sollen. Auch der Verzicht auf Annehmlichkeiten zugunsten des Kirchenbeitrags ist freilich ein finanzieller Grund.

Eine „Mandatssteuer“ als Alternativmodell?

In Staaten, die weder den österreichischen Kirchenbeitrag noch eine Kirchensteuer kennen, fällt der finanzielle Anreiz zum Kirchenaustritt weg. Wer beispielsweise in Italien aus der Kirche austreten möchte, muss dies gegenüber dem eigenen Pfarrer (bzw. dem Ordinarius) erklären. Auf diese Idee werden Kirchenmitglieder nur dann kommen, wenn entweder eine neue Religionsgemeinschaft, der sie sich anschließen wollen, einen ausdrücklichen Austritt aus der Kirche verlangt, oder weil sie in Österreich, Deutschland oder der Schweiz die finanziellen Wohltaten des Kirchenaustritts beanspruchen wollen. Formal betrachtet, erlebt die Kirche in diesen Staaten daher einen viel geringeren Mitgliederschwund als in Österreich. Auch wenn dadurch wenig über die innere Kirchenbindung ausgesagt ist, führt dies dazu, dass auch in Österreich immer wieder über die Einführung einer sog. „Mandatssteuer“ nachgedacht wird, wobei dabei in den meisten Fällen auf das italienische Modell der „Otto per mille (8 Promille)“ zurückgegriffen wird. Vergleichbare Modelle der Finanzierung von Religionsgemeinschaften gibt es aber auch in anderen Staaten, etwa in Spanien, Ungarn oder Island.

Kern dieses Mandatssteuer-Systems (manchmal auch weniger aussagekräftig als „Kultursteuer“ bezeichnet) ist die direkte Finanzierung der Kirche bzw. sonstiger begünstigter Religionsgemeinschaften aus dem Staatshaushalt. Dabei übernimmt der Staat aber nicht die Verpflichtung zur Leistung eines im Vorhinein festgelegten Betrags. Die Höhe der Staatsleistungen ist vielmehr die Konsequenz einer Entscheidung der einkommensteuerpflichtigen Bürger. Je nach System haben diese die Möglichkeit, einen Teil ihrer eigenen Einkommensteuerlast für die Finanzierung einer bestimmten Religionsgemeinschaft zu widmen (so in Italien) oder zu bestimmen, dass ein (kleiner) Teil der staatlichen Gesamteinnahmen für die Verwendung der Finanzierung einer ausgewählten Religionsgemeinschaft verwendet wird (so beispielsweise in Spanien). Keine Widmung erfolgt hinsichtlich der Besteuerung von Gewinnen juristischer Personen.

In Italien widmen die Steuerpflichtigen acht Promille ihrer Einkommensteuerlast für eine von mehreren dafür vorgesehenen Religionsgesellschaften. Dabei kann die Widmung auch für eine Kirche erfolgen, der man gar nicht angehört. Um jedoch zu verhindern, dass nichtreligiöse Bürger eine persönliche Widmungsentscheidung für eine religiöse Gemeinschaft abgeben müssen, ist auch eine Widmung des entsprechenden Betrages für den Staatshaushalt vorgesehen. Theoretisch soll das dadurch erzielte Steueraufkommen für soziale oder humanitäre Zwecke[3] verwendet werden. Die italienische Praxis zeigt hier jedoch eine gewisse Flexibilität. Nicht alle Bürger machen von ihrem „Mandatsrecht“ Gebrauch. Der Clou des italienischen Systems ist, dass die nicht gewidmeten Mittel nicht einfach in den allgemeinen Staatshaushalt fließen, sondern in der Relation der erfolgten Widmungen an die begünstigten Gemeinschaften verteilt wird.

Vorteile der Mandatssteuer

Aus demokratiepolitischer Sicht hat das Mandatssteuersystem den großen Vorteil, die steuerpflichtigen Bürger in einem kleinen, aber nicht unerheblichen Umfang an der Entscheidung über die Verwendung der Staatsausgaben zu beteiligen. Ein effektives Mitbestimmungsrecht haben freilich nur jene Bürger, die auch tatsächlich Einkommensteuer abführen müssen. Aus der Sicht der Kirche bringt dieses System den Vorteil mit sich, dass der finanzielle Anreiz zum Kirchenaustritt wegfällt. Die Pflicht zur Mandatssteuer trifft alle Steuerpflichtigen unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit.

Aus diesem Grund ist dieses System auch mit der individuellen Religionsfreiheit besonders kompatibel. Die Steuerpflicht ist unabhängig von der eigenen Kirchenmitgliedschaft. Die Gläubigen haben auch die Möglichkeit, zugunsten einer Kirche zu votieren, der diese gar nicht angehören. Als Folge dieser Möglichkeit gelingt es beispielsweise der Evangelischen Kirche in Italien ca. zehnmal so hohe Staatsleistungen zu lukrieren, als es der Mitgliederzahl der Kirche entsprechen würde. Keinen Konflikt gibt es mit der individuellen (negativen) Religionsfreiheit, da jeder Bürger frei wählen kann, ob er eine Religionsgemeinschaft oder den Staat begünstigen möchte. Dass die nicht gewidmeten Beträge nach dem Verhältnis der gewidmeten verteilt werden, ist verfassungsrechtlich unbedenklich, solange auf die Wahlmöglichkeit explizit hingewiesen wird. Wer dieses Recht nicht wahrnimmt, ist sich der Konsequenz bewusst und nimmt diese freien Stückes in Kauf. Aus demokratiepolitischer Perspektive ist der dadurch entstehende sanfte Druck zur Widmung sogar wünschenswert, da die Nichtwidmung eine Verweigerung einer staatsbürgerlichen Partizipationsmöglichkeit gleichkommt. Die Folgen der Nichtwidmung entsprechen den Folgen einer nicht oder ungültig abgegeben Stimme bei der Parlamentswahl in der repräsentativen Demokratie. In Italien ist die Steuerwidmung dabei nicht auf die Finanzierung der Religionsgemeinschaften beschränkt. 5 Promille der persönlichen Einkommensteuer können für sozial-caritative Organisationen gewidmet werden. Sofern Institutionen der kirchlichen Caritas die entsprechende Widmung lukrieren können, erhöht sich der Anteil für die Kirche noch einmal. Auch das System der Parteienfinanzierung ist in Italien über die Möglichkeit der Widmung von 2 Promille der Einkommenssteuer normiert.

Ein weiterer Vorteil mag darin liegen, dass dieses System relativ stabile Einnahmen garantiert. Im Vergleich zum österreichischen Kirchenbeitrag und vor allem zu Systemen der Kirchensteuer sind diese jedoch erheblich geringer.

Nachteile der Mandatssteuer

Die genannten Vorteile haben jeweils eine Kehrseite, welche zumindest aus einer bestimmten Perspektive auch als Nachteil erscheinen kann.

Den Vorteilen auf der Seite der individuellen Religionsfreiheit steht die schwächere Berücksichtigung der korporativen Religionsfreiheit gegenüber. So sind etwa die Staatsleistungen in Spanien zweckgewidmet und können von der Kirche nicht für jeden beliebigen Zweck, der ihrem Selbstverständnis entspricht, verwendet werden. Es kann auch sein, dass die Zuwendung von Beiträgen von Nichtmitgliedern dem eigenen religiösen Selbstverständnis widerspricht. Das italienische System begegnet diesem Problem damit, dass die „Assemblee di Dio in Italia“ und die „Chiesa Apostolica in Italia“ nur den Steueranteil der ihnen durch die Widmungen der eigenen Gläubigen zugewiesen ist, erhalten. An der Verteilung der nicht gewidmeten Beträge partizipieren sie in Ausübung ihres Rechts auf korporative Religionsfreiheit nicht. Die entsprechenden Beträge fallen in den allgemeinen Staatshaushalt.

Mit der korporativen Religionsfreiheit in einer gewissen Spannung steht auch die Wahlmöglichkeit zugunsten einer anderen Religionsgemeinschaft. Aus kirchenrechtlicher Sicht wirft dies Fragen nach der Ernsthaftigkeit der Kirchenzugehörigkeit auf. Jedoch lässt sich aus der reinen Widmungsentscheidung nicht ohne Hinzutreten weiterer Faktoren auf die innere Haltung schließen. Kirchenrechtlich relevant wäre diese im äußeren Rechtsbereich überhaupt erst nach Durchführung eines Strafverfahrens, was nicht nur angesichts des mangelnden Zugriffs der Kirche auf die Steuerformulare aussichtslos ist. Übrig bleibt die Frage, wie die Kirchen ihre eigenen Mitglieder motivieren können, bei ihrer eigenen Religionsgemeinschaft die widmende Unterschrift zu leisten. Aus verfassungsrechtlicher Sicht überwiegt in diesem Konflikt zwischen korporativer und individueller Religionsfreiheit jedenfalls die Freiheit des Einzelnen, die auch gegen die eigene Kirche ausgeübt werden darf. Über innerkirchlichen Dissens welcher Art auch immer zu urteilen, ist nicht die Sache des weltanschaulich-religiös neutralen Staates.

Mit der Motivation der eigenen Mitglieder durch die Kirche ist ein weiterer Aspekt angesprochen. Gerade weil nicht von vornherein damit gerechnet werden kann, dass zwischen der Kirchenmitgliedschaft und der Steuerwidmung ein notwendiger Konnex besteht, betreiben die Kirchen einen nicht unerheblichen und auch kostspieligen Werbeaufwand. Entgegen einer nüchternen Darstellung, wofür die Kirchen die Finanzmittel benötigen, ist damit quasi unausweichlich die PR-mäßige Konzentration auf gesellschaftlich „gefällige“ Wirkungsbereiche gelenkt. Tatsächlich macht der Unterhalt der Kleriker und die Zahlungen für Löhne und Gehälter der Mitarbeitenden den weitaus größten Anteil kirchlicher Budgets aus. Dies ist angesichts der Bedeutung der Ressource Mensch für das Leben einer Religionsgemeinschaft unausweichlich, führt aber nicht zwangsläufig zu einem erhöhten Widmungsaufkommen. Die Frage, wie die Motivation durch Werbung geweckt werden kann, ist daher auch eine Frage, die mit der Wahrhaftigkeit der kirchlichen Sendung zusammenhängt. Selbst wenn man eine breite Bereitschaft in der Bevölkerung zur Finanzierung von Personalkosten unterstellt, führt das System der Mandatssteuer fast zwangsläufig zu einem Import politischer Logiken, die nicht immer mit dem Selbstverständnis der einzelnen Religionsgemeinschaften kompatibel sein müssen.

Zwei weitere Nachteile führten zumindest bislang dazu, dass in Österreich das System des Kirchenbeitrags wenigstens aus Sicht der Katholischen Kirche trotz der genannten Schwierigkeiten nur vereinzelt hinterfragt wird. Zum einen wirft die scheinbar so gleichmäßige Verpflichtung aller Bürger zu erheblichen Gleichheitsproblemen. Zum anderen handelt es sich um ein System der reinen Staatsfinanzierung.

Der erste Nachteil betrifft die Frage, welche Religionsgemeinschaften in den Genuss der Rechtswohltat kommen, mögliche Empfänger gewidmeter Steuergelder zu sein. In der italienischen Praxis schließt der Staat mit einzelnen Gemeinschaften Verträge, nachdem das System ursprünglich das vermögensrechtliche Verhältnis zwischen Italien und der Katholischen Kirche nach dem Abschluss des Konkordats 1984 neu geregelt hatte. Ähnlich wie bei den österreichischen Staatsleistungen standen auch bei der Einführung der „Otto per mille“ Entschädigungsfragen nach der Einstellung staatlicher Finanzierungsformen am Beginn der Finanzierung. Die Eingliederung in das staatliche Steuerrecht führte jedoch rasch und verfassungsrechtlich nicht überraschend zu Gleichheitsüberlegungen, die dazu geführt haben, dass der Kreis der Begünstigten sukzessive ausgeweitet wurde. Dennoch stellt sich auch heute die Frage, nach welchen Kriterien der Staat die Begünstigteneigenschaft verleiht, bzw., noch deutlicher, nach welchen Kriterien er den Antrag einzelner Religions- und auch Weltanschauungsgemeinschaften ablehnen darf.

Die Übertragung der italienischen Praxis auf Österreich ist mangels verfassungsrechtlicher Ermächtigung des Bundes zum Abschluss von dem Konkordat nachgebildeten Staat-Religionen-Verträgen nicht möglich. Dennoch ist der verfassungsrechtliche Einwand in Österreich relativ leicht zu entkräften. Möglicher Anknüpfungspunkt wäre hierzulande die gesetzliche Anerkennung als Kirche oder Religionsgesellschaft. Mit dieser erwirbt die bislang als Bekenntnisgemeinschaft im staatlichen Recht konstituierte Religionsgemeinschaft den Rechtsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Unterscheidung von anerkannten und sonstigen Religionsgemeinschaften ist in Österreich verfassungsrechtlich vorgegeben und vom VfGH in ständiger Rechtsprechung aufrechterhalten. Der Körperschaftsstatus wäre ein diskriminierungsfreies Kriterium, da in ihm implizit eine über die allgemeine Religionsausübungsfreiheit, die allen Religionsgemeinschaften gem. Art. 9 EMRK zukommt, hinausgehende Bedeutung der betreffenden Gemeinschaft für die gesellschaftliche und staatliche Öffentlichkeit zum Ausdruck kommt.

Der letzte in diesem Zusammenhang zu besprechende Nachteil ist wahrscheinlich der gewichtigste: Die Hoheit, die Mandatssteuer festzusetzen, einzutreiben und widmungsgemäß zu verwenden, liegt ausschließlich in der Hand des Staates. In der staatlichen Kompetenz liegt auch die Festsetzung des Steuersatzes, sodass geänderte politische Verhältnisse erhebliche Auswirkungen auf die Verlässlichkeit der Kirchenfinanzierung haben. Wird der der Widmungssteuersatz auch nur um ein Promille reduziert, ist u.U. die Stabilität des ganzen Systems gefährdet. In Italien finden daher regelmäßige und durchaus komplexe Verhandlungen mit dem Staat statt, in deren Rahmen die Religionsgemeinschaften ihren Bedarf begründen müssen. Der Staat gewinnt damit auch ein politisches Druckmittel, das diskret oder auch ganz offen gegen gesamtgesellschaftlich nicht immer plausible Positionen einzelner Religionsgemeinschaften oder gegen deren politisches Engagement eingesetzt werden kann. Damit kollidiert das System letztlich doch auch mit der korporativen Religionsfreiheit i. S. d. Art. 15 StGG („innere Angelegenheiten“), freilich nicht im grundrechtlichen Dreiecksverhältnis Institution-Individuen-Staat, sondern im direkten Verhältnis Religionsgemeinschaft-Staat.

Resümee

Letztlich ist die Frage der Finanzierung von Religionsgemeinschaften wie das Religionsrecht überhaupt mehr als andere Rechtsbereiche geschichtlich pfadabhängig. Teilweise Jahrhunderte alte Praktiken wirkten kultur- und mentalitätsprägend, sodass die simple Auswechslung von Systemen voraussichtlich nicht ohne erhebliche Kollateralschäden für die Religionsgemeinschaften vonstattengehen würde. Den Religionsgemeinschaften eine verlässliche finanzielle Planung zu entziehen, liegt angesichts der vielfältigen Beiträge zur Kohäsion einer individualisierten Gesellschaft aber nicht im Interesse des Staates. Als politisches Ziel darf eine solche Schwächung vorgetragen und verfolgt werden, das geltende Verfassungsrecht bietet allerdings keine taugliche Grundlage für die laizistische Privatisierung von Religion.

Angesichts des historischen Unrechts der Enteignung und auch im Blick auf die erheblichen Vorteile, die die Republik aus dem Verzicht der Katholischen Kirche auf die Rückübereignung zehntausender Hektar forst- und landwirtschaftlich genutzter Flächen bis heute zieht, sollten sich Diskussionen über die Abschaffung der Restitutionszahlungen von selbst verbieten. Nicht verpönt ist und bleibt die Frage, ob das System des Kirchenbeitrags durch eine Mandatssteuer abgelöst werden sollte. Da geringere Austrittszahlen keine Aussage über die Gläubigkeit bzw. Kirchenbindung der Mitglieder aussagt, sollten sich die betroffenen Kirchen aber wohl nicht allzu viel an evangelisierendem Schwung erwarten. Im Blick auf das Grundrecht auf Religionsfreiheit, die Neutralität des Staates und den allgemeinen Gleichheitssatz bleibt die rein mitgliederbasierte Finanzierung der Religion, welche der Kirchenbeitrag garantiert, aber das weitaus sensiblere System.


[1] Dritte Verordnung des Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über die Erhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich, GBI. f. d. L. Ö. Nr. 45/1940.

[2] Dies war nur aufgrund einer sehr engen Interpretation von § 1 Abs. 1 des Rechts-Überleitungsgesetzes 1945 möglich. Dieser für die Gründungsgeschichte der Zweiten Republik bedeutungsvollen Norm zufolge wurden alle nach dem 13. März 1938 erlassenen Gesetze und Verordnungen sowie alle einzelnen Bestimmungen in solchen Rechtsvorschriften aufgehoben, die mit dem Bestand eines freien und unabhängigen Staates Österreich oder mit den Grundsätzen einer echten Demokratie unvereinbar waren, die dem Rechtsempfinden des österreichischen Volkes widersprachen oder typisches Gedankengut des Nationalsozialismus enthielten.

[3] Im entsprechenden Steuerformular gibt es die Wahlmöglichkeit zwischen folgenden Zwecken: Bekämpfung des Hungers in der Welt; Katastrophenhilfe; Flüchtlingshilfe; Erhaltung von Schulgebäuden; Erhaltung von Kulturgütern.