Von Yasmin Kainer.
Ordensleben und Ehe – zwei Lebensformen, die sich grundsätzlich gegenseitig ausschließen. Mit der Entscheidung, in ein Kloster einzutreten, wählt man ein eheloses Leben. In diesem Sinne regelt c. 643 § 1 CIC, dass eine bestehende Ehe ein Zulassungshindernis zum Noviziat darstellt. In der Praxis kommt es jedoch gar nicht so selten vor, dass Menschen, die staatlich geschieden sind, kirchlich aber noch als verheiratet gelten, den Wunsch äußern, Mitglied eines Religioseninstituts zu werden und in diesem auch Gelübde ablegen möchten. Der folgende Artikel präsentiert zwei Wege, die beschritten werden können, um einer geschiedenen Person die Aufnahme zu ermöglichen.
Ehenichtigkeitsverfahren
Der einfachere und verbreitetere Weg ist der Versuch, die Ehe kirchlich auflösen zu lassen oder die Nichtigkeit der Ehe kirchlich feststellen zu lassen, wofür es folgende Formen von kirchlichen Eheverfahren gibt:
- Feststellung der Nichtigkeit der Ehe auf dem Verwaltungsweg bei rein standesamtlicher Eheschließung: Wurde die Ehe nur standesamtlich geschlossen ohne kirchliche Trauung, ist die Ehe aus kirchlicher Sicht nie gültig zustandegekommen. In diesem Fall kann die Nichtigkeit der Ehe vom bischöflichen Ordinariat in einem Verwaltungsverfahren festgestellt werden.
- Nichtigkeitserklärung im Dokumentenverfahren bei Formmangel oder nicht dispensiertem trennenden Ehehindernis: Hat bei der Eheschließung ein Geistlicher assistiert, der keine Trauvollmacht hatte, liegt ein Formfehler vor. Bestand ein Ehehindernis, von dem keine Dispens erteilt wurde (z. B. nahe Verwandtschaft), wurde die Ehe ungültig geschlossen. In beiden Fällen kann die Ehe in einem Dokumentenverfahren für nichtig erklärt werden.
- Verfahren zur Auflösung einer nicht vollzogenen Ehe (Inkonsummationsverfahren): Unauflöslich ist eine gültige und vollzogene Ehe. Wurde eine Ehe zwar gültig geschlossen, aber nie vollzogen, kann über ein beim päpstlichen Gerichtshof, der Römischen Rota, eingerichtetes Büro beim Papst die Auflösung der Ehe beantragt werden.
- Privilegium Paulinum: Das Privilegium Paulinum ermöglicht bei bestimmten nichtsakramentalen Ehen die Trennung vom Ehegatten und die erneute Heirat. Bei einem Eintritt ins Noviziat kann es allerdings nicht angewendet werden.
- Verfahren zur Auflösung einer nichtsakramentalen Ehe nach dem Privilegium Petrinum: Für eine nichtsakramentale Ehe (Ehe mit einer nicht getauften Person) kann beim Papst um die Auflösung der Ehe angesucht werden. Wichtige Voraussetzung ist, dass derjenige, der die Auflösung beantragt, nicht die Schuld am Scheitern der Ehe trägt.
- Gerichtliches Ehenichtigkeitsverfahren: Kommt keine der oben aufgeführten Möglichkeiten in Betracht, bleibt noch die Möglichkeit eines gerichtlichen Ehenichtigkeitsverfahrens vor dem Diözesangericht, wo es Beratungsstellen gibt, die Auskunft darüber erteilen, ob und aus welchem Grund ein Ehenichtigkeitsverfahren möglich ist.
Im Fall eines negativen Ausgangs des Verfahrens, kann man versuchen, die Dispens vom Hindernis der bestehenden Ehe zu beantragen.
Die Möglichkeit der Dispens
Die Möglichkeit, eine Dispens vom Zulassungshindernis der bestehenden Ehe zu beantragen, ist in der Praxis wenig bekannt, wodurch eventuell ein Weg nicht genutzt wird, um einem Geschiedenen den Eintritt in ein Religioseninstitut zu ermöglichen. Beantragt wird die Dispens von dem höheren Oberen des Religioseninstituts, der für die Aufnahme in das Noviziat zuständig ist, beim Dikasterium für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens. Für eine Antragsstellung werden folgende Dokumente benötigt:
- ein vom Kandidaten geschriebener Antrag um Dispens mit ausreichender Begründung
- sein Lebenslauf
- ein Bericht, der Informationen darüber enthält, weshalb die Ehe gescheitert ist und welcher der beiden Ehepartner daran schuld ist
- ein Bericht, der Auskunft über die während der Ehe geborenen Kinder sowie über die eventuell noch bestehenden Verpflichtungen unterschiedlicher Art ihnen gegenüber gibt
- eine Bescheinigung des Ortsbischofs oder des Kanzlers der Kurie, die zum Ausdruck bringt, dass der andere Ehepartner dem Eintritt zustimmt und alle die Ehe betreffenden Rechte für immer aufgibt
- ein Dokument, dass die unwiderrufliche, einvernehmliche und rechtmäßige Trennung der Partner notariell bescheinigt, sowie den gegenseitigen Verzicht auf jegliche ehelichen Ansprüche
- weitere Dokumente, die die kirchliche wie auch die standesamtliche Eheschließung sowie die Trennung beziehungsweise Scheidung bezeugen
- eine Empfehlung über die Reife, die Freiheit und die Motivation des Eintrittswilligen, verfasst vom Ortsbischof oder einem Priester, der die Person gut kennt
- ein Brief des Institutsoberen, der Aufschluss über die Konsultationen den Kandidaten betreffend innerhalb des Religioseninstituts gibt und dessen Aufnahme positiv beurteilt
Möglicherweise verlangt das Dikasterium außerdem ein Verfahren zur Trennung von Ehegatten bei bleibendem Eheband vor dem Diözesanbischof (cc. 1151–1155 und 1692–1696 CIC). Maßgeblich für die Gewährung der Dispens ist, dass keine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem anderen Ehegatten und den Kindern bestehen, was bedeutet, dass die Kinder volljährig sein und ihre Ausbildung abgeschlossen haben müssen.
Die Verantwortung des Institutsoberen
Gemäß c. 641 CIC ist es die Aufgabe des Institutsoberen darüber zu entscheiden, ob eine Person zum Noviziat zugelassen werden kann. In diesem Sinne obliegt es ihm zu prüfen, ob ein Kandidat geeignet ist und welche Motive ihn dazu bewegen, den Eintritt in das Institut zu beantragen.
In unserem konkreten Beispiel des Aufnahmewunsches einer verheirateten und geschiedenen Person in die Gemeinschaft, scheint es notwendig, dass sich der zuständige Obere über gewisse Punkte informiert. Zunächst sollte er versuchen, Auskunft darüber zu erhalten, wie die Ehe gelebt wurde und was schließlich zur Trennung geführt hatte. In diesem Zusammenhang ist die Tatsache von Bedeutung, welchem der beiden Ehepartner die Schuld an der Scheidung zukommt. Im Falle einer bereits vorhandenen Nichtigkeitserklärung der Ehe sollte er der Frage nachgehen, was der Grund oder die Gründe waren, dass die Eheschließung für nichtig erklärt wurde. Besondere Vorsicht sollte geboten sein, wenn psychische Gründe dahinter liegen, da das Ordensleben eine gewisse geistige Gesundheit wie auch eine gefestigte Persönlichkeit verlangt.
Es besteht die Möglichkeit für den Oberen psychologische Hilfsmittel in Anspruch zu nehmen, um eine Vorstellung über die Eignung einer Person aus diesem Blickwinkel heraus zu bekommen. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass die tatsächliche Berufung eines Menschen dadurch letztlich wohl nicht festgestellt werden kann.
Wenn der Weg der Anfrage um Dispens beschritten wird, sollte der Obere diesen Punkten ebenfalls mit großer Sorgfalt nachgehen, bevor er den Antrag mit den notwendigen bereits genannten Dokumenten an das Dikasterium in Rom weiterleitet.
Auch wenn all diese Dinge vor der Zulassung berücksichtigt werden müssen, darf man nicht vergessen, dass die Aufnahme nur der erste Schritt ist. Die Zeit des Noviziats dient in weiterer Folge dazu, die Berufung des Kandidaten zu vertiefen und das Leben des Instituts von innen her kennenzulernen, um daraus zu schließen, ob der gemeinsame Weg weiter gegangen werden kann (vgl. c. 646 CIC).
Eine Alternative
Tatsche ist, dass beide vorgestellten Verfahren negativ ausgehen können, was zur Konsequenz hat, dass der Kandidat nicht wie gewünscht ins Noviziat zugelassen werden kann mit dem Ziel in Folge Profess abzulegen. In diesem Fall könnte noch ein anderer Weg beschritten werden, um der Person ein Leben in einem Religioseninstitut zu ermöglichen. Man kann darum bitten, als Regular- oder Klaustraloblate aufgenommen zu werden, insofern das Eigenrecht des Instituts diese Alternative bietet. Konkret bedeutet dies, dass zwar keine Gelübde abgelegt werden können, auf der anderen Seite erlaubt es aber das Leben der Gemeinschaft zu teilen.
Weiterführende Literatur
Yasmin Kainer / Daniel Tibi: „Die Aufnahme Geschiedener in das Noviziat. Kirchenrechtliche Grenzen und Möglichkeiten“, in: Erbe und Auftrag 100 (2024), S. 311–321, DOI: 10.15496/publikation-109760.
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