Kirchlicher Rechtsschutz in Verwaltungsangelegenheiten

Von Daniel Tibi. ORCID logo

„Für die katholische Kirche ist es wichtig, dass Entscheidungen so an das Recht gebunden sind, dass allgemeine, als legitim anerkannte Regeln der Fairness, Transparenz und Kontrolle umfassend gesichert werden, sodass Willkür wirksam ausgeschlossen wird. […] Das wird ermöglicht durch eine wirksame Verbesserung der Möglichkeit für die Gläubigen, bei einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit bzw. beim Apostolischen Stuhl ihre Rechte geltend zu machen“1 Die Einführung einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit und damit die Verbesserung des kirchlichen Rechtsschutzes in Verwaltungsangelegenheiten ist eine zentrale Forderung des Synodalen Wegs in Deutschland. Eine Forderung, die nicht neu ist. Eigentlich waren bei der Reform Codex Iuris Canonici, des kirchlichen Gesetzbuches, Anfang der 1980er Jahre bereits kirchliche Verwaltungsgerichte vorgesehen, und die Würzburger Synode (1971–1975) hatte in Erwartung der Einführung solcher Gerichte bereits eine vollständige kirchliche Verwaltungsgerichtsordnung für die deutschen Bistümer erarbeitet. Allerdings kam es anders als erhofft, denn in der letzten Bearbeitungsphase der Reform des kirchlichen Gesetzbuches wurden die kirchlichen Verwaltungsgerichte wieder aus dem Gesetzestext entfernt. Dieser Artikel verschafft einen kurzen Überblick über die Hintergründe, die bestehenden Möglichkeiten des kirchlichen Rechtsschutzes in Verwaltungsangelegenheiten sowie über Möglichkeiten für die weitere Entwicklung.

Einzelverwaltungsakte

Wenn von Rechtsschutz in kirchlichen Verwaltungsangelegenheiten die Rede ist, geht es um die Möglichkeiten, die das Kirchenrecht bietet, um gegen einen Verwaltungsakt für Einzelfälle der kirchlichen Autorität vorzugehen. Dies kann ein Dekret sein, mit dem eine Kirche geschlossen wird, oder mit dem Pfarreien zusammengelegt werden, oder mit dem ein Pfarrer versetzt oder aus dem Amt entlassen wird, oder mit dem einem angehenden Religionslehrer die missio canonica verweigert wird, oder vieles Ähnliche mehr. Grundsätzlich sind zwei Möglichkeiten eines Rekurses gegen solche Dekrete denkbar: das Vorgehen auf dem Verwaltungsweg, das nach geltendem Recht mir den hierarchischen Rekurs gegeben ist, und das Vorgehen auf dem Gerichtsweg, das nach geltendem allerdings Recht nicht vorgesehen ist.

Ein Einzelverwaltungsakt kann ein Dekret sein, mit dem eine Kirche geschlossen wird, oder mit dem Pfarreien zusammengelegt werden, oder mit dem ein Pfarrer versetzt oder aus dem Amt entlassen wird, oder mit dem einem angehenden Religionslehrer die missio canonica verweigert wird, oder vieles Ähnliche mehr.
(Foto: Daniel Tibi)

Rechtsschutz auf dem Verwaltungsweg: Der hierarchische Rekurs

Vorgehen auf dem Verwaltungsweg, hierarchischer Rekurs genannt, bedeutet kurz gesagt, dass der kirchliche Obere des Verfassers des Dekrets angegangen wird mit der Bitte, das Dekret zu überprüfen und aufzuheben oder abzuändern. Der kirchliche Obere eines Diözesanbischofs ist unmittelbar der Papst, sodass sich ein Rekurs auf dem Verwaltungsweg gegen ein Dekret des Bischofs an das zuständige Dikasterium des Apostolischen Stuhls richtet, das im Auftrag des Papstes über einen solchen Rekurs entscheidet. Das geltende Kirchenrecht schreibt in den cc. 1732–1739 CIC eine Verfahrensordnung für solche Rekurse vor. Zunächst ist innerhalb einer bestimmten Frist eine Bitte um Aufhebung oder Abänderung des Dekrets an dessen Verfasser zurichten. Bleibt dieser Versuch erfolglos, ist wiederum innerhalb einer bestimmten Frist ein Rekurs an den hierarchischen Oberen möglich. Der Vorteil dieser Vorgehensweise auf dem Verwaltungsweg ist die niederschwellige Zugänglichkeit und die schnelle und effiziente Erledigung solcher Rekurse. Es besteht kein Zwang, sich eines kirchlichen Anwalts zu bedienen und es werden keine Verwaltungsgebühren erhoben. Rekurse an den Apostolischen Stuhl müssen nicht zwangsläufig in Italienisch oder gar Latein verfasst sein. Jede verbreitete moderne Sprache wird dort akzeptiert. Ein Rekursverfahren beim Apostolischen Stuhl lässt sich also problemlos auf Deutsch führen. Der Nachteil ist allerdings, dass der Rekurrent in dem Über- und Unterordnungsverhältnis der kirchlichen Hierarchie verbleibt. Er ist Bittsteller vor einer übergeordneten Autorität, die zwar an Recht und Gesetz gebunden ist, aber nicht vollständig neutral ist, denn sie repräsentiert die kirchliche Verwaltung und hat auch immer deren Interessen mit im Sinn.

Foto: Daniel Tibi
Der hierarchische Rekurs bietet Rechtsschutz auf dem Verwaltungsweg.
(Foto: Daniel Tibi)

Kirchliche Verwaltungsgerichte

Anders sähe es bei kirchlichen Verwaltungsgerichten aus. Wäre eine Klage gegen ein Dekret des Bischofs vor einem kirchlichen Verwaltungsgericht möglich, wären Kläger und Bischof (oder eine andere kirchliche Autorität) gleichberechtigte Parteien vor einem neutralen Richterkollegium, das an Recht und Gesetz gebunden ist und weder die eine noch die andere Seite repräsentiert. Dadurch wäre der Kläger nicht mehr untergeordneter Bittsteller, sondern gleichberechtigter Prozessbeteiligter. Üblicherweise dauern Gerichtsverfahren allerdings länger als ein Rekurs auf dem Verwaltungsweg. Außerdem ist davon auszugehen, dass sie teurer wären, denn vermutlich würden Gerichtsgebühren anfallen und eventuell Kosten für einen kirchlichen Anwalt. Verwaltungsgerichte auf teilkirchlicher Ebene waren bei der Reform des kirchlichen Gesetzbuchs in allen Entwurfsstadien vorgesehen. Als Papst Johannes Paul II. zusammen mit einem kleinen Beraterstab den letzten Entwurf vor dem Inkraftsetzen durchgearbeitet hat, wurden die Normen Verwaltungsgerichte auf teilkirchlicher Ebene betreffend auf seine Veranlassung hin wieder aus dem kirchlichen Gesetzbuch gestrichen. Die Gründe dafür sind nicht genau bekannt. Vermutlich dürften zwei Gründe wesentlich gewesen sein: Zum einen ist der kirchliche Obere eines Bischofs unmittelbar der Papst, sodass nur der Papst über die Rechtmäßigkeit eines Dekrets eines Bischofs urteilen darf. Zum anderen wäre der Rechtsschutz durch Verwaltungsgerichte in verschiedenen Regionen der Weltkirche unterschiedlich. Im deutschsprachigen Raum wäre die Einrichtung von kirchlichen Verwaltungsgerichten kein Problem. Durch Kirchensteuer und Kirchenbeitrag sind die deutschsprachigen Bistümer in der Lage, Verwaltungsgerichte zu finanzieren. Außerdem ließe sich im deutschsprachigen Raum genug qualifiziertes Personal für die Besetzung von kirchlichen Verwaltungsgerichten finden. Anders sähe es in anderen Teilen der Weltkirche aus, wo die finanzielle und personelle Ausstattung von Verwaltungsgerichten die Bischöfe vor große Herausforderungen stellen würde. Beide Argumente überzeugen aber nicht wirklich. Wäre ein Verwaltungsgericht auf teilkirchlicher Ebene vom Papst durch Normen im allgemeinen Recht oder ein Spezialmandat der päpstlichen Justizaufsichtsbehörde der Apostolischen Signatur legitimiert, könnten die Richter im Auftrag des Papstes auch über Dekrete von Bischöfen urteilen. Ein unterschiedliches Rechtsschutzniveau in verschiedenen Teilen der Weltkirche ließe sich hinnehmen. Bei Ehenichtigkeitsverfahren gibt es schließlich auch eine unterschiedlich leichte oder schwierigere Zugänglichkeit in verschiedenen Regionen, was kein Argument für die Abschaffung solcher Verfahren ist.

Kirchliche Verwaltungsgerichte auf teilkirchlicher Ebene sieht das allgemeine Kirchenrecht nicht vor.
(Foto: Daniel Tibi)

Die Apostolische Signatur als Verwaltungsgericht

Ein kirchliches Verwaltungsgericht gibt es allerdings doch: die Apostolische Signatur. Seit 1967 ist sie neben ihren anderen Funktionen auch päpstliches Verwaltungsgericht, das über Klagen gegen Dekrete eines Dikasteriums des Apostolischen Stuhls bei behaupteten Rechtsverletzungen urteilt. Hat ein Dikasterium des Apostolischen Stuhls in letzter Instanz über einen hierarchischen Rekurs gegen ein Dekret entschieden, besteht die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung Klage bei der Apostolischen Signatur einzulegen.

Ausblick

Wie sehen nun die Möglichkeiten aus, eine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit auf teilkirchlicher Ebene zu etablieren? Fest steht, dass dazu auf jeden Fall die Erlaubnis der Apostolischen Signatur als päpstlicher Justizaufsichtsbehörde erforderlich ist. Im Jahr 1993 hat der Bischof des Erzbistums Milwaukee (Wisconsin, USA) ein Gericht eingerichtet, bei dem Klagen gegen Verwaltungsakte einer dem Bischof unterstellten Autorität eingelegt werden konnten. Klagen gegen Dekrete des Bischofs waren nicht möglich. Rechtlich handelt es sich dabei aber nicht um ein eigentliches Verwaltungsgericht, sondern um eine gerichtliche Bearbeitung von hierarchischen Rekursen, über die Richter im Auftrag des Bischofs urteilten. In Deutschland gibt es mit Erlaubnis der Apostolischen Signatur kirchliche Datenschutzgerichte erster und zweiter Instanz, die rechtlich zwar Verwaltungsgerichte sind, aber nur für den Spezialbereich des kirchlichen Datenschutzrechts zuständig sind. Ein Versuch, kirchliche Verwaltungsgerichte auf teilkirchlicher Ebene zu errichten, die auch über Dekrete von Bischöfen urteilen, steht noch aus. Dem Vernehmen nach haben die deutschen Bischöfe vor Kurzem einen solchen Vorstoß gewagt. Die Kirchenrechtler Ludwig Schick, emeritierter Erzbischof von Bamberg, und Dominicus M. Meier OSB, Weihbischof in Paderborn, sowie der staatliche Jurist Klaus Rennert, ehemals Präsidenten des deutschen Bundesverwaltungsgerichts, sollen einen Entwurf für eine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland erarbeitet haben, der zurzeit der Apostolischen Signatur vorliegen soll. Darin sollen für Deutschland vier kirchliche Verwaltungsgerichte erster Instanz (jeweils eines in Freiburg, Köln, München und Paderborn) vorgesehen sein, die mit kirchlichen und staatlichen Juristen besetzt werden sollen. Ein kirchliches Verwaltungsgericht zweiter Instanz soll nach dem Entwurf in Bonn eingerichtet werden und mit einem Bischof als Gerichtspräsidenten besetzt werden. Vor diesem Gericht wären nach dem Entwurf auch Klagen gegen Dekrete eines Bischofs möglich. Dritte Instanz wäre die Apostolische Signatur. Sollten die deutschen Bischöfe mit ihrem Vorhaben erfolgreich sein, könnten sie eine Vorreiterrolle für die Verbesserung des kirchlichen Rechtsschutzes in Verwaltungsangelegenheiten einnehmen.

Anmerkungen

1 Büro des Synodalen Wegs (Hrsg.): Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag. Grundtext (Der Synodale Weg 3), Bonn 2022, URL: kurzelinks.de/SW2022GrundtextMachtUndGewaltenteilung, Nr. 72 (S. 39–40).


Titelbild: Daniel Tibi