DOI: 10.25365/phaidra.461
2012 trat das Motu Proprio Intima Ecclesiae natura (IEN) über den Dienst der Liebe in Kraft, in dem eine rechtliche Regelung der Caritas vorgenommen wird. Es handelt sich hierbei nicht um die ersten kanonistischen Bestimmungen im Bereich der Caritas. Bereits im Vorfeld wurde die Thematik im CIC, in der Enzyklika Deus caritas est (DCE) oder im Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe Apostolorum Successores (AS) behandelt, jedoch findet sich in diesen Dokumenten keine abgeschlossene Behandlung. Hingewiesen sei auf den c. 215 CIC, in dem den Gläubigen das Grundrecht der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zugesprochen wird, wobei die Ausübung der Caritas ausdrücklich als ein Zweck genannt wird und auf die besondere Bedeutung, die dem Bischof zugesprochen wird (c. 394 CIC; AS, n. 194). Besonders der zweite Aspekt wurde in IEN weiter entfaltet, denn von den 15 Artikel beschäftigen sich elf mit den Aufgaben des Bischofs.
In einem ersten Schritt sollen einige Aspekte des Motu Propriums (= MP) dargelegt werden, wobei in diesem Artikel nur jene Normen Erwähnung finden können, die für die Organisation der verbandlichen Caritas auf diözesaner Ebene von Relevanz sind, wobei erwähnt werden sollte, dass im MP auch andere Aspekte behandelt werden, wie etwa die pfarrliche oder überdiözesane Ebene oder die Einrichtung anderer karitativer Vereinigungen. Besonders soll auf den geforderten katholischen Charakter der Mitarbeiter*innen eingegangen werden, wobei dieser anhand der Statuten des Kärntner Caritasverbands konkretisiert wird. Abschließend soll der Befund durch einen Blick auf die Loyalitätsobliegenheiten im kirchlichen Arbeitsrecht vervollständigt werden.
Einblicke in das MP Intima Ecclesiae natura
Das MP bestätigt, dass die Gläubigen das Recht haben, sich zu Vereinen oder Stiftungen zusammenzuschließen, um im karitativen Dienst tätig zu werden. Wenn diese Organisationen jedoch in Verbindung mit den bischöflichen karitativen Werken stehen oder aus diesem Grund die Unterstützung der Gläubigen in Anspruch nehmen wollen, müssen ihre Statuten von der kirchlichen Autorität, das ist auf diözesaner Ebene der Diözesanbischof, genehmigt werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Vereinigungen auf Basis von katholischen Prinzipien handeln. Diese Information soll auch eine Grundlage für das Engagement und die finanziellen Hilfestellungen der Gläubigen darstellen. Bezüglich der Ausformulierung der Statuten wird normiert, dass in diesen auf institutionelle Ämter und Führungsstrukturen, die Leitmotive und Ziele der Organisation, die Verwaltung der Geldmittel, das Mitarbeiter*innenprofil und die der kirchlichen Autorität vorzulegenden Berichte und Informationen einzugehen ist.
Der Bischof wird als erster Verantwortlicher für den karitativen Dienst bezeichnet. In seinem Aufgabenbereich liegt etwa die Verantwortung unter den Gläubigen das Bewusstsein für den Dienst der Liebe zu wecken und Aktivität in diesem Bereich zu unterstützen. Weiters kommt ihm eine Aufsichtspflicht über das Vermögen karitativer Organisationen zu. Hierzu benötigt er Einsicht in die Finanzen der Organisationen, weshalb ihm jedes Jahr ein Rechenschaftsbericht vorzulegen ist.
Profil der Mitarbeiter*innen
Was die Auswahl der Mitarbeiter*innen betrifft, hat der Bischof darauf zu achten, dass diese die katholische Identität der Vereinigung mindestens respektieren. Ausdrücklich wird hier nicht gefordert, dass alle Mitarbeiter*innen katholisch sein müssen, wodurch es möglich ist, dass auch Personen mit einer anderen Religionszugehörigkeit beschäftigt werden können und im Bereich des Arbeitsrechtes ein großer Freiraum geschaffen wird. Allerdings muss beachtet werden, dass Nichtkatholiken in öffentlichen kanonischen Vereinen mit karitativen Zwecken zwar die Mitgliedschaft erlangen, jedoch keine Leitungsfunktionen besetzen können und sich auch nicht bei Abstimmungen beteiligen dürfen. In den Statuten kann jeweils geregelt sein, welche Formen der Mitgliedschaft vorgesehen sind, und welche Rechte und Pflichten mit diesen verbunden sind. Die Eingangsvoraussetzung für eine Aufnahme von Nichtkatholiken ist jedenfalls die Verpflichtung die katholische Identität zu teilen oder zumindest zu respektieren.
Dazu kommt, dass die Mitarbeiter*innen nicht bloß die geforderten beruflichen Kompetenzen aufweisen, sondern auch den christlichen Glauben in ihrem Wirken ausdrücken sollen. Hierzu soll der Bischof Angebote für das spirituelle Leben der Mitarbeiter*innen sowie für ihre theologische und pastorale Ausbildung zur Verfügung stellen. Diese Maßnahme ist ein weiterer Schritt, der dazu beitragen soll, dass die katholische Identität der Vereinigungen gesichert und erhalten bleibt.
Praxisbeispiel: Kärntner Caritasverband
Seit 2012 haben sich in Österreich die Statuten von fünf der neun diözesanen Caritasverbände geändert. Die restlichen Statuten bleiben unverändert bestehen, da in IEN eine rückwirkende Kraft des Gesetzes nicht ausdrücklich angeordnet wird. Allerdings wird das Profil der Mitarbeiter*innen in den verfügbaren Statuten nur vom „Kärntner Caritasverband für Wohlfahrtspflege und Fürsorge“ behandelt. Hierbei wird die Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche ausdrücklich als Voraussetzung für eine Aufnahme in den Verein genannt. Damit übereinstimmend kann ein Austritt aus jener ebenso wie die Verletzung des Ansehens der Kirche oder eines ihrer Vertreter zum Ausschluss eines Mitgliedes führen. Darüber hinaus findet sich die ausdrückliche Verpflichtung aller Mitglieder alles zu unterlassen, das der römisch-katholischen Kirche Schaden zufügen könnte. Hier kommt es also zu einer sehr engen Auslegung der Normen aus IEN, da sogar eine Fokussierung auf die Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche und gleichzeitig auch eine Absicherung gegen schädliches Verhalten von Mitgliedern vorgenommen wurde.
Kirchliches Arbeitsrecht: Loyalitätsobliegenheiten
Der Umstand, dass die übrigen Statuten nicht explizit darauf eingehen, dass ihre Mitglieder der katholischen Kirche angehören oder deren Werte zumindest respektieren müssen, sagt allerdings nicht aus, dass in diesen Fällen keine Verpflichtungen in diesem Bereich vorhanden wären. Generell steht es den anerkannten Kirchen- und Religionsgesellschaften frei, Vorgaben für ihre Personalauswahl festzulegen, und die Arbeitnehmer*innen im Arbeitsvertrag darauf zu verpflichten. Hierbei wird meist auf einen Lebenswandel verwiesen, der mit dem kirchlichen Ansehen vereinbar ist. Allerdings ist eine Abstufung der Loyalitätsobliegenheiten je nach konkretem Arbeitsbereich vorzunehmen. Maßgebend ist, wie nahe eine Aufgabe dem Kern des Sendungs- und Verkündigungsauftrags steht. In religionsspezifischen Arbeitsfeldern kommt ihnen daher größere Bedeutung zu als in eher allgemeineren Bereichen. Die konkrete Beurteilung, ob eine Handlung im Gegensatz zur Glaubens- und Sittenlehre steht, ist Sache der Religionsgemeinschaft, da es sich hierbei um eine innere Angelegenheit gemäß Art. 15 StGG handelt.
Fazit
Die Sorge um den Lebenswandel und die katholische Ausrichtung der Mitarbeiter*innen verdeutlichen die Bemühungen der katholischen Kirche, den karitativen Dienst gemäß ihren Grundsätzen zu organisieren und die katholische Identität der Vereinigung hervorzuheben, sodass sich diese deutlich von anderen nichtkirchlichen gemeinnützigen Organisationen abheben.
Weiterführende Literatur
Hierold, Alfred E., Papst Benedikt XVI. und die Organisation der Caritas, in: Markus Graulich – Matthias Pulte – Thomas Meckel (Hgg.), Ius canonicum in communione christifidelium [FS Heribert Hallermann] (Kirchen- und Staatskirchenrecht 23), Paderborn 2016, 365–375, DOI: 10.30965/9783657785650_021.
Pree, Helmuth, Das Motu Proprio Intima Ecclesiae Natura (IEN) über den Dienst der Liebe, in: AfkKR 181/2 (2012) 361–385, DOI: 10.30965/2589045X-18102001.
Titelbild: Sabine van Erp / Pixabay