Von Ordensfrauen und Pro-Präfekten

Die katholische Medienlandschaft wurde zuletzt überschwemmt von Stellungnahmen zu den neuesten Nachrichten über die Vorgänge in Rom. Der Heilige Vater hat eine Ordensschwester zur Präfektin des Dikasteriums „für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens“ bestellt und ihr einen Kardinal als Pro-Präfekten – an die Seite gestellt? Vorgesetzt? Untergeordnet? Hier beginnt die Verwirrung. Sollen sich die deutschen Bischöfe freuen, weil endlich eine Frau in einem hohen Amt der Struktur der Gesamtkirche eine echte Leitungsfunktion übernommen hat, oder sollen sie sich ärgern, weil ihr zum Setzen eigentlicher Akte der Leitungsgewalt ein Kardinal zugeordnet wurde? Man bekennt im Allgemeinen, dass eine Antwort hierzu nicht gegeben werden kann, weil keine Klarheit besteht über die Rolle des sogenannten neuen Pro-Präfekten. Die Theologen, die das Zweite Vatikanum noch rezipieren, schlagen Alarm, weil sie die Teilung von Weihe und Leitungsgewalt mit Lumen Gentium für überwunden glaubten und sich zurückversetzt fühlen „ins Mittelalter“, als Fürstbischöfe ohne Weihe regierten und zu diesem Zweck einen Weihbischof erhielten, der die geistlichen Amtspflichten übernahm.

Die Kanonisten fühlen sich – zumindest in Deutschland – auf den Schlips getreten, sonst wohl auf den Priesterkragen. Sollte nämlich ein Laie jetzt echte kirchliche Leitungsgewalt ausüben, noch dazu in einem Dikasterium, das von Grund auf äußerst eng mit der Ausübung kirchlicher Leitungsgewalt verbunden ist, hätte sich der Heilige Vater auch dazu entschieden, das kirchliche Gesetzbuch zu übergehen, das für alle anderen Mitglieder der Kirche bindend ist. Can 129 § 1 schreibt eine Befähigung, kirchliche Leitungsgewalt zu übernehmen, denen zu, die eine heilige Weihe empfangen haben. Die Ordensfrau ist rechtlich aber ein Laie. Sie allerdings dürfte das geltende Recht nicht ignorieren. Es bleibt unklar, ob der Heilige Stuhl dieses Problem anerkennt, weil nicht sicher ist woher die Amtsgewalt der Leiter der Kurialbehörden kommen soll. Leiten sie gänzlich aufgrund der Amtsgewalt des Papstes oder setzen sie die Akte der Leitungsgewalt in der Ausübung ihres Amtes aufgrund der eigenen Leitungsvollmacht, die sie durch ihre Heilige Weihe empfangen haben. Diese Frage wollte Praedicate Evangelium eigentlich geklärt haben, indem hier ausgedrückt wurde, dass die Amtsvollmacht tatsächlich vom Papst herrührt. Das bedeutete eine krasse Stärkung des päpstlichen Primates gegenüber den übrigen Bischöfen. Demnach wäre ein von Laien geleitetes Dikasterium aber kein Problem, was ohnehin schon zum Ausdruck gebracht werden wollte durch die Einsetzung eines Laien an der Spitze des Dikasteriums für die Kommunikation. In diesem Sinne, durch Praedicate Evangelium vorbereitet, müssten sich die Freunde des II. Vaticanums leise ärgern ob der Schwächung der bischöflichen Kollegialität. Wozu braucht es dann aber einen Pro-Präfekten? Sollte der Papst das geltende Recht aber wirklich nicht beachten wollen, bleibt den Kanonisten allerdings eben die kleine Möglichkeit zur Feststellung, dass der Papst ohnehin über den Canones steht. Die Moraltheologen müssten sich mit diesem Stil der Kirchenleitung indes tatsächlich beschäftigen. Auf Stellungnahmen bliebe zu warten.

Klar ist, dass das Amt eines Pro-Präfekten in Praedicate Evangelium ausschließlich für das Dikasterium der Evangelisierung vorgesehen ist, wo sich der Papst – der großen Bedeutung dieses Dikasteriums wegen – dessen Leitung selbst vorbehalten hat und dafür eben einen Pro-Präfekten als seinen Vertreter eingesetzt hat. Der neue Pro-Präfekt des Dikasteriums für die Ordensleute sieht sich aber mit der Situation konfrontiert, dass die ehemalige Sekretärin desselben jetzt den Präfektentitel trägt. Der Präfekt leitet üblicherweise das Dikasterium. Eine Sonderregelung für das Dikasterium für die Ordensleute ist in PE nicht vorgesehen. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass vor der apostolischen Konstitution Pastor Bonus ein Erzbischof, der zur Leitung eines Dikasteriums berufen wurde und noch nicht Kardinal war, bis zu seiner Kardinalserhebung Pro-Präfekt genannt wurde. Auch in diese Kategorie lässt sich Pro-Präfekt Kardinal Ángel Fernández Artime nicht einordnen.

Die Verwirrung ist perfekt. Dass sie gewollt wäre, müsste man unterstellen. Der Heilige hat Vater eine „Wirklichkeit“ geschaffen und bittet nun offensichtlich die Idee, sich nach seinem Grundsatz „Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee“ (Evangelii Gaudium) der neuen Wirklichkeit unterzuordnen. Sicher wäre es sinnvoll einmal bei Machiavelli nachzulesen, ob sich hier Hinweise auf ein taktisches Vorgehen finden ließen. Das wäre eine Idee, um die nächsten Schritte abschätzen zu können, wodurch zumindest eine Ahnung von Stabilität erreicht werden könnte.

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