Unterstützung für Mithilfe. Zur Finanzierung anerkannter Religionsgemeinschaften in Ungarn

Von Andrian M. Pfeiffer 

DOI: 10.25365/phaidra.574

Nach Reform der ungarischen Verfassung aus dem Jahr 1949, notwendig geworden durch den Untergang des Sozialismus im Jahr 1989, gab sich der ungarische Staat zu Ostern 2011 eine neue Verfassung. Hier wurde auch der Umgang des Staates mit der Religion geregelt. Die neue Präambel enthält ein starkes Bekenntnis zum Christentum. Ihr wurde der Satz vorangestellt: „Gott segne die Ungarn!“. Weiter bekennt das Grundgesetz deutlich:

„Wir sind stolz darauf, dass unser König, der Heilige Stephan I., den ungarischen Staat vor tausend Jahren auf festen Fundamenten errichtete und unsere Heimat zu einem Bestandteil des christlichen Europas machte.

(…)

Wir erkennen die Rolle des Christentums bei der Erhaltung der Nation an. Wir achten die unterschiedlichen religiösen Traditionen unseres Landes.“[1]

Art. VII des geltenden Grundgesetzes lautet:

(1) Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, die Religion oder eine sonstige Weltanschauung zu wählen oder zu wechseln, und die Freiheit, die Religion oder Weltanschauung durch religiöse Handlungen, Zeremonien oder auf sonstige Art und Weise einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat zu bekennen oder nicht zu bekennen, diese auszuüben oder zu unterrichten.

(2) Diejenigen, die die gleichen Glaubensgrundsätze befolgen, können zum Zwecke der Religionsausübung Religionsgemeinschaften gründen, deren Organisationsform durch Kardinalgesetz bestimmt wird.

 (3) Der Staat und die Religionsgemeinschaften wirken voneinander getrennt. Die Religionsgemeinschaften sind selbständig.

(4) Der Staat und die Religionsgemeinschaften können im Interesse von gemeinschaftlichen Zielen zusammenarbeiten. Über eine solche Zusammenarbeit entscheidet das Parlament auf Antrag der Religionsgemeinschaft. Die an einer solchen Zusammenarbeit teilnehmenden Religionsgemeinschaften funktionieren als anerkannte Kirchen. Der Staat gewährt anerkannten Kirchen mit Rücksicht auf ihre Teilnahme an der Wahrnehmung von Aufgaben zur Verwirklichung gemeinschaftlicher Ziele Sonderrechte.

(5) Die gemeinsamen Vorschriften über die Religionsgemeinschaften, die Voraussetzungen der Zusammenarbeit sowie die anerkannten Kirchen und die näheren Bestimmungen über anerkannte Kirchen regelt ein Kardinalgesetz.

Diese heute gültige Fassung des Artikels VII. gilt mit der fünften Änderung des Grundgesetzes seit 1. Oktober 2013. Durch Art. VII. Abs. 4 GrundG wurde eine Unterscheidung zwischen anerkannten und nicht anerkannten Religionsgemeinschaften eingeführt. Religionsgemeinschaften können nach § 9 (1) und (2) Gesetz Nr. CCVI/2011 mit dem Staat Kooperationsverträge abschließen

„über die Ausübung historischer und kultureller Werte, der Bildung, der Hochschulbildung, des Gesundheitswesens, der Wohltätigkeit, des Sozialen, des Familien-, Kinder- und Jugendschutzes, der kulturellen oder sportlichen Aktivitäten sowie anderer öffentlicher Aktivitäten auf der Grundlage ihrer historischen und sozialen Rolle, ihrer sozialen Akzeptanz, ihrer Einbettung, ihrer Organisation und ihrer Erfahrungen, die sie im Rahmen der von ihnen traditionell ausgeübten öffentlichen Aktivitäten gesammelt haben.“

Den anerkannten Religionsgemeinschaften werden auf Basis der Zusammenarbeit mit dem Staat Sonderrechte eingeräumt. Nach § 14 Gesetz Nr. CCVI/2011 gehört es u. a. zu den Anerkennungskriterien, dass „(a) der Antragsteller hauptsächlich religiöse Aktivitäten ausübt, ein Glaubensbekenntnis und einen Ritus hat, die den Kern seiner Lehre enthalten, der sich aus den Statuten ergibt;“, weiters, dass durch ihn keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht. Der Kriterienkatalog ist geregelt in §§ 9/D, 9/E, 14 u. 14A Gesetz Nr. CCVI/2011[2]. Eine vollständige Aufzählung würde den Rahmen des Artikels sprengen. Die Anerkennung erfolgt, nach Antragseinreichung beim zuständigen Minister, der die Vorgaben des Gesetzes prüft, durch das Parlament. Die Religionsgemeinschaft wird dann gerichtlich in das Register für anerkannte Kirchen eingetragen.

Solche Gemeinschaften sind heute die katholische Kirche, die calvinistische und die reformierte Glaubensgemeinschaft, verschiedene jüdische und christlich-orthodoxe Verbände, aber auch die Heilsarmee, Hare Krishna und der Islamrat in Ungarn, um nur einige zu nennen. Diese, nach ungarischem Recht anerkannten Religionsgemeinschaften können staatlich gefördert werden, durch Steuerbegünstigungen, finanzielle Zuschüsse, Zugang zu Krankenhäusern, Justizvollzugsanstalten oder militärischen Einrichtungen.

Die anerkannten Religionsgemeinschaften haben weiter das Recht ihren eigenen Religionsunterricht in öffentlichen Bildungseinrichtungen anzubieten und erhalten hierfür eine Kostenerstattung von staatlicher Seite. Der Staat unterstützt die religiös geführten Schulen und Universitäten finanziell stark.

Sozialcaritative und bildungsorientierte Einrichtungen werden im Allgemeinen vom Staat finanziert, unabhängig davon, ob sie in Trägerschaft religiöser Gemeinschaften oder in staatlicher Trägerschaft sind. Auch für Baudenkmäler in Besitz einer anerkannten Religionsgemeinschaft fließen staatliche Mittel, die allgemein für den Denkmalschutz bereitgestellt werden. Spenden der eigenen Gläubigen anzunehmen, liegt in der Verantwortung der Kirchen. Eine staatlich eingezogene oder erhobene „Kirchensteuer“ gibt es nicht. Den Religionsgemeinschaften kann der einzelne Einkommenssteuerpflichtige ein Prozent seiner Einkommenssteuer widmen. Diese Möglichkeit besteht bereits seit dem Jahr 1998. Im März 1998 konnte der Einkommenssteuerzahler zum ersten Mal ein Prozent seiner Einkommenssteuer für das Jahr 1997 einer Religionsgemeinschaft widmen. Das geschieht nach § 4/A des Gesetzes Nr. CXXVI von 1996 durch eine gesonderte Erklärung gegenüber der staatlichen Steuerbehörde. Diese überweist dann den gewidmeten Betrag an die begünstigte Religionsgemeinschaft. Über 60% der Steuerwidmungen begünstigten seitdem die katholische Kirche. Der Steuerzahler kann in der Steuererklärung verfügen, dass seine Postanschrift oder die Emailadresse dem Begünstigten mitgeteilt wird. Die Anzahl der Einkommenssteuerwidmer pro Gemeinde wird der Kirche seit 2017 durch die Steuerbehörden verpflichtend mitgeteilt. Seit 2013 ist diese Widmung nur noch für die anerkannten Religionsgemeinschaften möglich. Durch Einführung der Kata-Steuer seit 2011, einem pauschalen Steuersystem für geringbesteuerte Unternehmen (ungar. Abkürzung KATA), verlor die Rolle der Einkommenssteuer bei der Kirchenfinanzierung etwas an Bedeutung. Der Staat ergänzt aber den durch die Bürger gewidmeten Betrag, sodass effektiv ein Prozent der gesamten Einkommenssteuer proportional nach konfessioneller Verteilung der gewidmeten Steuer, unter den Kirchen verteilt wird.[3]

Der Staat finanziert die in Ungarn anerkannten Religionsgemeinschaften, aufgrund ihrer Bereitschaft zur Zusammenarbeit grundlegend mit. Grundfinanzierungen, beispielsweise Rentenzahlungen für im Kommunismus enteignete und (noch) nicht rückerstattete Immobilien, Unterstützungszahlungen für ländliche Gemeinden, Aufwendungsentschädigungen für Denkmalschutz und andere kulturelle Betätigungen, Religionsunterricht, sozialcaritative Tätigkeiten, usf., beliefen sich im Jahr 2018 auf ca. 77 Milliarden Forint.[4] Das sind knapp 190 Millionen Euro. In Deutschland hat allein das Erzbistum München und Freising, nur durch die Kirchensteuer, im selben Jahr 645 Millionen Euro erhalten.[5]


[1] https://njt.hu/jogszabaly/de/2011-4301-02-00 [29.10.24].

[2] Vgl. https://njt.hu/jogszabaly/2011-206-00-00, [29.10.2024].

[3] Vgl. Schanda, Balazs, State and Church in Hungary, in: Gerhard Robbers (Hg.), State and Church in the European Union, Baden-Baden 2019, 363-387, hier: 381.

[4] Vgl. Küpper, Herbert, Die Religionsfreiheit in Ungarn, in: Burkhard Breig (Hg.) Osteuroparecht 3/2018, Baden-Baden 2018, Seiten 347-367, hier: 366.

[5] Vgl. Finanzpressekonferenz des Erzbistums München und Freising am Donnerstag, 11. Juli 2019, in München [29.10.2024].

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